Aachener Friedenspreis 2014: Preisträger CodePink und Lebenslaute

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Aachener Friedenspreis 2014: Preisträger CodePink und Lebenslaute
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Aachener Friedenspreis 2014


Preisträger CodePink und Lebenslaute


Zunächst eine kurze Vorstellung der Preisträger:


Was ist CODEPINK?

CODEPINK ist eine von Frauen initiierte Graswurzelbewegung für Frieden und soziale Gerechtigkeit, die sich zum Ziel gesetzt hat, die US-finanzierten Kriege und Besatzungen zu beenden, den globalen Militarismus zu bekämpfen und die bisher für Rüstung und Kriegszwecke eingesetzten (US-amerikanischen) Finanzmittel stattdessen in Gesundheit, Bildung, „Green Jobs“ usw. zu investieren.


Medea Benjamin, Jodie Evans, Diane Wilson und etwa 100 andere Frauen gründeten CODEPINK am 2. Oktober 2002, dem Geburtstag Mahatma Gandhis, und begannen am 17. November 2002 eine 4-monatige Mahnwache vor dem Weißen Haus, um gegen den Afghanistankrieg und den drohenden Irakkrieg zu protestieren. Diese Mahnwache gipfelte am 8. März 2003, dem Internationalen Frauentag, in verschiedenen Aktionen, Kundgebungen und einem Marsch auf das Weiße Haus, wobei an die Rolle von Frauen als weltweite Friedensstifterinnen erinnert wurde. Rund 10.000 Menschen beteiligten sich an diesem Tag, an dem schließlich 25 Frauen, darunter CODEPINK-Aktivistinnen, verhaftet wurden, weil sie es gewagt hatten, mit ihren Protestplakaten bis zu den Toren des Weißen Hauses vorzudringen. Solche und ähnliche Aktionen und Demonstrationen werden seither bis zum heutigen Tag fortgesetzt.

Seit 2002 ist CODEPINK bekannt durch den unermüdlichen Protest gegen und die Auseinandersetzung mit den Kriegstreibern, ob in den Hallen und Sitzungssälen des US-Kongresses, den nationalen Versammlungen sowohl der Republikaner und als auch der Demokraten, mit George Bushs Spendensammler, bei öffentlichen Veranstaltungen von Karl Rove, Condoleezza Rice, Donald Rumsfeld, Hillary Clinton und anderen, sowie im Repräsentantenhaus.


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Wer sind LEBENSLAUTE?

Unter dem Namen LEBENSLAUTE engagieren sich seit 1986 bundesweit rund 300 MusikerInnen in einem Protestorchester, das sich meist einmal jährlich in Chor- und/oder Orchesterstärke zu einer größeren bundesweiten Protestaktion, dazwischen auch in kleineren Ensembles zu regionalen Aktionen zusammenfindet: „Wir machen Musik zu einer gewaltfreien Aktion zivilen Ungehorsams.“

In der Erklärung heißt es: „Als offene Musik- und Aktionsgruppe bringen wir überwiegend klassische Musik gerade dort zum Klingen, wo dies nicht erwartet wird: auf Militärübungsplätzen und Abschiebeflughäfen, vor Atomfabriken und Raketendepots, in Ausländerbehörden und an anderen menschenbedrohenden Orten. Bei der Wahl unserer Konzert-Orte lassen wir uns nicht durch herrschende Vorschriften einschränken. Im Gegenteil: LL-Aktionen suchen die politische Konfrontation durch angekündigten und bewussten Gesetzesübertritt. Seriöse Konzertkleidung unterstreicht unser konzentriertes Auftreten. Wo es geht, versuchen wir, lokale Protestbewegungen zu stärken.“

Die Konzerte sind immer mit einer Aktion zivilen oder bürgerlichen Ungehorsams verbunden. Sie werden immer an Orten veranstaltet, an denen gesellschaftliche Missstände gesehen werden, wo es aber nie erlaubt sein würde, zu spielen. Sie werden polizeilich deshalb nicht angemeldet, aber durch Flugblätter, Plakate, Internet und Zeitungsberichte offen angekündigt.

Gespielt wird immer in angemessener Orchesterkleidung. Dieses spürbare Spannungsfeld zwischen Aktion und klassischem Konzert ist es, was diese Gruppe ausmacht und was sie von vielen anderen Aktivistengruppen unterscheidet. Sie wollen mit Stil stören. „Wir wollen an Orten, an denen Argumente nichts mehr bewirken, Musik als abstrahierendes Element einsetzen, um so auf die Absurdität der Situation hinzuweisen“, erklärt eine Teilnehmerin.

Im Vordergrund bei den jährlichen Aktionen stehen Konzertblockaden vor oder in militärischen Einrichtungen. An zweiter Stelle gefolgt von zahlreichen Aktionen gegen Atomkraft und Aktionen zur Unterstützung von Flüchtlingen.

Finanziert werden die Aktionen durch Spenden und eigene Beiträge, die die Mitglieder zu entrichten haben. Sie treten ehrenamtlich auf und müssen für die Aktionen jeweils Urlaub nehmen.


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Laudatio für die Preisträger CODEPINK und LEBENSLAUTE


Von Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz


Preise übergeben zu dürfen ist immer eine freudvolle Sache, „der Ernst des Lebens“ bleibt vor der Tür, allen ist nach Feiern zumute. Freudvoll ist das hier heute auch und ich freue mich aus vielen Gründen, über die ich gleich reden möchte, ganz besonders, aber es hat ja keinen Zweck zu verdrängen, dass ausgerechnet 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs der Antikriegstag wichtiger geworden ist denn je.

Und es hat eine bizarre Symbolik, dass die deutsche Regierung in der vergangenen Nacht beschlossen hat, an kurdische Milizen im Nordirak Waffen zu liefern, und der Bundestag – der in dieser Angelegenheit gar nichts zu sagen, was auch bemerkenswert ist – hat diesen Beschluss mit der erdrückenden Mehrheit einer großen Koalition unterstützt.

Heute Morgen im Radio hat eine Kollegin einem Politikwissenschaftler die berechtigte Frage gestellt: was läuft da schief, wenn 70 % der Bevölkerung gegen diese Waffenlieferungen sind, aber die überwältigende Mehrheit des Bundestages dafür, und die Antwort ihres Gesprächspartners lief darauf hinaus, dass wir in Deutschland schließlich keine direkte Demokratie haben – da läuft also nichts schief – und Abgeordnete und Regierung hätten nun einmal gegenüber der Bevölkerung eines Wissensvorsprung. Das müsse man akzeptieren.

Pardon, ich akzeptiere das nicht. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: es sind falsche politische Entscheidungen von denjenigen mit dem unterstellten Wissensvorsprung, die uns alle erst in solche Situationen bringen, in denen der moralische Druck unerträglich wird und in der Frage gipfelt: willst Du etwa durch deine pazifistische Gefühlsduselei dazu beitragen, dass unschuldige Menschen abgeschlachtet werden.

Nein, das will ich ganz und gar nicht, und jetzt ist es in der Tat im Grunde unmöglich, das Richtige zu tun, es ist die klassische Situation einer Tragödie, man kann sich nicht mehr zwischen richtig und falsch entscheiden, sondern nur noch zwischen falsch und falsch. Aber es wird Zeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

Ob Irak oder Ukraine – falsche politische Entscheidungen des Westens, der mit Siegermentalität durch die Welt trampelt, sind für einen großen Teil der Probleme verantwortlich, die uns jetzt um die Ohren fliegen.

Es wird Zeit, dass sich friedliebende Menschen in der Masse mal wieder aufraffen, um für dieses kostbare Gut Frieden etwas zu tun.

Dazu gehört, sich zu informieren, umfassend zu informieren – so gut es geht - sich zu Wort zu melden, friedlich, gewaltfrei und aufrecht Farbe zu bekennen und sich nicht einschüchtern zu lassen.

Farbe bekennen – das Stichwort zu einem der Preisträger: Code Pink. Von Code Pink dürfen wir heute Medea Benjamin, Elsa Rassbach und Tighe Barry hier begrüßen. Sinnigerweise wurde Code Pink am 2. Oktober (2002), dem Geburtstag von Mahatma Gandhi, gegründet und zwar von Medea Benjamin und etwa 100 anderen Frauen, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, für Frieden und soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, mit Worten u n d Taten. Auslöser war der drohende Irakkrieg – eine traurige Aktualität mit Blick darauf, was zurzeit vor allem im Nordirak geschieht, aber nicht nur da. Die erste große Aktion dauerte vier Monate, eine Mahnwache vor dem Weißen Haus in Washington. Doch das war nur der Anfang.

Die Code Pink Women agieren breit, nach dem Nadelstichprinzip. Mittlerweile sind es 250 Gruppen in den USA, aber auch in anderen Ländern, und dadurch, dass es so viele sind, gibt es fast täglich Meldungen über neue Aktionen. Code Pink Women finden Sie in Ferguson, wo es zu Unruhen gekommen ist, die an schlimmste Zeiten erinnern, nachdem ein weißer Polizist einen schwarzen Jugendlichen erschossen hat. [Anm. H.S.: hier und hier und hier] Code Pink Women demonstrieren und protestieren gegen die Verhaftung von Journalisten in Ägypten. Sie melden sich auch immer wieder zu der Katastrophe zu Wort, die sich seit Jahrzehnten im Nahen Osten abspielt und fordern die US Regierung auf, ihre einseitige verbale und vor allem finanzielle Unterstützung Israels einzustellen. Sie gehören zu denen, die all jenen die Stirn bieten, die Kritik an israelischer Politik nicht von Antisemitismus unterscheiden können.

Ich habe in einer Zeitung gelesen: „hinter dem entwaffnend niedlichen Aussehen verbirgt sich eines der effizientesten politischen Kommandos der USA.“ Kein Wunder, wenn Medea Benjamin sich immer wieder Zutritt zu Veranstaltungen verschafft, auf denen der amerikanische Präsident oder andere hohe Entscheidungsträger sprechen, um ihnen dann vor laufenden Kameras unbequeme Fragen zu stellen. Das ist wirkungsvoller als so manche Demonstration, hatte allerdings auch die eine oder andere Verhaftung zur Folge – in den vergangenen elf Jahren etwa 50 Mal. Als Medea Benjamin im Mai vergangenen Jahres Präsident Obama bei einer Grundsatzrede zur nationalen Sicherheit mehrfach unterbrach, wurde sie zwar nach dem dritten Mal von Sicherheitsleuten aus dem Saal komplimentiert, aber sie konnte anschließend dann doch unbehelligt nach Hause gehen. Eine Verhaftung hätte vermutlich noch mehr Aufsehen erregt als ihre Fragen, wie etwa diese: "Mr. President, können Sie der CIA die Drohnen wegnehmen?" Oder: "Was soll demokratisch daran sein, wenn nicht mal die gewählten Geheimdienstüberwacher im Kongress wissen, wer warum auf der Kill-List, auf der Tötungsliste, des Präsidenten steht?"

Das Thema Drohnen – damit beschäftigt sie sich aktuell; und auch bei uns in Deutschland steht es etwas dicker auf der Tagesordnung, seit unsere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen über die Anschaffung bewaffungsfähiger Drohnen nachdenkt. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn eine Amerikanerin beklagt, dass die meisten Menschen in diesem Land, also die Deutschen, wenig bis gar nichts über amerikanische Kommandozentralen wissen, die von deutschem Boden aus weltweit mit Hilfe von Drohnen Menschen töten. Es ist bemerkenswert, wenn eine amerikanische Staatsbürgerin Deutsche ermuntert, doch vielleicht mal auf die Einhaltung der eigenen Gesetze zu achten. Die sähen sowas doch nun wirklich nicht vor. – Verrückte Welt.
 

 

Was Sie auf jeden Fall noch wissen sollten, Medea Benjamin ist 2005 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden und hat im vergangenen April den Gandhi Peace Award bekommen. Beides ihr persönlich zugedacht, aber so etwas hilft natürlich auch der Organisation, in der neben Medea Benjamin viele Frauen eine mutige Rolle spielen. – Ich verkneife mir jetzt eine ausführliche Bemerkung über den Friedensnobelpreisträger von 2009. (Barack Obama) Es hat offensichtlich keinen Sinn, diesen Preis in der Hoffnung zu vergeben, derjenige möge sich dem Frieden besonders verpflichtet fühlen. Schade, aber man sollte sich wieder darauf besinnen, Menschen auszuzeichnen und zu ehren, die sich unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit für den Frieden eingesetzt haben, weil das zumindest die Chance bietet, andere zu ermutigen, ähnlich zu handeln. Statt diesen renommierten Preis auf die Weise zu entwerten. Mir geht es übrigens wie Medea – auch ich hatte große Hoffnungen auf Barack Obama gesetzt, aber offenbar waren wir durch das Auftreten von George W. Bush jr. so geschädigt, dass alles andere schon paradiesisch schien.

Medea Benjamin, Elsa Rassbach und Tighe Barry kommen gerade aus Großbritannien, wo sie sich an einem großen Protestcamp der Friedensbewegung gegen die NATO beteiligen. Da fliegen sie nach dem Termin in Aachen auch wieder hin, denn am kommenden Donnerstag und Freitag findet dort in Wales, in Newport, der NATO-Gipfel statt. Auf die NATO werde ich gleich nochmal zu sprechen kommen – das geht am Antikriegstag nicht anders, schon gar in der augenblicklichen geopolitischen Lage, aber jetzt möchte ich mich zunächst dem anderen Preisträger widmen.

„Lebenslaute“ dieser Zusammenschluss von Musikern, die sich einmal im Jahr zu einer ungewöhnlichen großen Aktion treffen. „Lebenslaute... gegen menschenfeindliche Politik“ – Musik als Mittel gewaltfreien Widerstandes. Lebenslaute ist um einiges älter als Code Pink. 1986 hat es begonnen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Ulrich Klan und Barbara Rodi, die heute zusammen mit Gerd Büntzly (der den Preis gleich entgegennehmen wird) und fünfzehn anderen von Lebenslaute hier anwesend sind.

1986 – das war die Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, als dagegen protestiert wurde, die amerikanischen Pershing II- Raketen auf deutschem Boden zu stationieren. Wissen Sie noch: Pershings gegen die sowjetischen SS 20. Da wurde der Stationierungsort Mutlangen blockiert. Haben Sie noch die Bilder der Sitzblockaden im Kopf? Und genau dort fand die erste Konzertblockade statt. Mit der Klampfe saßen da ja viele. Musik gehörte von jeher zu diesen Protestaktionen dazu, es entstand quasi ein neues Genre der Liedermacher. Aber klassische Musik in Orchesterstärke war denn doch eher ungewöhnlich. Und noch etwas war ungewöhnlich. Damals bei dieser Premiere sind letztlich 120 Musiker zusammengekommen, darunter welche, die bereits politisch interessiert und engagiert waren, auch schon mal an der einen oder anderen Demonstration teilgenommen hatten, aber eben auch solche, die durch die Musik und diese Aktion überhaupt erst aufmerksam wurden. Das beste Beispiel war wohl der damalige Erste Konzertmeister im Orchester des Süddeutschen Rundfunks, ein Meister seines Fachs. Er war vorher noch nie auf einer Demonstration, aber gegen die Raketen war er auch und er ist gekommen und hat mitgespielt.

Durch dieses Konzert in Mutlangen – 28 Jahre ist das mittlerweile her – entstand die Idee, klassische Musik auch weiterhin für zivilen Ungehorsam einzusetzen. Das Besondere daran: die Veranstaltungsorte bringt man eher nicht mit Konzertgenuss in Zusammenhang, sie stehen dafür normalerweise auch nicht zur Verfügung, es passiert halt da UND die Musiker erscheinen in Orchesterkleidung. Dieser Stilbruch – so läuft man ja nicht unbedingt auf eine Demonstration oder begibt sich in Situationen, in denen man damit rechnen muss, vorübergehend festgenommen zu werden – dieser Stilbruch wirkt in der Tat aus sich selbst heraus gewaltvermeidend. „Wir wollen mit Stil stören“ – so hat es eine Teilnehmerin mal ausgedrückt. Und es funktioniert offenbar. Es geht um zivilen Ungehorsam, um Widerstand, an Orten, wo alle vorherigen Proteste nichts genützt haben. Übrigens auch mit Blick auf Aufmerksamkeit nichts genützt. Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, wo örtliche Bürgerinitiativen oder Widerstandsgruppen von der lokalen Presse nicht wahrgenommen worden sind, aber beim Auftritt eines ausgewachsenen Orchesters kommt man aus der Chronistenpflicht eines Journalisten ja schlecht raus. Das ist spektakulär, das lässt sich nicht verschweigen.

Ein Teil der heute anwesenden Lebenslaute-Mitglieder kommt genau wie die Drei von Code Pink direkt von der Arbeit. In dem Fall aus Eisenhüttenstadt, dort befindet sich die „Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber“ in Brandenburg und das war der Veranstaltungsort für das diesjährige Konzert. Wenn man einen Blick in die Statistik wirft, dann stellt sich heraus, dass sich die meisten Aktionen, nämlich 17, gegen Militärisches richteten, Stationierungsorte, Truppenübungsplätze usw. An zweiter Stelle steht das Thema Atomkraft und seine Gefahren – wer redet heute noch von Wackersdorf, der Wiederaufbereitungsanlage, die nie gebaut wurde und trotzdem so viel zerstört hat, im realen und im übertragenen Sinne – und an dritter Stelle folgt das Engagement für Geflüchtete, so eben auch wieder in diesem Jahr.

Ich wollte Ihnen ja noch sagen, warum ich mich besonders freue. Über „Lebenslaute“: Weil meine persönliche Beziehung zu Musik eine sehr starke ist und ich von klein auf die völkerverbindende Wirkung von Musik erlebt habe. Weil sich nur durch Musik und nicht durch Worte Empfindungen ausdrücken lassen, die zutiefst menschlich sind. Mein Vater war Konzertmeister im Sinfonieorchester des Westdeutschen Rundfunks und hat mich früh gelehrt, dass Schubladendenken Blödsinn ist, von wegen E (ernste) und U (Unterhaltungs) Musik und überhaupt – kurz und gut, weil auch ich auf die Kraft der Musik vertraue, freue ich mich über den Preis an „Lebenslaute“.

Und nun zu Code Pink. Wenn Menschen in einem Land, das weltweit an Ansehen verloren hat, weil Foltermethoden und solche Einrichtungen wie Guantanamo nun wirklich nicht zu den propagierten Werten passen, wenn Menschen in solchen Ländern, also hier konkret die USA, deutliche Signale setzen, dass sie damit nicht einverstanden sind, dann freut mich das besonders. Unter anderem deshalb, weil es der Gefahr vorbeugt, von einem Feindbild ins andere zu fallen. Es zeigt, dass es weltweit Menschen gibt, ob sie in den USA, in Russland, wo auch immer leben, die sich nichts sehnlicher wünschen als Frieden. Solange das so bleibt, besteht zumindest die Chance, Kriege zu vermeiden oder vorsichtiger formuliert, es schwerer zu machen, welche zu führen. Auch wenn dieser wundervolle Satz „Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“ wohl für immer Wunschdenken bleiben wird.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, wie wichtig es ist, Menschen gut zu informieren, damit sie nicht von falschen Voraussetzungen ausgehen und falsche Entscheidungen treffen. In der Wirtschaft kosten falsche Entscheidungen Geld, in der Politik hin und wieder den Frieden. Feindbilder haben in der Geschichte immer eine verheerende Rolle gespielt. Solche Persönlichkeiten wie Hans-Dietrich Genscher und Michail Gorbatschow - (DER hat seinen Friedensnobelpreis wirklich verdient, der hat ihn sich erarbeitet. Die Sowjetunion hätte uns genauso um die Ohren fliegen können wie das ehemalige Jugoslawien, wenn Gorbatschow nicht eine so intelligente Politik betrieben hätte. Das wird nur so schnell vergessen und für selbstverständlich gehalten.) Also Genscher und Gorbatschow werden nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, wie gefährlich dieses Spiel mit Feindbildern ist. Und es ist erschreckend leicht, Menschen kriegsbereit zu machen. Man muss sie nur mit den richtigen bzw. falschen Informationen füttern und ihnen Beweise vorlegen, die keine sind. Sie erinnern sich an den Beginn des Irak Krieges. Und das ist kein Einzelfall. Die Liste ist lang und wird nahezu täglich länger.

Ich bin Ihnen noch die Bemerkung zur NATO schuldig. Als sich damals, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der Warschauer Pakt aufgelöst hat, der Gegenspieler der NATO, wenn sie so wollen, da wäre es die richtige Entscheidung gewesen, die NATO aufzulösen und sich um eine neue Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands zu kümmern, denn die NATO taugte nicht mehr für die Gefahren der Zukunft, die damals schon sichtbar waren. Die NATO taugte nicht zur Bewältigung von Regionalkonflikten. Sie war als Verteidigungsbündnis gegründet worden und hat in Zeiten des Ost-West-Konfliktes ihre Berechtigung gehabt. Aber nachdem die geopolitische Landkarte durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und die deutsche Vereinigung dermaßen durcheinander gewirbelt wurde, war die NATO ein Anachronismus und hat bis heute eine einigermaßen stabile Sicherheitsarchitektur verhindert. Wie naiv oder arrogant muss man sein, um zu glauben, in Europa eine Sicherheitsarchitektur ohne Russland hinzukriegen oder gar gegen Russland.

Die Dramatik der damaligen Auseinandersetzung zum Thema NATO-Osterweiterung ist im Westen weitgehend vergessen. In Russland ist sie immer noch mit einem Wortbruch verbunden. Von „eisenfesten“ Garantien war damals die Rede, als es um die deutsche Vereinigung ging. (Unter anderem nachzulesen in einem Buch von Condoleezza Rice, die eine enge Mitarbeiterin des damaligen amerikanischen Außenministers James Baker war.) Und was ist daraus geworden? Die NATO-Osterweiterung hat ohne Not dafür gesorgt, dass aus den ehemals zwanghaft Verbündeten Gegenspieler Russlands geworden sind, die alles andere als freundschaftliche Gefühle für Moskau hegen. Es ist ein Desaster, dass in der erweiterten EU die neu hinzugekommenen Mitglieder die Außenpolitik der EU bestimmen, die allesamt noch offene Rechnungen mit Russland haben und gar nicht laut genug nach Sanktionen und härterer Gangart gegen Russland rufen können.
 

 

Wie mühselig war es zu Willy Brandts und Egon Bahrs Zeiten, eine neue Ostpolitik zu erarbeiten, die auf Wandel durch Annäherung setzte, wie langwierig ist es gewesen, Vertrauen aufzubauen, auf dessen Grundlage die deutsche Vereinigung überhaupt erst möglich wurde. Und all das wird nun leichtfertig aufs Spiel gesetzt, weil wir die Welt wieder in Gut und Böse einteilen. Die Guten sitzen hier und die Bösen in Russland. Nein: es sitzen Gute UND Böse hier und es sitzen Gute UND Böse in Russland, deshalb müssen die Guten oder besser gesagt, die Friedliebenden und vor allem Intelligenten über Grenzen hinweg zusammenarbeiten und endlich dafür sorgen, dass sich Gesellschaften nicht von machtverliebten Psychopathen drangsalieren lassen, ganz gleich auf welcher Seite sie sitzen.

Wer zum Frieden beitragen möchte, muss sich von Entweder-Oder-Positionen verabschieden. Es gibt nicht nur Gute und Böse, es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, es gibt ganz viel dazwischen. Der Satz funktioniert nicht: wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und auch das mit den Schubladen ist dumm und gefährlich. Ich habe mich zum Thema Ukraine zum Beispiel in den letzten Wochen am intelligentesten mit Militärs unterhalten, die wissen, wovon sie reden, wenn es um Frieden geht. Bei manchen Politikern und Journalisten habe ich nicht den Eindruck. Die verbale Aufrüstung macht mich fassungslos.
 

 

Frieden ist harte Arbeit, die es hin und wieder auch nötig macht, keine Rücksicht darauf zu nehmen, was gerade als political correct gilt oder in den Mainstream passt.

Ich wünsche unseren Preisträgern und Ihnen allen viel Kraft im Bemühen, zum Frieden beizutragen.

Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz

 



Quelle:  Aachener Friedenspreis e.V. > Laudatio-Text als PdF (siehe Anhang)

Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz ist Fernsehjournalistin und Autorin. Seit Oktober 2011 hat sie eine Professur für TV und Journalistik an der Business and Information Technology School (BiTS) - zu ihrer Webseite


Bild- und Grafikquellen:


1. Code Pink (oder CODEPINK) ist eine US-amerikanische pazifistische Bürgerrechtsbewegung, deren Ziele die Beendigung existierender militärischer Konflikte, insbesondere des Irakkrieges, die Verhinderung neuer Kriege und die Konzentration der Ressourcen auf lebensbejahende Ziele wie Gesundheitsfürsorge und Bildung sind. Sie wird hauptsächlich von Frauen getragen. Foto: Brendan Themes from Minneapolis, USA. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.

2. Büchel 2013: Auftaktkonzert Aufspielen zum Abrüsten. 24-Stunden Musikblockade und Happening an den Zufahrts- und Zugangstoren des Bundeswehr-Fliegerhorsts Büchel, auf dem ca. 20 Atombomben stationiert sind. Lebenslaute beteiligt sich mit der Konzertblockade “Aufspielen zum Abrüsten” am Aktionstag “Abrüstungsinstrumente – Rhythm beats bombs” im Rahmen der bundesweiten Kampagne atomwaffenfrei.jetzt. Foto: Jens Volle. Quelle: http://www.lebenslaute.net


3. Gabriele Krone-Schmalz. Foto: Markus Amon, München. Quelle: Webseite von Frau Krone-Schmalz - weiter

4. Protestschilder CODEPINK-Bewegung. "Ferguson & Beyond". Foto: Slowking4. Quelle: Wikimedia Commons. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren. Achtung: Kommerzielle Nutzung ist NICHT gestattet!

5. Aufklärung tut Not - nur nicht in Deutschland. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

6. Büchel 2013, Blockade von Tor 6: Aufspielen zum Abrüsten. 24-Stunden Musikblockade und Happening an den Zufahrts- und Zugangstoren des Bundeswehr-Fliegerhorsts Büchel, auf dem ca. 20 Atombomben stationiert sind. Lebenslaute beteiligt sich mit der Konzertblockade “Aufspielen zum Abrüsten” am Aktionstag “Abrüstungsinstrumente – Rhythm beats bombs” im Rahmen der bundesweiten Kampagne atomwaffenfrei.jetzt. Foto: Jens Volle. Quelle: http://www.lebenslaute.net

7. Büchel 2013: Aufspielen zum Abrüsten. 24-Stunden Musikblockade und Happening an den Zufahrts- und Zugangstoren des Bundeswehr-Fliegerhorsts Büchel, auf dem ca. 20 Atombomben stationiert sind. Lebenslaute beteiligt sich mit der Konzertblockade “Aufspielen zum Abrüsten” am Aktionstag “Abrüstungsinstrumente – Rhythm beats bombs” im Rahmen der bundesweiten Kampagne atomwaffenfrei.jetzt. Foto: Jens Volle. Quelle: http://www.lebenslaute.net

8. Code Pink (oder CODEPINK). Foto: Ben Schumin. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.

9. Code Pink bei einer Anti-Krieg-Demo vor dem Capitol in Washington, DC im September 2007. Foto: Sage Ross. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter den Creative-Commons-Lizenzen „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, „2.5 generisch“, „2.0 generisch“ und „1.0 generisch“ lizenziert.

10. Code Pink vor dem Rekrutierungszentrum des Marine Corps in Berkeley, Kalifornien, 2008. Foto: Falcorian. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter den Creative-Commons-Lizenzen „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, „2.5 generisch“, „2.0 generisch“ und „1.0 generisch“ lizenziert.