Atommüll-Endlagersuche
Endlich dürfen wir mitmachen!
Mit dem Artikel “Politik von Unten” offeriert die Zeitschrift “Schrot & Korn” vom April 2015: “Mitmachen bei der Endlager-Suche”! Die Atom-Mafia fährt also einen Strategiewechsel. Wohin mit “unserem” Atommüll? Sie hören richtig: Nicht der Atommüll der Atomkraftbetreiber, sondern “unser aller” Atommüll. Dass wir eines Tages mit dieser Frage konfrontiert werden würden, war schon vor dem Bau des ersten Kernkraftwerks bei Kahl am Main (auch: Versuchsatomkraftwerk Kahl (VAK) genannt) 1962 klar. Bereits damals stand fest, dass es für den Atommüll keine Lösung geben würde.
Gewissenlos wurde ein Atomkraftwerk nach dem anderen in Deutschland gebaut und betrieben. Der Bevölkerung wurden die Risiken verschwiegen. Mit den Atomkraftwerken sollte doch gesichert werden, dass die Bundesbürger jederzeit ihre Kühlschränke betreiben konnten. Und dass sie abends nicht mehr bei Kerzenschein Lesen mussten. Das war für die Bevölkerung einleuchtend, Risiko hin oder her.
Die Kritiker, die damals schon wussten, dass diese Art der Energiegewinnung mit hohen Risiken verbunden war, wurden diffamiert. Das waren damals alles von “Moskau Gesteuerte”, “professionelle Revoluzzer” (Ministerpräsident Filbinger). Der ehemalige Bundeskanzler Kohl äußerte sich, dass die Atomgegner die Atomkraftwerke nur deshalb abschalten wollten, “um die Republik sturmreif zu machen.” Und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Strauß tönte: „Ich werde den Verdacht nicht los, dass den Hintermännern und Drahtziehern der Anti-Atom-Bewegung daran gelegen ist, die Bundesrepublik in ein Chaos zu stürzen, deren einziger Nutznießer, die Sowjetunion, dann in Europa die Macht übernehmen könnte.“
Doch jetzt heißt es: “Mitmachen bei Endlager-Suche”, selbstverständlich “ergebnisoffen”. Endlich werden wir Bürger auch mal beteiligt! Endlich dürfen wir unsere Wünsche äußern. Nach Jahrzehnten der Gängelung vereint uns jetzt die Aufgabe: Wer hat die beste Idee, den Atommüll zu verstecken?
Die Deutsche Umweltstiftung fordert zum “Ideen-Wettbewerb” auf. Ein “Atom-Müll-Forum” soll es richten. Nutzen wir also die Sommermonate und machen wir uns auf, ein Atom-Müll-Endlager zu suchen. Vielleicht fragen wir doch einmal bei den Bundestagsabgeordneten, wie z.B. Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, an. Als glühender Befürworter der Atomkraft (“Atom-Fuchs”) und Zuständiger für Wirtschaft und Energie, Mittelstand und Tourismus wird er bestimmt eine gute Idee haben, den Atom-Müll so unterzubringen, dass die Touristen auch noch etwas davon haben. Vielleicht ist er ja auch geneigt, bei sich zu Hause ein paar Fässer im Keller einzulagern. Natürlich mit "Kinder haften für ihre Eltern"- Warnhinweisen auf die gesundheitliche Gefährdung für die nachfolgende Generation. Das ist er seinen Erben einfach schuldig. Eine gute Adresse sind bestimmt auch die vielen Wähler und Wählerinnen, die Herrn Fuchs per Direktwahl in den Bundestag entsandt haben. Hochherzig und solidarisch müssten sie in dieser Frage ihrem Wunschabgeordneten beispringen. Schon aus diesem Grund werden sie sich doch einer “ergebnisoffenen Standortfrage” nicht entziehen wollen!
Oder wie wäre es mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel? Da sie ja von der Ungefährlichkeit von radioaktivem Müll überzeugt ist, dürfte die Nachfrage auf persönliche Entsorgung kein Problem sein. Ihr sorgloses Auftreten damals als Umweltministerin beim Atommüllager der Schachtanlage Asse zeigte, wie leicht händelbar Atommüll ist. Atommüllfässer in den Schacht plotzen lassen – fertig!
Und was ist mit all den Aufsichtsräten, Vorstandsvorsitzenden der Atomkraftbetreiber? Wie z.B. Ex-RWE-Chef Jürgen R, Großmann? Er hat doch jetzt Zeit und das nötige Kleingeld, sich um die brennende Frage, wohin mit dem Atommüll, zu kümmern. Dies möge er bitte so qualifiziert tun, denn hier geht es um schlappe 1 Million Jahre der Unterbringung, und die müssen es schon sein.
Nach Aussagen von Ulrich Kleemann, Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGDN, in Koblenz) gibt es jetzt sogar eine Zeitschiene: Die Einlagerung des extrem gefährlichen Mülls soll sich “im günstigsten Fall” bis 2075, wenn nicht sogar im Extremfall bis 2130 hinziehen. Bis dahin soll der Atommüll noch ungesichert bleiben (Rhein-Zeitung 24.04.2015). Das heißt aber nicht, dass nicht schon heute gute Ideen gefragt sind!
Und im Jahr 2075 wird sich für die Atomkraftbefürworter die Suche nach einem sicheren Standort für Atommüll längst erledigt haben: Bis dahin sind sie alle mausetot. Und sollte noch ein Grabstein von ihnen aufzufinden sein, dann steht dort eingemeißelt: NACH MIR DIE ATOMMÜLL-SINTFLUT.
Es geht aber auch anders: Italien hat nach einem Volksentscheid im November 2011, in dem sich 95 % der Bürger gegen den Wiedereinstieg entschieden, den von der Regierung Berlusconi geplanten Wiedereinstieg ad acta gelegt - der komplette Atomausstieg ist abgeschlossen. Tschechien hat Neubaupläne für Atomkraftwerke verworfen. Die Ausschreibung für die zwei neuen AKW-Blöcke am Standort Temelín wurde vom halbstaatlichen Energiekonzern ČEZ zurückgezogen. In Irland, Kuba und auf den Philippinen wurde der Anlagenbau abgebrochen. In Österreich wurde die schlüsselfertige Anlage des Kernkraftwerks Zwentendorf nach Volksentscheid im November 1978 nicht in Betrieb genommen. NA ALSO - GEHT DOCH
Wer sich über die Risiken der Atomkraft informieren möchte, der sollte unbedingt die beiden Kleinschriften
- “Ärztliches Memorandum zur industriellen Nutzung der Atomenergie” und
- “Weil du beim Reaktor wohnst, mußt du früher sterben”
. . . lesen. Diese Kleinschriften sind beim emu-Verlag, Dr.-Max-Otto-Bruker-Straße 3, D-56112 Lahnstein/Rhein, Tel. 02621-917010, Telefax 02621-917033, info@emu-verlag.de für 1 bzw. 1,20 € zu beziehen.
Marie-Luise Volk
Gesundheitsberaterin (GGB) und Sprecherin der Bürgerinitiative „Bürger/innen sagen NEIN zur Agro-Gentechnik“ im Landkreis Cochem-Zell
www.esgehtanders.de
► Bild- und Grafikquellen:
1. Engagierte Kernkraftgegener bei der Castor-Tour 2011. Foto: Jakob Huber / Campact. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).
2. Das Kernkraftwerk Mochovce I ist ein slowakisches Kernkraftwerk. Es liegt an der Stelle des Dorfes Mochovce zwischen den Städten Nitra und Levice, in Okres Levice, 120 km von Bratislava. Foto: GLOBAL 2000 ist Österreichs unabhängige Umweltschutzorganisation. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
3. Protest gegen Atommüll-Lager im Gewerbegebiet Leese. Aus Anlass des Tages der offenen Tür im Gewerbegebiet Leese (Niedersachsen) am 25.05.2014 machten rund 30 Aktivisten auf die äußerst problematische Lagerung von Atommüll durch die Braunschweiger Firma Eckert & Ziegler mitten im Gewerbegebiet aufmerksam. Sie forderten eine wirksame Kontrolle jedes einzelnen Fasses, da bereits Flüssigkeiten ausgetreten sind. Außerdem sprachen sie sich für eine Verringerung der Atommülltransporte sowie gegen eine mögliche Konditionierungsanlage aus. Foto: Michaela. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
4. Wohin mit dem Atommüll? AktivistInnen in Schutzanzügen und Gasmasken sitzen auf gelben Tonnen mit Radioaktivitätszeichen. Foto: GLOBAL 2000 ist Österreichs unabhängige Umweltschutzorganisation. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).