Darf die Türkei als „sicherer Drittstaat“ eingestuft werden?

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Darf die Türkei als „sicherer Drittstaat“ eingestuft werden?
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Darf die Türkei als „sicherer Drittstaat“ eingestuft werden?

Stellungnahmen & Rechtsgutachten

Gutachter: Dr. Reinhard Marx / www.ramarx.de

Auftraggeber: PRO ASYL


A. Aufgabenstellung

In der Europäischen Union wird seit längerem diskutiert, die Türkei als „sicherer Drittstaat“ zu behandeln. Am 17. und 18. März 2016 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Union und der Türkei, um ein Abkommen zu schließen, mit dem verbindlich geregelt werden soll, dass die Türkei durch die Union als „sicherer Drittstaat“ behandelt wird. Dieser Staat spielt im Ringen um eine Lösung der Krise des europäischen Flüchtlingsrechts eine zentrale Rolle. Politische Maßnahmen müssen geltendes Unionsrecht beachten. Aus diesem Grund wird nachfolgend im Auftrag von Pro Asyl untersucht, ob das geltende Unionsrecht eine Behandlung der Türkei als „sicherer Drittstaat“ durch die Mitgliedstaaten zulässt. Ist dies nicht der Fall, dürfen Asylsuchende nicht von Griechenland in die Türkei abgeschoben, zurückgewiesen oder auf dem Meer abgefangen und in die Türkei gebracht werden. Ob es zulässig ist, dass die Türkei auf Wunsch der Union die Flüchtlinge in der Türkei an der Weiterwanderung hindert, ist eine andere Frage, die hier nicht behandelt wird.



B. Die Rolle der Türkei bei der Lösung der Krise des europäischen Asylrechts

Auf dem informellen Treffen des Europäischen Rates am 23. September 2015 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, den Dialog mit der Türkei auf allen Ebenen wiederzubeleben. Seit diesem Zeitpunkt werden intensive Verhandlungen zwischen der Union und der Türkei geführt. Im Verlauf dieser Verhandlungen wurde der türkische Staatspräsident zu einem Treffen in Brüssel am 5. Oktober 2015 mit Vertretern der europäischen Institutionen geladen. In der Folgezeit wurde ein Aktionsplan ausgearbeitet, der am 29. November 2015 als „Aktionsplan“ der Europäischen Union verabschiedet wurde. Danach sagte die Union finanzielle Unterstützung für die Aufnahme von Flüchtlingen in der Türkei in Höhe von drei Milliarden Euro und weitere Unterstützungsmaßnahmen zu.

Im Gegenzug versprach die Türkei, ihre Anstrengungen, die irreguläre Weiterwanderung von Flüchtlingen nach Europa zu verhindern, zu verstärken und Flüchtlinge von der Union zu übernehmen. Der Aktionsplan, wie auch die in diesem Zusammenhang abgegebene türkische Erklärung, nahmen beide Bezug auf das Rückführungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Als dieses im Oktober 2014 in Kraft getreten war, verpflichtete es die Türkei dazu, zunächst nur die eigenen Staatsangehörigen aus der Union zu übernehmen. Auf Drittstaatsangehörige sollte es ab Oktober 2017 anwendbar werden. Im Aktionsplan, wie auch in der türkischen Erklärung, wurde jedoch Übereinstimmung darüber erzielt, die Anwendbarkeit des Abkommens auf diese Personen ein Jahr vorzuverlegen, also auf Oktober 2016.
 

Die Diskussion, die Türkei als „sicheren Drittstaat“ zu behandeln, begann mit der Erklärung des Führers der niederländischen Arbeiterpartei, Diederik Samsom, die Zahl der Flüchtlinge, die von der Türkei aus in die Union einreisen, radikal zu reduzieren. Dieser als „Samsonplan“ bezeichnete Vorschlag fand die Unterstützung des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, dessen Land derzeit die Präsidentschaft der Union innehat. Eine Reihe von anderen Mitgliedstaaten, unter ihnen Deutschland, Österreich und Schweden, unterstützten die niederländischen Vorstellungen. Danach sollen jedes Jahr von der Union zwischen 150.000 und 250.000 Flüchtlinge aus der Türkei übernommen und von den Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Im Gegenzug sagte die Türkei zu, alle Migranten und Flüchtlinge von Griechenland zu übernehmen, die irregulär die türkisch-griechische Grenze überquert hatten. Politisches Ziel der geschilderten Verhandlungen, Pläne und Erklärungen ist es, eine Wiederholung des Flüchtlingstrecks, der sich 2015 von der Türkei aus über die Balkanroute bis in das Zentrum der Union fortbewegt hatte, zu verhindern.
 

Am 7. März 2016 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit dem türkischen Ministerpräsidenten in Brüssel. Dabei bekräftigte der türkische Ministerpräsident die bereits gegebene Zusage, bei der Umsetzung des bilateralen griechisch-türkischen Rückübernahmeabkommens die rasche Rückkehr/Rückführung aller Migranten zu akzeptieren, die keinen internationalen Schutz benötigen und von der Türkei aus in Griechenland einreisen, und alle in türkischen Gewässern aufgegriffenen irregulären Migranten zurückzunehmen. Zugleich betonten die Gipfelteilnehmer die Bedeutung des NATO-Einsatzes in der Ägäis, der am 8. März 2016 begonnen hat. Es wurde u.a. vereinbart, darauf hinzuarbeiten, dass „alle neuen Migranten, die von der Türkei aus auf den griechischen Inseln ankommen,“ in die Türkei zurückgeführt werden und für jeden von der Türkei von den griechischen Inseln rückübernommenen Syrer ein Syrer aus der Türkei in der Union neuangesiedelt wird.[1] Nach einer AFP-Meldung vom 9. März 2016 hat der türkische Ministerpräsident auf dem Rückflug vom Gipfel vor mitreisenden Journalisten erklärt, dass die Türkei syrische Flüchtlinge nach deren Rückkehr aus Griechenland in Lagern unterbringen, Nicht-Syrer hingegen in ihre jeweiligen Herkunftsländer abschieben werde. Der türkische Regierungschef erklärte wörtlich, „Nicht-Syrer, die wir in der Ägäis aufgreifen, schicken wir in ihre Heimatländer zurück.“


C. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen des Konzepts des „sicheren Drittstaates“

I. Konzept des sicheren Drittstaates (Art. 38 RL 2013/32/EU)

Die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU behandelt die Frage der Behandlung von Drittstaaten in differenzierter Weise. In Art. 35 wird das Konzept des ersten Asylstaates, in Art. 38 das Konzept des sicheren Drittstaates und in Art. 39 das Konzept des europäischen sicheren Drittstaates geregelt. Abzugrenzen ist das Konzept des sicheren Drittstaates damit zunächst vom Konzept des ersten Asylstaates. Dieses findet Anwendung, wenn der Antragsteller in dem betreffenden Drittstaat als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen kann oder ihm dort anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich Refoulementschutz, gewährt wird, vorausgesetzt, dass er von dem betreffenden Drittstaat wieder aufgenommen wird. Der Antragsteller hat dabei die Möglichkeit, das Konzept des ersten Asylstaates unter Berufung auf seine besonderen Umstände anzufechten (Art. 35 in Verb. mit Art. 38 Abs. 2 c) RL 2013/32/EU). Zusammengefasst zielt das Konzept des ersten Asylstaates auf die Flüchtlinge, die vor ihrer Einreise in die Union bereits in einem Drittstaat Schutz gefunden haben.

Dieses Konzept wird hier nicht behandelt, weil es nicht mit dem Konzept des sicheren Drittstaates identisch ist und sich praktisch im Verhältnis zwischen der Union und der Türkei nicht stellt. Die Konzepte des sicheren – europäischen – Drittstaates zielen auf jene Flüchtlinge, die auf ihrer Durchreise in einem Drittstaat Schutz hätten finden können. Ob und in welchem Umfang daneben das Rückübernahmeabkommen zwischen der Union und der Türkei, das für Drittstaatsangehörige ab Oktober 2016 anwendbar sein wird, die Rückführung von Asylsuchenden und Flüchtlingen von der Union in die Türkei erlaubt, erscheint klärungsbedürftig.

Das Rückübernahmeabkommen ist ein multilateraler Vertrag zwischen der Union und einem Drittstaat. Für die Union stellt es kein Instrument dar, sich bindender Verpflichtungen aus dem Unionsrecht zu entziehen. Das gilt gleichermaßen für das griechisch-türkische Rückübernahmeabkommen, das nach den Planungen der Union und der Türkei die zentrale rechtliche Grundlage für die Rückübernahme von Flüchtlingen aus Griechenland durch die Türkei sein wird. Das bedeutet, dass diese Abkommen dann praktiziert werden dürfen, wenn keine Konflikte mit dem Sekundärrecht, insbesondere mit der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU aufgeworfen werden.

Für das Konzept des sicheren Drittstaates stellt Art. 38 Abs. 1 RL 2013/32/EU die Regel auf, dass die Mitgliedstaaten dieses nur anwenden dürfen, wenn die zuständigen Behörden sich davon überzeugt haben, dass eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in dem betreffenden Drittstaat nach folgenden Grundsätzen behandelt wird:


1. Ihr darf dort keine Gefährdung von Leben und Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung drohen.

2. Es darf nicht die Gefahr bestehen, dass sie dort einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 RL 2011/95/EU erleiden wird.

3. Der Drittstaat muss den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung nach Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) wahren.

4. Der Drittstaat muss das Verbot der Abschiebung einhalten, wenn dies einen Verstoß gegen das im Völkerrecht festgelegte Verbot der Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung darstellt.

5. Der Person muss die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu stellen und im Falle der Anerkennung als Flüchtling Schutz nach der GFK zu erhalten.


Das Konzept des sicheren Drittstaates setzt weder eine generelle Erklärung des betreffenden Drittstaates durch den jeweiligen Mitgliedstaat noch durch die Union als solche voraus. Vielmehr erlegt die Richtlinie mit der Berufung auf dieses Konzept den Mitgliedstaaten, die darüber entscheiden wollen, einen Asylsuchenden in einen Drittstaat abzuschieben, auf, vorher bestimmte Kriterien zu prüfen. Zentral ist hierbei, dass der Refoulementschutz (Nr. 3 und 4) durch den Drittstaat beachtet wird. Nr. 3 verweist auf den Refoulementschutz nach der GFK und Nr. 4 auf den nach völkerrechtlichen Abkommen, also insbesondere Art. 3 EMRK und Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter.

Nach der Rechtsprechung internationaler Gerichte enthält das Refoulmentverbot auch einen indirekten Schutz in Form des Verbots der Kettenabschiebung. Danach darf ein Flüchtling nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn die Gefahr der Weiterschiebung in den Herkunftsstaat besteht. Der um Schutz ersuchte Mitgliedstaat muss also unter Berücksichtigung von Informationen fachkundiger Stellen, insbesondere vom UNHCR, sorgfältig prüfen, ob im betreffenden Drittstaat im dort eingerichteten Asylverfahren ausreichende Garantien bestehen, damit der Flüchtling nicht direkt oder indirekt in sein Herkunftsland abgeschoben wird.[2] Während Art. 33 Abs. 2 GFK Ausnahmen vom Refoulementschutz zulässt, ist der Schutz nach Art. 3 EMRK und Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens absolut, geht also über Art. 33 GFK hinaus und lässt keine Durchbrechung zu. [3]
 

Art. 38 RL 2013/32/EU enthält Anweisungen für den konkreten Einzelfall. Nicht ausreichend ist, dass der betreffende Drittstaat die bezeichneten Konventionen ratifiziert hat. Vielmehr muss er sie auch wirksam anwenden.[4] Der Umstand, dass das Asylsystem dieses Staates überlastet ist, steht seiner Behandlung als sicherer Drittstaat entgegen.[5] Bei einer auf drei Millionen geschätzten Zahl von Flüchtlingen in der Türkei lässt bereits dieser Umstand ernstliche Zweifel aufkommen, ob dieser Drittstaat als sicher behandelt werden darf.

Ausdrücklich wird in Absatz 2 Buchstabe c) vorgeschrieben, dass im nationalen Recht mit dem Völkerrecht vereinbare Regeln festzulegen sind, die es ermöglichen, in Form einer Einzelfallprüfung festzustellen, ob der betreffende Drittstaat für einen bestimmten Antragsteller sicher ist und diesem zumindest die Möglichkeit bietet, die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat für ihn in seiner besondere Situation nicht sicher ist. Daraus folgt, dass vor einer Abschiebung in einen bestimmten Drittstaat ein Verfahren durchzuführen ist, in dem der Asylsuchende seine Bedenken gegen eine Verbringung in diesem vorbringen kann.

Entsprechend den Regeln der Richtlinie muss ihm ferner die Möglichkeit eingeräumt werden, gegen eine ihn belastende Entscheidung einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht einzulegen (Art. 46 Abs. 1). Der Mitgliedstaat, der bereits an der Grenze die Möglichkeit der Zurückweisung in einen bestimmten Drittstaat prüfen und hierüber entscheiden will, muss Art. 38 beachten (Art. 43 Abs. 1 in Verb. mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. c)). Vor einer Zurückweisung ist daher in einer Einzelfallprüfung festzustellen, ob der betreffende Drittstaat für den Antragsteller sicher ist. Darüber hinaus ist ihm zumindest die Möglichkeit einzuräumen, die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat für ihn in seiner besonderen Situation nicht sicher ist und gegen die Zurückweisungsverfügung einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht einzulegen (Art. 46 Abs. 1).
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II. Konzept des sicheren europäischen Drittstaates (Art. 39 RL 2013/32/EU)

Nach Art. 39 Abs. 1 RL 2013/32/EU können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass keine oder keine umfassende Prüfung auf internationalen Schutz und der Sicherheit des Antragstellers in seiner spezifischen Situation erfolgt, wenn eine zuständige Behörde anhand von Tatsachen festgestellt hat, dass der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat unrechtmäßig in sein Hoheitseingebiet einzureisen versucht oder bereits eingereist ist. Anders als beim Konzept des sicheren Drittstaats, bei dem die zuständige Behörde in jedem Einzelfall zu prüfen hat, ob ein bestimmter Drittstaat für den Antragsteller sicher und diesem Gelegenheit zu geben ist, Bedenken gegen die Sicherheit mit Blick auf seine persönliche Situation vorzubringen, wird beim Konzept des sicheren europäischen Drittstaats den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, die Prüfung der Sicherheit im Drittstaat inhaltlich einzuschränken oder gänzlich von dieser abzusehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat jedoch festgestellt, dass ein Mitgliedstaat im Blick auf einen Drittstaat in seinem nationalen Recht keine unwiderlegbare Vermutung der Sicherheit festlegen darf.[6] Deshalb wird dem Antragsteller auch bei der Anwendung des europäischen Konzepts des sicheren Drittstaates die Möglichkeit eingeräumt, die Anwendung dieses Konzepts in seinem Fall mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat in seiner besonderen Situation nicht sicher ist (Art. 39 Abs. 3 RL 2013/32/EU). In der ursprünglichen Verfahrensrichtlinie war diese Widerlegungsoption nicht vorgesehen (Art. 36 RL 2005/85/EG). Wohl in Reaktion auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs wurde diese durch die Änderungsrichtlinie aufgenommen.

Dementsprechend muss dem Betroffenen im Asylverfahren der Mitgliedstaaten die Gelegenheit eingeräumt werden, gegen die behördliche Annahme, dass ein bestimmter Drittstaat sicher ist, im Blick auf seine persönliche Situation Bedenken vorzubringen. Gegen eine ihn belastende Entscheidung kann er einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen (Art. 46 Abs. 1 Buchst. a) iv) RL 2013/32/EU). Für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies aufgrund des unionsrechtlichen Rechtsanwendungsvorrangs, dass die unwiderlegbare Vermutung der Sicherheit im Drittstaat nach Art. 16a Abs. 2 GG nicht unionsrechtskonform ist.

Voraussetzung für die Anwendung des Konzepts des europäischen sicheren Drittstaates ist, dass der betreffende Drittstaat nach Maßgabe der Prüfkriterien in Art. 39 Abs. 2 RL 2013/32/EU als „sicherer Drittstaat“ betrachtet werden kann. Ursprünglich war in Art. 36 Abs. 3 RL 2005/85/EG bestimmt worden, dass durch Ratsbeschluss eine gemeinsame Liste von Drittstaaten beschlossen wird, die als „sicher“ gelten. Art. 39 Abs. 4 RL 2013/32/EU überlässt diese Entscheidung nunmehr aber den einzelnen Mitgliedstaaten. Die Anwendung des Konzepts des europäischen sicheren Drittstaates setzt voraus,


1. dass der betreffende Drittstaat die GFK ohne geografischen Vorbehalt ratifiziert hat und deren Bestimmungen und damit insbesondere das Refoulementverbot nach Art. 33 einhält

2. über ein gesetzlich festgelegtes Asylverfahren verfügt

3. die Europäische Menschenrechtskonvention von 1950 (EMRK) ratifiziert hat und die darin enthaltenen Normen, einschließlich der Normen über wirksame Rechtsbehelfe, einhält.


Auffallend ist, dass die Kriterien und Garantien für die Anwendung des Konzepts des europäischen sicheren Drittstaates gegenüber denen des Konzepts des sicheren Drittstaates herabgesetzt worden sind: Es fehlt der Hinweis, dass dort keine flüchtlingsrelevante Gefährdung von Leib und Freiheit sowie auch keine Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, bestehen darf. UNHCR rügt in diesem Zusammenhang darüber hinaus, dass keine Mindeststandards und Verfahrensgarantien für die Anwendung von Art. 39 durch die Mitgliedstaaten vorgegeben werden und dies zu einer Verweigerung des schutzbedürftigen Personen zustehenden Schutzes und damit zu einer Verletzung internationalen Rechts führen kann.[7].

Mit dem Verweis auf die GFK und die EMRK und damit auf Art. 33 GFK sowie Art. 3 EMRK ist zwar sichergestellt, dass zu prüfen ist, dass im Drittstaat der absolute und umfassende Refoulementschutz gewährleistet wird. Es fehlt aber der Hinweis, dass dort die Möglichkeit bestehen muss, einen Antrag nach der GFK auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu stellen und diesen Schutz auch zu erhalten. Insoweit wird lediglich gefordert, dass ein gesetzlich festgelegtes Asylverfahren eingerichtet ist. Da andererseits aber verlangt wird, dass die GFK ratifiziert worden sein muss, dient das gesetzlich festgelegte Asylverfahren der Anwendung der GFK. Das Erfordernis, dass die GFK ohne geografischen Vorbehalt ratifiziert worden sein muss, hat seinen Grund in Art. 1 B GFK. Danach kann der Vertragsstaat bei der Unterzeichnung, Ratifikation oder dem Beitritt eine Erklärung abgeben, dass die GFK nur im Blick auf Ereignisse angewandt wird, die vor dem 1. Januar 1951 in Europa eingetreten sind. Damit werden unabhängig von der zeitlichen Einschränkung alle Asylsuchenden ausgeschlossen, die vor Ereignissen geflohen sind, die außerhalb von Europa eingetreten sind. Allen Flüchtlingen aus nichteuropäischen Herkunftsländern wird damit nicht der Schutz der GFK zuteil.

Vor diesem Hintergrund bestimmt Art. 39 Abs. 2 Buchst. a) RL 2013/32/EU, dass der betreffende Drittstaat die GFK ohne diesen Vorbehalt ratifiziert haben muss. Allerdings darf ein Vertragsstaat, der diesen Vorbehalt erklärt hat, Flüchtlinge aus nichteuropäischen Staaten gleichwohl nicht in ihr Herkunftsland abschieben, weil Art. 33 Abs. 1 GFK zumindest gewohnheitsrechtlichen Charakter hat. Die Staatenlosenkonferenz stellte 1954 in Abschnitt IV der Schlussakte den Grundsatz auf, die Norm sei Ausdruck eines allgemein anerkannten Grundsatzes und bestätigte damit die bereits damals herrschende Überzeugung, dass das Refoulementverbot Bestandteil des allgemeinen Völkerrechts geworden war.[8] Die Berichte des UNHCR gehen einen Schritt weiter und sprechen dem Prinzip des Non-Refoulement sogar den Charakter von jus cogens zu,[9] sodass dieser Grundsatz nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann (Art. 53 WVRK). Das Prinzip des Non-Refoulement bindet damit auch Nicht-Vertragsstaaten. Hinzu kommt, dass darüber hinaus auch der absolute Refoulementschutz von Art. 3 EMRK zu beachten ist.
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III. Extraterritoriale Geltung des Prinzips des Non-Refoulement

Wie eingangs ausgeführt, hat der türkische Ministerpräsident erklärt, dass nichtsyrische Flüchtlinge, die in der Ägäis aufgegriffen werden, in ihre Herkunftsländer abgeschoben würden. Ob das auch praktiziert werden soll, wenn Boote der türkischen Sicherheitskräfte außerhalb des nationalen Hoheitsbereichs Flüchtlinge aufnehmen oder nur für den Einsatz im türkischen Hoheitsbereich, hat er offen gelassen. Sofern die Flüchtlinge von türkischen Booten im nationalen Hoheitsbereich aufgenommen werden, stellt sich das Problem des Refoulementschutzes zwischen der Europäischen Union/Griechenland einerseits und der Türkei andererseits nicht. Denn das Eingreifen des Refoulementschutzes setzt voraus, dass der Flüchtling von einem Staat in einen anderen befördert werden soll.

Allerdings kann die Praxis der türkischen Behörden, Flüchtlinge in türkischen Gewässern aufzugreifen und unmittelbar in ihre Herkunftsländer zu verbringen, für die Frage Bedeutung erlangen, ob die Türkei durch die Union als „sicherer Drittstaat“ behandelt werden darf. Denn eine unmittelbare Rückführung von Flüchtlingen in ihre Herkunftsstaaten verletzt das Refoulementverbot und steht bereits deshalb einer Behandlung der Türkei als „sicherer Drittstaat“ entgegen. Hierbei geht es aber nicht um die Wirkung des Refoulementverbotes auf hoher See, sondern um ein zentrales Prüfkriterium für die Behandlung eines Drittstaates als „sicher“, nämlich um die Frage, ob die Türkei gegenüber den Herkunftsländern der Flüchtlinge den Refoulementschutz beachtet. Ob beim geplanten Einsatz der NATO auch Flüchtlinge von Booten der NATO aufgegriffen und in die Türkei verbracht werden sollen, ist unklar. Wenn dies der Fall sein sollte, stellt sich die Frage, ob die Einsatzkräfte der NATO an das Refoulementprinzip gebunden sind. Aufgabe der NATO in diesem Einsatz ist wohl in erster Linie die Bekämpfung von Fluchthelfern. Aber auch diese können ja die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft erfüllen und dürfen deshalb nicht zwangsweise in ihre Herkunftsländer verbracht werden.

Für die Wirksamkeit und den Geltungsbereich des Non-Refoulementprinzips auf hoher See sind in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bindende Regeln entwickelt worden. Werden Asylsuchende und Flüchtlinge von einem Mitgliedstaat auf hoher See aufgegriffen, ist vor einer Ausschiffung in einen Drittstaat zu prüfen, ob dies mit den in Art. 38 Abs. 1 RL 2013/32/EU festgelegten Kriterien vereinbar ist. Auch insoweit ist dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, die Anwendung dieser Kriterien mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat für ihn in seiner besonderen Situation nicht sicher ist und gegen die Zurückweisungsverfügung einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht einzulegen (Art. 46 Abs. 1).

Das Unionsrecht berücksichtigt damit eine allgemeine Entwicklung im Völkerrecht. Art. 33 Abs. 1 GFK und Art. 3 EMRK sind heute Bestandteil einer Entwicklung, die einen optimalen exterritorialen Schutz der Menschenrechte sicherstellen will. Wegweisend hierfür ist die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes: Zwar ist die Herrschaftsgewalt der Staaten grundsätzlich territorial gebunden. Wird sie außerhalb des nationalen Territoriums ausgeübt, wird die menschenrechtliche Bindung aber nicht aufgelöst. Die Staaten können sich nicht aus ihren internationalen Verpflichtungen lösen, wenn sie Herrschaftsgewalt außerhalb ihres Territoriums ausüben.[10]

Auch der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen erachtet die Vertragsstaaten aufgrund von Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte für verpflichtet, die durch diesen gewährleisteten Rechte zu beachten und sicherzustellen, dass alle Personen innerhalb ihres Territoriums und darüber hinaus alle Personen, die ihrer Herrschaftsgewalt unterworfen sind, diese Rechte in Anspruch nehmen können. Die Vertragsstaaten müssten die Inanspruchnahme dieser Rechte für alle Personen innerhalb ihrer Gewalt oder ihrer wirksamen Kontrolle sicherstellen, auch wenn sie sich nicht innerhalb ihres Gebietes aufhielten.[11] Auch der Ausschuss gegen Folter wendet den Refoulementschutz nach Art. 3 des Übereinkommens gegen Folter an, wenn sich der Betroffene in der Herrschaftsgewalt des Staates an Bord seiner Schiffe befindet.[12] Eine territoriale Vorverlagerung von Grenzkontrollen hebt also nicht die aus dem Refoulementverbot folgenden staatlichen Verpflichtungen auf.
 

Von besonderer Bedeutung für die Mitgliedstaaten und die Union als solche sind die Verpflichtungen aus der EMRK (Art. 6 Abs. 3 AEUV). Der EGMR hat die extraterritoriale Wirkung der EMRK an Bord von Schiffen des Flaggenstaates anerkannt.[13] Diese Position hat er ein Jahrzehnt später am Beispiel von Asylsuchenden bestätigt, die auf dem Mittelmeer von italienischen Grenzbehörden aufgegriffen und nach Libyen gebracht wurden, ohne das ihnen die Möglichkeit eingeräumt wurde, einen Asylantrag zu stellen. Da in Libyen die tatsächliche Gefahr einer Zuwiderhandlung gegen Art. 3 EMRK gedroht habe, hätte Italien diese Norm verletzt.[14] Maßgebend ist also nicht der Ort, an dem sich der Betroffene und das Herrschaftsgewalt ausübende staatliche Organ befinden. Das Refoulementverbot gilt damit in einem umfassenden Sinne, sei es innerhalb des eigenen Territoriums des um Schutz ersuchten Staates, an dessen Grenze, oder jenseits seiner Staatsgrenze. Es gilt selbst auf hoher See.[15] Dabei ist nach Art. 13 EMRK sicherzustellen, dass ein Flüchtling gegen die ihn belastende Entscheidung, ihn in den Staat auszuschiffen, von dem er abgereist ist, einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.[16]

Es liegt auf der Hand, dass weder die verwaltungsrechtliche Prüfung noch die gerichtliche Kontrolle auf dem Rettungsboot des Mitgliedstaates, sondern nur auf seinem Hoheitsgebiet durchgeführt werden kann und einerseits Griechenland hierdurch verpflichtet wird, aufgegriffene Flüchtlinge in sein Staatsgebiet zu verbringen, andererseits der Union damit untersagt wird, mit der Türkei durch Abkommen oder auf sonstige Weise zu regeln, dass diese von den Mitgliedstaaten auf hoher See aufgegriffene Flüchtlinge ohne vorgängige Prüfung ihrer Sicherheit in der Türkei durch den betreffenden Mitgliedstaat, also Griechenland, zurückübernimmt.
 

Soweit Flüchtlinge auf hoher See von türkischen Booten aufgegriffen werden, stellt sich zwar nicht das Problem des „sicheren Drittstaates“, weil ja nicht die Abschiebung in die Türkei, sondern die Frage im Raum steht, ob die Türkei, will sie den Flüchtling in sein Herkunftsland abschieben, auf hoher See an das Refoulementgebot gebunden ist. Diese Frage ist zu bejahen. Denn die Türkei ist Vertragsstaat der EMRK und damit an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebunden. Nehmen Boote der NATO Flüchtlinge auf, ist der jeweils verantwortliche Staat ebenfalls an das Refoulementverbot gebunden. Innerhalb eines multilateralen Bündnisses wie der NATO löst sich die einzelstaatliche Verantwortung der teilnehmenden Staaten nach der EMRK nicht auf.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Beispiel des früheren Dubliner Übereinkommens von 1990 festgestellt, dass ein Vertragsstaat sich nicht automatisch auf die Regelungen dieses Übereinkommens berufen kann. Sofern Staaten internationale Organisationen oder internationale Übereinkommen errichten, um eine Kooperation in bestimmten Tätigkeitsbereichen zu erreichen, können sich seiner Auffassung nach hieraus Auswirkungen für den Schutz der Grundfreiheiten ergeben. Es wäre unvereinbar mit Ziel und Zweck der EMRK, wenn die Vertragsstaaten sich dadurch in einem bestimmten, von solchen Vereinbarungen umfassten Tätigkeitsbereich, von den Verpflichtungen aus der EMRK befreien könnten.[17]

Der Gerichtshof hat in in diesem Zusammenhang in Bankovic die Beschwerden jugoslawischer Beschwerdeführer gegen den Bombenangriff auf einen Fernsehsender in Belgrad durch die NATO im Rahmen des Kosovo-Krieges 1999 zugelassen und die beteiligten NATO-Staaten dabei jeweils als individuelle Staaten behandelt.[18] Aus dieser Rechtsprechung kann gefolgert werden, dass ein teilnehmender NATO-Staat, der einen Flüchtling an den NATO-Staat Türkei überstellen will, nicht deshalb von seinen Verpflichtungen aus der EMRK befreit ist, weil auch die Türkei Vertragsstaat der EMRK ist. Wie im Beipielsfall des Dubliner Übereinkommens entschieden, gilt die EMRK auch zwischen den Vertragsstaaten dieses Übereinkommens und damit auch zwischen den Vertragsstaaten der EMRK wie auch denen der NATO. Sie werden allein dadurch, dass sie sich an einem kollektiven Bündnis beteiligen, nicht von ihren Verpflichtungen aus der EMRK befreit.


D. Anwendung der unionsrechtlichen Vorgaben auf die Türkei

I. Geografischer Vorbehalt nach Art. 1 B GFK

Der Türkei wird zwar bescheinigt, dass sie durch das „Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz“ vom 4. April 2013 [19] die Situation der Asylsuchenden verbessert habe. Sie hat aber bei der Ratifizierung der GFK eine Erklärung nach Art. 1 B GFK abgegeben und damit einen geografischen Vorbehalt zulasten der Asylsuchenden aus nichteuropäischen Herkunftsländern abgegeben. Art. 61 des Gesetzes beschränkt deshalb ausdrücklich den Flüchtlingsbegriff auf Flüchtlinge aus europäischen Ländern. Die Türkei ist heute der einzige Vertragsstaat des Europarates, der diesen Vorbehalt weiterhin aufrechterhält. Nahezu alle in der Türkei lebenden Flüchtlinge sind nichteuropäischer Herkunft und können deshalb nicht den Schutz nach der GFK erhalten. Ihnen wird nach Art. 62 des Gesetzes lediglich ein „bedingter Flüchtlingsstatus“ nach türkischem Recht eingeräumt. Dadurch werden ihnen weniger Rechte als Konventionsflüchtlingen und insbesondere nicht das Recht auf Familienzusammenführung gewährt.[20] Nichteuropäische Flüchtlinge können zwar als Mandatsflüchtlinge vom UNHCR behandelt werden, und ist dies Voraussetzung für eine Übernahme durch Mitgliedstaaten. Dies ist jedoch kein staatliches Verfahren und beseitigt nicht das unionsrechtliche Hindernis für eine Behandlung der Türkei als sicherer Drittstaat. Der UNHCR weist dementsprechend auch darauf hin, dass die einzige dauerhafte Perspektive für nichteuropäische Flüchtlinge darin bestehe, weiterzuwandern.[21] Die Kommission erachtet die Differenzen zwischen dem Flüchtlingsstatus und dem bedingten Flüchtlingsstatus aber nicht für gravierend. Dementsprechend sieht die European Stability Iniatitive unter Bezugnahme auf diese Position im geografischen Vorbehalt kein Hindernis, die Türkei als sicheren Drittstaat zu behandeln.[22] Eine Auseinandersetzung mit Unionsrecht fehlt hierbei jedoch. Da es für die Anwendung beider Konzepte des sicheren Drittstaates an der zwingenden Voraussetzung der Ratifikation der GFK ohne geografischen Vorbehalt fehlt, darf die Türkei nicht als sicherer Drittstaat behandelt werden (Art. 38 Abs. 1 Buchst. c), Art. 39 Abs. 2 Buchst. a) RL 2013/32/EU).[23]
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II. Beachtung des Grundsatzes des Non-Refoulement

Nach Art. 4 des „Gesetzes über die Ausländer und den internationalen Schutz“ darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden oder in dem er aufgrund seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung an Leben und Freiheit gefährdet ist. Damit hat die Türkei das Refoulementverbot sowohl nach Art. 3 EMRK wie auch nach Art. 33 Abs. 1 GFK in das innerstaatliche Recht umgesetzt. Ein Zurückweisungsverbot enthält das Gesetz jedoch nicht. Art. 33 Abs. 1 zielt hingegen auf eine staatliche Unterlassungspflicht und verbietet deshalb alle staatlichen Maßnahmen, die im Ergebnis dazu führen, dass Asylsuchende dem Zugriff der Verfolger ausgesetzt werden. [24] Mit dieser Bedeutung wird Art. 33 GFK heute in der Staatenpraxis allgemein angewandt.[25] Eine grammatikalische, teleologische und an der Staatenpraxis (Art. 31 Abs. 3 Buchst. b) WVRK) orientierte Interpretation von Art. 33 Abs. 1 GFK muss daher das Verbot der Zurückweisung in ihren Schutzbereich einbeziehen.[26] Zahlreiche internationale und regionale Erklärungen und Verträge schließen das Zurückweisungsverbot in ihren Schutzbereich ein. Die Staatenpraxis der letzten nahezu sechs Jahrzehnte belegt, dass dieses heute allgemein anerkannt ist. Art. 21 RL 2011/95/EU verwendet ausdrücklich den Begriff „Grundsatz der Nichtzurückweisung“, der in Übereinstimmung mit völkerrechtlichen Verpflichtungen stehe. Ebenso verwendet Art. 5 RL 2008/115/EG den Begriff „Grundsatz der Nichtzurückweisung.“ Das Prinzip des Non-Refoulement untersagt also die Abschiebung aus dem Gebiet wie auch die Zurückweisung an der Grenze der Vertragsstaaten.[27] Art. 43 RL 2013/32/EU legt deshalb fest, dass Asylanträge an der Grenze zu behandeln sind. Das Recht der Bundesrepublik erkennt mit der Verweisung in § 15 Abs. 2 Satz 1 auf § 60 Abs. 1 AufenthG an, dass das Refoulementverbot auch die Zurückweisung verbietet.

Festzuhalten ist damit, dass die Türkei das völkerrechtlich verbindliche Refoulementverbot nur unzulänglich umgesetzt hat und türkisches Recht es nicht verbietet, schutzsuchende Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. Da das Konzept des sicheren – europäischen – Drittstaates ein unionsrechtliches ist, gilt im Blick auf den betreffenden Drittstaat, hier also überwiegend Griechenland, auch das Unionsrecht. Art. 38 Abs. 1 Buchst. c) RL 2013/32/EU bezeichnet ausdrücklich das Verbot der Nicht-Zurückweisung. Art. 39 Abs. 2 der Richtlinie nennt das Refoulementverbot nicht ausdrücklich, fordert aber, dass die GFK und die EMRK einschließlich der Normen über wirksame Rechtsbehelfe im betreffenden Drittstaat eingehalten werden müssen. Wie oben ausgeführt, erfasst das Refoulementverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK auch das Zurückweisungsverbot und hat der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit Rückführungsmaßnahmen auf hoher See ausdrücklich auf den Rechtsbehelf nach Art. 13 EMRK hingewiesen. Daraus folgt, dass beide Normen das Zurückweisungsverbot einschließen und auch deshalb die Türkei nicht als „sicherer Drittstaat“ behandelt werden kann.

Die European Stability Initiative behauptet, die Türkei würde das Abschiebungsverbot nach Art. 4 „Gesetz über die Ausländer und den internationalen Schutz“ auch in der Praxis wirksam beachten. Es gebe zwar Berichte, dass es in der Vergangenheit einige Verletzungen des Refoulementprinzips gegeben hätte. Angehörige der Europäischen Kommission hätten im September 2015 jedoch in Interviews erklärt, sie hätten keine Kenntnis von Zuwiderhandlungen gegen dieses Prinzip in der Türkei. Der UNHCR habe der U.S.-Regierung mitgeteilt, dass zwischen Januar und November 2014 lediglich sieben Personen in ihr Herkunftsland zurück verbracht worden seien, wo ihnen möglicherweise Gefahren drohten. Türkische Behörden hätten erklärt, syrische Flüchtlinge würden nicht nach Syrien zurück verbracht. Die Türkei würde aufgrund dessen das Refoulementprinzip beachten.[28]

Dem hält die britische Nichtregierungsorganisation Statewatch entgegen, dass eine Reihe von Berichten belegten, dass die Türkei regelmäßig Refoulementverletzungen begehe. Die Türkei habe eine lange Geschichte derartiger Verletzungen hinsichtlich nichteuropäischer Flüchtlinge. Berichte wiesen darauf hin, dass Griechenland und die Türkei in den Jahren nach 2000 in Form einer polizeilichen Kooperation systematisch Flüchtlinge auf dem ägäischen Meer und an der griechisch-türkischen Grenze zurückgewiesen hätten. Jüngste Berichte aus dem Jahr 2015 belegten, dass türkische Behörden syrische Flüchtlinge an der türkisch-syrischen Grenze mit Anwendung von unmittelbarem Zwang und Haft zurückgewiesen hätten.[29]

Human Rights Watch berichtet in diesem Zusammenhang, dass innerhalb von zwei Wochen im November 2015 in Antakya und Istanbul 51 syrische Flüchtlinge interviewt worden seien. Die meisten von diesen hätten erst vor wenigen Stunden oder Tagen die Grenze zur Türkei erneut überquert. Sechs von ihnen hätten berichtet, sie wären zuvor gewaltsam nach Syrien zurückgewiesen worden. Drei von ihnen hätten erklärt, türkische Behörden hätten sie unmittelbar nach dem Grenzübertritt aufgegriffen, in militärischen Einrichtungen über Nacht inhaftiert und anschließend nach Syrien zurückgewiesen. Drei weitere hätten bekundet, dass sie unmittelbar nach der Grenzüberquerung zusammen mit Dutzenden anderer Flüchtlinge nach Syrien zurückgewiesen worden wären. Vier von ihnen hätten erklärt, dabei von türkischen Behörden misshandelt worden zu sein. Vier andere Flüchtlinge aus Syrien hätten berichtet, sie hätten beobachtet, wie die türkische Grenzpolizei Dutzende von Personen aus Syrien zurückgewiesen hätte. Weitere Vorfälle dieser Art werden von Human Rights Watch berichtet. Nach Informationen von Quellen in der Türkei mit intensiven Kenntnissen der türkischen Grenzpolitik dürften seit März 2015 nur noch zwei Gruppen von syrischen Flüchtlingen in die Türkei einreisen, das seien erstens schwerwiegend erkrankte Personen, die in Syrien keine ärztliche Versorgung erlangen könnten, sowie zweitens Syrer, die bei türkischen Hilfsorganisationen registriert worden seien. Etwa 25.000 Personen, die Mitte 2015 vor den Kämpfen in der Grenzstadt Tal Avyad in die Türkei hätten fliehen wollen, seien gezwungen gewesen, die errichteten Grenzzäune zu durchbrechen, nachdem sie zuvor durch türkische Grenzorgane mit Warnschüssen und Wasserwerfern am Überqueren der Grenze gehindert worden seien.[30]

Amnesty International berichtet, dass nach übereinstimmenden Berichten von Flüchtlingen und Asylsuchenden türkische Behörden im September 2015 damit begonnen hätten, die Personen, die irregulär die Grenze zur Türkei überquert hätten, in mehr als tausend Kilometer entfernt im Süden und Osten der Türkei eingerichtete isolierte Haftanstalten zu bringen. Der Zugang zur Außenwelt sei unterbunden, Mobiltelefone beschlagnahmt und der Kontakt zu Familienangehörigen unterbunden worden. Die Inhaftierung habe mehrere Wochen, durchschnittlich etwa zwei Monate gedauert, einige seien körperlich misshandelt worden. Ein Grund für die Inhaftierung sei nicht mitgeteilt worden. Amnesty International befürchtet, dass diese Berichte lediglich die Spitze des Eisbergs seien. Am 26. November 2015 habe die Organisation Berichte erhalten, dass mehr als sechzig Kurden aus dem Iran und Irak inhaftiert und abgeschoben worden seien. Abschließend stellt Amnesty International fest, nach zuverlässigen und übereinstimmenden Berichten hätten sich an die Praxis der unrechtmäßigen Inhaftierung die zwangsweise Abschiebung nach Syrien und in den Irak angeschlossen. Die Untersuchungen von Amnesty International hätten ergeben, dass türkische Behörden in der zweiten Jahreshälfte von 2015 mehr als hundert Personen abgeschoben hätten, obwohl ihnen in Syrien und im Irak das Risiko schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen gedroht hätte. Berichte, die nicht hätten überprüft werden können, wiesen darauf hin, dass die Anzahl derartiger Abschiebungen weitaus höher liegen würde.

Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die Türkei das Refoulementverbot weder in seiner Form als Zurückweisungs- noch in seiner Form als Abschiebungsverbot einhält. Dass die Kommission im September 2015 keine Kenntnisse von Verletzungen dieses Verbotes gehabt haben soll, ist nicht geeignet, die Zuverlässigkeit anhand sorgfältiger Recherchen, insbesondere durch Interviews mit betroffenen Flüchtlingen, erstellter Berichte nichtstaatlicher Organisationen über zahlreiche Fälle von Zurückweisungen von Flüchtlingen zu erschüttern. Es ist weder bekannt, ob die Kommission entsprechende Untersuchungen durchgeführt noch aus welchen Quellen sie sich informiert hat. Die Glaubwürdigkeit der Behauptungen der Kommission wird insbesondere dadurch schwerwiegend erschüttert, dass ihr nicht bekannt geworden sein soll, dass seit März 2015 nur noch zwei Gruppen von syrischen Flüchtlingen in die Türkei einreisen dürfen und die anderen zurückgewiesen werden.

Die Verfahrensrichtlinie stellt allein darauf ab, ob in dem betreffenden Drittstaat das Refoulementverbot eingehalten wird. Ob die türkischen Behörden die von Griechenland übernommenen Flüchtlinge aufnehmen und insbesondere nicht in ihr Herkunftsland weiterschieben, kann deshalb nicht erheblich sein. Im Übrigen hat der türkische Ministerpräsident eine derartige Zusage nur für syrische Flüchtlinge gegeben. Im Blick auf alle anderen Flüchtlinge hat er hingegen offensiv die Abschiebung in ihre Herkunftsländer angekündigt. Art. 38 Abs. 2 Buchst. c) und d) wie auch Art. 39 Abs. 2 Buchst. a) und c) RL 2013/32/EU stellen auf die generelle Praxis des betreffenden Drittstaates ab. Auch wenn er in einigen Fällen das Refoulementverbot beachtet, genügt allein dies nicht, ihn als „sicheren Drittstaat“ zu behandeln. Im Gegenteil, solange dieses Verbot verletzt wird, kann er nicht als „sicherer Drittstaat“ behandelt werden. Im Falle der Türkei kommt verschärfend hinzu, dass die dortigen Behörden eine systematische Praxis der Zurückweisung in Verbindung mit Renaturierungsmaßnahmen und Misshandlungen üben und der türkische Ministerpräsident eine Verletzung des Refoulementverbotes zulasten aller mit Ausnahme der syrischen Flüchtlinge angekündigt hat.

Ein solcher Drittstaat muss darüber hinaus im Hinblick auf die Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen als besonders unsicher eingeschätzt werden und damit auch im Hinblick auf die bei der Behandlung als “sicherer Drittstaat“ erforderliche Einhaltung menschen- und völkerrechtlicher Verpflichtungen. Diese Einschätzung wird dadurch verstärkt, dass die türkischen Behörden bzw. das Militär und die Gerichte gerade im Jahre 2015 die Anwendung exzessiver Gewalt gegenüber Demonstranten gesteigert, vermehrt Festgenommene gefoltert und misshandelt, kritische Journalisten inhaftiert und gerichtlich verfolgt sowie Ausgangssperren über kurdisch besiedelte Städte im Südosten des Landes verhängt und die Bevölkerung von der Wasser- und Stromversorgung ausgeschlossen haben.[31]


E. Verbot der Kollektivausweisung (Art. 19 Abs. 1 GRCh)

Der nach der Presseerklärung des Europäischen Rates vom 8. März 2016 vorgestellt Plan, „alle neuen irregulären Migranten“ in die Türkei zurückzuführen, verletzt Art. 19 Abs. 1 GRCh. Auch wenn Griechenland nicht Vertragsstaat des Protokolls Nr. 4 zur EMRK ist, das Kollektivausweisungen verbietet, ist es ungeachtet dessen an Art. 19 Abs. 1 GRCh gebunden (Art. 6 Abs. 1 EUV). Sollten Vertragsstaaten des Protokolls Nr. 4 im Rahmen des NATO-Einsatzes Kollektivausweisungen vollziehen, sind sie, sofern sie Mitgliedstaaten der Union sind, nicht nur an Art. 19 Abs. 1 GRCh, sondern zusätzlich auch an dieses Protokoll gebunden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass das Protokoll Nr. 4 auch auf hoher See gilt. Die Rückführung von Ausländern nach ihrem Abfangen auf hoher See durch Behörden ist Ausübung hoheitlicher Befugnisse. Migranten daran zu hindern, die Grenzen des Staates zu erreichen, um sie in einen anderen Staat zurückzuführen, ist Ausdruck der Hoheitsgewalt der Behörden im Sinne von Art. 1 EMRK. Wird den Migranten individuell das Recht genommen, auf hoher See Argumente vorzubringen, die gegen ihre „Ausweisung“ sprechen, handelt es sich um verbotene Kollektivausweisungen.[32]

Der Begriff „Ausweisung“ darf nicht mit dem Begriff der Ausweisung nach deutschem Recht (§ 53 ff AufenthG) verwechselt werden. Im konventionsrechtlichen Sprachgebrauch meint er die zwangsweise Verbringung von Personen in einen anderen Staat. Dies wird auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hervorgehoben. Da die Grundrechte der EMRK als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind (Art. 6 Abs. 3 EUV) und sich der Gerichtshof der Europäischen Union in ständiger Rechtsprechung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientiert, ist dessen Rechtsprechung zu Protokoll Nr. 4 auch für die Auslegung und Anwendung von Art. 19 Abs. 1 GRCh heranzuziehen. Damit wird auch Griechenland, obwohl es das Protokoll nicht ratifiziert hat, nach Art. 19 Abs. 1 GRCh untersagt, Flüchtlinge ohne individuelle Prüfung ihrer Argumente gegen eine Rückführung in die Türkei, dorthin abzuschieben oder zurückzuweisen.


F. Ergebnis

Die Türkei darf von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten nicht als „sicherer Drittstaat“ behandelt werden. Bereits der geografische Vorbehalt nach Art. 1 B GFK durch die Türkei sperrt die Behandlung dieses Staates als „sicherer Drittstaat“. Zwar enthält nur Art. 39 Abs. 2 Buchst. a) RL 2013/32/EU das Erfordernis der vorbehaltlosen Ratifizierung der GFK. Aber auch nach Art. 38 Abs. 2 Buchst. c) RL 2013/32/EU ist der Refoulementgrundsatz nach Art. 33 Abs. 1 GFK zu beachten und Asylsuchenden die Möglichkeit zu eröffnen, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und im Falle der Anerkennung Schutz nach der GFK zu erlangen. Dies setzt die vorbehaltlose Ratifizierung der GFK und damit deren Anwendung auf alle Flüchtlinge unabhängig von ihrer nationalen Herkunft voraus.

Darüber hinaus darf die Türkei nach Unionsrecht auch deshalb nicht als „sicherer“ Drittstaat behandelt werden, weil nicht gewährleistet ist, das durch diese das Refoulementverbot nach Art. 33 Abs. 1 GFK und Art. 3 EMRK sowie Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens gegen Folter wirksam angewandt wird. Zwar enthält Art. 61 des „Gesetzes über die Ausländer und den internationalen Schutz“ von 2013 ein Abschiebungsverbot im Sinne von Art. 33 Abs. 1 GFK und Art. 3 EMRK. Es fehlt aber die Inkorporation des entsprechenden Zurückweisungsverbotes in das türkische Recht. Berichte internationaler nichtstaatlicher Organisationen belegen, dass Verletzungen des Refoulementverbotes durch türkische Behörden nicht als vorübergehende Einzelfälle bezeichnet werden können. Vielmehr besteht eine systematische Politik der türkischen Regierung, syrische und andere Flüchtlinge am Betreten des türkischen Staatsgebietes zu hindern und zu diesem Zweck unmittelbare Gewalt gegen Flüchtlinge einschließlich ihrer Inhaftierung anzuwenden. In einigen Fällen werden die Flüchtlinge dabei auch körperlich misshandelt. Angesichts dieser auf umfassenden Recherchen mehrerer nichtstaatlicher Organisationen beruhenden Feststellungen darf die Türkei nach Unionsrecht nicht als „sicherer“ Drittstaat behandelt werden. Weder Art. 38 noch Art. 39 der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU erlauben den Mitgliedstaaten und der Union als solcher, Asylsuchende und Flüchtlinge zwangsweise in die Türkei abzuschieben, zurückzuweisen oder auf hoher See aufzugreifen und in die Türkei auszuschiffen, noch entsprechende Abkommen mit der Türkei abzuschließen. Dies verletzt auch das Protokoll Nr. 4 zur EMRK und Art. 19 Abs. 1 GRCh.

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Fußnoten:

[1] Europäischer Rat, Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vom 7. März 2016.

[2] EGMR, NVwZ 2011, 413, 417 Rn 342 ff. – M.S.S.; EGMR, NVwZ 2012, 809, 814 Rn 146 ff. - Hirsi Jamaa; UNHCR, Die Anwendung des Konzepts „sicheres Drittland“ und seine Auswirkungen auf den Umgang mit Massenfluchtbewegungen und auf den Flüchtlingsschutz, Mai 2001, S. S. 2; BVerwGE 49, 202, 20 f. = EZAR 134 Nr. 1 = NJW 976, 490; BVerwGE 62, 206, 210 = EZAR 221 Nr. 7 = InfAuslR 1981, 214; BVerwGE 69, 323, 325 = EZAR 201 Nr. 8 = NJW 1984, 2782; Oberster Gerichtshof von Ungarn, Urteil vom 10. Dezember 2012 – Nr. 2/2012 (XII..10) KMK.

[3] EGMR, NVwZ 2008, 1330 (1332) Rdn. 139 – Saadi.

[4] Oberster Gerichtshof von Ungarn, Urteil vom 10. Dezember 2012 – Nr. 2/2012 (XII..10) KMK.

[5] Oberster Gerichtshof von Ungarn, Urteil vom 10. Dezember 2012 – Nr. 2/2012 (XII..10) KMK.

[6] EuGH, NVwZ 2012, 417, 421 Rn 102 ff. - N.S.

[7] UNHCR, UNHCR comments oin the European Commission's Amended Proposal for a Directive of the European Parliament an of the Council on common procedures for granting and withdrawing international protection status (Recast) COM (21011) 319 final, , S. 29 f.

[8] Kimminich, AVR 1982, 369; Hyndman, The AustralianLJ 1986, 153 f.; Goodwin-Gill/McAdam, The Refugee in international Law, 3. Aufl., S. 206 ff.; Weis, AYIL 1954, 199; Sexton, VanderbuiltJTL 1985, 731,737; Sinha, Asylum and International Law, 1971, S. 160; Grahl-Madsen, AAPSS 1983, 14; Stenberg, Non-Expulsion and Non-Refoulement, 1989, S. 275 f.; zurückhaltender Kälin, Das Prinzip des Non-Refoulement, 1982, S. 72.

[9] UNHCR, Report, UN Doc. E/1985/62, 1985, Rn 22 f.; UNHCR, Report, UN Doc. E/18989/64, 1989, Rn 24; so auch Allain, IJRL 2001, 533, 534

[10] Internationaler Gerichtshof, Gutachten »Legal consequences of the construction of a wall in the occupied Palestian Territory« vom 09.07.2004, General List No. 131.

[11] Human Rights Committee, General Comment No. 31(80) »Nature of the General Obligation imposed on State Parties to the Covenant«, CCPR/C/21/Rev. 1/Add. 13, Par. 10.

[12] CAT, IJRL 2010, 104, 111 Rn 8.2 – J.H.A.

[13] EGMR, EuGRZ 2002, 133, 139, Rn 73 – Bankovic et. al. v. Belgium et. al.

[14] EGMR (Große Kammer), NVwZ 2012, 809, 810 Rn 136 – Hirsi Jamaa.

[15] EGMR (Große Kammer), NVwZ 2012, 809, 812 Rn 122 – Hirsi Jamaa.

[16] EGMR (Große Kammer), NVwZ 2012, 809, 816 Rn 187 ff. – Hirsi Jamaa.

[17] EGMR, InfAuslR 2000, 321 (323) = NVwZ 2001, 301 = EZAR 933 Nr. 8 – T.I.

[18] EGMR, EuGRZ 2002 133 – Bankovic et. al. v. Belgium et. al.

[19] s. hierzu ZAR 2013, S. 1 ff.

[20] European Council on Refugees and Exiles, Country Report: Turkey, December 2015, S. 17 ff.

[21] UNHCR, The Republic of Turkey, June 4 2014, S. 4

[22] European Stability Iniative, Background Document. Turkey as a „Safe Third Country“ for Greece, 17 October 2015, S. 5.

[23] European Council on Refugees and Exiles, Dutch plan to return asylum seekers from Greece to Turkey violates international law, 20 January 2016; Statewatch, Why Turkey is not a „Safe Country“, February 2016, S. 18; Elitok/Straubhaar, Turkey, Migration and the EU: Potentials, Challenges and Opportunities, Hamburger Institut für Weltwirtschaft (Hrsg.) ohne Datum, S. 64; offen gelassen Evangelische Kirche in Deutschland, Dienststelle Brüssel des Bevollmächtigten, Vermerk: Vorbehalt der Türkei zur Genfer Flüchtlingskonventikon vom 13. Oktober 2015.

[24] Goodwin-Gill, VirginiaJIL 1986, 897, 902 f.

[25] Sexton, Vanderbuilt JTL 1985, 731, 739 f.

[26] Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, 1990, S. 219; ders., Das Prinzip des Non-Refoulement, 1982, S. 105 f. Sinha, Asylum and International Law, 1971, S. 110 f.; Goodwin-Gill/McAdam, The Refugee in International Law, 3. Aufl., 2007, S. 206 ff.; Perluss/Hartman, VirginiaJIL 1986, 551, 599 f.; Sexton, Vanderbuilt JTL 1985, 731, 739 f.; Hailbronner, ZAR 1987, 1, 5; Crawford/Hyndman, IJRL 1989, 157; Helton, IJRL 1990 (Special Issue), S. 119, 123; Hathaway, The Law of Refugee Status, 1990, S. 26 f.; Sternberg, Non-Expulsion and Non-Refoument, 1989, S. 253, 257, 261.

[27] Goodwin-Gill/Jane McAdam, The Refugee in international Law, 3. Aufl., 2007, S. 208.

[28] European Stability Iniative, Background Document. Turkey as a „Safe Third Country“ for Greece, 17 October 2015, S. 7 f.

[29] Statewatch, Why Turkey is not a „Safe Country“, February 2016, S. 17 f.; so auch Human Rights Watch, Turkey: Syrians Pushed Back at the Border, November 23, 2015.

[30] Human Rights Watch, Turkey: Syrians Pushed Back at the Border, November 23, 2015.

[31] Amnesty International, Jahresbericht 2016, Türkei.

[32] EGMR (Große Kammer), NVwZ 2012, 809, 816 Rn 180 ff. – Hirsi Jamaa.



Bild- und Grafikquellen:

1. In der Europäischen Union wird derzeit diskutiert, ob die Türkei als „sicherer Drittstaat“ behandelt werden kann. Das von Dr. Reinhard Marx erstellte Rechtsgutachten zeigt, dass die Türkei von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten aus rechtlicher Sicht nicht als „sicherer Drittstaat“ behandelt werden darf. Asylsuchende dürfen nicht von Griechenland in die Türkei abgeschoben, zurückgewiesen oder auf dem Meer abgefangen und in die Türkei gebracht werden.

Foto: Die Rote Fahne - Die Rote Fahne ist die traditionelle deutsche antifaschistische und Friedens-Zeitung und das strömungsübergreifende sozialistische Magazin und gesellschaftliche Kommunikationsplattform der Linken in Deutschland.



2. Was zählen schon Asylrecht, Menschenrechte und Genfer Flüchtlingskonvention? Aus REFUGEES WELCOME wird REFUGEES GOODBYE. Das lässt man sich dann gerne ein paar Milliarden Euro kosten. Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de .

3. Die Balkanhalbinsel (auch kurz Balkan, oft synonym mit Südosteuropa verwendet) ist eine geographisch nicht eindeutig definierte Halbinsel im Südosten Europas. Sie ragt in das Mittelmeer und ist nach dem Balkangebirge benannt. Der größte Staat auf der Halbinsel ist Griechenland, gefolgt von Bulgarien (wo der Großteil des Balkangebirges liegt), dann der Reihe nach Serbien, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Mazedonien, Montenegro und dem Kosovo. Die Staatsgebiete von Kroatien, Rumänien, Serbien, Slowenien und der Türkei reichen über die Grenzen der Balkanhalbinsel hinaus.

Autor: Peter Fitzgerald. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.  

4. Titelseite des Rechtsgutachtens von Dr. Marx, im Auftrag von PRO ASYL.

5. Transparent "NAZIS MORDEN, DER STAAT SCHIEBT AB . . . ". Eine Bewegung lässt sich nicht räumen - Bleiberecht für alle! Es ist an der Zeit, die Flüchtlings- und Migrationspolitik auf Bundes-, aber auch auf lokaler und Länderebene zu verändern. Der Berliner Senat könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Er hat alle notwendigen Mittel für eine demokratische, humanitäre Lösung des aktuellen Konflikts in der Hand.

6. Titelseite des Rechtsgutachtens von Dr. Marx, im Auftrag von PRO ASYL.

7. UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (bzw. Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge; englisch United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) ist ein persönliches Amt der Vereinten Nationen (UN). Ihm untersteht das Hochkommissariat (englisch Office of the United Nations High Commissioner for Refugees, auch: The UN Refugee Agency). Es ist mit dem Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen beauftragt und auch im Bereich der humanitären Hilfe tätig.

Foto / Urheber: Tech. Sgt. Steve Staedler. Quelle: Wikimedia Commons. Als amtliches Werk der Bundesregierung der Vereinigten Staaten ist dieses Bild gemeinfrei.

8. Menschenrechte - ALL HUMAN BEINGS ARE BORN FREE AND EQUAL IN DIGNITY AND RIGHT . . . Foto: Zack Lee. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

9. Die LÉ Eithne (III), Flaggschiff der irischen Marine rettet Migranten im Rahmen der Triton-Mission (Juni 2015). Foto: Irish Defence Forces. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

10. Die LÉ Eithne (V), Flaggschiff der irischen Marine rettet Migranten im Rahmen der Triton-Mission (Juni 2015). Foto: Irish Defence Forces. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

11. Rechtsanwalt Dr. Reinhard Marx - © Privatfoto, die Rechte bleiben bei RA Marx.