Das andere Reich der Desinformation

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Helmut Müller
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Verbunden: 18.05.2015 - 20:39
Das andere Reich der Desinformation
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Das andere Reich der Desinformation

L´autre Empire de la désinformation - The other Empire of disinformation

von Helmut Müller, Wien

Bevor die US-Armee massiv in Vietnam einfiel waren bereits US-Militärberater vor ihr im Land. Das hat Tradition, und die setzt sich global fort bis in unsere Tage. Jetzt hat man nämlich die Entsendung von solchen Beratern in die bekanntlich nicht an die USA angrenzende Ukraine angekündigt. Eine Provokation für den tatsächlichen Ukraine-Nachbarn Rußland, der, zur geheuchelten Empörung der Westler, entsprechend reagiert. Doch die NATO-Falken sind offenbar entschlossen, Europa an den Rand eines größeren Krieges zu bringen.

Angesichts der wahren Fakten hört sich nun eine Aussage von Daniel Lubkiwskij, (Foto li.) bis Dezember 2014 stellvertretender ukrainischen Außenminister und seit Januar 2015 Berater von Premierminister Arsenij Jazenjuk, geradezu als die eines Scherz- oder Trunkenbolds an. So meinte er allen Ernstes: „Wenn durchsickert, daß Präsident Putin einen Krieg gegen die freie Welt und deren Prinzipien begonnen hat…“ [⇒ s. Artikel auf  derStandard.at] Oh Gott, oh Gott! Da verschlägt es einen ja beinahe den Atem. Wirklich ein goldiges Kerlchen dieses anderen Reichs der Desinformation.

Jedenfalls eine Marionette ganz nach dem Geschmack der kleinen und großen Strategen im Westen. Dort, genauer in Brüssel, schien man die wohl bestellte Botschaft  bereits ungeduldig erwartet zu haben. Denn schon fordert der zwielichtige EU-Kommissionspräsident eine eigene Armee gegen die angebliche Gefahr aus Rußland. Dieser Herr, außer großzügiger Gastgeber für Konzerne, jetzt auch noch beflissener Laufbursche für die NATO?

Lassen wir die gestern schon verratenen hehren Prinzipien dieser freien Welt, in der das freie Wort im Mund umgedreht oder bereits verfolgt wird, sowie diesen an sich unnötigen Herrn Juncker einmal beiseite. Bestaunen wir stattdessen die Berichterstattung unserer „unabhängigen“ Medien. So läßt "DiePresse".com (Wien) am Sonntag Johannes Voswinkel, ein den Atlantikern offenbar affiner Journalist, zu Wort kommen.

Zunächst schwärmt dieser von jenem neuen Rußland als die Sowjetunion kurz zuvor ihr Dasein beendet hatte. Eine Zeit, in der für Journalisten die Kasernentore „weit offen“ standen und noch viel „palavert“ werden konnte. Ist Letzteres jetzt etwa verboten? Lächerlich. Wenn ich mich nicht irre, war das aber auch eine Zeit, in der US-Konzernabgesandte vor der Kreml Tür mit künftigen Oligarchen mächtig palaverten und Übernahme-Projekte schmiedeten. Und so nebenbei die Korruption unter Boris Jelzin richtig aufblühte.

Aber gerade das wird in dem Presse-Beitrag nicht erwähnt. Mit dem Weglassen von solchen „Kleinigkeiten“, glaubt man vielleicht als Journalist oder Herausgeber einer Zeitung seinen ganz bescheidenen indirekten Beitrag zu einem „Regime change“ auch in Rußland beitragen zu können. Was sich auszahlen mag, ungeachtet dessen, daß die ganze westliche Aggression, und eine solche ist es ja von Anfang an, ob nun militärisch oder nicht, noch blutiger über die Bühne gehen könnte als es schon bisher geschehen ist.

Doch scheint diese Aussicht kein wirklich besorgniserregendes Thema für „embedded“ Journalisten des Westens zu sein, deren Medien ansonsten geradezu nach Blut lechzen. Und wir lesen über Putins Rußland in "DiePresse" „Doch bald, (nach Schnapsbruder Jelzin, Anm.) wurde das innenpolitische Klima rauer“ und das „Mißtrauen wuchs beständig“. Für den Autor schwer zu verstehen. Unbekannt scheint ihm zudem, daß längst westliche Maulwürfe als NGOs getarnt in großer Anzahl in Rußland subversiv präsent waren.

Nicht nur das: Unsummen Dollarbeträge aus dem Westen sollen geflossen sein und die NATO (will heißen: die USA) hat ihr Versprechen, nicht weiter nach Osten vorzurücken, ab 1997 mit Beitrittsverhandlungen und folgenden Abkommen kaltschnäuzig gebrochen. Natürlich kein Thema. Umso mehr beklagt unser Berichterstatter das Ansinnen einer russischen Initiative, die Schülern jeden Morgen zu Schulbeginn das Absingen der Nationalhymne empfiehlt, damit ihnen das Gefühl des Stolzes, Bürger Rußlands zu sein, beigebracht werde. [Erg. Admin H.S.: siehe Madrid Declaration, 1997]

Das ist für einen in nationaler Sache auf komfortablen Entzug befindlichen neudeutschen Journalisten gewiß „beängstigend“. Und schon gar nicht kann so einer die antiwestliche Haltung vieler Russen verstehen, wo doch dieser Westen es so gut mit ihnen meint. Oder ihren Ressourcen. Ob des Autors aus antinationalen Reflexen oder woraus immer gespeiste Beängstigung einer mangelnden geistigen Fitness zu schulden ist? Was natürlich bedauerlich wäre.

Nein, so wird es aber nicht sein, der Mann wird genau wissen, was er schreibt. Und warum etwas so und nicht anders sein darf. So diagnostiziert er, Rußland befände sich in einem Informationskrieg. Ja klar, aber dann sollten auch sämtliche Ursachen die dazu führten, offen gelegt werden. Er aber schreibt munter so uneinsichtig wie möglich weiter: In Rußland sei „jede Grundlage für ein Gespräch vernichtet“, und: „Im Fernsehen haben sie gestern gesagt…, lautet die Argumentation oft. Jede Seite hat ihre Informationen, angebliche Fakten und gefällte Urteile, die mit denen der andere Seite überhaupt nicht abgleichbar sind.“ Aha, kommt irgendwie bekannt vor.

Was fiele schließlich einem hellhörigen Mitteleuropäer dazu ein? Ginge es nämlich nicht um Rußland, hätte zumindest ich vermutet, Voswinkel meinte damit sein engere Heimat. Sollte denn der Herr Kollege übersehen haben, daß seit 1945 im Westen gleichgeschaltete Medien installiert sind, die zu bestimmten Themen ein und dieselbe Meinung zum Tag verkünden und nach Belieben zensieren? Seien wir uns dessen gewiß, es handelt sich im Falle dieses Presse-Beitrages auch nicht um einen Dummejungenstreich. So dumm kann doch einer, der schon für die US-hörige „Zeit“ und den obskuren „Stern“ geschrieben hat, ja nicht sein, daß er die jeweilige Journalisten-Losung für den Tag nicht kennen sollte..

Doch wie bei vielen seiner Kollegen dürfte auch sein Wahlname daher wohl "Hase" lauten. Und selbst die einst honorige, jetzt einer Seite noch mehr liebdienerische Wiener Presse sollte inzwischen schon wissen, daß das von ihr auf der Titelseite derselben Ausgabe erwähnte „Reich der Desinformation“, gemeint ist Rußland, nirgendwo perfekter organisiert ist als im auch von ihr hoch besungenen Westen. Wo man – in Nachfolge der verblichenen Sowjetunion – in diesem Desinformations-Metier durchaus auf der Höhe der Zeit ist.

Etwa wenn kolportiert wird, Putin wolle das untergegangene Sowjetreich wieder errichten. Dabei stützt man sich wahrscheinlich auf eine bestimmte Aussage desselben. Nur hat Putin nichts dergleichen gesagt, er sprach lediglich davon, daß jeder, der den Untergang der Sowjetunion nicht bedauere, kein Herz habe, daß aber einer, der diese wiedererrichten wolle, keinen Verstand haben könne. Aber man will, wie anderswo auch, die ganze Wahrheit den Medienkonsumenten natürlich nicht zumuten. Wo käme man da bloß hin?
 

So gilt daher auch hier:  Es kann nicht sein, was nicht sein darf.  Putin, über den man durchaus geteilter Meinung sein kann, muß diskreditiert und weiter als Schurke vorgeführt werden. Erst wenn dieser weg ist, wie es sich auch der im Westen gemütlich eingerichtete und von diesem hofierte Schachprofi und Putin-Feind Garri Kasparow erträumt, „kann Rußland ein freies, starkes und unabhängiges Land sein“.

Wie die von US-Truppen besetzte nicht souveräne Kunterbuntrepublik namens Deutschland?

Weiterführende Beiträge zum Thema Rußland und Ukraine finden sich bei:   

  • http://www.Kritisches-Netzwerk.de            

Helmut Müller, Wien


Erstveröffentlicht auf  "Helmut Muellers Klartext" -Blog > Artikel

Bild- und Grafikquellen:

1. Daniel Lubkiwskij, bis Dezember 2014 stellvertretender ukrainischen Außenminister und seit Januar 2015 Berater von Premierminister Arsenij Jazenjuk. Foto/Quelle: UKRAINE CRISIS media center > http://uacrisis.org/de/ (deutschsprachiger Bereich) > zu Lubkiwskij-Statements

2. Propaganda-Poster "YOU WRITE WHAT YOU`RE TOLD! Thanks, corporate news! We couldn’t control the people without you” Zu Beginn des Vietnamkrieges berichteten damals US-amerikanische Mainstream-Medien in Wort und Bild offen und detailliert über das blutige Gemetzel ihrer Kameraden, bis die Stimmung im Lande und weltweit in Empörung und Ablehnung kippte. Heldentum und Patriotismus waren angekratzt. Die US-Regierung reagierte und beschloss, fortan den Informationsfluss hinsichtlich dessen, was veröffentlicht werden sollte, zu kontrollieren. Man produzierte verharmlosende Propaganda-Informationen und schränkte u.a. auch die Zugangsberechtigung einiger ausgewählter Medienvertreter ein. Irgendwann kreierte jemand dieses Poster als "DANK" für die Manipulation und Einschränkung der Pressefreiheit. Es ist natürlich im sarkastischen Ton gehalten um sich über die Regierung mit diesem Versuch einer Gegen-Propaganda lustig zu machen, sie öffentlich zu blamieren und um beim Betrachter negative Gefühle auszulösen.   

Seit dem "hässlichen" Vietnamkrieg verloren noch mehr US-Amerikaner ihr Vertrauen, sowohl in ihre Regierung als auch in die Massenmedien. Viele Verlage wurden geschlossen oder "übernommen" und embedded. Es ist mehr als auffällig, daß sie während und nach einem weiteren Krieg oder militärischer Intervention - so grausam, opferbringend und teuer es auch sein mag - am Ende immer positiver an der Seite der Präsidenten stehen, als noch zuvor. Nach 9/11 ist es besonders schlimm. Bush und Obama dürfen sich fast alle Schweinereien nahezu kritiklos erlauben, weil sie - wie auch die Medien - zu Marionetten verkommen sind. Das oben dargestellte Plakat war überall in den USA öffentlich zu sehen und dürfte sein Ziel, die Öffentlichkeit weiter zu sensibilisieren, nicht verfehlt haben.

3. Volker Pispers: "[. . ]"Unsere Nachrichtensendungen sind eine komplette Volksverblödung- und Verarschungsmaschinerie. Und die läuft hier im Dauerbetrieb. Im permanenten Dauerbetrieb. Und es wiederholt sich alles endlos.[. . ]" Originalfoto: Niko Bellgardt, Düren via Wikimedia Commons. Bildidee: Helmut Schnug, Technische Umsetzung: Wilfried Kahrs (WiKa).