Hartz IV-Regelleistungen als Vermittlungshemmnis

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Hartz IV-Regelleistungen als Vermittlungshemmnis
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Hartz IV-Regelleistungen als Vermittlungshemmnis
 
Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe bei staatlichen Transferleistungen 
 
Obwohl ich mich mittlerweile aus dem Kreis der Hartz IV-Empfänger verabschiedet habe, hat sich an meiner Verbundenheit zu den Betroffenen und der Problematik nichts geändert. Meinungsmache gegen soziale Leistungen des Staates und Diffamierungen von Arbeitslosen oder Menschen in prekärer Lage bringen mich nach wie vor auf die Palme.
 
Karikaturen im Archiv
 

Heinrich Alt, Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit, hetzt mal wieder gegen Hartz IV, tischt unhaltbare Lügen auf und polemisiert wie ein Vertreter von Arbeitgeberverbänden gegen eine Anhebung des Regelsatzes. Vielleicht sollte mal jemand diesen Herrn darüber aufklären, daß Wirtschaftssubventionen prinzipiell auch nichts Anderes als Hartz IV-Leistungen darstellen: beides sind nämlich staatliche Transferleistungen. Deshalb vorab einmal eine Auflistung von Beispielen, in denen der größte Teil des Steueraufkommens versenkt wird:

  • Wirtschaftssubventionen aller Art
  • Landwirtschaftssubventionen
  • Investitionshilfen direkt oder durch Steuernachlässe
  • Steuersparmodelle für die Betuchten
  • Werbungskosten, von denen vor allem die Besserverdiener und die Wirtschaft profitieren
  • Mehrwertsteuerermäßigungen
  • Steuernachlässe und Befreiungen aller Art
  • Subventionen an die Energiekonzerne
  • Konjunkturankurbelungs-Programme
  • Bankenrettungsschirme etc. pp.
An dieser Form staatlicher Transferleistungen hat Heinrich Alt offensichtlich nichts auszusetzen, obwohl die Sozialleistungen und die Hartz IV-Kosten gegenüber den obigen Vergünstigungen nur lächerliche Peanuts sind. Der kleine Unterschied besteht darin, daß die Subventionen den ohnehin Privilegierten und Kapitaleignern noch zusätzlich in den Rachen geschüttet werden, während man ärmeren Bürgern die kärglichen Sozialleistungen nicht gönnt, so daß sie sich wie Diebe oder Bettler fühlen müssen. 
 
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und die unlauteren Argumente des sauberen Herrn Alt gesammelt, mit denen er in der letzten Woche die Atmosphäre vergiftet hat, um gegen die von den Grünen geforderte lächerliche Erhöhung der Regelsätze von 374 auf 420 € zu Felde zu ziehen:
  • „Vermittlungshemmnis für die Aufnahme von Arbeit": 
Die Arbeitslosen, denen das Wasser bis zum Hals steht, als dankbares Erpessungspotenzial für die Arbeitgeber, sollen möglichst nicht gefüttert werden.
  • „Arbeit müsse attraktiv bleiben“: 
Angesichts der  ausufernden Dumpinglöhne, von denen man nicht mehr leben kann, ist es ein Witz oder besser eine Verhöhnung der Betroffenen, von vorhandener Attraktivität der Arbeit zu reden.
  • „Gefahr, daß Grenzen zwischen Erwerbseinkommen und Hartz IV verschwimmen“: 
Auf die Idee, daß das sog. Lohnabstandgebot sinnvoller gewahrt werden kann, wenn die Arbeitseinkommen merklich angehoben und existenzgewährleistende Mindestlöhne eingeführt würden, kommt der Menschenfreund Alt nicht.
  • „Menschen in der Grundsicherung sollten sich nicht ausschließlich vom ökonomischen Kalkül leiten lassen“: 
Solch einen Schwachsinn angesichts der Bereicherungsmentalität der Geldelite vom Stapel zu lassen, ist für mich blanker Zynismus.
  • „Am wichtigsten sei es zu überlegen, wie man die Menschen in die Arbeit integrieren könne“:
Es wird vorgespiegelt, als ob ausreichend gut bezahlte Arbeitsplätze vorhanden wären und vergessen, darauf hinzuweisen, daß Staat und Wirtschaft laufend Arbeitsplätze wegrationalisieren und neue Jobs vorwiegend auf Niedriglohnbasis entstehen.
  • „Eine derartig „kräftige“ Erhöhung des Regelsatzes (von noch nicht einmal 50 €) würde angeblich „hunderttausende“ von Menschen neu in das Hartz IV-System treiben“:
Der Hobbypsychologe Alt hat wohl noch nie etwas von der Natur des Menschen gehört, die zumindest bei gesunden Exemplaren eine Eigenmotivation zu einem sinnvollen Ausagieren beinhaltet. Die „Denkfabrik“ der BfA, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat bereits 2008 in einer „fundierten“ Studie davor gewarnt, daß die angeblich zu hohen Hartz IV-Regelsätze „starke negative Arbeitsanreize“ liefern würden.
 
Es ist offensichtlich, daß Herr Alt, die BfA und die herrschende Politik nur Arbeitgebersichtweisen und Kapitalinteressen vertreten. Das gemeine Volk ist lediglich Produktionsmittel und Mittel zum Zwecke der Kapitalvermehrung der Geldaristokratie.
  • „Grundsatzfrage, ob wir wirklich ein Volk von Transferbeziehern werden wollen, denn dies sei kein Lebensmodell“:
Wie oben ausgeführt, sahnt ein paar Prozent der Bevölkerung die Staatsknete in Form von Steuergeschenken und Subventionen ab, so daß für die Masse eh nur noch ein paar Krumen übrig bleiben.
 
Es ist bezeichnend für unsere enthumanisierte Gesellschaft, wenn im Zusammenhang mit der Zahlung von Sozialleistungen, Arbeitslosengeld oder Hartz IV ausschließlich von Lohnabstandsgebot und der Kostenproblematik gesprochen wird. Das allerwichtigste Kriterium, die Würde des Menschen, wird fast völlig außer acht gelassen. Der Sozialstaat ist zu einem reinen Kostenfaktor verkommen, der der hemmungslosen Profitvermehrung des Kapitals im Wege steht.  
 
 
Humus und Wertekodex
 
Vor kurzem habe ich in einem Essay für die Verwendung von Vergleichen und Symbolik plädiert. Für mich als Hobbygärtner gibt es einen passenden Vergleich für die gesellschaftliche Basis, der solche unsoziale Politiker und Bürokraten entwachsen:
 
Die Gesinnung und die Werteausprägung der Gesellschaft ist mit dem Boden oder Humus eines Gartens gleichzusetzen. Humus ist übrigens die lateinische Bezeichnung für Boden/Erde und auch der Wortstamm für human/humanistisch. Unsere heutige Gesellschaft ist mit ihren Pathologien, ihrem  Materialismus, Egoismus und unsolidarischenen Ausprägungen mit einem unfruchtbaren und kargen Boden auf eine Stufe zu stellen. Ein solcher Boden ist gar nicht wie ein gehaltvoller Humus in der Lage, einen fruchtbaren Ertrag von gesunden Erzeugnissen zu produzieren, sondern er gebiert Unkraut, Dornen und Disteln. Dabei nutzt es wenig, das Unkraut zu auszurupfen, denn die Schädlinge und die Brut wachsen ungehemmt weiter. Nur eine Radikalkur der Bodenverbesserung bringt Abhilfe, was heißt, daß wir nur mit Hilfe einer grundlegenden Veränderung unsere Lebens- und Werteeinstellungen zu Fortschritten in Richtung einer humanistischen Gesellschaft gelangen können.
 
Ergo: Leute schwingt die Hacke !
 
 
Peter A. Weber
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Alt verteidigt Hartz IV-Schrittzähler-Aktion

Der Schrittzähler als Vorstufe zur Inhaftierung

 

Heinrich Alt - seines Zeichens Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit - macht seinem Namen wieder alle Ehre und sich als Einpeitscher zur für Sanktionierung und Repression von Hartz IV-Betroffenen verdient. Als nächsten Schritt wird er wahrscheinlích die Kasernierung oder Einbuchtung der Arbeitslosen fordern, die dann nur noch zur Ausübung erzwungener Billigjobs Freigang erhalten. In diesem Zusammenhang bringt Gegen-Hartz.de heute folgende Meldung:

ALT VERTEIDIGT HARTZ IV SCHRITTZÄHLER-AKTION

BA-Chef Heinrich Alt verteidigt "Schrittzähler-Aktion" des Jobcenters Brandenburg - 09.12.2012

Das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, verteidigt die Schrittzähler-Aktion von älteren Hartz IV Beziehern in Brandenburg. Wer am meisten in den 40 Tagen läuft, würde einen Preis bekommen. Da gebe nichts zu verteufeln, so Alt gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Seiner Ansicht nach werde mit zweierlei Maß gemessen. "Wenn in Managerkursen Schrittzähler getragen werden, ist das eine tolle Idee, wenn es Arbeitslose tun sollen, ist es automatisch Blödsinn." Es sei, laut Alt relativ einfach zusammen zu fassen: "Wer sich gut fühlt, wer sich fit fühlt, habe auch Selbstvertrauen – und bekommt nachweislich schneller einen Job."

Arbeitslose, laßt Ihr Euch das gefallen? Wann geht Ihr endlich auf die Barrikaden?

 

Peter A. Weber

 

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