

Charlie Chaplin war ein facettenreicher Großmeister
Eine Wiederbegegnung mit Charles Spencer Chaplin
Chaplins Kunst ist so einfach und gleichzeitig so tiefgründig
- wahrlich ein Genie!
Von Gerhard Mersmann | Forum-M7.com
Wir kannten ihn alle, als Kinder. Er war die Figur, die uns in ferne Welten fliehen ließ, die unser Dasein kannte und uns Trost spendete. Und die uns lehrte, das Tragische des Alltags auch mit einem lachenden Auge zu sehen. Helden von Kindern sind schnell verblichen. Er blieb. Weil er es vermochte, uns nicht nur als Kindern etwas mitzuteilen, sondern später noch sehr viel Stoff bot, sich mit ihm zu befassen.
Da waren die große Stadt und die Fabrik, da war die Liebe und das Leben unterwegs. Alles das waren unsere Themen. Wir flohen vom Land in die großen Städte, wir jobbten in Fabriken und wir verliebten uns über soziale Barrieren hinweg. Das alles war uns von ihm schon in unserer Kindheit erzählt worden, ohne dass wir es bewusst registriert hätten.
Das ist Kunst. Das ist große Kunst.
Viele Jahre später, als ich unterwegs war, da traf ich ihn wieder. In London. Soho. In einem kleinen Park auf dem Leicester Square inmitten des täglichen Trubels waren neben den Bänken die Büsten von britischen Literaten wie bspw. Charles Dickens und Wlliam Shakespeare, unter ihren mächtigen Köpfen stand der jeweilige Name und die Lebensdaten.
Und dann war da noch eine Skulptur, der kleine Mann mit dem eigenwilligen Schnurrbart, dem feinen Spazierstock und den ausgelatschten Schuhen. »He gave so much fun to so many people.« Das war alles, was zu lesen war. Mehr brauchte es nicht, in Soho, dem pulsierenden Theaterviertel Londons.
Sir Charles Spencer Chaplin (* 16. April 1889 wahrscheinlich in der East Lane (heute East Street) im Londoner Bezirk Walworth geboren; † 25. Dezember 1977 in Corsier-sur-Vevey, Schweiz) war über seine Heimatstadt weltweit bekannt.
Charlie Chaplin eroberte Hollywood, als es noch nicht das war, wofür es heute bekannt ist. In Zeiten des Stummfilms und der erbärmlichen Drehbücher, in denen in der Regel ein Polizist mit einem Knüppel einen armen Teufel versohlte, woher der Name des Genres, Slapstick, stammte. Chaplin kam, schlüpfte in das Klischee der komischen Figur und inszenierte eine der wirkungsvollsten Kulturkritiken der Moderne.
Er thematisierte die Ausbeutung und Entfremdung (Modern Times), die Entwurzelung in Zeiten der Kapitalakkumulation (The Tramp, 1915), der Vereinsamung (City Lights, 1931) und sozialen Verarmung (The Kid, 1921). Dass er später noch den großen Diktator seiner Epoche persiflierte, und zwar vertont, ist nur eine Randnotiz eines vermeintlichen Komikerlebens, das nicht hätte politischer sein können.
Chaplin war Europäer, und das blieb er auch in den langen Jahren seines Erfolges in den USA. Sein Demokratieverständnis gehorchte keinen Wellen, sondern es blieb stabil, auch nachdem Hitler längst auf dem Kompost der Geschichte lag und sich in den USA der McCarthy-Ära der Kalte Krieg formierte. Chaplin pflegte nach wie vor auch Kontakt zu Kommunisten und blies nicht in das Horn des Neonationalismus.
So konnte er nach einer Europareise nicht wieder in die USA einreisen und wählte als letztes Domizil die Schweiz. Da war er bereits eine Legende. Durch sein künstlerisches Schaffen hatte er es vermocht, Bewegendes und Geistreiches für alle Bildungsgrade zu inszenieren und zu transformieren. Das können nur wenige.
Charlie Chaplin war ein Großmeister dieser wenigen. Denn wer denkt schon daran, wenn er sich heute noch einmal diese Wackelfilme anschaut, dass diese es vermochten, dem Publikum eine Intuition dafür zu verschaffen, dass zum Glück das Unglück, zur Macht das Joch, zum Gigantischen die kleine Sorge und zum Strahlenden der Schatten gehört?
Ich habe ihn vor Augen, wie er vor mir steht, in Soho, ohne seinen Namen zu nennen, weil das auch gar nicht nötig ist.
Gerhard Mersmann
»Alle elementare Komik gründet sich darauf, dass der Mensch
in einer lächerlichen und peinlichen Lage handeln muss.«
»Mein glücklichster Einfall war wohl mein Stöckchen,
denn es hat mich am meisten von den anderen unterschieden
und mir den schnellsten Erfolg verschafft.
Es war mit mir auch so verwachsen,
dass es schon sein eigenes komisches Leben bekommen hat.«
(Charles Chaplin in ' Die Wurzeln meiner Komik')
»Ich bleibe nur als Sache, und nur als eine Sache - und das ist ein Clown.
Das stellt mich auf eine viel höhere Ebene als jeden Politiker.«
(Charles Chaplin in 'The Observer', London, 28. Sept. 1952)
»Ich hatte keine Vorstellung von der Figur. Aber in dem Moment,
als ich angezogen war, ließen mich die Kleidung und das Make-up
die Person spüren, die er war. Ich fing an, ihn zu kennen,
und als ich die Bühne betrat, war er bereits geboren.«
(Charles Chaplin in seiner Autobiographie, 1964)
»Ich bin, was ich bin: ein Individuum, einzigartig und anders,
mit einer Geschichte von Eingebungen und Drängen der Vorfahren,
einer Geschichte von Träumen, Wünschen und besonderen Erfahrungen,
deren Summe ich bin.«
(Charles Chaplin in seiner Autobiographie, 1964)
»Das Leben ist eine schöne, großartige Sache, sogar für eine Qualle.
Das Problem ist, dass du nicht kämpfen willst. Du hast aufgegeben.
Aber es gibt etwas, das genauso unausweichlich ist wie der Tod.
Und das ist das Leben.
Denken Sie an die Kraft des Universums
- wie es die Erde dreht und die Bäume wachsen lässt.
Das ist die gleiche Kraft, die in dir steckt
- wenn du nur den Mut und den Willen hast, sie zu nutzen.«
(Zitat aus seinem Film 'Rampenlicht' / Limelight, 1952)
Gerhard Mersmann, Dr. phil., (Jahrgang 1956), gebürtiger Westfale, ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen.
Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Publizistische Aktivitäten durchziehen seine gesamte Biographie. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse sind auf seinem persönlichen Blog M7 regelmäßig nachzulesen. >> https://form-7.com/ .
► Quelle: Dieser Beitrag wurde am 17. Februar 2025 erstveröffentlicht auf https://form-7.com/ >> Artikel. Eigentümer, Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich ist Gerhard Mersmann.
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1. Charles Chaplin, (bürgerlich Sir Charles Spencer Chaplin jr., KBE, * 16. April 1889 wahrscheinlich in der East Lane (heute East Street) im Londoner Bezirk Walworth geboren; † 25. Dezember 1977 in Corsier-sur-Vevey, Schweiz). Foto aufgenommen in den Vereinigten Staaten während seiner Jugend, circa 1900 - 1920.
Etliche Jahre verbrachte er in Armen- und Waisenhäusern und bereits als Kind mit Gelegenheitsarbeiten. Lesen und Schreiben hat er in den wenigen Schuljahren nur dürftig gelernt. Wenn die Rutenschläge auf ihn niederprasselten, schwor er sich, seinen Traumberuf zu ergreifen. Das ist ihm auf wundersame Weise gelungen. Er wurde nicht nur „der berühmteste Mann der Welt“ – wie Kurt Tucholsky ihn bezeichnete, sondern auch der Unwiderstehlichste.
Foto/Urheber: unbekannt. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Mediendatei ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten. Dies gilt für US-amerikanische Werke, deren Urheberrecht erloschen ist, üblicherweise, weil ihre Erstveröffentlichung vor dem 1. Januar 1923 liegt. Sofern der Urheber dieses Werkes nicht seit mindestens 70 Jahren tot ist, ist das Werk in Deutschland, Österreich und der Schweiz – außer es greifen andere Regelungen – urheberrechtlich geschützt, da der Schutzfristenvergleich nicht angewendet wird. Falls danach nicht zulässig, bitte Info an KN-ADMIN H.S. und die Einbindung wird umgehend entfernt.
2. Charlie Chaplin als Kunstobjekt. Foto: werner22brigitte / Brigitte Werner. Quelle: Pixabay. Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0. Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild.
3. Charlie Chaplin: The Tramp debuted in 1914 -- pre-1923 The Tramp was released on April 11, 1915 through Essanay Studios. Urheber: P.D Jankens. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.
4. Stummfilmkomödie "Ein Hundeleben" > Promotional image for the 1918 Charlie Chaplin film A Dog's Life. Image is widely available on the internet and included in several Chaplin books. Urheber: First National Studios. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten, weil es vor dem 1. Januar 1923 veröffentlicht wurde.
5. The Kid, in Deutschland auch bekannt als Der Vagabund und das Kind, ist eine US-amerikanische Stummfilm-Tragikomödie von Charlie Chaplin aus dem Jahre 1921. Die Hauptrollen übernehmen Charlie Chaplin, Edna Purviance sowie Jackie Coogan, der durch diesen Film zum Kinderstar wurde. Charles Chaplins erster Langfilm als Regisseur handelt von einem Tramp, der ein kleines Kind findet und es aufzieht. >> Wikipedia-Artikel.
Das Bild ist ein Werbefoto aus Charlie Chaplins Film "The Kid" von 1921. Auf dem Bild sind Charlie Chaplin und Jackie Coogan zu sehen. Dieses Foto wurde vom Uploader bearbeitet, um JPEG-Artefakte zu reduzieren und Staub und Kratzer zu entfernen.
Urheber: James Willis Sayre (December 31, 1877 – January 11, 1963), ein amerikanischer Theaterkritiker, Journalist, Kunstförderer und Historiker. Sayre, der seit langem in Seattle, Washington, lebt, war eine einflussreiche Figur beim Schreiben und Bewahren der Geschichte des Theaters in Seattle. Sayre sammelte eine riesige Sammlung von Werbefotografien von Theaterkünstlern, Dramatikern, Musikern und Reiseshows, die in Seattle gespielt wurden, sowie Theater- und Musikprogramme. Diese Sammlung befindet sich in der University of Washington Libraries Special Collection Division.
Quelle: Wikimedia Commons. Diese Mediendatei ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten. Dies gilt für US-amerikanische Werke, deren Urheberrecht erloschen ist, üblicherweise, weil ihre Erstveröffentlichung vor dem 1. Januar 1923 liegt. Sofern der Urheber dieses Werkes nicht seit mindestens 70 Jahren tot ist, ist das Werk in Deutschland, Österreich und der Schweiz – außer es greifen andere Regelungen – urheberrechtlich geschützt, da der Schutzfristenvergleich nicht angewendet wird. Falls danach nicht zulässig, bitte Info an KN-ADMIN H.S. und die Einbindung wird umgehend entfernt.
6. Charlie Chaplin und Ehefrau Oona O’Neill auf dem Flughafen Amsterdam Schiphol, 23. Juni 1965. Oona O’Neill, Lady Chaplin (* 14. Mai 1925 im Warwick Parish, Bermuda; † 27. September 1991 in Corsier-sur-Vevey, Schweiz) war die vierte und letzte Ehefrau von Charles Chaplin. Am 14. Mai 1943, ihrem 18. Geburtstag, heiratete sie den damals Vierundfünfzigjährigen. Sie erhielt 1952 eine kleinere Rolle im Film Rampenlicht, die aber nicht im Abspann erwähnt wurde. Zusammen mit Charlie Chaplin hatte sie acht Kinder, die zwischen 1944 und 1962 geboren wurden.
Urheber: Evers, Joost / Anefo. Quelle1: Dutch National Archives, The Hague, Fotocollectie Algemeen Nederlands Persbureau (ANEFO), 1945-1989, Nummer toegang 2.24.01.05 Bestanddeelnummer 917-8946. Quelle2: Wikimedia Commons. Diese Datei wurde Wikimedia Commons vom Nationaal Archief, dem Hauptarchiv der Niederlande, und Spaarnestad Photo im Zuge eines Kooperationsprojektes zur Verfügung gestellt. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Niederlande“ (CC BY-SA 3.0 NL) lizenziert.
7. Eine Charlie-Chaplin-Figur am Fenster. Obwohl seine Berufsbezeichnungen ganz anders lauten, wurde in Chaplin allen voran der Philosoph, der Gesellschaftskritiker, der Revolutionär gesehen. Ja, ein wahres Genie! Aber selbst dieser Begriff greift zu kurz. – Auch bei seinen nicht musikalischen Tätigkeiten strahlt er „einen explosiven musikalischen Rhythmus“ (Claire Goll) aus. Als ihn Claude Debussy das erste Mal sah – da war er noch jung und unbekannt –, rief er ihn zu sich, um ihm seine Bewunderung auszudrücken: „Sie haben einen angeborenen Instinkt für Musik und Tanz. Sie sind ein wahrer Künstler.“
Charlie Chaplin entblödete das Kino. Philippe Soupault gibt zu bedenken, wie schwierig es ist, jemanden zum Lachen zu bringen und
„dass viele Formen, das zu erreichen von irritierender Grobschlächtigkeit sind. Man schämt sich manchmal, weil man gelacht hat. Chaplin erzwingt das Lachen, ohne dass man das jemals bedauern würde. Seine Komik, könnte man sagen, ist von höherem Wesen.“
Foto: Bernd Volkmarsen (user_id:5324081), Nordhessen. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.