Alternative Neujahrsansprache an die Bevölkerung Deutschlands

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Alternative Neujahrsansprache an die Bevölkerung Deutschlands
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Prof. Dr. Johannes Heinrichs, Berlin/Duisburg

Alternative Neujahrsansprache an die Bevölkerung Deutschlands

(Jahreswende 2012 / 2013)

 


Ich bin vom Betreiber des Netzwerks denkfabrik-info.de gefragt worden: Was würdest du der deutschen Bevölkerung sagen wollen, wenn du sie auf allen Kanälen ansprechen könntest wie der Bundespräsident zu Weihnachten oder die Kanzlerin zu Neujahr? Hättest du Herzensanliegen, die du „teilen“ möchtest? Ich würde das gern auf meiner Website bringen! Nach einigem Zögern und Seufzen, das aus den sieben Sohlen der allgemeinen Resignation aufstieg, auch in Erinnerung daran, dass ich gerade vor Weihnachten einen Gedichtband herausgebracht habe – fast wie eine Flucht in eine ganz andere Äußerungsform als die von mir gewohnte wissenschaftliche und populärwissenschaftliche, nehme ich hiermit das Angebot an und ergreife die Chance – auf die Gefahr hin, dass die Ansprache ein wenig länger wird als gewohnt.
 



Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger,

insbesondere auch ihr Jungen, noch unverbogenen, noch hoffnungsvoll nach Wahrheit und Gerechtigkeit in öffentlichen Dingen Suchenden, ferner auch insbesondere ihr Mitbürger aus anderen Ländern oder mit Eltern und Großeltern aus anderen Ländern!  



1. Gastfreundschaft der Kulturen statt Multi-Kulti-Ideologie auf nationaler Ebene


Euch Immigranten grüße ich besonders ausdrücklich und herzlich als Sprecher eines Landes, das mit seinem Nationalbewusstsein ursprünglich zugleich ein betont weltbürgerliches, kosmopolitisches Bewusstsein verbunden hat. Gerade diese Verbindung war in der großen Zeit Deutschlands „typisch deutsch“. Wo immer sie verloren ging in einem Hurrapatriotismus, war das der Anfang von Selbstverlust, Selbstentfremdung, Selbstverstümmelung. Ich wende mich aber an euch Zuwanderer mit der Aufforderung, nicht Deutschland auf die kurze schlimme Zeit seiner völligen Verirrung festzulegen und dies – oder gar die erst unvollständig aufgedeckten jüngsten Verirrungen Einzelner - als Vorwand zu nehmen, Deutschland die nationale Solidarität zu verweigern oder, wie es viele „Eingeborene“ inzwischen tun, den Gedanken der Nation für überholt zu erklären.

„Nation“ ist – im Unterschied zu „Staat“ und auch „Nationalstaat“ - die Bezeichnung für eine kulturelle Einheit. Für diese steht vor allem die gemeinsame Sprache, doch auch das Bewusstsein einer gemeinsamen Geschichte und Geistesgeschichte. Das Wertvollste lässt sich am schlimmsten missbrauchen. Doch Missbrauch eines Wertes kann diesen selbst nicht entwerten.

Der Reichtum Europas liegt in der Vielfalt seiner Kulturen. Im Blick auf diese Vielfalt kann man mit Recht und Vernunft von Multikulturalität sprechen. Dieselbe Bezeichnung jedoch für innernationale Verhältnisse zu verwenden, führt zu schweren Verirrungen und erheblichen Schwierigkeiten. Innerhalb der Nation müssen wir den Unterschied der einen gastgebenden Kultur (börsenorientierte Leute mögen sie wenig glücklich „Leitkultur“ nennen) und den Gastkulturen beachten. Die Gastkulturen können und sollen ihre landsmannschaftlichen Bräuche weiterpflegen, jedoch nicht den Anspruch erheben, soziologisch auf gleicher Ebene zu stehen wie die gastgebende Kultur.  

Sollen wir etwa neben überwiegend deutschsprachigen Bibliotheken auch rein türkisch oder arabische und sonstige Bibliotheken bauen? Der Gedanke ist abstrus. Wer diesen strukturellen, nicht wertmäßigen Unterschied von gastgebender Kultur und Gastkulturen nicht beachtet und anerkennt, sät Unfrieden. Der Unfrieden beginnt nicht erst mit den Aussprüchen des türkischen Regierungschefs Erdogan, türkische Einwanderer sollten ja im Herzen Türken bleiben, d.h. also die volle kulturelle Solidarität mit Deutschland verweigern. Sie beginnt bereits mit der Herausbildung und Aufrechterhaltung von Gettos.  

Wir sollten aus der deutschen Geschichte gelernt haben, dass die Aufrechterhaltung von „Nationen“ innerhalb der einen Nation zu großem Unheil führt. Leider wird dieser soziologische Stein des Anstoßes auch für die Juden, zusammen mit ihrer schon damals längst überholten Gleichsetzung von Volk und Religion, nicht als objektiver Anstoß zu den Verbrechen der Nazis erkannt – welche Erkenntnis und Anerkenntnis natürlich in keiner Weise solche Verbrechen rechtfertigt.  

All diese Zusammenhänge sprechen von der großen emotionalen Bedeutung der nationalen Ebene. Diese zu ignorieren, womöglich mit Hinweis auf Europa, heißt, die verhängnisvollen Fehler der Vergangenheit in anderer Weise zu wiederholen: Missbrauch des Nationalen und seine Ignorierung sind zwei Straßengräben, zwischen denen hin und herzutorkeln wir uns verbieten sollten. Wo jedoch die genannten einfachen Grundregeln einer wechselseitigen „Gastfreundschaft der Kulturen“ beachtet werden, kommt es nicht mehr auf die Zahl der Einwanderer an. Es geht bei der Migrationspolitik längst nicht primär um wirtschaftliche, sondern um kulturelle Fragen – auch wenn unsere Politiker sie selten als solche thematisieren.



2. Unterscheidung von letzten Grundwerten und kulturellen Werten


Übrigens bildet die Unterscheidung des Religiösen vom Nationalen auch heute eine Grundvoraussetzung für die gelungene Integration islamischer Mitbürger. Dass sie mit der Einwanderung aufgefordert sind, Deutsche im kulturellen (nicht bloß rechtlich-staatsbürgerlichen) Sinn zu werden, hat so wenig mit der Religion zu tun, wie es heute abwegig wäre, von einem Deutschen wegen seiner Zugehörigkeit zur Nation katholisch oder evangelisch zu sein.  

Für das Vorankommen Europas ist die Unterscheidung der Werte-Ebenen Grundwerte (vorrechtlich begründet in Weltanschauung, Ethik, Religionen, spirituelle Lebensstile) und kulturelle Werte nicht minder von großer Bedeutung. Die europäische Gesamtkultur umfasst die schon genannte Vielfalt der so markant ausgeprägten nationalen Kulturen, die selbstverständlich im Maße ihrer Herausbildung zugleich in einem intensiven Austausch standen. Ebenso gehört zu einem Grundwerte-Europa gerade die Vielfalt, der Pluralismus der weltanschaulichen, ethischen, traditionell religiösen und spirituellen Begründungen der rechtlich einklagbaren Grundwerte. Es wäre völlig unzeitgemäß, wollte eine Religion, und seien es die christlichen Konfessionen zusammen, in Europa eine privilegierte Stellung beanspruchen – wie dies leider in Deutschland noch der Fall ist.

Es gibt hier staatlichen Religionsunterricht von der Grundschule an über die Sekundarschulen, und es gibt milliardenschwere theologische Fakultäten an den Universitäten, bisher meist zwei, manchmal noch eine jüdische, demnächst aus Paritätsgründen vielleicht islamische Fakultäten. Aus der Sicht eines aufgeklärten Bürgers ist das nicht nur ein staatsrechtlicher Missstand, weil höchstens noch die Hälfte der Bevölkerung diese Privilegierung der Konfessionen mitträgt, sondern auch ein wissenschaftlicher Missstand mit erheblichen Auswirkungen: Wenn Glaubenssysteme wissenschaftlichen Status beanspruchen, geht der Sinn für korrekte rationale, d.h. wissenschaftliche Argumentation zumindest in den Geisteswissenschaften verloren.  

Ich sage das als jemand, der das heimliche Weiterbestehen des Staats-Kirche-Konkordates von 1933 auch an den Philosophischen Fakultäten selbst folgenreich zu spüren bekommen hat. Natürlich wird dieses Weiterwirken des „Reichskonkordates“ heute unter anderen Titeln für die Verträge der einzelnen Bundesländer mit den beiden „großen“ Kirchen verschleiert.

Keine der großen Parteien wagt an diese Konfessions-Privilegien, wovon die genannten bloß die Spitze des Eisbergs sind, zu rühren, um nicht die Stimmen der kirchennahen Wähler zu verlieren. Auch gilt es als „gottlos“ oder anti-religiös, dergleichen zu thematisieren – was nur zeigt, in welchem Maße die christlichen Konfessionen noch das Monopol für Religiosität und Gottverbundenheit beanspruchen – eine beständige Ohrfeige für die eher philosophisch fundierten religiösen Strömungen (Freireligiöse, Freimaurer und Rosenkreuzer, die in der europäischen Geschichte schwer bedroht waren, Pantheisten, zu denen nicht wenige unserer größten Dichter und Denker zählten, Theosophen und deren Abzweigung, die Anthroposophen, aber auch Freidenker und Humanisten atheistischer Prägung usw.).

Als zugleich philosophischer wie spiritueller Mensch wie als rechtlich denkender Staatsbürger halte ich die fortbestehenden Privilegien der Konfessionen in Deutschland für schweres Unrecht und für äußerst schädlich für die geistige Kultur unseres Landes. Denken wie echte spirituelle Erfahrung wird durch Glauben im Sinne von Autoritätsglauben ersetzt, und dies auf rechtliche und finanzielle Privilegien gestützt, z.B. den staatlichen Kirchensteuer-Einzug und die seit Napoleon weiter bestehenden „Staatsleistungen“ an die Kirchen, deren Abschaffung schon von der Weimarer Verfassung vorgesehen war.

Zwar ist das kirchliche Schulprivileg seit fast zwei Jahrhunderten abgelöst, wenngleich es immer noch staatliche Alimentation von „privaten“ konfessionellen Schulen gibt.
Doch besonders in den Rundfunkräten bestimmen in hohem Maße die Konfessionsvertreter, was als „ausgewogen“ und sende-würdig zu gelten hat. Kurz, die Freiheit des kulturellen Lebens ist in Deutschland nicht hinreichend gewährleistet – auch wenn wir im Moment noch von den anderen Abhängigkeiten des Kultursystems, vom Wirtschaftssystem nämlich, absehen.

Wie kann man den denkenden, selbstständigen Staatsbürger, den Gegensatz also zum Mitläufertyp, erhoffen, wenn die Kultur (als Pädagogik, Wissenschaft, Publizistik, Kunst) bei den Institutionen wie beim Einzelnen Abstriche von der Freiheit des geistigen Lebens macht? Diese Freiheit ist heute nicht mehr durch den Staat bedroht, jedenfalls solange der Parteienstaat die Finger vom freien Internet lässt, sondern durch die herrschenden Konfessionen, ihre Verquickung der quasi-religiösen Letztwerte, welche die Menschenwürde selbst definieren, mit den Werten des kulturellen Ausdrucks. Solche Verquickung aber geschieht durch Überprivilegierung der religiösen Konfessionen im Bereich von Lehre, Wissenschaft und Publizistik.

Ist die Publizistik zwischen weltanschaulich-politischer und wirtschaftlicher Gängelung heute tatsächlich so frei, wie es sich für ein demokratisches Gemeinwesen gehört? Man spricht nicht ohne Gründe von der „verblödeten Republik“ (Th. Wieczorek). Ein großes Thema für sich!  

Ich komme kurz noch einmal auf das Ethos der Wissenschaften. Dieses ist in den Naturwissenschaften stärker durch wirtschaftliche Abhängigkeiten bedroht, in den Geisteswissenschaften jedoch in weithin unerkanntem Maße durch sachfremde Abstriche am Geist der Wissenschaftlichkeit. Das fördert den Typ des geistig unfreien Geisteswissenschaftlers, dem die streng philosophischen Fundamente seiner Forschung und Lehre gleichgültig sind, sowie des Brotgelehrten, dem ohnehin mehr an Status und Verdienst als an Wahrheit, an möglichst sauberer Annäherung an die Wahrheit, gelegen ist.  

Können und wollen wir uns als traditionelle Nation der Denker, nicht nur der technischen Erfinder und Konstrukteure, diese Halbheit, ja noch weitgehend unerkannte Korruption der Geisteswissenschaften leisten? Genügt nicht schon die Abhängigkeit der naturwissenschaftlichen und medizinisch-pharmazeutischen Forschung von Wirtschaftsinteressen? Ist es nicht alarmierend, wenn mit guten Gründen behauptet werden kann, wir hätten keine freie Philosophie und keine damit Geisteswissenschaft in Deutschland – wegen der Abhängigkeit der Lehrstuhlbesetzungen von konfessionellen wie parteipolitischen Rücksichten?



3. Wertgestufte Demokratie als Synthese von direkter und parlamentarischer Demokratie


Außer der religiös-weltanschaulichen Ebene der Grundwerte-Begründung (fürs Individuum sprechen wir besser von Letztwerten) und der kulturellen Werte sind die Systemebenen der Politik und der Wirtschaft in ihrer Verschiedenheit geltend zu machen. Es pfeifen die Spatzen von den Dächern, wie stark die Politik von der Wirtschaft bestimmt wird. Zugespitzt, aber keineswegs übertrieben:  

  • Wir leben in einer Demokratie, in der weder die Grundwerte noch der Volkswille die Politik bestimmen, sondern die Wirtschaft, das Geld.

Im Grunde ein skandalöser Zustand, der nur „ausgeglichen“ wird durch den eben genannten Skandal, der Abhängigkeit des kulturellen und indirekt auch des politischen Lebens von den traditionellen Mehrheitskonfessionen. Heraus aus dieser „Balance der Skandale“ am demokratischen Maßstab gibt es einen Ausweg, der schon seit Jahrzehnten als „Viergliederung“, in den letzten Jahren auch unter der schlichten Bezeichnung „Wertedemokratie“ thematisiert wird: die institutionelle Unterscheidung der Werte-Ebenen Grundwerte, kulturelle, politische und wirtschaftliche Werte. Effektiv institutionell wird diese Unterscheidung durch die Schaffung von vier eigenständigen parlamentarischen Kammern – eigenständig in dem Sinne, dass sie in jeweils eigenen (auch zeitlich getrennten) Wahlen gewählt werden.

  • In der Grundwerte-Kammer hätten wir Abgeordnete, die jeweils über einen pragmatischen, d.h. von allen weltanschaulichen Gruppen vertretbaren Konsens über die ethischen Fragen des Gemeinwesens ringen – und eigens dafür gewählt würden. Als Vertrauensleute der Bevölkerung für diese ethischen Fragen, wie z.B. Sterbehilfe, pränatale Diagnostik oder die Fragen der Sexualität und des fairen Miteinanders der Geschlechter, soweit die Ethik des individuellen Handelns einer allgemeinen rechtlichen Regelung bedarf.  
  • In die Kultur-Kammer würden wir Experten im Sinne von Vertrauensleuten für kulturelle Fragen wählen. Das würde die angemessene politische Rahmensetzung für die kulturellen Fragen ermöglichen, die schon angesprochen wurden und die so leicht unterschätzt werden.
  • In die im engeren Sinne politische Kammer würden wir unsere Vertrauensleute für Boden- und Eigentumsfragen, für Strafrecht und innere wie äußere Sicherheit wählen.
  • In die Wirtschafts-Kammer schließlich unsere Vertrauensleute für Wirtschaft.  

 

Zwischen diesen vier Kammern des Parlaments besteht eine Vorrangregelung:

zuerst die Grundwerte, dann die kulturellen, dann die politischen und schließlich die immer noch fundamental bleibenden wirtschaftlichen Werte. Im Gegensatz zur neuerlichen Regelung der Überhangsmandate, die den Steuerzahler etliche unnütze Millionen mehr kostet, kann die Viergliederung des Parlaments sogar mit seiner Verschlankung einhergehen: ein eklatanter Unterschied zwischen sinnloser Aufblähung und funktionaler Weiterentwicklung!

Bevor ich auf die überragende Bedeutung des neuen Verhältnisses von Wirtschaft und Politik eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass mit dieser Art Wertedemokratie zugleich ein ganz wesentliches Stück direkter Demokratie gewährleistet würde. Millionen Menschen in unserem Land sehnen sich nach mehr direkter Demokratie, und es ist sicher kein Fehler, möglichst viele Bürgermeister, auch den obersten „Bürgermeister“ der Republik, direkt zu wählen. Die direkten Abstimmungen über Personen oder einzelne Sachfragen können jedoch keineswegs das Prinzip der Vertrauensdelegation sowie das der parlamentarischen Beratung ersetzen.  

 

In dem Modell der viergliedrigen Wertedemokratie wird beides vereint:

  • direkte, bereichsspezifische Abstimmung über die jeweiligen, zur Debatte stehende Werte und Wahl von Personen, denen temporär das Vertrauen übergeben wird und die zur sachlichen Beratung fähig sind – und dann erstmals institutionell die Möglichkeit dazu haben: nämlich wirklich über einen Themenbereich zu beraten und nicht hintergründig zugleich über alle.  

Aus den bisherigen Allzuständigkeitsparteien würden Sachparteien. Ach, der leidige Parteienstaat, er wäre durch diese Ablösung der Parteien alten Typs überwunden. Dass bisher kaum ein Abgeordneter der jetzigen Parteien sich für diese seit Jahren propagierte konstruktive Lösung der Wertedemokratie einsetzt, das spricht Bände. Auch am bedrohlichen Zustand der amerikanischen Demokratie wird sichtbar: Entweder wird diese sprunghaft weiterentwickelt – oder sie bricht bald zusammen wie einst die Weimarer Republik.



4. Wertedemokratie für Europa und die entscheidende Front: Wirtschaftsdemokratie


Das gleiche Modell würde übrigens Europa aus der so offen sichtlichen Patsche helfen, also schlicht die Unterscheidung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1), einer ganz anderen politischen Einheit Europas (2), einer wiederum ganz anderen kulturellen Einheit Europas in der farbigen Vielheit der nationalen Kulturen (3) und schließlich Europa als Wertegemeinschaft in Bezug auf die Letzt- oder Grundwerte (4).  

Ich komme damit abschließend auf den wirtschaftlichen Bereich, der in der europäischen Diskussion ganz im Vordergrund steht. Die europäische Finanzkrise ist eine Schulden-, deutlicher gesagt, eine Gläubiger-Krise. Wir alle werden manipuliert von einigen hundert Vertretern der Hochfinanz, der gegenüber unsere Politiker machtlos sind bzw. von deren Gnaden diese regieren.  Gegen diesen unhaltbaren Zustand kommen wir mit der bisherigen Halb- oder besser Viertelsdemokratie, nicht an. Denn diese Demokratie in den Kinderschuhen lebt davon, dass die genannten Wertbereiche völlig intransparent alle zugleich und von denselben, für Alles und Nichts gewählten Abgeordneten verhandelt werden. Bei solch undurchschaubaren Verhältnissen sind die Finanz-Mächtigen seit Jahrhunderten die Gewinner, gleich wer unter ihnen regiert und Kriege führt.  

Vieles ließe sich über die inneren Mechanismen des Kapitalismus sagen, was hier zu weit führen würde. Es geht mir in diesem Neujahrs-Appell allein um die Möglichkeit einer legalen, auf demokratisches Recht gestützten Entmachtung der Finanz-Mächtigen. Ich predige keinen Bürgerkrieg, obwohl ich um die Schwierigkeit einer Entmachtung dieser Finanzmächte weiß und sie wohl schärfer sehe als die vielen Geld- und Wirtschaftsreformer, meist Möchtegern-Reformer, die sich nicht um den gesamtdemokratischen Durchsetzungsprozess kümmern. Was ich befürworte, ist Wirtschaftsdemokratie in einem viel tieferen Sinn als dem bloßer Demokratisierung der Arbeitswelt, nämlich:  

  • im Sinn der effektiven Bestimmung der Menschen über die Art von Wirtschaft, die sie wünschen, und die Art von Geld, das allen dient, statt alle zu beherrschen.  

 

Wirtschaftsdemokratie ist jedoch nur als Teil einer alle sozialen Werte-Ebenen einbeziehenden Wertedemokratie möglich!

Umsonst ist die gewaltige Änderung des Weltfinanzsystems nicht zu haben. Wir brauchen diese Änderung nicht mit unserem Blut zu bezahlen. Das würde letztlich nicht einmal zum Erfolg führen. Wir brauchen sie nur mit unserem entschiedenen Willen zu einer weiterentwickelten Demokratie zu bezahlen – mit dem unblutigen, aber entschiedenen Einsatz unserer Verstandes- und Überzeugungskräfte. Ich sehe dies – mit oder ohne einen gleichzeitigen Kollaps des Weltfinanzsystems – als die einzige friedliche Möglichkeit:

  • die entschiedene, klar strukturierte Forderung nach Wirtschaftsdemokratie im Rahmen jenes gesamtdemokratischen Sprunges nach vorn.

 

Ein Land muss und kann den Anfang machen:

Es ist Deutschland als führende Nation einer neuen europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Gesamtdemokratie. „Land der Ideen“ darf kein neoliberaler Slogan bleiben. Dieses Land muss geistige Führung übernehmen. Erst dadurch hört es auf, amerikanische Nachkriegs-Provinz, ja Besatzungsterritorium zu sein – und leistet damit zugleich den einstigen Befreiern vom Faschismus tätigen Dankesdienst.

Denken und handeln wir im kommenden Jahr in diesem Sinne mit aller Kraft und viel Mut weiter, meine lieben Mitbürger! Dies und nichts Geringeres, nichts Geringeres also als das Ganze im Unterschied zu tausend Ablenkungs- und Verzettelungsvorschlägen, ist mein Herzensanliegen, das ich mit möglichst vielen von Euch teilen wollte. 
Es geht letztlich einzig und allein um die kollektive Veränderung unseres Bewusstseins von Demokratie. Es ist allein das vereinte und laserartig gebündelte Bewusstsein, gegen das heute weder Panzer noch Panzerschränke etwas vermögen.  

In diesem, zugegebener Maßen etwas anspruchsvollen Sinne wünsche ich uns allen ein Jahr des entschiedenen Fortschritts auf ein wahrhaftigeres und allen gemeinsames Glück hin!

J. H.

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Offenbarungseid der Politiker überfällig

Offenbarungseid der Politiker überfällig

 

Die Botschaft, die Johannes Heinrichs als Alternative zu den offiziellen Weihnachts- und Neujahrsansprachen aufgesetzt hat, ist  zu begrüßen. Allerdings bedarf sie noch einer Ergänzung, die von den Bürgern in aller erster Linie erwartet würde.

Die Ansprachen unserer realitätsfremden "Volksvertreter" sind nämlich nicht in einer eindeutigen und ehrlichen Sprache verfaßt - sondern in Neusprech und mit Euphemismen vollgepackt. Ich denke, daß die Mehrzahl der Bürger sich endlich einmal ungeschminkte Wahrheiten und praktische, verbindliche sowie konkrete Aussagen über die wirkliche Situation und deren Meisterung erhoffen. Ich will jetzt nicht in die Details einer solchen Offenbarung gehen, sondern "nur" die Qualität der zu fordernden Selbstbekenntnisse und Absichtserklärungen nennen:

  • ein offenes Bekenntnis dazu, daß die neoliberale und wirtschaftsradikale Konzeption gescheitert ist und eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Kehrtwende zu einer solidarischeren, menschenorientierteren und gerechteren Ordnung eingeleitet werden muß: und zwar ab sofort, noch in diesem Jahr 2013
  • das Zugestehen von kapitalen und grundlegenden Fehlern, die man selbst und die übrigen Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft begangen hat  sowie die Übernahme von Verantwortung dafür sowohl für die vergangenen als auch für kommenden Fehlentscheidungen
  • das Bedauern, daß man sich von falschen Propheten hat in die Irre  führen lassen, sich den Lobbyisten verkauft und ergeben und sich selbst in Korruption verfangen hat
  • die Deklaration der Einsicht, daß Probleme nur durch radikale Maßnahmen, die das Übel an der Wurzel packen, zu lösen sind und keinesfalls - wie bisher üblich - durch ein Herumdoktern an den Symptomen oder Fassadenmalerei
  • das Versprechen, daß man ab sofort das wirklich Machbare nicht mehr mit Ausreden, Lügen und Ignoranz verhindert und uns mit faulen Kompromissen die gemeinsame Zukunft verbaut
  • einen heiligen Eid leistet, daß zukünftig sämtliche politischen Aktivitäten nur noch auf das menschliche Maß gerichtet sind, das Gemeinwohl absolut in den Vordergrund gerückt wird und somit wirtschaftliches Handeln oder sonstiges politisches nur noch ein Mittel im Dienste des Menschen ist - und nicht umgekehrt wie bisher

Dies sind nur einige grundlegende Forderungen der Bürger, die mir spontan eingefallen sind. Ich glaube allerdings, daß wir uns auf eine solche Reaktion der Verantwortlichen noch bis an den St. Nimmerleinstag gedulden müssen. Es sei denn, wir nehmen endlich selbst das Heft in die Hand und helfen der Sache mit mehr oder weniger Gewalt nach.

 

Peter A. Weber

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Johannes Heinrichs
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Verbunden: 16.11.2012 - 13:19
Dialektische Paradoxe der Gegenwart

 

Dialektische Paradoxe der Gegenwart

Nachtrag zur alternativen Neujahrsansprache, 1.1.2013


Auf die vielfachen, privat erhaltenen Reaktionen auf meine alternative Neujahrsansprache und aus den in mir selbst weiter wirkenden, noch zurückgehaltenen Gedanken möchte ich einige ergänzende Thesen herausdestillieren. Man sehe es mit Nachsicht, wenn ich um der Anknüpfung willen jeweils zunächst ein Selbstzitat bringe.  

Kurze begriffliche Vorklärung: Unter „Dialektik“ verstehe ich (mit meinen großen Lehrern Kant, Fichte, Hegel) das notwendige Zusammengehören von Gegensätzen, wie es der selbstbezüglichen Struktur des menschlichen Bewusstseins und - als „Dialogik“ - dem Zwischenmenschlichen eigen ist. Unter „Paradox“ verstehe ich, dass das Tun des Einen zugleich das Bewirken seines Gegenteils ist, und zwar meist das ungewollte Bewirken des Gegenteils.  


1. Gastfreundschaft der Kulturen statt Multi-Kulti-Ideologie auf nationaler Ebene
 

„All diese Zusammenhänge sprechen von der großen emotionalen Bedeutung der nationalen Ebene. Diese zu ignorieren, womöglich mit Hinweis auf Europa, heißt, die verhängnisvollen Fehler der Vergangenheit in anderer Weise zu wiederholen: Missbrauch des Nationalen und seine Ignorierung sind zwei Straßengräben, zwischen denen hin und herzutorkeln wir uns verbieten sollten.“


Ungewollt bewirken die Vertreter von „Multikulti“, also der angeblichen Gleichberechtigung aller Kulturen auf einem kulturell einheitlichen Territorium, einer Nation, dass Ablehnung und Hass gegen die Migranten erzeugt wird – bis hin zu dem für mich völlig undiskutablen „braunen“, rückwärts gewandten Nationalismus. Die undifferenzierte Multi-Kulti-Mentalität nährt selbst am meisten die Ablehnung der Immigranten.

Dies Gesagte trifft umso mehr zu, als nie klar gesagt wird, was „Multikulti“ eigentlich – begrifflich - beinhalten soll. Es hat erstens auf europäischer Ebene völlig andere Bedeutung als auf nationaler. Zweitens wird nicht unterschieden, ob es die Anerkennung landsmannschaftlicher Sekundärkulturen (als solche bewusster Gastkulturen) oder deren angebliche rechtliche Gleichstellung meinen soll.

Ich habe schon 1994 in einem Büchlein „Gastfreundschaft der Kulturen“ auf jenen paradoxen Zusammenhang aufmerksam gemacht. Dass eine öffentliche Diskussion darüber nicht wirklich zugelassen wird, ist Teil einer noch umfassenderen Kulturkrankheit: der nicht funktionierenden öffentlichen Diskussion und Werte-Kommunikation im Zeichen einer „Diskursgesellschaft“ in einem gräulich unklaren, mehrdeutigen Sinn: im Zeichen der Herrschaft des vorgeblich angestrebten „herrschaftsfreien Diskurses“ (Habermas). Der „Verfasssungspatriotismus“ des Genannten ist so blutleer und falsch, weil an den vor-rechtlichen Werten des kulturellen Zusammenhalts vorbei gehend, wie seine „Diskurstheorie“, die nicht den Namen Theorie verdient. Die „Weltmacht Habermas“ (so DIE ZEIT zu seinem 2009 zu seinem 80.) steht in unerkanntem innerem Zusammenhang mit anderen nivellierenden Weltmächten: Kapitalismus und amerikanischer Art der Globalisierung.


2. Unterscheidung von letzten Grundwerten und kulturellen Werten
 

„Als zugleich philosophischer wie spiritueller Mensch wie als rechtlich denkender Staatsbürger halte ich die fortbestehenden Privilegien der Konfessionen in Deutschland für schweres Unrecht und für äußerst schädlich für die geistige Kultur unseres Landes. Denken wie echte spirituelle Erfahrung werden durch Glauben im Sinne von Autoritätsglauben ersetzt, und dies auf rechtliche und finanzielle Privilegien.“


Das Paradox im Grundwerte-Bereich liegt darin, dass die Kirchen durch ihre Unglaubwürdigkeit, nicht allein in den inzwischen teilweise bekannten sexuellen Doppelspielen - nicht thematisiert wird in der Missbrauchsdebatte, dass z.B. das zölibatäre Priestersystem ohne das Doppelspiel im hetero- wie homosexuellen Bereich zusammenbrechen würde -  sondern sogar im Kern der Glaubenslehre die religiöse Gleichgültigkeit, den praktischen Materialismus, wie auch den theoretischen Atheismus nähren.  Sie zerstören, gerade im egoistischen Insistieren auf ausschließlich „christliche“ Begründungen, die mögliche spirituelle Verbundenheit der großen Mehrheit der Deutschen (wie aller Menschen).

Wo würde ernsthaft über die Einmaligkeit der Gottessohnschaft Jesu diskutiert oder diese begründet? Diese Lehre wird nicht nur „unbiblisch“ sein, was hier dahin gestellt sein mag, weil für denkende Menschen der papierne Papst, die Bibel, nicht unfehlbarer sein kann als der andere Papst. Sie schafft zudem Unfrieden zwischen den Religionen, die auch andere und somit zumeist eine Mehrzahl von hoch entwickelten Meistern oder Gottessöhnen bzw. Gottestöchtern kennen. Sie verstellt den Blick auf die immerhin Aufhorchen verdienende theosophische Botschaft, dass solche Meister im Hintergrund des Weltgeschehens stehen und darauf warten, dass die Menschheit reif genug ist, dass diese sich offen zeigen können.  


„Ist es nicht alarmierend, wenn mit guten Gründen behauptet werden kann, wir hätten keine freie Philosophie und damit Geisteswissenschaft in Deutschland – wegen der Abhängigkeit der Lehrstuhlbesetzungen von konfessionellen wie parteipolitischen Rücksichten?“


Ich selbst habe diese Behauptung aufgestellt, weil selbst „atheistische“ Professoren sie verschweigen – um des sogenannten akademischen Friedens willen. Diese Art akademischer „Toleranz“ ist jedoch – schön paradox – nichts anderes als Gleichgültigkeit gegen Wahrheitsansprüche um des lieben konkordatären Friedens und der mit ihm verbundenen Gehälter willen, welche Gleichgültigkeit die Grundlagen des akademischen und des allgemeinen intellektuellen Lebens zerstört.


3. Wertgestufte Demokratie als Synthese von direkter und parlamentarischer Demokratie
 

„Wir leben in einer Demokratie, in der weder die Grundwerte noch der Volkswille die Politik bestimmen, sondern die Wirtschaft, das Geld. (…) Millionen Menschen in unserem Land sehnen sich nach mehr direkter Demokratie, und es ist sicher kein Fehler, möglichst viele Bürgermeister, auch den obersten „Bürgermeister“ der Republik, direkt zu wählen. Die direkten Abstimmungen über Personen oder einzelne Sachfragen können jedoch keineswegs das Prinzip der Vertrauensdelegation sowie das der parlamentarischen Beratung ersetzen.“


Wer die Dramatik unserer und der weltweiten pseudodemokratischen Situation erfasst, muss sich darüber wundern, wieso sich alternative Vereine und verdiente Autoren (wie z.B. Hans Herbert von Arnim) damit begnügen können, ein bisschen mehr „direkte Demokratie“, gar „nach Schweizer Vorbild“, zu fordern, obwohl diese doch am alltäglichen pseudoparlamentarischen Geschehen kaum etwas ändern würde – und obwohl seit mehr als 10 Jahren (schon lange vor Erscheinen des Buches „Revolution der Demokratie“ 2003) der Vorschlag einer leicht realisierbaren und effektiven inneren Synthese von direkter und parlamentarischer Demokratie auf dem (nicht vorhandenen) Tisch des öffentlichen „Diskurses“ liegt. Das Paradox ist: Die zahlreichen, sicher nach Millionen zählenden Befürworter von „Mehr Demokratie“ werden durch diese Sackgasse einer einseitigen direkten Demokratie vor einer tiefer greifenden friedlichen „Revolution“, d.h. einer sprunghaften Weiterentwicklung der Demokratie geradezu abgewiegelt als zu ihr aufgewiegelt. Wie kann es sein, dass erhebliche Förderungs- und Spendengelder in solche Halbheiten fließen? Die Halbheit von „mehr Volksabstimmungen“ und besonders die von Ja-Nein-Volksabstimmugen auf Bundesebene läßt sich allenfalls dadurch rechtfertigen, dass sie als Zwischenziel auf eine Ganzheit von echter, der Not unserer Zeit angemessenen Verfassungsänderung hin arbeitete. Solange dies jedoch nicht als eigentliches Ziel artikuliert wird, bleibt auch dies eine Halbheit, die nichts Grundlegendes ändert! Wahrscheinlich ist die weltweite geistige, seelische und materielle Not der Zeit noch zu Wenigen in unserem Lande bewusst. Beruht die besagte Halbheit der einseitigen Direktdemokraten, die weiter dem überholten Schulwissen vom historischen Gegensatz beider Formen von  Demokratie, direkter und repräsentativer, anhängen, allein auf Unwissenheit – oder sollten auch hier steuernde, ablenkende Kräfte im Spiele sein?


4. Wertedemokratie für Europa und die entscheidende Front: Wirtschaftsdemokratie
 

„Das gleiche Modell würde übrigens Europa aus der so offen sichtlichen Patsche helfen, also schlicht die Unterscheidung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1), einer ganz anderen politischen Einheit Europas (2), einer wiederum ganz anderen kulturellen Einheit Europas in der farbigen Vielheit der nationalen Kulturen (3) und schließlich Europa als Wertegemeinschaft in Bezug auf die Letzt- oder Grundwerte (4). (…) Dies und nichts Geringeres, nichts Geringeres also als das Ganze im Unterschied zu tausend Ablenkungs- und Verzettelungsvorschlägen, ist mein Herzensanliegen, das ich mit möglichst vielen von Euch teilen wollte.“


Das Paradox im Bereich der zahlreichen Wirtschafts- und Geldreformer liegt darin, dass sie richtig erkennen, wie vordringlich und für die ganze Gesellschaft durchschlagend die Finanz-, sprich Gläubiger-Problematik ist, dass sie jedoch (abgesehen von zahlreichen Meinungs- und Lehrunterschieden) ganz selten das systemische Ganze der Gesellschaft in Betracht ziehen. Wer das Ganze allein von der Wirtschaft her aufziehen willen, verfehlt dieses Ganze mit Sicherheit – und möge die wirtschaftliche Konzeption für sich noch so richtig sein.

Diesen Fehler des Ökonomismus machte seinerzeit schon (trotz eines genialen philosophischen Blicks) ein Karl Marx. Er ist der marxistischen Strömung mit der freiwirtschaftlichen (heute humanwirtschaftlichen) Bewegung Silvio Gesells – und mit den neoliberalen Wirtschaftsgläubigen gemeinsam und wird scheinbar neuerdings von den „Gemeinwohlökonomen“ wiederholt. Demokratieentwicklung nur als Nebenprodukt einer Gemeinwohlwirtschaft? Wer das Ganze der Gesellschaft verändern will, darf nicht die wirtschaftliche Systemebene absolut setzen – wie es die allermeisten Wirtschafts- und Geldreformer leider noch immer tun!

Eine pragmatische Einigkeit zwischen den vielen Lehrmeinungen kann übrigens, ganz ähnlich wie in der Grundwerte-Kammer, nur durch eine parlamentarische Wirtschafts-Kammer erzielt werden, die aus direkt vom Volk gewählten Vertrauensleuten besteht und worin die Experten (Vertrauensleute der Bevölkerung) unter dem Mandat und Zwang zum Handeln stehen.

Der Zwang zum Handeln täte uns allen gut. Unter ihm muss sich selbstverständlich auch eine Demokratie-Theorie bewähren, die sich für die derzeit beste und umfassendste empfiehlt. Manchen erscheinen Einzelprobleme wie die Erlösung der Frauen aus dem mindestens fünftausendjährigen Patriarchat oder die der Regionalität oder des weltweiten Sprachensterbens oder der drohenden Klimakatastrophe oder, weiß ich was, als darin nicht enthalten. Ich halte dies für irrtümlich, weil der Folgenreichtum eines ganzheitlichen Ansatzes unterschätzt wird. Es ist hier nicht der Ort, das Gegenteil zu demonstrieren. Wichtige zusätzliche Akzentsetzungen gibt es im ganzheitlichen Konzept genug. Sie hören erst dann auf, Ego-Spielwiesen zu sein, wenn sie sich einem Ganzheitskonzept einordnen.

Ich weiß, dass ich selbst von vielen Initiativen lernen kann. (Schon betont im „Demokratiemanifest“ von 2005, Kap. X.) Doch gewänne ich die Freiheit zu neuem Lernen wie zu konkreten Einzelschritten leichter, wenn ich mein umfassendes Hauptanliegen gesichert wüsste.

Möge das begonnene Jahr uns alle zu Einsichten und gelingender Praxis führen!

J.H.

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Johannes Heinrichs
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Verbunden: 16.11.2012 - 13:19
Beklagen und Konstruktives

Lieber Peter Weber,

ich danke für Ihre Ergänzungen! Ich halte mich jedoch gar nicht mehr bei der Klage über den Neusprech und die Floskeln unserer Konventionspolitiker auf. Mir geht es allein um die konstruktiven Alternativen. Es kann aber nicht schaden, die Hintergrundfolie, über die wir uns einig sind, immer wieder ins Bewusstsein zu rufen.

Herzliche Grüße!

Johannes Heinrichs

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