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6. Februar 2013 - 21:13
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Helmut S. - ADMIN
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Unser täglich' Fleisch: Lässt sich industrielle Tierproduktion verantworten?

 

Unser täglich' Fleisch: Lässt sich industrielle Tierproduktion verantworten?



► Tötungshemmungen des Menschen

Hat der Mensch Hemmungen, lebende Wesen - Menschen und Tiere, mit denen er sich mehr oder weniger identifiziert, das heißt, die ihm nicht völlig „fremd" sind und mit denen ihn affektive Bande verknüpfen - zu töten? Es spricht einiges dafür, dass derartige Hemmungen vorhanden sind und dass der Akt des Tötens ein Schuldgefühl nach sich zieht.

Viele bekunden eine unverkennbare Abneigung dagegen, ein Tier, mit dem sie vertraut waren oder das ihr Lieblingstier war - etwa ein Kaninchen oder eine Ziege - zu töten und zu essen. Es gibt sehr viele Menschen, die ein solches Tier niemals töten würden und für die der Gedanke, es aufzuessen, einfach abstoßend ist. Die gleichen Leute zögern aber in der Regel durchaus nicht, ein ähnliches Tier zu essen, wenn sie mit ihm nicht derart vertraut waren.

Es besteht jedoch nicht nur dann eine Hemmung, ein Tier zu töten, wenn man zu ihm ein persönliches Verhältnis hat, sondern auch dann, wenn ein Identitätsgefühl mit dem Tier als einem lebenden Mitgeschöpf vorhanden ist. [...] Das Gefühl der Identität mit allen Lebewesen, die mit dem Menschen die Eigenschaft des Lebens teilen, hat als wichtiges moralisches Dogma im Denken der Indianer Ausdruck gefunden und hat im Hinduismus zum Verbot geführt, überhaupt ein Tier zu töten
.


E. Fromm [3], Anatomie der menschlichen Destruktivität, GA VII, S. 108f.


► Tiere sind keine Mörder

Das Studium von Tieren zeigt, dass die Säugetiere - und besonders die Primaten - zwar ein gutes Maß defensiver Aggression besitzen, aber keine Mörder und Folterer sind. [... ] Der Mensch unterscheidet sich jedoch vom Tier dadurch, dass er ein Mörder ist. Er ist der einzige Primat, der seine Artgenossen ohne biologischen oder ökonomischen Grund tötet und quält und der dabei Befriedigung empfindet. Es ist diese biologisch nicht angepasste und nicht phylogenetisch programmierte „bösartige" Aggression, die das wirkliche Problem und die Gefahr für das Fortleben der Spezies Mensch ist."


E. Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität [4], GA VII, S. 4.

 

► Worin unterscheidet sich der Mensch vom Tier?

Es ist nicht der aufrechte Gang. Der war schon viel früher bei den Affen da, lange bevor sich das Gehirn weiterentwickelt hat. Es ist auch nicht die Benutzung von Werkzeugen, sondern es ist etwas entscheidend Neues, eine ganz andere Qualität: das Selbstbewusstsein. Das Tier hat auch ein Bewusstsein, es hat ein Bewusstsein von den Objekten, es weiß, das ist dies und das ist jenes. Aber als der Mensch geboren wird, da hat er ein anderes, ein neues Bewusstsein, nämlich das Bewusstsein von sich selbst: Er weiß, dass er ist und dass er anders ist, getrennt von der Natur, getrennt auch von anderen Menschen. Er erlebt sich selbst. Er ist sich bewusst, dass er denkt, dass er fühlt. Dafür gibt es - nach allem, was wir wissen - im Tierreich keine Analogie. Das ist das Spezifische, das den Menschen zum Menschen macht.


E. Fromm, Überfluss und Überdruss in unserer Gesellschaft (1983b [1971]), GA 11, S. 320.

 

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