Amnesty-Bericht: Deutschland lässt die Opfer rassistischer Gewalt im Stich

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Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Amnesty-Bericht: Deutschland lässt die Opfer rassistischer Gewalt im Stich
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Deutschland lässt die Opfer rassistischer Gewalt im Stich

von Amnesty International


Der deutsche Staat vernachlässigt seine menschenrechtlichen Verpflichtungen, indem er Geflüchtete und andere People of Color nicht ausreichend vor Diskriminierung und rassistischen Angriffen schützt. Das geht aus dem neuen Amnesty-Bericht "Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt" hervor.

Die deutschen Strafverfolgungsbehörden sind auch fünf Jahre nach ihrem Versagen beim NSU-Skandal nicht in der Lage, entschieden gegen rassistische Gewalt vorzugehen, die sich mehr denn je gegen Flüchtlinge und andere People of Color [1] richtet.

"Die Zahl der erfassten rassistisch motivierten Angriffe ist so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik", sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland.

"Das Bild, das Deutschland aktuell abgibt, könnte widersprüchlicher nicht sein: Auf der einen Seite haben wir die großartige, mitfühlende Willkommenskultur, die geprägt wird vom Engagement Zehntausender ehren- und hauptamtlicher Helferinnen und Helfer. Auf der anderen Seite sehen wir, wie rassistische Ressentiments mit erschreckender Hemmungslosigkeit ausgelebt werden."

Oft brechen sich solche Vorurteile gewaltsam Bahn: "Die abstoßenden Angriffe traumatisieren Flüchtlinge und Asylsuchende, die ohnehin schon Krieg und Verfolgung durchleben mussten, bevor sie nach Europa geflohen sind", sagt Marco Perolini, Researcher bei Amnesty International und Hauptautor des Berichts. "Fast täglich kommt es zu rechten Übergriffen, werden Menschen beleidigt, bedroht, verletzt, wird eine Flüchtlingsunterkunft angegriffen."

Selmin Çalışkan: "Amnesty fordert die Innenministerkonferenz dazu auf, ein bundesweites Konzept zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften vor rassistischen Angriffen zu vereinbaren."

Gleichzeitig müssen die deutschen Strafverfolgungsbehörden rassistische Straftaten eben auch als solche behandeln. In dem Amnesty-Bericht finden sich zahlreiche Beispiele dafür, dass zum Beispiel Polizistinnen und Polizisten nicht erkennen, dass sie es mit einem Opfer rassistischer Gewalt zu tun haben.

"Die deutschen Strafverfolgungsbehörden haben aus ihrem Versagen beim NSU-Komplex wenig gelernt. Außerdem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass deutsche Behörden ein Problem haben: institutionellen Rassismus - also das Unvermögen, alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft", so Çalışkan.

Amnesty fordert daher die Bundesregierung dazu auf, unabhängig untersuchen zu lassen, inwieweit institutioneller Rassismus bei den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere in der Polizei, vorhanden ist und dieser die Ermittlungen bei rassistischen Straftaten behindert.

Den vollständigen Bericht "Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt" gibt es zum Herunterladen als PDF-Datei im Anhang - bitte weiter runterscrollen!

Weitere Informationen zum Thema - weiter.

Amnesty International

Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin

T: +49 (0)30 / 420248-0, F: +49 (0)30 / 420248-488

E: info@amnesty.de

W: www.amnesty.de

 

[1] Anm. von Helmut Schnug: Zitat aus dem Artikel: »[..] gegen Flüchtlinge und andere People of Color [..]« Mit dem Begriff 'People of Color' (Singular: 'Person of Color'), also 'Farbige', habe ich ein Problem, auch wenn er in Deutschland sowohl aktivistisch als auch wissenschaftlich verwendet wird.  

Karina Fuchs, eine selbstbewußte 'Social Media Redakteurin' mit deutschen als auch nigerianischen Wurzeln und hellbrauner Haut, schrieb in einem rtl-Kommentar vom 28. Mai 2020:

»Der Begriff "Schwarz" ist okay – im Gegensatz zu Maximalpigmentierter oder Farbiger. Meine Hautfarbe ist nicht "farbig". Sie ist nicht gelb, grün oder rot und auch nicht maximalpigmentiert. Zudem ist Farbige/farbig ein kolonialistischer Begriff und negativ konnotiert.«

»Der wohl passendste Begriff ist PoC – Person of Color. PoC ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die sich nicht als Weiß definieren und gilt als positive Umdeutung der abwertenden Zuschreibung "colored" (farbig). Der Begriff PoC verbindet geteilte Rassismus-Erfahrungen von Menschen, die "anders" als die weiße Mehrheitsgesellschaft aussehen. Dazu zählen alle Farben und Schattierungen dieser Welt - auch Menschen aus Lateinamerika, Südafrika oder Asien. Sich so zu bezeichnen ist auch politisch. People of Color fordern gleiche Chancen und Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen.«

Ich erachte die Bezeichnung "Farbige" ebenso als unmenschlich, respekt- und würdelos, auch wenn der englischsprachige Begriff "colored / coloured people" teilweise von Schwarzen selbst verwendet wird. Der Begriff "Farbige" war als Selbstbezeichnung aber nie verbreitet. Keiner käme auf die Idee, Weiße als "Nichtfarbige", also quasi als "Farblose" zu bezeichnen. Absurd! Besser: nicht-hellhäutige Menschen, Schwarze, black people, non-whites, Afro-Amerikaner, Afrodeutsche, Asiaten, Latinos, Indigene.

Die Bezeichnung "Person of Color" (PoC) ist für mich - trotz weit verbreiteter Akzeptanz - ebenso problematisch. Wenn der Hinweis auf die Ethnizität verzichtbar ist, reicht natürlich auch "Mensch" völlig aus.


Quelle: Pressemitteilung Amnesty International

Bild- und Grafikquellen:

1. Angela Merkel: Wir schaffen das! Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de .

2. HUMAN RIGHTS - HUMAN LOOK RIGHTS. Foto: Steve Parkinson. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

3. SPRAY "RASSISMUS TÖTET". Foto: strassenstriche.net. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).