Ausweg aus dem Werteverlust. Hat Solidarität noch einen Wert?

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Ausweg aus dem Werteverlust. Hat Solidarität noch einen Wert?
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Ausweg aus dem Werteverlust

Hat Solidarität noch einen Wert?


Zunächst ein paar Links zu Veröffentlichungen, bei denen ich mich frage, wie weit wir uns noch in den allgemeinen Sumpf der Entmündigung und Regulierung ziehen lassen wollen.

► 1. Bundesregierung: Menschen sollen auch gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden

Quelle: bundestag.de


Experten für Zwangsbehandlungen als "Ultima Ratio"

Die Anordnung ärztlicher Zwangsmaßnahmen müsse als "Ultima Ratio" zulässig sein. So lautete der Tenor einer Expertenanhörung am Montag, 10. Dezember 2012, im Rechtsausschuss. Zehn Fachleute waren in die Sitzung unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU) geladen, um zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und FDP "zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme" (Gesetzentwurf Drucksache 17/11513) Stellung zu nehmen. Die Koalitionsfraktionen wollen mit dieser Initiative ärztliche Zwangsmaßnahmen wieder zulassen. Aufgrund zweier Urteile des Bundesgerichtshofs vom Juni 2012 war eine Neuregelung nötig geworden. Die Regelung soll ausschließlich für psychisch beeinträchtigte Menschen und nur in Einzelfällen gelten[…]


 hier bitte weiterlesen

Es stellt sich die Frage, ob das in Patientenverfügungen hineinreicht, denn dann wären diese ein weiteres Mal sinnlos.


► 2. Jeder Schritt zählt  

Quelle: rbb-Online (Sachstand vom 5.12.2012, neue Entwicklung sind hier noch nicht berücksichtigt)


Jobcenter zählt Schritte von Hartz-4-Empfängern

Seit Wochenbeginn stürmen 18 Arbeitslose aus Brandenburg an der Havel auf den höchsten Berg der Welt  - imaginär zumindest. Tatsächlich tragen sie nur einen Schrittzähler, den ihnen das Jobcenter angehängt hat. 40 Tage lang dokumentiert der jeden Schritt. Ziel der seltsam anmutenden Aktion ist die Bewältigung der 8848 Meter langen Strecke, die der Höhe des Mount Everest entspricht.

Mit der Aktion solle der Teufelskreis von Arbeitslosigkeit und Krankheit durchbrochen werden, erläutert der Geschäftsführer des Jobcenters, Christian Gärtner. Oft erschwerten gesundheitliche Beschwerden den beruflichen Wiedereinstieg.

Doch über die Ausrüstung der 18 Arbeitslosen mit Schrittzählern ist ein heftiger Streit entbrannt. Während Berliner Sozialpolitiker die Aktion am Mittwoch als diffamierend und "völlig daneben" kritisierten, kam von Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) Lob. "Fakt ist: Wer rastet, der rostet", sagte Baaske.

Vorreiter war vor zwei Monaten das benachbarte Jobcenter Havelland, wie die Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit, Anja Huth, in Nürnberg erklärte. Der Teilnehmer mit der längsten absolvierten Gesamtstrecke bekomme einen Preis. "Das Feedback auf die Aktion war bei den Teilnehmern sehr positiv", sagte Huth.[…]



3. Entschließung des Bundesrates - Schaffung eines Bundespräventions- und Gesundheitsförderungsgesetzes - Antrag Hamburg (04.12.12):

Quelle: Bundesrat Drucksache 753/12


Punkt 6:

"Gerade angesichts der demografischen Entwicklung ist eine Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung notwendig, um Ausgaben für Krankenbehandlung und
andere soziale Folgekosten zu vermeiden. Deshalb werden alle Sozialversicherungsträger und die private Krankenversicherung verpflichtet, eine deutliche Steigerung ihrer bisherigen Aufwendungen für diesen Bereich vorzunehmen und in der Zukunft zu dynamisieren[…]"


Es bleibt abzuwarten, welche Regulierung sich daraus nun für den Bürger entwickelt !


4. Knapp ¼ der EU-Bürger von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.  In der Öffentlichkeit nimmt man das kaum zur Kenntnis

Quelle:  vom 06.12.2012


Elend wird verdrängt

Knapp ein Viertel der EU-Bürger von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. In der Öffentlichkeit nimmt man das kaum zur Kenntnis  - von Rainer Rupp

[…] Am Montag meldete die Statistikbehörde Eurostat in einer Presseerklärung zu der Erhebung, daß »im Jahr 2011 insgesamt 24 Prozent der Bevölkerung« (ungefähr 120 Millionen Menschen) in den 27 EU-Mitgliedsländer »von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht« waren.

Ein Armutszeugnis stellen sich auch die deutschen Medien aus. In den großen Blättern, ebenso wie in Funk und Fernsehen, wurde das Ergebnis der Eurostat-Untersuchung weitgehend ignoriert. Vielleicht mußten erst die Erfolge der neuesten »Griechenland-Rettung« bekanntgemacht werden – die Euro-Finanzminister hatten in der Nacht zum Dienstag beschlossen, daß Athen neue Kredite bekommt. Danach galt es möglicherweise, den offenbar von Milliarden Erdenbürgern herbeigesehnten Nachwuchs bei der Familienfirma in Britannien zu würdigen, in der die Funktion des Staatsoberhauptes per Erbschaft vergeben wird. Die Armutsgefährdung eines Viertels der tatsächlichen und virtuellen Untertanen war wohl nicht so schick. Denn auch das reiche Deutschland kommt im EU-Vergleich nicht gut weg […].

[…] Zugleich lebten 2011 neun Prozent der EU-Bürger unter erheblichen materiellen Entbehrungen. Sie waren beispielsweise nicht in der Lage, ihre Rechnungen zu bezahlen, ihre Wohnung angemessen zu beheizen oder sich ausreichend zu ernähren. Diese Anteile reichten von einer Quote von einem Prozent in Luxemburg und Schweden, über 5,3 Prozent in Deutschland bis zu bis 44 Prozent in Bulgarien, 31 Prozent in Lettland und 15,2 in Griechenland. […]".


 hier bitte weiterlesen
 



Die Entscheidungen der Politiker, Konzerne, Banken und Arbeitgeber produzieren immer weitreichendere Probleme. Ihre Methoden machen einen lang anhaltenden moralischen Verfall deutlich, wie aktuell - mal wieder - die Deutsche Bank. Sie täuschen und beuten aus, die Politik versucht dem mit Flickwerk entgegenzutreten. Ständige bürokratische Eingriffe sollen die desolaten Situationen regulieren. Dies zeigt, wie wenig die Politik doch im Stande ist, sich den oft selbst geschaffenen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angemessen zu stellen.

Die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen die Verbraucher, Hartz-IV-Empfänger, Rentner, Mieter, Alleinerziehende und Arbeitnehmer, die sich täglich „Top on the job“ und mit „survival of the fittest“ beweisen müssen und sich dank der Wahlergebnisse weiterhin als Kanonenfutter der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen haben.

Arbeitslose und Geringverdiener erfahren wiederum trotz aller hilflosen Feinjustierung keine Entlastung - ganz im Gegenteil. Auch mit zwei Minijobs erreicht man keine Distanz von den politisch auferlegten Zwängen durch die Arbeitsvermittlungsagenturen, die durch Sanktionen und Maßnahmen das gesellschaftliche Potential an Mündigkeit und Kompetenz zusätzlich verringern. Die Privilegierten, die uns zum großen Teil unsere Lebenssituation bescheren und die dennoch fälschlicherweise oft als Vorbilder dienen, stehen für Kritik jedoch nicht direkt zur Verfügung und leben in ihrer eigenen Welt.

Durch Bürokratismus und Arbeitgebermanier wurde und wird der Einzelne zunehmend entmündigt. Diese Entwicklung ging in Deutschland im Gegensatz zu südlichen Ländern nicht radikal von statten, vielmehr konnten wir uns an den schleichend diskriminierenden, aber „legalen“ Prozess gewöhnen. Kleine aber beständige Sticheleien von Kollegen zermürben das eigene Selbstverständnis genauso wie drastische Sanktionen der Ämter oder Betreuer, der gefügigen Armee der Macht, die sich, wie viele in den 30ern, hinter den Gesetzen als Rädchen im Getriebe verschanzen und ihre Möglichkeiten ausnutzen. Gewalt vollzieht sich hier legal. Eine Lage, die bis in mittelalterliche Zustände reicht.

Manch einer hat längst innerlich gekündigt oder verschafft sich eine kurzzeitige Erleichterung von Frust und Neid, indem er den Nächsten, den Kollegen, Hartz-IV-Empfänger oder Erwerbsunfähigen, in Gesellschaft bei anderen, Arbeitgebern oder Ämtern schon mit reinen Vermutungen diffamiert (vgl. 30er/40er Jahre). Soziale Feindseligkeiten, die steigende Zahl der psychischen Erkrankungen und Erwerbsunfähigkeiten weisen auf eine gesellschaftliche Notlage hin, die politisch ständig weiter forciert wird. Als Prügelknaben dienen oft auch  diejenigen, die uns am nächsten stehen. Kollegen werden gemobbt, ausgebootet und aus den eigenen Reihen heraus in die Arbeitslosigkeit gebracht.  

Damit arbeitet der Verräter aber im Grunde den Autoritäten zu, die uns langsam den Boden unter den Füssen weggezogen haben und ändert damit absolut nichts am System, in dem auch er leben muss. Statt dessen trägt er zur Schwächung seiner eigenen Position als Arbeitnehmer und Bürger bei. Denn die Politik baut eine Pufferzone um sich, in dem z. B. Mobbing angeblich so schwer nachzuweisen ist bzw. es für Mobbing (psychische Gewalt) keine medizinische Einordnung gibt - sie unterstützt den Aggressor (Mobber und Arbeitgeber). Frustrationen verlagern sich auf die Sozialfälle und bereiten einen braunen Boden.

Für eine innovative Lösung (z. B. in Form von mehr Bürgerbeteiligung) sind Politiker nicht bereit. Da wundert es kaum noch, dass Einzelne zu extremen Taten schreiten. Wenn jetzt ein weiteres Mal die Politik zu Diskriminierung beiträgt (s. o. Links), forciert und legalisiert sie die Feindseligkeit untereinander, zerstört das gesellschaftliche Gefüge zusätzlich. Als könnte man dem selbst erzeugten Heer der Arbeitslosen und Gebrechlichen nur durch „Gleichschaltung“ Herr werden, damit sie durch ihre Faulheit der „Gesellschaft“ nicht noch weiter zu Last fallen; sicher volkswirtschaftlich und sozialpolitisch „berechenbarer“ werden. Nun stellt sich aber die Frage, ob der Einzelne Verrat am Nächsten begeht oder sich solidarisiert - eben was wir bereit sind, mitzumachen.

In den 20er-40er Jahren erlebte (nicht nur) Deutschland den totalen Zusammenbruch aller moralischen Normen im öffentlichen und privaten Leben und Hitler hat in Zeiten größter Not den Deutschen einen „Ausweg“ präsentiert. Heute scheint uns zunächst oft die Flucht in oberflächliche (Internet-) Angebote zu genügen oder man lässt sich (eben wegen der unqualifizierten Arbeit der Politiker) von (rechten) Heilsversprechen verführen. Bindungs- und Verantwortungslosigkeit ziehen sich wie ein roter Faden von „Oben“ nach „unten“ und willkürliches Konsumieren vermittelt uns den Schein der abhanden gekommenen „Freiheit“. Macht kann sich jedoch nicht ohne Boden (Wähler-Politiker, Arbeitnehmer-Arbeitgeber) entwickeln, erfordert aber die Mühe der eigenen Beobachtung und Reflexion. Von einer Gesellschaft, die sich „modern“ nennen will, kann man erwarten, dass sie sich vom herrschaftlichen Gefüge aus früheren Jahrhunderten verabschiedet, dem Bürger ein Entscheidungsrecht zusagt und damit die Bürgerbeteiligung stärkt, statt mit Sanktionen auf destruktive Weise zu herrschen versucht. Dazu muss sich der einzelne Bürger aber auch in Stand setzen, denn von oben gibt es so ein Geschenk nicht.

Wir müssen nicht auf Veränderungen von außen warten: Die Chance etwas zu ändern, liegt schon in unserer eignen Fähigkeit, wieder den gesunden Menschenverstand zu aktivieren, sich Zeit nehmen, um Alltagserfahrungen und die eigene Position zu reflektieren. Ein „Gewissen“ zu bilden, dass sich nicht nur egoistisch auf sich selbst bezieht oder die Meinung anderer übernimmt. Mal unabhängig von anderen denken und sich zu fragen, in welch einer Gesellschaft will ich leben. Wir werden nicht gezwungen zu mobben, alles zu konsumieren oder immer dieselbe Partei zu wählen. Auch Oppositionen haben Stimmen und Solidarität kann ein Gemeingut werden, zu dem jeder Einzelne beiträgt. Die Gesellschaft in der wir leben, ist eine künstlich geschaffene Ordnung und kann sich ebenso ändern, wie die Fähigkeit, über den eigenen Horizont zu sehen.

Vielleicht ist gerade jetzt vor Weihnachten und vor den niedersächsischen Landtagswahlen im Januar 2013 der beste Zeitpunkt, drei Schritte zurückzutreten, dem hektischen Konsumwahn den Rücken zu kehren, sich zu besinnen und nachzudenken. Wachsam zu werden für das, was uns von überall her vermittelt wird, die Medien mal auszuschalten und Ruhe einzuschalten, zu prüfen: z. B. welchen Zwängen, Manipulationen man unterliegt und welcher Richtung man folgen will.