Angriff auf die Souveränität

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Angriff auf die Souveränität
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Angriff auf die Souveränität

Paul Craig Roberts


Diejenigen, die sich mit der „Neuen Weltordnung“ beschäftigen, reden, als gerieten die Vereinigten Staaten von Amerika unter die Kontrolle einer verschwörerischen Macht von außen. Tatsächlich sind es die Vereinigten Staaten von Amerika, die die Neue Weltordnung ausmachen. Nur darum geht es bei der amerikanischen unipolaren Welt, über die sich China, Russland und der Iran beklagen.

Washington hat unter Beweis gestellt, dass es seine eigenen Gesetze und Verfassung nicht, und noch viel weniger Internationales Recht und das Recht und die Souveränität anderer Länder respektiert. Alles, was zählt, ist der Wille Washingtons, während das Streben nach Hegemonie Washington immer weiter dazu bewegt, ein Weltdiktator zu werden.

Die Beispiele sind so zahlreich, dass jemand sie in einem Buch zusammenstellen sollte. Während der Reagan-Administration mussten sich die lange bestehenden Gesetze über das Schweizer Bankgeheimnis Washingtons Willen beugen. Die Clinton-Administration überfiel Serbien, tötete Zivilisten und schickte den serbischen Präsidenten vor Gericht, damit er als Kriegsverbrecher dafür verurteilt wurde, dass er sein Land verteidigte. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika beschäftigt sich mit großflächigem Ausspionieren von e-mails und Telefongesprächen der Europäer, die mit Terrorismus gar nichts zu tun haben. Julian Assange ist beschränkt auf die ecuadorianische Botschaft in London, weil Washington der britischen Regierung nicht erlaubt, sein Recht auf politisches Asyl zu respektieren. Washington weigert sich, einer Habeas Corpus-Verfügung eines britischen Gerichts zu entsprechen und Yunus Rahmatullah herauszugeben, dessen Anhaltung von einem britischen Berufungsgericht als gesetzwidrig erkannt worden ist. Washington verhängt Sanktionen gegen andere Länder und setzt diese durch, indem es souveräne Länder, die nicht seinem Willen entsprechen, aus dem internationalen Zahlungssystem ausschließt.

Letzte Woche warnte das Obamaregime die britische Regierung, dass das Vereinigte Königreich gegen die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika verstoße, sollte es sich aus der Europäischen Union zurückziehen oder seine Verbindungen zur Europäischen Union in irgendeiner Weise reduzieren.

Anders gesagt, die Souveränität Großbritanniens ist nichts, worüber die britische Regierung oder das Volk zu bestimmen haben. Die Entscheidung wird von Washington getroffen in Übereinstimmung mit Washingtons Interessen.

Die Briten sind so daran gewöhnt, Kolonie Washingtons zu sein, dass der stellvertretende Premierminister Nick Clegg und eine Gruppe von Geschäftsführern des Vereinigten Königreichs sich schnell an die Seite Washingtons stellten.

Das bringt Großbritannien in eine Zwickmühle. Die britische Wirtschaft, einst eine produzierende Wirtschaftsmacht, ist reduziert worden auf die City of London, Britanniens Äquivalent zur Wall Street. London ist wie New York ein Welt-Finanzzentrum, wie es in Europa keines gibt. Ohne seinen Finanzstatus wäre vom Vereinigten Königreich nicht viel übrig.

Wegen der finanziellen Bedeutung der City behielt das Vereinigte Königreich als eines der wenigen EU-Mitgliedsländer das britische Pfund als seine Währung und trat nicht dem Euro bei. Weil das Vereinigte Königreich über seine eigene Währung und Zentralbank verfügt, blieb das Vereinigte Königreich verschont von der nationalen Schuldenkrise, die andere Mitgliedsländer der EU plagte. Die Bank von England war wie die Federal Reserve in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Lage, ihren eigenen Banken aus der Patsche zu helfen, während andere EU-Staaten, die eine gemeinsame Währung hatten, kein Geld schaffen konnten und es der Europäische Zentralbank aufgrund ihrer Statuten (auf das Betreiben Deutschlands) verboten ist, Mitgliedsländer freizukaufen.

Das Dilemma für das Vereinigte Königreich besteht darin, dass die Lösung der Schuldenkrise der Länder, auf die die EU zustrebt, darin besteht, dass die Mitgliedsregierungen um ihre finanzielle Souveränität erleichtert werden. Den einzelnen Ländern werden Ausgaben, Steuern und damit Defizite oder Überschüsse in den Budgets der Mitgliedsländer von der zentralen Autorität der Europäischen Union vorgegeben. Das würde für europäische Länder das Ende der nationalen Souveränität bedeuten.

Mitglied der Europäischen Union zu bleiben und seine eigene Währung und Zentralbank behalten zu können würde für Großbritannien einen speziellen Status bedeuten. DasVereinigte Königreich wäre das einzige Mitglied der Europäischen Union, das ein souveränes Land bliebe. Wie stehen die Chancen, dass dem Vereinigten Königreich ein derartiger Ausnahmestatus zugestanden wird? Ist das für Deutschland und Frankreich akzeptabel?

Sollten die Briten sich in Europa einfügen, werden sie ihre Währung, ihre Zentralbank, ihr Recht und ihren wirtschaftlichen Status als Weltfinanzzentrum aufgeben und akzeptieren müssen, von der EU-Bürokratie regiert zu werden. Die Briten werden aufgeben müssen, jemand zu sein, und niemand werden.

Das würde das Vereinigte Königreich aus seiner Rolle als Marionette Washingtons befreien, es sei denn, dass die Europäische Union selbst eine Marionette Washingtons ist.

Gemäß Berichten soll heuer Schottland, ein konstituierender Teil des Vereinigten Königreichs, darüber abstimmen, ob es aus dem Vereinigten Königreich austritt und ein unabhängiges Land wird. Wie lustig, während das Vereinigte Königreich über seinen Austritt debattiert, steht das Land selbst davor, in einen multinationalen Zustand überzugehen.
 



Infos zum Autor und Quellenangabe:

Paul Craig Roberts ist US-Publizist und Wirtschaftswissenschaftler. Infos über ihn findet man u.a. auf der engl.-sprachigen Wikipediaseite. Der Beitrag erschienen am 15. Januar 2013 auf > Paul Craig Roberts Website und in deutscher Übersetzung hier

Der größte Teil dieser und ähnlicher Informationen im Internet steht nur in englischer Sprache - z.B. auf www.antiwar.com - zur Verfügung. Auf der Webseite www.antikrieg.com will Klaus Madersbacher Übersetzungen von seiner Meinung nach besonders interessanten Texten für die Menschen im deutschen Sprachraum zugänglich machen, die nicht Englisch sprechen. Die Weiterverbreitung der Texte auf seiner Seite ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der von Klaus Madersbacher betriebenen Webadresse www.antikrieg.com nicht vergessen!
            

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Peter Weber
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Vom Regen in die Traufe

Vom Regen in die Traufe

 

Großbritanien spielt seit Jahren das Zäpfchen der USA, obwohl die Insassen der Insel sich seit jeher etwas auf ihre Souveränität und Unabhängigkeit einbilden. Obwohl GB noch über eine eigene Währung und eine Zentralbank verfügt, hat man sich durch die dominierende Position, die die Finanzwirtschaft in London ausübt, letzlich doch wieder in eine Abhängigkeit manövriert: Die Regierung ist zu einem Handlanger der internationalen Banken und Finanzmogule verkommen.

Wenn der britische Premierminister David Cameron ein Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU ankündigt und die Entscheidung von Sonderrechten abhängig macht, die GB von der EU fordert, dann hat er sich in eine gewaltige Zwickmühle gebracht. Einerseits hat sich die britische Führung zu Hampelmännern der USA herabgelassen, die sich außenpolitisch als rücksichtslose Imperialisten gebärden und innenpolitisch ein Zwangssystem installiert haben. Andererseits ist die Alternative EU  auch nicht viel besser: Ein rein wirtschaftlich organisiertes Bündnis, dessen Währung aufgrund auseinander klaffender Strukturen vor dem Ruin steht, dessen Verfassung, der Lissabonner Vertrag, eine Hegemonie der Wirtschaft und des Geldes vor Bürgerrechten vorsieht und dessen "Regierung", deren Rolle die Kommission einnimmt, nicht vom Volk gewählt ist. Sie ist damit undemokratisch und nicht zu den Befugnissen, die sie sich selbst eingeräumt, legitimiert. Es kommt dazu, daß die EU-Kommission legislative, judikative und exekutive Funktionen in sich vereint, was eindeutige Kriterien für eine Diktatur sind.

Welche Alternative bleibt da Großbritannien noch? Wenn man wirklich eine eigenständige Führungsrolle spielen will, dann kann ich nur empfehlen, sich von Washington zu distanzieren und die Forderungen nach Erhalt der souveränen Rechte auf eine Währung und Zentralbank durchzusetzen, notfalls durch einen Austritt aus der EU. Mit beiden Maßnahmen würde sich GB als ein Vorbild und Vorreiter auch für andere EU-Staaten qualifizieren. Ich bin zwar traditionell kein Freund englischer Extrawürste, aber bei rationaler Überlegung plädiere ich in diesem Fall für den Erhalt nationaler Souveränität. Ich erhoffe mir daraus einen Dominoeffekt auch für andere Mitgliedstaaten.

Auch Souveränität, die manchmal mit egoistischer Nationalstaaterei verwechselt wird, kann - vorausgesetzt sie ist weise dosiert - eher als solidarisches Instrument wirken als eine Hegemonie von ökonomischen Werten, die den Gipfel der Egomanie darstellen.

Abschließend möchte ich aber noch kurz auf die heutige diesbezügliche und bereits letzte Woche erwartete  Grundsatzrede David Camerons eingehen. Er hat sich nämlich in selten eindeutiger und unmißverständlicher Form zum Selbstverständnis und dem eigentlichen Existenzgrund der EU geäußert:

  • Die ursprüngliche Absicht der EU, für Frieden zu sorgen, sei bereits erreicht.
  • Deshalb stünde auch nun nicht die Friedensthematik im Vordergrund sondern es sei "heute die wichtigste Aufgabe der EU, den Wohlstand (selbstverständlich der EU und nicht der Welt - Anm. d. Verf.) zu sichern.

Man glaubt es kaum: Gerade jetzt, wo in aller Welt entweder Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen geführt werden oder drohen, in die sich die EU direkt oder indirekt einmischt, um die Rohstoffresourcen anderer Länder zu ergattern (siehe Richtlinien Lissabonner Vertrag) und um unsere sog. "freiheitliche Demokratie" zu verbreiten, schwafelt dieser Mann davon, daß der Frieden eingeführt wäre. Was den angepeilten "Wohlstand" anbetrifft, den Herr Cameron wohl gemeint hat, gehe ich davon aus, daß es nicht der auskömmliche Wohlstand ist, den man auch allen anderen im Boot gönnt, sondern jener, der auf dem Konsumismus beruht, der den ausufernden exponenziellen Wachstumswahn nährt, der uns zugrunde richten wird.

Aber das ist noch nicht alles. In dieser Rede formuliert Cameron auch noch die drei großen aktuellen Herausforderungen der EU, die ihm so vorschweben:

1. die Probleme der Eurokrise zu bewältigen,

2. die Krise des Wettbewerbs der EU im Vergleich zur globalen Konkurrenz zu beseitigen, und

3. die Lücken zwischen der EU (-Bürokratie) und dem Bürger zu schließen.

Was glaubt denn der Herr Premierminister, woher diese Lücken kommen? Die Gründe liegen doch eindeutig in der ausufernden Bürokratie in Brüssel, der dort herrschenden Lobbykratie, am antidemokratischen Regierungsstil sowie an der Inkompetenz, die vorliegenden Krisen zu managen. Eine soziale Krise, ein Arbeitslosenproblem, ein Auseinanderdriften von Arm und Reich, erdrückende Schulden,  Narrenfreiheiten der Banken, ökologische oder energiepolitische Herausforderungen kommen in seiner Agenda nicht vor.

 

Peter A. Weber

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