China vs USA: Diktatur vs Demokratie?

2 Beiträge / 0 neu
Letzter Beitrag
Bild des Benutzers Helmut S. - ADMIN
Helmut S. - ADMIN
Online
Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
China vs USA: Diktatur vs Demokratie?
DruckversionPDF version

Der Blogger Jo M. hat am 08. Nov. 2012 auf seiner Seite Jo Menschenfreund den nachfolgenden Text veröffentlicht, welchen ich hier mit freundlicher Genehmigung vollumfänglich vorstellen darf: 


 

China vs USA: Diktatur vs Demokratie?

von Jo Menschenfreund


Ich stehe Chinas halber Anerkennung der Menschenrechte unter Weglassung der bürgerlichen Rechte ebenso kritisch gegenüber wie der Anerkennung der bürgerlichen und politischen Rechte durch die USA unter Verweigerung der Ratifizierung der restlichen Menschenrechte, insbesondere der auf Nahrung, Gesundheit, Kleidung, Unterkunft durch die USA. So wie ich die olympischen Spiele in China boykottiert habe, weigere ich mich, eine Urlaubsreise in die USA zu machen. Und doch kommen sich die Systeme immer näher. Während die USA mit dem Patriot Act die wichtigsten Teile von Bürgerrechten außer Kraft setzte, sieht man in China immer öfter Populismus agieren, vielleicht als Vorstufe zu einer größeren Mitbestimmung der Massen? Aber braucht es die überhaupt? Der Artikel „Kritische Massen“ von Sepp Aigner (1) erinnerte mich an eigene Erfahrungen.


Aigner vergleicht den Wahlzirkus in den USA mit seinen zweifelhaften Ausprägungen und Ergebnissen und dem anschließenden Berufen auf “Sachzwänge” mit der pragmatisch an die Wünsche der Menschen angepassten diktatorischen Politik Chinas. Und er vergleicht die Ergebnisse für die Menschen. Hier das einstmals reichste Land der Welt, in dem immer mehr Menschen von Almosen leben müssen, mit stagnierendem bis sinkenden Einkommen der Massen, dort das einst ärmste Land der Welt mit explodierendem Durchschnittseinkommen und bis 2020 wieder verdoppelten Lebensstandard.


DIE SÜSSE VERFÜHRUNG DES ERFOLGES

Das ist ein gefährlicher Vergleich, der insgeheim von Chinas Diplomaten längst in die Welt hinaus bekannt gemacht wird, besonders in den Schwellenländern, in Südostasien und Afrika. Werbung für eine neue Aristokratie, die das Beste für das Land tut und erreicht, an Stelle der „Schwarmintelligenz“ oder der Demokratie. Und gerade unter Intellektuellen in vielen Ländern Asiens finden sich zunehmend Anhänger des „chinesischen Weges“. Eine Gefahr für die Errungenschaften der europäischen Aufklärung, die wir nicht unterschätzen sollten.

Denn auch bei uns zeigt sich immer mehr ein Trend zu Zentralismus, Technokratie und Entscheidungen ohne demokratische Legitimation ab. Immer mit dem Finger auf die USA als Zentralstaat oder China als erfolgreiches Wirtschaftsmodell zeigend.

Aber ich wage die These, dass China und z.B. Vietnam heute näher an einer Beteiligung der Volksmeinung an der Regierungsführung sind, als die USA oder auch Europa. Als Hinweis darauf will ich ein persönliches Erlebnis schildern, das ich vor einigen Jahren in Vietnam hatte:


CHINA, VIETNAM, NÄHER AM VOLKSWILLEN ALS USA, EU?

Vor einigen Jahren tingelte ich im Auftrag der UN durch Vietnam um Seminare für junge Unternehmungen zu organisieren, die ihre Produkte in den Westen verkaufen wollten. Wie man das so macht, war es eine Mischung aus Erklärung von Werkzeugen und Workshops, in denen die Teilnehmer lernen sollten, selbst ihre Probleme mit Hilfe der Werkzeuge und eines Moderators zu lösen. Nach dem ersten Seminar kam nun der Polit-Offizier, der mich bei meiner Arbeit dezent überwachte, zu mir, und er erklärte, dass das so nicht gehe. Der Vertreter des Sponsors des Projekts, ein schweizerischer NGO, drängte mich, auf die Forderung einzugehen. Gewünscht war, dass die Teilnehmer ihre Probleme vortrugen, und dass ich die Problemlösung erklärte. Das Honorar für das Seminar war zwar nicht schlecht, aber nicht hoch genug, um mich zu korrumpieren, und so weigerte ich mich, ohne das aber ausdrücklich zu sagen.

Am nächsten Tag wieder ein Seminar. Aus den Augenwinkeln sah ich den Polit-Offizier vor Wut mit versteinertem Gesicht sitzen und immer wieder den Saal verlassend. Dann das Abschlussgespräch. Die Teilnehmer sollten ihre Wünsche, Eindrücke und Urteile abgeben. Und da stand einer auf und erklärte, dass ihm besonders gut gefallen hätte, dass ich nicht erklärte hätte, was man tun müsse, sondern dass die Teilnehmer selbst diejenigen gewesen wären, die Lösungen erarbeitet hätten. Und nun wüssten, wie sie zukünftig ihre Probleme angehen könnten.

Darauf verabschiedete der Politoffizier die Teilnehmer und „freute sich, dass das von der Partei entwickelte Programm“ so zufriedenstellend aufgenommen wurde. … In vielen Gesprächen mit größtenteils jungen Vietnamesen erhielt ich dann auch den Eindruck, dass sich niemand wirklich um Bürgerrechte oder politische Rechte kümmerte. Die Menschen waren alleine daran interessiert, dass die Regierung ihnen die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung bot, und Steine aus dem Weg räumte. „So lange sie uns die Wirtschaft aufbauen lassen und gemäßigt regulierend eingreifen, können sie ansonsten tun was sie wollen,“ sagte mir ein junger Ingenieur, den ich mehrmals auch zu persönlichen Gesprächen traf. „Aber wehe, sie fangen wieder an, das Land von der Welt abzuriegeln“. Was er damit meinte ließ er offen.

Mein ganz eindeutiger Eindruck war, dass das Regime in Hanoi sein Ohr sehr wohl am Puls der Menschen hatte, und vielleicht stärker versuchte den Erwartungen der Menschen des Landes nach zu kommen, als das derzeit die technokratischen Bankmanager in Europa versuchen. Natürlich hörten wir hier immer wieder von Verhaftungen, Blogger die in Vietnam vor Gericht kamen, usw. Aber kein einziger meiner Gesprächspartner hatte im Vier-Augen-Gespräch ein Mehrparteiensystem oder mehr Mitbestimmung gefordert. Einzig die Korruption war ein stetiges Klagethema. Und das scheint in letzter Zeit auch das Regime erkannt zu haben.

FAZIT

Wenn man erkennt, dass die westlichen Medien ganz eindeutig zu Propagandamedien des westlichen „Way of Governance“ geworden sind, ganz eindeutig wirtschaftlichen Interessen untergeordnet sind und in keiner Weise „objektiv“ informieren, und sich dann an solche persönlichen Erfahrungen erinnert, dann sieht man viele Berichte plötzlich mit anderen Augen. Man kann man zu dieser Ansicht kommen: Die kommunistischen Diktaturen Chinas und Vietnams als Beispiel, sind stärker populistische Umsetzer von Volkswillen als die westlichen kapitalistischen Demokratien.

Das heißt nicht, dass ich unter einer kommunistischen Diktatur leben möchte. Vielmehr glaube ich, dass es dort genauso eine Minderheit gibt, die gegen die Diktatur der neuen Form von Aristokratie aufbegehrt, wie hier im Westen eine kleine Gruppe der Bevölkerung gegen die Ignoranz der Mächtigen und Reichen kämpft. Die Frage ist, wer eher in der Lage sein wird, die Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es an der Zeit ist, das Schicksal selbst direkter mit zu bestimmen. (Jo)
 



(1)  Artikel von Sepp Aigner »Demokratie im Westen - Diktatur in der VR China«

Quelle:  Jo Menschenfreund - klick
 

Bild des Benutzers Peter Weber
Peter Weber
Offline
Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Diktatur hier und Demokratie dort

Diktatur hier und Demokratie dort

 

So einfach und simpel stellen sich die Verhältnisse in China und den USA nicht dar. Heute las ich in der SZ im Kommentar von Stefan Kornelius „Wahl-Freiheiten“, in dem er an die USA einen Bonuspunkt im Vergleich zu China vergab, den Schlußsatz: „In den USA sorgt das System für Entladung. Amerika hat sich die Freiheit schon genommen. Es hatte ja die Wahl.“
 
Wie ich in meinem Kommentar „Amerika – erlöse uns vom Übel“ versucht habe zu beweisen, standen die US-Amerikaner bei ihrer Präsidentenkür vor der Wahl zwischen Pest und Cholera oder dem Regen bzw. der Traufe. Es gehört schon ein gehöriges Stück von Naivität dazu, den US-Wählern aus den genannten Gründen eine echte demokratische Alternative zuzugestehen
Die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in China sind sehr unübersichtlich, uneinheitlich und vor allen Dingen ausgesprochen gespalten in eine immer reicher werdende Geldbourgoisie, eine superreiche Oberschicht und einen korrupten Funktionärsadel auf der einen Seite und die Masse der Bevölkerung, die nach wie vor arm ist, erbärmlich wenig verdient oder sich als sklavenähnlicher Wanderarbeit ihr Leben fristen muß.
 
Sicher ist, daß sich China trotz oder gerade wegen seines unnatürlichen Wirtschaftswachstums riesige gesellschaftliche und ökologischen Probleme aufhalst, die in der Zukunft wie ein Bumerang zurückschlagen werden. Auch ist zu beobachten, daß die Opposition in China langsam mutiger wird und sich an vielen Orten des Riesenreiches und in diversen Bevölkerungsschichten Proteste gegen die wirtschafts- und parteidiktatorischen Machenschaften äußern. Im oben erwähnten Kommentar schreibt Stefan Kornelius zu Recht: 
 
„Spannungen entladen sich überall: soziale, ethische und religiöse Konflikte, Konflikte zwischen Obrigkeit und Volk. China erlebt einen unkontrollierten Ausbruch von Öffentlichkeit – im Internet, über das Handy, sogar in den staatlichen Medien. Wissenschaftler und Oppositionelle werden immer mutiger, und selbst die Kader im Politbüro lancieren ihre Vision der Machtverhältnisse in westlichen Zeitungen. Der Kampf wird halböffentlich ausgetragen, und was sich da erkennen läßt, zeugt von schwerem Unrecht, von Korruption, von Clan-Rivalitäten. Es bestehen Zweifel an der strukturellen Tragfähigkeit des Systems.“
 

[quote=Jo M.]

Man kann man zu dieser Ansicht kommen: Die kommunistischen Diktaturen Chinas und Vietnams als Beispiel, sind stärker populistische Umsetzer von Volkswillen als die westlichen kapitalistischen Demokratien.


Das heißt nicht, dass ich unter einer kommunistischen Diktatur leben möchte. Vielmehr glaube ich, dass es dort genauso eine Minderheit gibt, die gegen die Diktatur der neuen Form von Aristokratie aufbegehrt, wie hier im Westen eine kleine Gruppe der Bevölkerung gegen die Ignoranz der Mächtigen und Reichen kämpft. Die Frage ist, wer eher in der Lage sein wird, die Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es an der Zeit ist, das Schicksal selbst direkter mit zu bestimmen.

[/quote]

Ich bezweifle doch sehr die Annahme, daß die kommunistischen Diktaturen in China oder Vietnam bessere Umsetzer des Volkswillen sind als die Regierungen der sog. westlichen Demokratien. Auch sehe ich nicht die ausschlaggebende Frage darin, wer eher in der Lage ist, Bevölkerung davon zu überzeugen, ihr Schicksal durch Mitbestimmung selbst in die Hand zu nehmen. Meiner Meinung nach ist viel ausschlaggebender

  • ob die Mehrheit der Menschen endlich aus ihrer Lethargie erwacht und den Mut zur Gegenwehr ergreift und
  • wie die Obrigkeiten – ob im Westen oder Osten – auf den Widerstand des Volkes reagieren werden.
Die Herrschenden hier wie dort haben es zu allerletzt im Sinn, die Massen  zur Opposition aufzumuntern – ganz im Gegenteil haben sie Pläne in der Schublade, wie man einen Aufstand des Volkes, notfalls mit roher Waffengewalt, verhindern kann. Was China betrifft, so ist mir zumindest das Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens am 4. Juni 1986 noch gut in Erinnerung. Ich wiederhole also: Die Frage ist nur, ob China wieder derartig brutal gegen die Opposition vorgehen wird und wie die westlichen neoliberalen Eliten und Politiker auf erfolgversprechende Systemveränderungsbemühungen reagieren. 
 
 
Peter A. Weber
 
Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden.