Da ist schon was gebacken: Handwerksbäcker gegen ALDI & Co.

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Marie-Luise Volk
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Verbunden: 28.10.2010 - 13:29
Da ist schon was gebacken: Handwerksbäcker gegen ALDI & Co.
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Da ist schon was gebacken:


Handwerksbäcker gegen ALDI & Co.


Wer bäckt denn nun? Die sogenannten „Handwerksbäcker“ oder auch ALDI Süd GmbH & Co. in der jeweiligen „Backstation“? Um das herauszufinden, wurde das Landgericht Duisburg bemüht. Zunächst sah es so aus, als ob es zum großen Showdown zwischen den beiden Streithähnen käme. Reichlich bizarr mutete die juristische Auseinandersetzung (Verfahren 22 O 77/10) zwischen ALDI und dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. an. Dieser wollte, dass ALDI nicht mehr sagen darf, dass bei ALDI gebacken wird. Denn backen tun nur die „Handwerksbäcker“...
 

 

Unbestritten ist, dass ALDI halbgebackene Teiglinge bezieht, die dann in der Filiale in der Backstation fertiggebacken werden. Auf Knopfdruck des Kunden fällt dann das Brötchen frisch gebacken in das Ausgabefach.

Doch in einem lichten Moment schien es dem 1948 gegründeten "Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V." in Berlin zu dämmern, dass diese Auseinandersetzung nicht zu gewinnen war. Da ging es dem Zentralverband, der gemeinsam mit rund 390 Bäckerinnungen und 16 Landesinnungsverbänden die Interessen des Deutschen Bäckerhandwerks vertritt. ähnlich wie dem Fuchs in der Fabel „Der Fuchs und die Trauben“, die dem griechischen Fabeldichter Äsop zugeschrieben wird, Phaedrus dichtete eine lateinische Fassung. „Die Trauben sind mir zu sauer“, meinte der Fuchs, als er sich eingestehen musste, dass für ihn die süßen Trauben unerreichbar waren.

Deswegen wurde diese juristische Auseinandersetzung einvernehmlich beendet. Einvernehmlich vielleicht auch deshalb, weil die Gefahr bestand, dass die Diskussion um Brot und Brötchen aus dem Ruder laufen könnte. Denn es geht nicht nur um Berufsehre, sondern um die Qualität der Backwaren. Und da gibt es genug Anlass, Kritik zu äußern.


Brot als Grundnahrungsmittel

Brot zu verzehren, gehört offensichtlich noch zu unseren Grundbedürfnissen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Unsere Altvorderen wussten noch, auf was es ankommt: Sie buken ihr Brot daheim oder im dörflichen Gemeindebackhaus, mundartlich auch Backes genannt. Das Backhaus war hierzulande bis in die 1960er Jahre verbreitet. Regelmäßige Backtage der Gemeindemitglieder sparten den Bäcker, den eigenen Ofen und Energie. Die Öfen wurden mit lokal verfügbarem Heizmaterial beheizt, meist Reisig und Holz. Vor dem Einbringen der Backware wurde vorgeheizt. Die entstandene Glut wurde vor dem Beschicken entfernt.
 

 

Gemeinschaftlich genutzte Backhäuser sind vereinzelt zwar schon seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen, ihre flächendeckende Verbreitung begann jedoch erst im 17. Jahrhundert, als in zahlreichen Territorien des Heiligen Römischen Reiches Hausbacköfen wegen der Brandgefahr und des höheren Holzverbrauchs hoheitlich untersagt wurden. Der Bau der Backöfen wurde zum Teil von spezialisierten Handwerkern übernommen, die in Einzelfällen sogar Zünfte bildeten.

In den Städten entstanden die Bäckereien, die Hand in Hand mit den Müllern zusammenarbeiteten.


Industrialisierungsschritte

Durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert gab es eine tiefgreifende Veränderung. Es entstand eine Technik, die in der Lage war, Auszugsmehl herzustellen. Seit ca. 1876 war es möglich, industriell Mehl herzustellen. Randschichten und Keim des Getreidekornes wurden entfernt, Randschichten des Korns (Kleie) und Keim (Öl) konnten weitervermarktet werden. Das Auszugsmehl hatte obendrein den Vorteil, nicht mehr zu verderben. Eine Vorratshaltung wurde ermöglicht.


Ergebnis Fütterungsversuche: Biologischer Rückschritt

Spätestens seit den Fütterungsversuchen des deutschen Bakteriologen und Hygienikers Prof. Werner Kollath mit Auszugsmehl an Ratten stellte sich heraus, dass mit Auszugsmehl gefütterte Ratten nach wenigen Wochen versterben. Sie sterben deshalb, weil mit der Entfernung der Randschichten und des Keims die Lebensstoffe (Vitalstoffe) entfernt werden, die zur Erhaltung des Lebens und Gesundheit unabdingbar sind. Der technische Fortschritt hat sich als biologischer Rückschritt herausgestellt.

Dass wir Menschen durch den Verzehr von Produkten aus Auszugsmehl nicht gleich mit dem Tode bedroht sind, liegt daran, dass wir außer Brot noch andere Dinge verzehren. Dennoch stehen Krankheiten wie Diabetes (Zuckerkrankheit), Herzinfarkt, Übergewicht usw. in einem engen Zusammenhang mit dem Verzehr von Produkten mit Auszugsmehl.


Wirtschaftliche Gründe verhindern Aufklärung

Das Manko der fehlenden Vitalstoffe ist evident. Wird aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht publiziert. Wirtschaftliche Kreise versuchen jedoch, die wissenschaftlichen Ergebnisse durch Unterdrückung, Ablenkungsmanöver und Vertuschung zu umgehen. Es darf beim Kunden nicht der leiseste Verdacht entstehen, dass es sich beim heutigen Brot um minderwertige und gesundheitsschädliche Ware handelt. Dies ist bei allen Broten so, die aus Auszugsmehl hergestellt wurden. Selbst Bio-Ware, die aus Auszugsmehl hergestellt wurde, macht hier keine Ausnahme. Denn was nutzt es, wenn das Getreide aus ökologischem Anbau stammt, wenn anschließend die Vitalstoffe entfernt werden?


Zusatzstoffe und Hilfsstoffe – wo bleibt die Berufsehre?

Die Bäckerzunft kann heute in der Regel nicht mehr ohne Zusatzstoffe bzw. Technische Hilfsstoffe backen. Enzyme, Emulgatoren, Säuerungsmittel und Konservierungsstoffe werden zur „Teigführung“ eingesetzt. Krume, Kruste Aussehen, Geschmack – es gibt nichts, was sich nicht chemisch beeinflussen lässt. Calciumsulfat, d.h. Gips, darf für Maschinengängigkeit eingesetzt werden. Das geht schneller, das spart Zeit. Und Zeit ist Geld.

Versierte Eigenbrötler haben inzwischen ein höheres Know-How wie man Brot und Brötchen ohne technologische Hilfsstoffe backt. Inzwischen gibt es eine Fülle von Büchern und Rezepten, die ein Gelingen vom eigenen Brot sicherstellen. Der eigenen Gesundheit zuliebe ist dieser Aufwand mehr als gerechtfertigt.


Helfershelfer in der Not: Lobbyisten prämieren mit dem DLG-Gütezeichen

Raffinierte Werbung für von Lebensmitteltechnologen kreierte Backmischungen ist jetzt angesagt. Der Konsument muss bei der Stange gehalten werden. Für das Gipsbrot muss jetzt ein Gütesiegel her. Dafür stehen die Lobbyisten der Agrar- und Ernährungsindustrie, die "Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft" (kurz DLG) zur Verfügung. Mit Bronze-, Silber- und Gold-Medaillen wird die Verdummung der Verbraucher bei öffentlicher Verleihung unter Beteiligung der Medien gekrönt.


Unser tägliches Brot – ein künstliches Produkt

Bäcker hatten in früheren Zeiten eine herausragende Stellung bei den Berufsgruppen. Wenn jemand einem Bäcker etwas zuleide tat, dann gab es dafür das doppelte Maß an Strafe.

Im Mittelalter wurden Bäcker der sogenannten „Bäckertaufe“ unterzogen, wenn ihnen Betrug nachgewiesen werden konnte. Der Bäcker durfte das Vertrauen der Kunden nicht enttäuschen, etwa durch den Verkauf von Brot mit zu geringem Gewicht oder von minderwertiger Qualität. Der schuldig Gesprochene wurde in einem Schandkorb (Schupfe, Prelle) oder mittels einer Wippe einige Male in Wasser oder in Unrat getaucht, zusätzlich wurde er von den Anwesenden mit Steinen beworfen und gedemütigt. Das Strafmaß hat sich glücklicherweise geändert, der Straftatbestand wurde aber nicht angepasst.
 

 

Das Wissen um Mehl und Brot ist auf ein erstaunlich niedriges Niveau herabgesunken. Nicht nur bei Otto Normalverbraucher. Auch bei den sogenannten „Handwerksbäckern“ fehlt es an fundiertem Wissen. Z.B. Mehltype.


Was heißt Mehltype?

Die Typenzahl auf der Mehltüte gibt an, wie hoch der Mineralstoffgehalt des Mehls ist. „Type 405“ bedeutet zum Beispiel, dass in 100 Gramm Mehl nur noch 405 Milligramm Mineralstoffe enthalten sind. Die höchste Typenzahl des im Handel befindlichen Mehls ist bei Weizen 1700 und bei Roggen 1800. Selbstgemahlenes Mehl enthält ca. 2000 Milligramm Mineralstoffe.

Es ist also unerheblich, ob das Brot hell oder dunkel ist, entscheidend ist die Mehltype. Brot und Brötchen aus Auszugsmehl fehlt es an typischem Brotgeschmack. Dieser muss nun der Teigmasse durch Zusatzstoffe wieder zugefügt werden. Lebensmitteltechnologen haben dadurch ihre Daseinsberechtigung. Echte Vollkornbrote und –brötchen benötigen derartige Täuschungsmittel nicht.


Werbung & Verbrauchertäuschung

Als reines Ablenkungsmanöver kann die Namensgebung unseres Brotes entlarvt werden. Da ist von „Raubritterbrot“, „Rustikales“, „Bauernbrot“, „Landbrot“ etc. die Rede. Alles vorgegebene Namen der Backmittelhersteller. Schön griffig anzuhören für den Ahnungslosen. Auch der Bezug zur „Heimat“, zur „Ähre“ wird in der letzten Zeit bemüht, um vom Qualitätsdefizit abzulenken.


Tröstliches

Es gibt sie aber noch, die echten Bäcker. Geht man in ihre Backstube, findet man eine Getreidemühle vor. Sie verstehen etwas von Getreide, Backeigenschaften, echten Sauerteigen und vom Backen. Bei denen ist wirklich etwas gebacken…

Marie-Luise Volk

 



Quelle:  erstveröffentlicht auf meinem Blog esgehtanders.de .


Literaturempfehlung:


„Korngesund - Das Getreidehandbuch“, von Waltraud Becker, Emu-Verlags-GmbH, Lahnstein; 4. Auflage 2013; ISBN 978-3-89189-105-6; 127 Seiten; Preis: 17,80 € 

In den Industrienationen haben zwei Menschengenerationen gereicht, um das jahrtausendealte Wissen um Getreide zu verlieren. Vieles, was früher selbstverständlich als natürliche, ganzheitliche Speise– und Gebäckzutat in den Haushaltungen zubereitet wurde, ist längst durch industrielle Fertigprodukte verdrängt worden. Dieses Buch will helfen, das verlorengegangene Wissen zum wichtigsten Bestandteil der menschlichen Ernährung neu zu vermitteln. Sie finden alle wichtigen Getreidearten, ihre Bedeutung, Herkunft, Geschichte und Verwendung. Mit Rezeptbeispielen für jede Getreidesorte! > Ein Blick ins Buch.

„Brot backen: Vollkornbrote und Aufstriche aus der eigenen Küche"; von Ilse Gutjahr / Erika Richter; Emu-Verlags-GmbH, Lahnstein; 6. Auflage 2013; ISBN: 978-3891891131; 112 Seiten; Preis: 17,50 €

Brot backen macht Spass! Die Handhabung von Natursauerteig, Hefeteig, Backferment, Blätterteig und Mürbeteig werden kinderleicht erklärt. Mit den richtigen Zutaten und bei der richtigen Temperatur kümmert sich der Teig um sich selbst - Sie müssen ihm dann nur noch etwas einheizen. Und wenn Sie am Ende das selbst hergestellte Brot genießen, wissen Sie sogar, was drin ist. Der Genuss von frischem Brot oder Brötchen wird erst perfekt durch einen köstlichen Aufstrich: Am Ende dieses Buches finden Sie in 16 neuen Rezepten leckere und gesunde Alternativen zum üblichen Käse-Wurst-Marmelade-Einerlei > Ein Blick ins Buch.

Ilse Gutjahr (*1940) ist Autorin und Co-Autorin zahlreicher Bücher über Ernährung und Gesundheit. Sie leitet die von Dr. Max Otto Bruker gegründete Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB) e. V. und ist selbst als Gesundheitsberaterin und Referentin seit 25 Jahren erfolgreich tätig. Erika Richter (*1934) ist seit über 25 Jahren als ausgebildete Köchin und Kaltmamsell tätig. Sie ist seit 1991 Gesundheitsberaterin der Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB) e.V. und leitet die Praxisseminare in der Lehrküche des Dr. M. O. Bruker-Hauses in Lahnstein.

"Unsere Nahrung – Unser Schicksal", Dr. med. Max Otto Bruker, emu-Verlag

"Die Ordnung unserer Nahrung“ von Prof. Werner Kollath

Der Spiegel 01-2016: „Brot gegen Brot. Was ist Backen? Kläger ist das Bäckerhandwerk, die Beklagte ist Aldi Süd“ von Barbara Supp - weiterlesen.


Bild- und Grafikquellen:


1. Der Bäcker - Backstube um 1880: Was willst du werden? Bilder aus dem Handwerkerleben. Berlin: Winckelmann & Söhne [c. 1880]. Quellen: UB Braunschweig / Wikimedia Commons. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.

2. Steinofen mit mehreren Brotlaibern. Urheber: Peter Voeth / Die silberlocke (aus der dt.-sprachigen Wikiepedia). Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

3. Längsschnitt durch ein Weizenkorn: Getreidekeim, Randschichten, Aleuronschicht, Mehlkern. Grafik: mit freundlicher Überlassung von Heinrich Metzdorf, Welschbillig zur Veröffentlichung durch Marie-Luise Volk, Gamlen - Gesundheitsberaterin GGB.

4. Buchcover "Brot backen: Vollkornbrote und Aufstriche aus der eigenen Küche" von Ilse Gutjahr und Erika Richter; Emu-Verlags-GmbH, Lahnstein; 6. Auflage 2013; ISBN: 978-3891891131; 112 Seiten; Preis: 17,50 €

5. Bäckerschupfen oder Bäckertaufe war im Mittelalter eine Bestrafungsform für Bäcker, welche Brot mit zu geringem Gewicht oder von minderwertiger Qualität herstellten. Eine solche Bestrafung wurde von der Bevölkerung oftmals als eine Art von Volksfest gefeiert, bei welchem der Bäcker öffentlich an den Pranger gestellt wurde. Der schuldig Gesprochene wurde in einem Schandkorb (Schupfe, Prelle) oder mittels einer Wippe einige Male in Wasser oder in Unrat getaucht, zusätzlich wurde er von den Anwesenden mit Steinen beworfen und gedemütigt. In der eng. Sprache nennt man solche Bestrafungsstühle Cucking stools oderr ducking stools.

Bild: Illustration from a Pearson Scott Foresman text book. Dieses Werk wurde von seinem Urheber Pearson Scott Foresman als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit.

6. Buchcover „Korngesund - Das Getreidehandbuch“, von Waltraud Becker, Emu-Verlags-GmbH, Lahnstein; 4. Auflage 2013; Preis: 17,80 €

7. Buchcover "Unsere Nahrung unser Schicksal“ von Dr. Max Otto Bruker, emu-Verlag TOP-TIPP!

8. "Die Ordnung unserer Nahrung“ von Prof. Werner Kollath (1892 – 1970).