BRD + DDR - zwei ungleiche Schwestern

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Peter Weber
Peter Weber
Offline
Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
BRD + DDR - zwei ungleiche Schwestern
DruckversionPDF version

Der 3. Oktober naht - und mir graut schon wieder vor den politischen Festtagsreden, die die Realitäten verfälschen werden. Deshalb möchte ich vorgreifen und meine persönliche Betrachtungsweise der Wiedervereinigung zum Besten geben:


persönliche Vorgeschichte

Ich muß zugeben, daß ich als Wessi, der am äußersten Rand Deutschlands aufgewachsen ist und auch dort zeitlebens gewohnt hat, und der auch keinerlei verwandtschaftliche oder andere Beziehungen zu Menschen auf dem Gebiet der früheren Gebiet der DDR hatte, sehr ambivalente Gefühle gegenüber diesem fremdartigen System entwickelte. Oder noch besser ausgedrückt: Aus einer äußerst konservativen CDU- und katholozismuslastigen ländlichen Gegend stammend, bin ich unter dem Eindruck einer extrem kommunismusfeindlichen Stimmung groß geworden.

Dementsprechend war ich auch praktisch während der gesamten Existenz der DDR ein erbitterter Feind des Sozialismus-Kommunismus, des DDR-Regimes und auch gegenüber dem „normalen“ DDR-Bürger nicht gerade freundschaftlich eingestellt. Als Kind der Nachkriegszeit und des sog. Kalten Krieges – geboren im Januar 1949, also im Jahr der Konstituierung der BRD, der Inkraftsetzung des Grundgesetzes sowie der DDR-Staatsgründung, habe ich mir jedoch seit geraumer Zeit die Aufgabe gestellt, mir die geschichtlichen Umstände dieser Periode näher – und vor allen Dingen – auch einmal aus verschiedenen Aspekten heraus - anzusehen. Wenn ich zurückschaue auf mein Leben, dann ist das gleichzeitig ein Rückblick auf das Entstehen und Entwickeln der beiden deutschen Nachkriegsstaaten. Dabei relativiert sich so manches und es fallen einem manchmal die Schuppen von den Augen.


politische Vorgeschichte

Es geht mir hier nicht darum, Schuldige anzuprangern, sondern zu versuchen, möglichst objektiv die Zeit - angefangen mit der Entstehung des Nationalsozialismus - zu betrachten. Abgesehen von den deutschen Bürgern, der privilegierten Bourgoisie, der deutschen Wirtschaft – insbesondere den Konzernen, den Medien, der Kirche und natürlich den politischen Kräften (nicht nur derNazis) hat auch das westliche Ausland sein Schärflein zum Gelingen des NS-Regimes beigetragen. Es waren insbesondere die Westmächte Großbritannien und USA, die Hitler direkt oder indirekt unterstützt haben und zumindest viel zu spät eingeschritten sind. Besonders die amerikanischen und britischen Konzerne (z. B. Ford, Opel (General Motors, IBM (Deutsche Hollerith), BP etc.) haben Großdeutschland mit Fahrzeugen, technischen Teilen, Flugbenzin-Additiven und Logistikunterstützung aufgerüstet. Ohne diese Rüstungsgüter hätte Hitler überhaupt keinen Weltkrieg führen können – bemerkenswert ist dabei, daß dieser Support (wie man heute sagen würde) auch noch auf Jahre während des Kriegsprozesses nicht gestoppt wurde.


„Auseinanderdividierung“ Deutschlands

Aufgrund der Vereinbarungen auf der Konferenz in Jalta wurde Deutschland zunächst in vier Sektoren aufgeteilt. Die Tatsache der Teilung ist natürlich die direkte Folge des verlorenen Krieges und wurde damit mit verschuldet durch das Verhalten Deutschlands und der anderen Beteiligten (wie oben angeführt). Das heißt doch nichts anderes, als daß alle Deutschen - und da die Westdeutschen die Bevölkerungsmehrheit darstellten - speziell die Westdeutschen am Entstehen der DDR ursächlich beteiligt waren. Dazu kommt noch der Umstand, daß die konservative CDU/CSU-Nachkriegsregierung unter Adenauer die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der vier Sektoren blockiert hat. Adenauer war zu keinen Konzessionen an die Russen bereit, die zu einer Vereinigung mit den drei Westsektoren hätte führen können. Seine Sturheit und Kompromißlosigkeit (im Einverständnis mit den Westmächten) führte dann zu der uns alle bekannten Teilung und der Existenz von zwei deutschen Staaten. Somit kann ich konstatieren, daß die deutsche Nachkriegsregierung ebenfalls maßgeblich an der Bildung der DDR beteiligt war und diese nicht nur gebilligt sonder auch herbei geführt hat.

Als dann die Geschichte ihren Lauf nahm und die Sowjetunion die von ihr indoktrinierte Elite mit der Führung der DDR betraute,  und die Sowjetarmee als Besatzungsarmee aufgestellt war, hatte die DDR-Bevölkerung nicht mehr die geringste Chance, aus dieser Zwangsjacke auszubrechen. Sie hat sich infolge dessen mit dem System arrangiert und hat das Beste aus den zur Verfügung stehenden Mitteln gemacht. Können wir es den Menschen dort verdenken, daß sie derart gehandelt haben? Was hätten wir getan? Denken wir doch einmal daran, wie wir die Machtergreifung Hitlers zugelassen haben – und vor 1933 hatten wir im Gegensatz zu den DDR-Bürgern durchaus noch eine Wahl!


Deutsche Wiedervereinigung

Es soll nicht der Eindruck entstehen, daß ich die Emotionen der Menschen, die mit der Wiedervereinigung verbunden sind, heruntermachen will. Die Menschen aus der DDR haben sich von der Wiedervereinigung viel (zu viel) versprochen, was auch kein Wunder ist, denn die westdeutschen Politiker haben ihnen diese übertriebenen Versprechungen und Hoffnungen in den Mund gelegt.

Über das wirtschaftliche und politische Procedere der Wiedervereinigung möchte ich an dieser Stelle nicht so viele Worte verlieren. Ich bin nur überzeugt, daß dabei die größten Fehler begangen wurden, angefangen von der übereilten Wirtschafts- und Währungsunion, den ungeheuerlichen Treuhand-Verfehlungen bis zum Beutezug der westdeutschen Banken. Ich habe es selbst in meiner beruflichen Praxis erlebt, wie anfangs der 90er Jahre Firmen- und Versicherungsvertreter wie Rattenfänger und Geier durch die Lande gezogen sind. Die Menschen in den neuen Ländern sind meistens mit ihrer Arbeitslosigkeit und anderen Problemen alleine gelassen worden. Lediglich eine Reihe von Profiteuren hat abgesahnt und sich bereichert – damit wenigstens die Optik stimmt, wurde in Straßenbau und Fassade tüchtig investiert.

Wenn ich mir das Trauerspiel von der sog. „geschichtlichen Aufarbeitung“ anschaue, dann packt mich das Grauen. Es lief und läuft letztendlich ähnlich wie nach dem Ende der Naziherrschaft, nur daß die zugrunde liegenden Verfehlungen nicht dieses Ausmaß besitzen. Genau wie nach dem Krieg sind die Hauptverantwortlichen ungeschoren davon gekommen – es gab einige Schauprozesse – und das war´s. Sie sind nicht nur unbehelligt geblieben, sie konnten sich auch wieder in den höchsten Staatsämter und Wirtschaftsetagen etablieren. CDU/CSU und FDP haben in altvertrauter Manier die Blockflöten übernommen und wieder in Amt und Würden gebracht – der Gipfel ist dabei, daß eine ehemalige staats- und SED-konforme FdJ-Sekretärin bei uns zur Bundeskanzlerin erkoren wurde und sich nun erdreistet, die Märtyrerin zu spielen.

Ein weiteres Gipfelerlebnis der Heuchelei ist der Umstand, daß die Glashausbewohner nun mit Steine auf diejenigen werfen, die sich soziales, sozialistisches oder linkes auf die Fahnen geschrieben haben und die eigentlich nichts anderes wollen, als der Demokratie auf die Beine zu helfen. Die Sozialstaatsruinierer, menschenfeindlichen Wirtschaftsradikalen und Staatsterroristen hetzen auf alles und jeden, der es wagt, an ihnen und ihrem Feudalsystem Kritik zu üben und bedienen sich dabei der Kommunismus-Schublade. Ja – es ist mal wieder soweit: mit Terrorismus- oder Kommunismus-Etiketten wird jeder beklebt, der zu notwendigen radikalen Systemänderungen aufruft. Man wird wieder an den Kalten Krieg, die McCarthy-Ära und die 70er Jahre erinnert. Auch ist es wirklich frappierend, mit welcher Überheblichkeit viele westdeutsche Zeitgenossen kein gutes Haar an der DDR-Realität lassen, alles in Grund und Boden reden und selbst heute noch voller Hochmut auf die „armen Brüder und Schwestern“ in den neuen Bundesländern herabblicken. Wir haben bei uns mittlerweile einen Augiasstall geschaffen, den wir selbst einmal ausmisten sollten.

Bei der üblichen „Auseinandersetzung“ mit dem Sozialismus oder Kommunismus fällt auf, daß die Steinewerfer sich mit Sicherheit noch niemals ernsthaft mit dem theoretischen Sozialismus à la Marx oder Engels beschäftigt haben. Sie werfen dabei den parteifeudalistischen und diktatorischen Kommunismus Marke Sowjetunion, DDR oder China in den gleichen Topf wie die Theorien eines großen Philosophen wie Marx. Vielleicht sollte diese Ignoranten einmal beim sehr weisen Erich Fromm nachlesen, der diese Entwicklungen bereits seit den 40er Jahren scharfsinnig beobachtet und kritisiert hat. Es wird von den Geschichtsklitterern überhaupt nicht wahrgenommen und bewußt verschwiegen, daß der humanistische Sozialismus noch niemals in der Geschichte praktiziert werden konnte und somit derartige Vergleiche nicht nur hinken sondern völlig daneben sind. So sind sie eben – die Ideologen!

 

Peter A. Weber