Alternativen menschlichen Verhaltens zwischen Haben und Sein

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Peter Weber
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Alternativen menschlichen Verhaltens zwischen Haben und Sein
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Alternativen menschlichen Verhaltens zw. Haben und Sein


Kritik der Unersättlichkeit und Lob des guten Lebens


Glück und Basisgüter

 
1. Einführung
 
Als Grundlage dieses Artikels dient das Buch von Robert und Edward Skidelsky mit dem Titel „Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens, das wir bereits im Kritischen Netzwerk als Empfehlung vorgestellt haben. Dazu liegt auch bereits eine fundierte Rezension vor.
 
Es handelt sich um eines der ausgewogensten Bücher über die vorgegebene Thematik. Die Autoren beginnen ihre Ausführungen mit dem Sinnspruch von Epikur „Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug“, der klar die Marschrichtung vorgibt. Diese Grundfragen stellen sich heute aufgrund einer zunehmenden Unzufriedenheit und Verunsicherung viele Menschen. Es kommen immer mehr Zweifel daran auf, ob unser Lebensstil und die von den politischen Eliten eingeschlagenen Wege und Entscheidungen, die uns als das Non plus ultra verkauft werden, das geeignete Rezept für die Gestaltung unserer Zukunft sein kann. Ich werde das Anliegen der Skidelskys einerseits in meine Worte fassen, aber anderseits versuchen, meine eigenen Ideen zu dieser tiefgreifendsten und ausschlaggebendsten Aufgabe unserer Zeit einzubringen. Der Gegenstand ist so vielschichtig und subjektiv, wie es Kulturen, Denkrichtungen und individuelle Meinungen gibt. Allerdings gibt es trotzdem viele Gemeinsamkeiten und Ansatzpunkt, die es lohnen, zu einem Konsens zusammengefaßt zu werden.

  

Der britische Wirtschaftshistoriker, Ökonom und Autor Robert Skidelsky  -  Bildquelle: Webseite des Autors

 
Alle Menschen streben nach Glück und sehnen sich nach einem guten Leben. Das Erreichen von Glück wird meistens mit dem Begriff Wohlstand korreliert, weshalb es nach wie vor gängige Meinung ist, davon auszugehen, daß mehr Wohlstand auch eine Steigerung der Glücksgefühle nach sich zieht. Wenn wir der Ursache für unsere Wertauffassungen nachgehen, dann stoßen wir unvermeidlich auf die vom Wirtschaftssystem vertretene Wachstumsideologie. Wer der Sache auf den Grund geht, der kommt zwangsläufig zu der Erkenntnis, daß Wachstum sich zu einem Selbstzweck entwickelt hat. Daraus resultieren folgende Fragestellungen, die nach den Zusammenhängen des Glückes und den möglichen Weg dahin suchen:
  • Wie viel ist genug?
  • Was macht ein gutes Leben eigentlich aus?
  • Was ist Glück eigentlich?
  • Wodurch wird Glück eigentlich gefördert?
Was die Muße anbetrifft, soll das heißen, daß Muße nicht mit Faulheit und Nichtstun gleichzusetzen ist, denn sie ist die aktivste und wohltuendste Form des Tuns. Ein Leben ohne Muße ist ein nutzloses, weil dabei alles um etwas anderen willen geschieht. Folglich um ein Leben in ständiger Vorbereitung, das nie richtig beginnt. Muße bedeutet:
  • Befreiung vom Druck der Notwendigkeit
  • Genuß von Freiheit und Unabhängigkeit
  • und ist die Quelle von Nachdenklichkeit und Kultur.
Auf dem Fundament der Muße kann man eher fähig sein, aus einer saturierten Gesellschaft heraus eine Organisation des individuellen sowie kollektiven Lebens zu gestalten. In diesem Kontext wird man nicht verhindern können, sich auf eine Kritik der Unersättlichkeit einzulassen, die aus dem  unserem kapitalistisch geprägten Weltbild entspringenden Bedürfnishorizont resultiert. Der Kapitalismus ist wie ein zweischneidiges Schwert, an dem man sich schneidet, ein faustischer Handel, auf den wir uns eingelassen haben und für den es einen Preis zu zahlen gibt, sozusagen ein Geist in der Flasche, den wir freigelassen haben oder die Büchse der Pandora, die wir geöffnet haben. 
 
Lange habe ich Erich Fromm nicht mehr zitiert, aber beim vorliegenden Thema komme ich an ihm und  seinem Werk „Haben oder Sein – die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“  nicht vorbei, denn gerade die Alternative Haben oder Sein verkörpert die Wesensfrage des Menschen sowie die Quelle des Glücks wie keine andere. Deshalb habe ich mich entschlossen, daraus nicht nur ein Kurzzitat wiederzugeben, sondern eine längere Passage anzubieten, weil des besseren Verständnisses willen den Zusammenhang nicht zerreißen wollte: 
 
„Mögen die Vorstellungen von Glück auch sehr verschieden sein, so ist doch den meisten ein Aspekt gemeinsam: Wir sind glücklich, wenn unsere Wünsche erfüllt werden, oder – um es anders auszudrücken – wenn wir haben, was wir wollen. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansichten ergeben sich aus der Antwort auf die Frage: Welches sind denn diese Bedürfnisse, deren Erfüllung uns Glück bringt? Die Frage nach Sinn und Ziel des Lebens führt uns deshalb zur Frage nach der Natur der menschlichen Bedürfnisse.
 
Im großen und ganzen gibt es zwei gegensätzliche Standpunkte in dieser Frage. Der erste, heute fast ausschließlich gültige Standpunkt, definiert ein Bedürfnis als etwas völlig Subjektives, als das Streben nach etwas, was ich mir so sehr wünsche, daß ich es als Bedürfnis erlebe und dessen Erfüllung mir Vergnügen bereitet. Bei diesem Definitionsversuch wird nicht nach dem Ursprung dieses Bedürfnisses gefragt: Hat das Bedürfnis ähnlich wie Hunger und Durst eine physiologische Wurzel? Oder wurzelt es, wie das Bedürfnis nach besonders feinem Essen und Trinken, nach Kunst und theoretischem Denken in der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Menschen? Oder ist es ein von der Gesellschaft hervorgebrachtes Bedürfnis, wie das nach Zigaretten, Autos oder unzähligen kleinen praktischen Gegenständen? Oder ist es ein krankhaftes Bedürfnis, wie das nach sadistischer und masochistischer Befriedigung?
 
Bei dieser Betrachtungsweise wird auch nicht nach der Wirkung gefragt, welche die Befriedigung der Bedürfnisse auf einen Menschen hat. Bereichert sie sein Leben und ist sie seinem Wachstum förderlich, oder schwächt und erstickt sie ihn, verhindert Wachstum und ist selbstdestruktiv? Ob jemand sich freut, weil er die Erfüllung seines Wunsches genießt, Musik von Bach zu hören, oder ob jemand sich freut, weil er mit seinem Sadismus hilflose Menschen kontrolliert oder verletzt, wird als reine Geschmackssache angesehen. Solange dies etwas ist, wonach ein Mensch ein Bedürfnis hat, besteht Glück in der Befriedigung dieses Bedürfnisses. Ausnahmen werden nur dann akzeptiert, wenn die Befriedigung eines Bedürfnisses anderen Menschen schweren Schaden zufügt oder die gesellschaftliche Nützlichkeit des Betreffenden infrage steht. Auf diese Weise werden die Bedürfnisse, zu zerstören oder Drogen zu nehmen, im allgemeinen nicht als Bedürfnisse anerkannt, die ihre Berechtigung aus der Tatsache beziehen, daß ihre Befriedigung Lust bereitet.
 
Der entgegengesetzte Standpunkt geht von einer grundsätzlichen Unterscheidung aus: Trägt ein Bedürfnis zu Wachstum und „Wohl-Sein“ des Menschen bei, oder behindert und schadet es ihm? Diese Sichtweise befaßt sich mit solchen Bedürfnissen, die in der Natur des Menschen wurzeln und zu Wachstum und Selbsterfüllung führen. Sie ersetzt die rein subjektive Auffassung von Glück durch eine objektive, normative. Nur die Erfüllung von Wünschen, die im Interesse des Menschen liegen, führt zu Glück. Im ersten Fall sage ich: „Ich bin glücklich, wenn ich möglichst viel Lust erlebe.“ Bei der zweiten Betrachtungsweise sage ich: „Ich bin glücklich, wenn ich das bekomme, was gut für mich ist und mir zu einem Optimum an Wohl-Sein verhilft.
 
Es braucht nicht betont zu werden, daß der zuletzt genannte Standpunkt für das herkömmliche wissenschaftliche Denken unannehmbar ist, denn er führt eine Norm, das heißt ein Werturteil ein und scheint so seine objektive Gültigkeit zu verlieren. Es stellt sich aber die Frage, ob es wahr ist, daß eine Norm keine objektive Gültigkeit haben kann. Können wir nicht von einer Natur des Menschen sprechen? Will der Mensch nicht wie alle lebendigen Wesen möglichst gut im Leben zurechtkommen und seine Potentiale optimal verwirklichen? Ist das nicht die objektiv definierbare Natur des Menschen? Folgt daraus dann nicht, daß gewisse Normen zu diesem Ziel führen, andere hingegen es behindern? ... „
 
Damit hat sich Fromm nicht nur mit dem Wesen des Glücks, sondern auch mit seinem Entstehen sowie seiner Wirkung auseinander gesetzt. Weitere Aspekte in Anlehnung an die Skidelskys sind aber noch von Bedeutung. Ausgangspunkt ist das jeweilige Verständnis von Glück, das sich in der Geschichte und in den Kulturen unterschiedlich dargestellt hat. Die Grundalternative schwankt zwischen den Hypothesen, ob Glück nur ein reiner Bewußtseinszustand ist oder ein bewundernswerter und erwünschter Seinszustand, wie es die antiken Philosophen propagieren. Wir neigen heute eher zu der ersteren Annahme. 
 
 
2. Glücksdefinition und Meßbarkeit
 
Von der Meßbarkeit des Glücks gehen alle Technokraten, Statistiker und die meisten Volkswirtschaftler aus. Hier sollen nun keine statistischen Details serviert werden, aber es ist wohl bewiesen, daß der Zusammenhang zwischen materiellem Wohlstand und Glück nur bedingt festzustellen ist. Wie bei allem, dem man auf den Grund geht, hängt die Beantwortung von der Definition der Begriffe ab. Jedenfalls ist das, was man allgemein als Glück bezeichnet, bei Menschen, die unter oder in der Nähe des Existenzminimums leben müssen, verständlicherweise nicht sehr ausgeprägt. Sobald aber der Wohlstand einen bestimmten Grad der Sättigung erreicht hat, bringt weitere materielle Bereicherung keinen weiteren Glücksgewinn. Im Gegenteil – die Kurve neigt dann eher wieder zum Abwärtstrend. 
 
Es liegt nahe, daß die von der kurzfristigen Befriedigungssucht befallene Gesellschaft nur allzu gerne auf die Versprechungen der Wirtschaft hereinfällt. Mehr zu haben bedeute angebl. auch automatisch glücklicher zu sein. Die Marktwirtschaft ist vom Geist des Utilarismus beseelt und besessen und verkauft uns die Nützlichkeit ihrer Erzeugnisse als allein selig machend. Wie in einer Religion schlucken die Gläubigen diese Botschaft vertrauensvoll und unkritisch. Ökonomie und Glück als unzertrennbares Tandem, das ist die Message, die uns Politik und Wirtschaft täglich unterjubeln. Und  so nimmt die angebliche Glücksmaximierung ihren Lauf, so daß uns die Kanzlerin bei jeder Gelegenheit einflüstert, daß es Deutschland und seinen Bürgern dank Wirtschaftswachstum noch niemals so gut ergangen sein wie heute.
 
Wenn man über Glück spricht, dann sollt man sich im klaren darüber sein, daß die Vorstellung von Glück einerseits  kultur- und gesellschaftsabhängig ist und zum andern auf der persönlichen Ebene sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Glück sollte man z. B. nicht mit Lust gleichsetzen, was in unserer Spaßgesellschaft oft verwechselt wird. Es gibt auch einen riesengroßen Unterschied zwischen Spaß und Freude, wofür viele Menschen die Sensibilität verloren haben. So ist auch nicht der Grad und das Ausmaß des Glücks entscheidend, sondern die Qualität. Ein generelles Symptom einer auf Konsum fixierten Lebensausrichtung ist eben die Unfähigkeit, zwischen Quantität und Qualität zu differenzieren.
 
Intensives Glücksgefühl ist auch verschmolzen mit einem Kontext, ist also untrennbar von Zusammenhängen. Das heißt mit anderen Worten, daß es nicht einzelne materielle Dinge sind, die Glücksgefühle fördern, sondern die Imagination, die Assoziation und vor allen Dingen die Liebe und Hingabe: also alles Faktoren, die nichts kosten und die nicht käuflich sind. Man sollte auch nicht den Fehler begehen, Glück als eine moralische oder ethische Dimension aufzufassen oder empirisch zu betrachten. Glück ist, wie es ist: nicht faßbar und flüchtig wie der Wind.
 
Insofern kann man getrost behaupten, daß in Gesellschaften, die sich dem Markt versklavt haben, systematisch eine Hirnstimulierung zur Erzeugung einer permanenten, dumpfen Glückseligkeit ausgeübt wird. Das Konzept der ökonomischen Glücksproduktion ist der feuchte Traum jeglicher Despoten, Gefügig- und Geldmacher. Unerklärtes Ziel ist dabei die Infantilisierung und Verblödung der zum Konsumenten abgestiegenen Bürger. Inhalt und Grund des Glücks sind maßgebend für die individuelle Qualität und den „Nutzen“. Folglich kann Glück, das auf Wachstumswahnsinn aufgebaut ist, nur zu Glückswahnsinn führen. Glück als Ideologie ist das größte vorzustellende Trugbild.
 
 
3. Grundgüter, Basisgüter, Basisbedürfnisse
 
Robert und Edward Skidelsky verwenden den Begriff der Basisgüter, die mit den Grundbedürfnissen korrespondieren. Sie sind notwendig, damit eine individuelle Befähigung zur Aufstellung und Umsetzung einer sinnvollen Lebensgestaltung erreicht werden kann. Sie bilden die Mittel für ein „gutes“ Leben und sind gleichzeitig das gute Leben, das zur Entwicklung von Engagement und politischer Aktivität die Voraussetzung bildet. Diese Basisgüter sind die auf die Elementarbedürfnisse des Menschen, also die existenziellen und lebensnotwendigen Befürfnisse, folgende Stufe. Die folgenden sieben Basisgüter haben die Skidelskys herausgearbeitet:
 
a. Gesundheit 
 
Hinsichtlich der Beschreibung des Zustandes Gesundheit gibt es einige Auslegungen. Eine finde ich besonders originell und zutreffend: ein Leben im Schweigen des Organismus. Der Formulierung von (physischer und psychischer) Gesundheit als höchstes Gut kann ich zustimmen, auf dessen Erhaltung größtmögliche Priorität gelegt werden sollte. Gesundheit verkommt jedoch in der heutigen Gesellschaft zu einer Ware, die zunehmend von privaten Anbietern okkupiert wird. So wird die Erhaltung mehr und mehr vom Geldbeutel beeinflußt. Darüber ist Gesundheit zu einem Repräsentationsobjekt mutiert – im Sinne der Pflege eines Jugend- und Schönheitswahns. Sie ist zu einem Nachfrageobjekt geworden, das zur Imagegestaltung mißbraucht wird. 
 
Schon Goethe hat vor langer Zeit die Wichtigkeit der Gesundheitsmarktes erkannt, als er sagte: „Die Welt wird ein großes Krankenhaus, in dem jeder jeden pflegt.“ So haben wir bereits seit Jahrzehnten eine unsägliche Situation, in der auch die Gesundheit bzw. das Gesundheitssystem in die Marktkonformität gedrängt wurde. Uns wird permanent eingeimpft, daß die Anpassung des Menschen und seiner Bedürfnisse am Markt erfolgen soll und nicht umgekehrt, wie es ein wirklich befriedigendes Leben erfordern würde. 
 
b. Sicherheit
 
Der Mensch besitzt ein naturgegebenes gelagertes Sicherheitsbedürfnis, das er aus seiner tierischen Vergangenheit geerbt hat. Das veranlaßt ihn auch heute noch zu instinktiven Reaktionen Flucht oder Verteidigung, falls er seine Ratio nicht zu sehr einbringt. Aber das zu rationalen oder irrationalen Ängsten führende Sicherheitsbedürfnis hat beim modernen Menschen nicht an Bedeutung verloren. Je größer der angehäufte Besitz, um so schlechter schläft der Mensch. Auch entsteht ein Mehrbedarf Sicherheitsmaßnahmen, weil die Verlustängste übermächtig werden. 
 
Darüber hinaus ist das Sicherheitsstreben aber eine ganz normale Verhaltensweise, weil das angestrebte Ziel die Geborgenheit ist, die der Mensch für ein ausgefülltes Leben benötigt. Es ist sozusagen der Ersatz für den Mutterschoß, in dem er sich nicht mehr verkriechen kann.
 
c. Respekt
 
Jeder möchte zunächst einmal respektiert werden als Mensch ohne jegliche Vorbedingung. Wer das Gefühl hat, daß ihm der Respekt ständig versagt wird, kann kein Selbstbewußtsein aufbauen und hat den Eindruck, er sei überflüssig. Auch ist eine Erwartungshaltung vorgegeben, daß man wegen erworbenen Kompetenzen und persönlicher Verdienste Respekt erhält. 
 
d. Persönlichkeit 
 
Die Entwicklung einer Persönlichkeit ist für den Menschen eine unverzichtbare Grundlage für ein kreatives und aktives Leben. Die Bildung einer Persönlichkeit ist an die Existenz der übrigen Basisgüter gekoppelt. Nur auf diese Weise kann der Mensch zu einer Autonomie gelangen, die ihn in die Lage versetzt, sein Leben mit praktischer Vernunft zu gestalten.
 
e. Harmonie mit der Natur
 
Das Bedürfnis, mit der Natur eins oder Teil von ihr zu sein, ist ebenfalls inhärent. Schließlich ist jeder Mensch in einem evolutionären Prozeß im Mutterschoß entstanden und aus ihm herausgewachsen. Die Sehnsucht nach Wiedervereinigung erzeugt mindestens ein unbewußtes Harmoniestreben, das sich bei einem psychisch gesunden Menschen auch in seiner Beziehungswelt auswirkt.
 
f. Freundschaft
 
Das Harmoniebedürfnis zeigt sich auch im Bemühen, Freundschaften zu etablieren, um Beziehungen zu pflegen und Kommunikation zu betreiben. Der Mensch ist ein soziales Wesen und verkümmert ohne entsprechende andere menschliche Gesellschaft.
 
g. Muße
 
Der Begriff der „Muße“ wird oft falsch verstanden. Er wird dann verwechselt mit Faulheit und Nichtstun. Aber Muße im Sinne von Skidelsky und auch in der alten Bedeutung dieses Wortes sogar ganz im Gegenteil dazu die aktivste und wohltuendste Form des Tuns. Muße umfaßt all die Bereiche des menschlichen Alltags, die geistig und körperliche Erholung und Rekreation herstellen sowie Streß vermeiden. Alles, was wir aus eigenem Antrieb und unabhängig ins Leben rufen, was uns Freude bereitet, was wir tun, auch ohne dafür bezahlt zu werden oder eine Gegenleistung zu erwarten, das ist Muße. Dazu gehört natürlich auch Kontemplation und Ausspannen, was ebenfalls kein passives Verhalten darstellt. Kurz gesagt, verkörpert Muße:
  • Befreiung vom Druck der Notwendigkeit
  • Genuß von Freiheit und Unabhängigkeit
  • Quelle von Nachdenklichkeit und Kultur
  • nicht zweckgerichtetes Tun ohne Berechnung 
Dem gegenüber kann ein Leben ohne Muße als nutzlos bezeichnet werden, weil in ihm alles um etwas anderen willen geschieht und nicht um sich selbst und der Sache wegen. Es ist ein Leben in ständiger Vorbereitung, das eigentlich nie richtig beginnt – geschweige denn ausgelebt werden kann. Nicht Zweck und Zielsetzung steht bei der Muße im Vordergrund sondern die Motivation des Tuns, die dem Verwirklichungsbedürfnis des Menschen entspringt. Die dahinter liegende Fragestellung ist zusätzlich noch die, ob unsere Handlungen utilaristisch oder ethisch angeregt sind. 
 
Die Grundgüter sind nach Skidelsky mit untrennbaren Eigenschaften ausgerüstet, welches ihre Qualität und grundlegende Bedeutung nochmals unterstreicht. Sie sind:
  • universell
Die Universalität heißt, daß sie für jeden Menschen gelten, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Kultur, Religion, Alter oder Meinungsauffassung. 
  • final
Die Finalität soll uns darauf hinweisen, daß die Grundbedürfnisse  auf einen endgültigen Zweck und ein Ziel bezogen sind:  den Menschen zu einem vollständigen Menschen zu machen, der seine Potenziale ausschöpfen kann.
  • sui generis
Mit „sui generis“ wird ausgesagt, daß die diese Grundbedürfnisse sich aus der Natur des Menschen heraus erklären und bedingen. Deshalb versteht sich die  Anerkenntnis von sich selbst.
  • unverzichtbar
Die Basisgüter qualifizieren sich als „sine qua non“weshalb sie ohne irgendwelche Bedingungen und Auflagen jedem Menschen einzuräumen sind. Der Mensch hat durch seine Geburt automatisch ein entsprechendes Anrecht erworben. 
 
Es erhebt sich in diesem Kontext die Frage, wie denn im einzelnen die Realisierung der Grundgüter sichergestellt werden kann. Logischerweise ist die Voraussetzung die, daß das Individuum sich seiner Grundbedürfnisse voll bewußt ist, so daß er fähig und willens ist, sie in die Tat umzusetzen oder sie einzuklagen, falls sie ihm verweigert werden.
 
Dem Staat fällt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. Da die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sehr oft den Bedürfnissen des Menschen nicht entgegenkommen oder sie ihnen sogar bewußt vorenthalten werden, ist der Staat gefragt. Er hat die Aufgabe, regulierend einzugreifen – aber nicht in diktatorischer oder bevormundender Form. Die Gestaltung einer entsprechenden Gesetzgebung ist zwar unvermeidlich, darüber hinaus soll der Staat sich aber nur als Richtungsweiser betätigen.
 
Die Skidelskys haben ihr Buch aus der Sicht eines Ökonomen und Philosophen geschrieben. Dem gegenüber sieht Erich Fromm die existenziellen Bedürfnisse des Menschen aus der Sicht eines Psychosoziologen. Die Unterschiede sind evident, weshalb ich in knapper Form auf die Bedingungen der menschlichen Existenz gem. Erich Fromm (entnommen aus  Was den Menschen antreibt“ eingehe. Eine menschenwürdige Existenz wird demnach nur gewährleistet, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
 
1. Der Mensch muß auf andere bezogen sein
 
Es gibt zwei Alternativen des menschlichen Bezogenseins: die symbiotische und die liebende Bezogenheit. Mit „symbiotisch“ ist gemeint, daß ein Mensch sich entweder einem anderen unterwirft oder sich eines anderen bemächtigt. Zitat v. Fromm: „Ein Mensch, der nicht verrückt ist, muß bezogen sein“.
 
2. Der Mensch muß irgendwo verwurzelt sein
 
Die tiefenpsychologisch relevanteste Verwurzelung ist aus den evolutionären Umständen des menschlichen Wachstums zu erklären. Fromm meint: „Die (psychische) Geburt ist ein Vorgang, bei dem man aus den Bedingungen an Mutter und Natur herauswächst und zu einem eigenständigen Menschen wird. Dieser Vorgang setzt sich das ganze Leben lang fort.
 
Die Tragik des Lebens besteht darin, daß die meisten von uns sterben, bevor sie ganz geboren sind.
 
Das ist ein ganz starker Satz, über den sich ein Nachdenken lohnt. Seine Verwurzelung kann das Individuum auch in seinen Ahnen, in seiner Kultur oder seiner Religion entdecken. Natürlich auch in seiner Heimat, seiner Familie und seinem Milieu.    
    
3. Der Mensch besitzt ein Bedürfnis nach Transparenz
 
Auch das Bedürfnis nach Transzendenz bietet zwei Alternativen an: Das Erschaffen von neuem Leben durch kreative Betätigung oder durch Auslebung von Destruktivität. Der Mensch hat ein Problem damit, in die Welt hinein geworfen und ihr ausgeliefert zu sein. Deshalb strebt er nach Gestaltungsmöglichkeiten, wie er mit seinen geistigen Fähigkeiten und seinem ihm verliehenen Willen den Alltag transzendieren kann.
 
4. Der Mensch besitzt ein Bedürfnis nach Identität
 
Dieses Kriterium lasse ich ausschließlich von Fromm selbst erläutern: „Wir müssen fähig sein, „Ich“ sagen zu können. Gelingt uns das nicht, dann sind wir verrückt.“ … „Der Mensch von heute hat die Möglichkeit, ein Ich-Gefühl zu entwickeln, doch setzt dies voraus, daß er seine eigene Kreativität und Produktivität entwickelt hat, daß er selbst sein können muß, daß er sich selbst als das Zentrum und Subjekt seiner eigenen Handlungen erlebt. Kann er sich in dieser Weise selbst nicht erleben, dann bleibt im nur ein Ausweg: der Konformismus."
 
5. Der Mensch besitzt ein Bedürfnis nach einem Rahmen der Orientierung und einem Objekt der Hingabe
 
Unser Bezugsrahmen ist unser Weltbild, das entweder rational oder irrational ausgerichtet ist. Fromm definiert den Weg zu einer Orientierung folgendermaßen: „Um zu einem Rahmen der Orientierung zu kommen, muß man von den wirklichen Bedingungen der menschlichen Existenz ausgehen.“ Die Wirkungsweise der Bedürfnisbefriedigung beschreibt er so: „Man kann auf sie nämlich ganz unterschiedlich antworten, wobei die Unterschiede zugleich den Unterschied zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Krankheit kennzeichnen.“
 
Unsere individuelle Lebenseinstellung verbunden mit dem vorgegebenen gesellschaftlichen Umfeld ist unser Orientierungsrahmen, den wir brauchen, um uns nicht zu verlieren. Die Objekte der Hingabe finden wir in den „Utensilien“ des Bezugsrahmens: den Menschen, denen wir uns zuwenden, den materiellen Dingen, die wir bevorzugen oder in unseren Leidenschaften und Hobbys.
 
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Leseempfehlung:
 

♦ II. Entstehen der Marktwirtschaft und ihrer Begleiterscheinungen - weiter

♦ III. Wege und Ziele zum guten Leben - weiter

 

 
Bildquellen:

1. Buchcover "Wieviel ist genug". Verlag Antje Kunstmann, München; ISBN 978-3-88897-822-7, zur Verlagsseite

2. Robert Skidelsky, britischer Wirtschaftshistoriker, Ökonom und Autor - Bildquelle: Webseite des Autors

3. Erich Fromm 1970. Photographin: Liss Goldring. © Erich Fromm Estate.

4. Buchcover "Haben oder Sein", dtv-Verlag

5. Steine: Liebe - Glück - Balance. Foto: Gaby Stein. Quelle: Pixelio.de

6. Buchcover "RESPEKT - Anders mit einander umgehen", zur ausführlichen Buchvorstellung - weiter

7. Buchcover "Anleitung zum Müßiggang", von Tom Hodgkinson. Das Buch erschien erstmals 2004, wurde mehrmals aufgelegt und inhaltlich erweitert weshalb man auf die Tb-Version des Suhrkamp / Insel Verlages greifen sollte. ISBN: 978-3-458-35977-7. Preis [D] 8,99 €

8. Buchcover "Was den Menschen antreibt", von Erich Fromm. Zur Buchvorstellung mit angehängter ausf. Leseprobe - weiter

9. Emblem "Oculus non vidit, nec auris audivit" - „Was das Auge nicht gesehen, noch das Ohr gehört hat“. 1. Quelle: "Amoris Divini Emblemata Studio Et Aere Othonis Vaenii Concinnata", Antwerpen, Officina Plantiniana (Balthasar Moretus), 1660. 2. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.
 
 
MfG Peter A. Weber
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Ludwig der Träumer
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Verbunden: 13.12.2012 - 16:25
Ohne Luxus stirbt der Mensch.


Ohne Luxus stirbt der Mensch.

 

"Die Frage nach Sinn und Ziel des Lebens führt uns deshalb zur Frage nach der Natur der menschlichen Bedürfnisse".

(- Peter A. Weber)


Gehen wir mal Frage nach dem Sinn des Lebens aus der Sicht eines Menschen nach, der die klassische gutbürgerliche Existenz mit allen materiellen Annehmlichkeiten erlebte und plötzlich vor dem Nichts steht. Kreditkarte, Bankkonto mit Guthaben oder wohlwollend geduldetem Überziehungskredit, Vorstadtvilla, Reisen um die halbe Welt, im Bioladen einkaufen, gut essen gehen, gepflegte Klamotten, anspruchsvolle Konzerte und der Traum von weiteren schönen Dingen - alles Vergangenheit. Die Erinnerung an die gesicherte materielle Existenz, allgemein als Haben bezeichnet, wird zum Alptraum. Somit bleibt nur, die Vergangenheit, die wunderbaren Vorzüge des "Habens" auszublenden, um nicht verrückt zu werden.

Wie macht man das? Ganz einfach. Man lese ein paar schlaue Bücher über "Haben und Sein", lasse sich von esoterisch grünen Existenzminimalisten oder vom Dorfpfaffen beraten und schon wird das "Haben" unwichtig. "Sein" ist alles, "Haben" das Werk des Teufels. Ich bin, sollen die ersten Worte des Schöpfers gewesen sein und nicht ‚ich habe‘. Das leuchtet ein. ‚Sorge dich nicht, denn dein ist das Himmelreich.‘ Ihr Armen habt doch schon das Himmelreich, laßt uns Reichen wenigstens die Welt.‘ (Zitat von einem Kabarettisten, habe den Namen vergessen.) Zentriert euch auf das Sein. Daß wir das Leben dann gleich ganz sein lassen können, vermitteln uns diese Idioten nicht. Sie predigen das "Sein" von der sicheren "Haben"-Kanzel, umgeben von materiellen Dingen im Überfluß.

Die Fastenzeit ist zwar zu Ende, die folgende Aussage jedoch Zeitgeist der (noch) Habenden:

Seinen Weinkeller hält Jürgen Bollmann verschlossen, und wenn der evangelische Propst über den Wochenmarkt in Hamburg-Harburg geht, verzichtet er freiwillig auf sein geliebtes Fischbrötchen. Propst Bollmann hat sich für die Fastenzeit einen Monat lang Hartz IV verordnet. Er werde damit nicht zum Hartz-IV-Empfänger, sagt Bollmann. Aber er habe einen neuen Blick für Armut bekommen. "Man lebt sehr viel bewusster." (⇒ Quelle: www2.evangelisch.de)

Schließ euren Weinkeller ab, verzichtet auf das geliebte Fischbrötchen. Dann geht das schon mit Hartz4 - irgendwie. Ihr Begnadeten habt das Glück, damit viel bewußter zu leben. Ekelhafter kann man seinen Egozentrismus nicht zum Ausdruck bringen. Empathie predigen, ohne wissen, wovon man redet und sich dann noch von der Presse feiern lassen.

Bollmann, wurde dir nach einem Monat H4-Vorleben der Strom abgedreht, ein weiteres Wohnen in prekärer schimmeliger Umgebung zugemutet, dem letzten Schuh die Sohle weggeflogen, ohne die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung, menschenverachtende Maßnahmen vom Job-Center verordnet, oder Sanktionen verhängt, die gerade noch vor dem Hungertod schützen, weil du deren perversen Anordnungen nicht gefolgt bist?

Nun, du bist mit deiner Ansicht nicht allein. Offensichtlich ist dein Egozentrismus heute die treibende Kraft, in der von der Elite knapp gehaltenen monetären Wirtschaft zu ihren Gunsten sich über Wasser zu halten. Wie lange, glaubst du, dauert es noch, bis du deine Vorübung ausleben mußt? Hartz4 ist längst auf der akademischen Ebene, auch auf deiner (pseudoakademischen) angekommen. Ich will dich aber nicht schelten. Vermutlich hast du deine Fastenpredigt aus der Bildbibel übernommen, bevor du den Weinkeller geschlossen hast. Kann da mitreden, war auch schon mal besoffen. Aber selbst im Vollrausch wäre mir nie eingefallen, meinen Weinkeller abzuschließen, um Wasser und den Verzicht auf Fischbrötchen zur Bewußtseinserweiterung zu predigen.

Wir sind hier auf der Welt um das "Haben" zu gestalten. Damit ist nicht die persönliche Anhäufung materieller Güter gemeint, sondern die Einbringung der genialen Fähigkeiten des Menschen, "Haben" zu ermöglichen, die dem Allgemeinwohl dient. "Haben mit Bewußtsein" dürfte die Lebensformel sein und nicht ein virtuelles Geschwafel von ‚mehr Sein als Haben‘. Damit kann ich nichts anfangen. Ich brauche existentiell die Möglichkeit mich auch im Haben auszudrücken und wohl zu fühlen. Die wunderbaren materiellen Dinge, Musik und Kunst, die den Menschen beflügeln, sind nicht mit ‚ich bin (Sein)‘ möglich, sondern nur mit‚ ich möchte sie haben, mit der treibenden Kraft, es zu bewundern und zu genießen.

Ich bewundere die schönen Dinge, die die Menschen geschaffen haben. Sei es eine Vorstadtvilla, einen Tesla Roadster, eine 50k teure Küche oder ein Luxushotel. Nur "Sein" können wir auf Wolke sieben üben. Das "Haben" sind die menschlichen Bedürfnisse. Ich habe etwas erfunden, gebaut oder habe Mitmenschen in der Not geholfen, bestimmt das "Sein". Das Erschaffene, als Einzelner oder im großen Konzern getätigt in der Gemeinschaft, ist Ausdruck der menschlichen Bedürfnisse. Ansonsten würden die Menschen diese Energie dazu nie aufbringen und im Notwendigen verharren, im Fressen und sinnlosen Fortpflanzen.

"Haben und Sein" muß eine Symbiose werden. Das geschieht am besten, wenn wir den Luxus annehmen und fördern. Ein Beispiel: Es werden z. Zt. elf wunderschöne Elektroautos angeboten, von genialen Menschen entwickelt. Vier Jahre alt, 100.000 € teuer, 99% in der alarmgesicherten Garage verwahrt, mit weniger Kilometern auf dem Buckel als die arme Omi auf dem Fahrrad zum Aldi hinter sich hat. Der Eigentümer hat keine Zeit, dieses Auto zu fahren, weil er Geld  für solche Dinge beischaffen muß, die unnütz herumstehen. Seine Frau geht mit dem SUV shoppen, ansonsten heult sie im goldenen Käfig. Es wird nirgendwo mehr geheult als in den Vorstadtvillen. Von Berufswegen kann ich das bestätigen. Warum kommt diese Flunz nicht auf die Idee, die Omi im Tesla zum Aldi zu fahren, kostenlos, der ist ja bereits bezahlt, egal von wem.  Der Luxus wäre geteilt, der Oma geholfen, wenigstens zeitweise. Ein guter Anfang zur Menschwerdung.

Gebeutelte Menschen zum gemeinsamen Kochen und Essen in der Luxusküche einladen, nicht als einmaliger Akt der Wohltätigkeit um sich anschließend werbewirksam feiern zu lassen, sondern dauerhaft  als Lebensinhalt. Den Luxus, den Überfluß teilen! Weniger materiell oder geistig Betuchte auf dem begnadeten Weg des Wohlstands mitnehmen, ist das "Sein". Nicht dessen Trennung vom "Haben". In den Luxusküchen vergammeln die Lebensmittel. Lions Club und Tafeln, tragt sie nicht in prekäre Läden. Holt die weniger Betuchten dort ab und kocht mit ihnen gemeinsam. Dann ist "Haben" > Sein" und "Sein" > "Haben".

Das Ziel des Lebens ist nur im Luxus zu finden, nicht im selbstkasteienden Mangel, den Idioten als "Sein" predigen. Der wahre Luxus vervielfacht sich mit der Teilung  wie die Liebe. Ohne die Aussicht auf Luxus stirbt der Mensch am Gram der Sinnlosigkeit. Er kann sich sogar den Luxus im Einklang mit der Natur und den Ressourcen leisten. Klug genug dürfte er dazu sein. Währe da nicht das Hindernis des Egos.

 

Die Hölle ist überwindbar. (Hermann Hesse)

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Gesellschaft der Scheinheiligen


Gesellschaft der Scheinheiligen


Mit diesem Kommentar hat Ludwig der Träumer eine sehr kluge Interpretation des Haben-Sein-Begriffes aufgezeigt. Wenn man den Terminus „Luxus“ nicht nur in der populären Version versteht, dann entspricht er tatsächlich einem originären und berechtigten Bedürfnis des Menschen.


Luxus bedeutet von seiner lateinischen Herkunft her “üppige Fruchtbarkeit oder aber verschwenderischer Aufwand, Schlemmerei und Ausschweifung“. Ganz allgemein ist mit Luxus die materielle Ausstattung gemeint, die über das übliche Maß hinausgeht, das in einer Gesellschaft als notwendig oder sinnvoll angesehen wird. Aber was spricht dagegen, Luxus im Sinne von „üppiger Fruchtbarkeit“ einen positiven Stellenwert zuzuweisen? In diesem Sinne kann Luxus auch der Genuß der überschwänglichen Gaben und Phänomene der Natur sein, solange sie noch kostenlos zur Verfügung stehen. Diesen Luxus mit vollen Händen zu ergreifen, steht jedem frei. Allerdings sollt man über die vielgepriesene Seligkeit des Seins hinaus natürlich das materielle Haben nicht vernachlässigen. Ein angemessener Anteil des materiellen Luxus darf kein Privileg einer Elite sein.


Auch ein materielles und finanzielles Existenzminimum genügt nicht, um die Natur der menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Der Mensch besitzt von Geburt an ein Anrecht auf das Ausleben eines Lebens, das ihm die Befriedigung seiner körperlichen und geistigen Wegzehrung gewährleistet - ohne Wenn und Aber oder irgendwelche Bedingungen. Nur eine Gesellschaft, die diese Voraussetzungen schafft, kann als eine humane bezeichnet werden. Erst recht, wenn es sich um eine solche wie die deutsche handelt, die mit ihrem Kapital und Vermögen die ganze Welt ernähren könnte.


Aber die Scheinheiligen wandeln unter uns, die Wasser predigen und Wein saufen. Man ergötzt sich an den Erfolgen der Wohlstandsgesellschaft und berauscht sich an den ständig gepredigten Botschaften des „Uns-ging-es noch-nie-so-gut-in-Deutschland“ und übersieht geflissentlich, daß es sich dabei um eine Wohlstandslüge handelt und die Armut sich ausbreitet. Die Lendenschurze und Alibis in Form von wohltätigen Spenden, ökologischen Pflichterfüllungen und einem ungetrübten Gottvertrauen in die Technik, die schon alles richten wird, verschaffen ein ruhiges Gewissen und einen ungestörten Schlaf. Unter diese Oberfläche abzutauchen, wäre gefährlich und würde Schuldbewußtsein erzeugen. Das gilt es zu verhindern.


„Die Hölle ist überwindbar“ – ja, aber nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Dann müßte selbst der Teufel klein beigeben!


MfG Peter A. Weber

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