Resignation & Depression brechen sich Bahn

Kollektivdiagnose Wehlan

Überfordert mit der Pseudorealität

von Rocco Burggraf

Es folgt jetzt überwiegend Banales. Ich wollte es geordnet und aufgeschrieben haben, weil es mir heute nach einigen Telefonaten durch den Kopf ging. Mein Freundeskreis ist klein, mein Bekanntschaftskreis beachtlich (Facebook nicht mitgezählt). Ich halte mich für einen aufmerksamen Zuhörer, Mitleser und Beobachter. Das „Leben der Anderen“ interessiert mich. Auch ohne staatlichen Auftrag.

Ich suche nach Mustern, die mir etwas über die Situation verraten, in der wir morgen und übermorgen stecken werden. Da meine Wurzeln vom wenig begüterten Kleinbürgertum bis zur intellektuellen Oberschicht reichen, ostdeutsche Kindheit und Jugend mit der Karriere im überquellenden Westen vereinen, bin ich dem Prekariat enteilt; nicht weit genug allerdings, um es aus dem Blick verloren zu haben und auch nicht weit genug, um den gängigen gesellschaftlichen Eliten anzugehören. Das ist meine Perspektive.

Es mag am zunehmenden Alter liegen, aber eine meiner vielen bestürzenden Beobachtungen ist, dass die psychische Verfassung nahezu jedes Einzelnen, noch weit über das offen diskutierte Maß hinaus, inzwischen desaströs zu nennen ist. Unter der mühsam gestützten bürgerlichen Membran schimmern überall tiefe Verzweiflung, Ratlosigkeit und Überforderung durch. Selbst frühere Berufsoptimisten brechen reihenweise weg, landen im Ausland, beim Therapeuten oder dauerhaft im Bett.

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Die Resignation bricht sich Bahn. Der Anteil tatsächlich zu diagnostizierender psychischer Ausnahmesituationen unter Deutschen verhält sich wahrscheinlich umgekehrt proportional zum Verhältnis behaupteter und vor Gerichten eingeräumter Traumata in der Zuwanderungspopulation. Ich tippe auf maximal noch 10 bis 20 Prozent der deutschen Bevölkerung, die ich als psychisch einigermaßen stabil bezeichnen würde – und ich habe den Eindruck, fast jeder anderweitig Betroffene wähnt sich als Angehöriger einer winzigen Randgruppe von Pechvögeln.

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