Volksabstimmung in der Schweiz
Ist Rechtspopulismus in Europa im Aufwind?
Die Schweiz hat am 9.2.2014 in einer Volksabstimmung mit dem denkbar knappen Ergebnis von 50,3 % für eine Begrenzung der Zuwanderung gestimmt. Zugrunde liegt eine Initiative der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP Schweiz ), die die Abstimmung mit ihren Slogans „Zuwanderung stoppen“ und „gegen Masseneinwanderung“ erfolgreich abschließen konnte. Nun ist die Schweiz gezwungen, das mit der EU existierende Abkommen über den freien Personenverkehr neu zu verhandeln.
Ohne Zweifel ist dieses Resultat ein Signal für Europa, das wohl Nachahmer finden wird. Jedenfalls kommt zunächst einmal aus Richtung EU kräftig Gegenwind: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament,
Elmar Brok (CDU) meinte dazu drohend
„Wir können das nicht widerspruchslos hinnehmen.“ Von der EU-Kommission folgte der Kommentar
„Wir bedauern den Ausgang der Volksabstimmung und werden die Folgen dieser Initiative für die Gesamtbeziehungen analysieren.“ Und der deutsche Finanzminister Schäuble prophezeite der Schweiz Unheil mit der Bemerkung, daß die Abstimmung Folgen haben werde, weil sie
„eine Menge Schwierigkeiten für die Schweiz verursachen.“
Für meinen heutigen Beitrag möchte ich einen Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel
„Freizügigkeit – nein danke“ zugrunde legen.
Hieraus stammt das Zitat:
„Die Schweizer stimmen für eine Begrenzung der Zuwanderung in ihr Land. Nicht weil sie unbedingt fremdenfeindlich sind, sondern weil sie glauben, dass Wachstum mehr Nachteile produziert als Wohlstand. Das Nichtmitglied Schweiz hat nur artikuliert, was auch viele EU-Bürger umtreibt.“
Ob diese These des Autors Wolfgang Koydl ihre Berechtigung besitzt, darüber möchte ich eine Diskussion einleiten. Ich stimme mit Koydl überein, daß gleichartige Volksabstimmungen in anderen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Holland wahrscheinlich ebenfalls Mehrheiten gegen vermehrte Einwanderung erzielen würden. Einer der Gründe ist sicherlich das Wohlstandsgefälle innerhalb der einzelnen Länder. Bezeichnend ist es jedenfalls, auf welche Art und Weise aus Brüssel und Berlin kommentiert wird: mit völliger Verständnislosigkeit gegen über dem Ausdruck eines Volkswillens, und sei er noch so knapp in der Entscheidung.
Aber es sind noch andere Ursachen vorhanden. Bei der Schweizer Initiative wurde nicht unterschieden zwischen den durch das
Personen-Freizügigkeitsabkommen (einem der
bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU ) privilegierten Einwandern aus der EU und den übrigen Immigranten in Form von Flüchtlingen und Asylanten aus armen Drittländern und Krisengebieten. Auch wurde offensichtlich der Tatbestand der Arbeitsplatzkonkurrenz überbetont, die von einigen Ausnahmen abgesehen, nicht flächendeckend vorhanden ist. Die SVP ist ja für ihre Abneigung gegen deutsche Zuzügler bekannt, deren Zahl jedoch seit einigen Jahren ohnehin regelmäßig abnimmt. Aber die Ressentiments hat die SVP trotzdem geschürt und ist damit durchgekommen.
Wenn eine Kritik an der Freizügigkeit nicht unbedingt mit Fremdenfeindlichkeit gleichzusetzen ist, so basiert ihr Ursprung doch in der Angst der Bürger, daß ausländische Arbeitnehmer die Löhne drücken, die eigenen Arbeitsplätze gefährden und auf andere Art und Weise die Lebensqualität beeinträchtigen könnten. Wie wir die ähnliche Situation aus Deutschland kennen, sind diese Befürchtungen nicht ganz aus der Luft gegriffen. Denn wirtschaftliche Krisenzeiten stellen einen idealen Nährboden für Demagogen dar. Wer glaubt, nationalsozialistische, rassistische oder antisemitische Überzeugungen seien aus den Köpfen der Menschen getilgt, der sieht die Welt durch eine rosarote Brille.
Allerdings ist es zu einer fairen Beurteilung der Lage erforderlich, daß der wahren Wurzel für Lohndumping und Arbeitsplatzabbau nachgegangen wird. Diese ist nicht kausal bei den Einwanderern zu suchen, sondern in der Wirkungsweise des Wirtschaftssystems, das in Deutschland und der Schweiz dasselbe ist. Die eigentliche Triebfeder für die in der EU und anderswo in marktwirtschaftlichen Strukturen beschworene Freiheit und Freizügigkeit ist nicht die reine Menschenliebe sondern sind knallhart ökonomische Interessen. Ein umkämpfter Arbeitsmarkt sieht die Unternehmen am längeren Hebel und versetzt sie in die Lage, die Arbeits- und Lohnbedingungen zu diktieren, um damit die Kosten zu minimieren. Darüber hinaus hat der Import von hochqualifizierten Arbeitnehmern viele Vorteile: man kann sich die eigene Ausbildung sparen und sie für einen Bruchteil eines Gehaltes von einheimischen Experten anheuern.
Ein anderer, zweifellos negativer und Besorgnis erregender Umstand ist jedoch die Tatsache, daß in Europa eindeutig ein
Rechtstrend zu beobachten ist und nationalistisch gesinnte Parteien immer mehr Zulauf erhalten. Die rechten Rattenfänger haben Aufwind – von Ungarn, Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweden, Belgien, Dänemark, Italien, Griechenland bis nach Deutschland rotten sie sich zusammen unter der Führung ihrer Leitfiguren
Marie le Pen und Geert Wilders . Manche befürchten, daß sie bei der Europwahl im Mai einen Stimmenanteil von 30 % erlangen könnten.
Die neuen Rechtspopulisten und Nationalen befinden sich auf einem antidemokratischen, antisemitischen und antiziganistischen Kurs. Dabei verfolgen sie diese Strategien:
- propagandistische Hetze gegen alles Fremde
- Schaffung eines erzkonservativen und reaktionären Gesamteuropa, das ausschließlich einer sog. christlich-abendländischen Kultur verpflichtet ist
- Aufbau von Islamophobie, Homophobie oder anderen Schreckgespenstern zur Konstruktion von Feinbildern
- Schüren von Angst und Vorurteilen
- Förderung von Nationalismus und Bildung von Sammlungsbewegungen, die die Bürger vor Knechtung und Unterdrückung von bösen Mächten und Prozessen wie Eurozentralismus, Kapitalismus, jüdischer Finanzdiktatur oder ausländischer Übervölkerung bewahren sollen
angebracht. In diesem Stück formulierte er im Epilog den Satz:
„Ihr aber lernet, wie man sieht, statt stiert. […] Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Ich glaube, daß dieses Zitat als ständige Mahnung für sich spricht und von jedem verstanden werden kann.
MfG Peter A. Weber