Das neue Jahr ist das alte: TiSA macht Wahlen endgültig überflüssig

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Das neue Jahr ist das alte: TiSA macht Wahlen endgültig überflüssig
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Das neue Jahr ist das alte


TiSA macht Wahlen endgültig überflüssig


Irgendwo sitzen sie, die bleichen Büro-Fratzen und die dunklen Profit-Erfüllungsgehilfen. Ihre lächelnden TV-Masken haben sie in den schwarzen Aktenkoffern verstaut. Ihr blechernes Demokratie- und Freiheitsgeschwätz ist für den abendlichen Fernseh-Betrieb reserviert. Namenlos, bar jeder Verantwortung und Kontrolle basteln sie seit langem an TiSA (Trade in Services Agreement) [hier], einem Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Wie schon beim TTIP [hier und hier], dem Abkommen über die Auslieferung europäischer Rechte an die Konzerne der USA, sind es erneut feige Funktionäre, die mit TiSA Reste der EU-Demokratie wohlfeil verscherbeln: Für einen Posten hier, für ein amerikanisches Wohlwollen da. Und sie haben gute Gründe ihre Namen nicht preiszugeben: Man könnte sie zur Verantwortung ziehen, für das Schreddern ihrer Amtseide, für ihr Rumtrampeln auf Verfassungen.
 

 

Rund 50 Länder, unter Ihnen wie immer die USA und die EU, lassen hinter fest verschlossenen Türen zum Beispiel über den Bestand kommunalen Eigentums verhandeln: Es soll faktisch abgeschafft werden. Ob Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe oder Wasserwerke, alles soll nach TiSA radikal dem Markt unterworfen sein. Und wenn städtische Betriebe einmal privatisiert worden sind, will das TiSA-Monster eine Rekommunalisierung gesetzlich verbieten. Wo immer in den Geheimpapieren von elektronisch erfassten Daten die Rede ist, taucht das giftige Wort "Liberalisierung" auf. Es gibt, im Vergleich mit den USA, in der EU immer noch ein paar staatliche Regeln zum Datentransfer: Weg damit. Die Konzerne brauchen den freien Zugriff auf alles, was ihnen Verkauf und Marketing erleichtert. Dass die kommunalen Banken und Sparkassen, letzte Bastionen städtischer Einflussnahme auf den Finanzsektor, abgeschafft werden sollen, versteht sich. Und auch die gesetzlichen Regelungen für Berufe wie Anwälte, Architekten oder Ingenieure stören die Markfetischisten sehr: Letzte Spuren von Staatlichkeit sind Hindernisse für den Profit.

Video 1: Was ist TiSA? Rayk Anders erklärt Euch TiSA kurz und prägnant in knapp 6 Minuten: 



Video 2: TTIP - Freihandelsabkommen - Gefährliche Geheimnisse von 3sat / Dokuhelden DH, Dauer 1:30 (toll gemacht)



In der Neujahrsrede der Kanzlerin aller Kanzlerinnen tauchte das Wort TiSA natürlich nicht auf. Nur unter den "Herausforderungen", die es laut Merkel zu "meistern" gilt, gibt es einen kleinen Hinweis: "Der Welthandel, bei dem es darum geht, große Wettbewerbschancen zu nutzen" zählt zu den Drohungen, die von ihrer Kleinmädchen-Stimme verharmlost werden. Und so hat sie denn mal wieder den Ton angegeben, den Schweige-Ton, die Grabes-Stille, die Sprach-Losigkeit deutscher Medien. Zuletzt meldete die TAGESSCHAU im Juni, dass sich die anonyme TiSA-Runde seit dem Jahr 2013 regelmäßig in der australischen UN-Botschaft in Genf träfe. Im Oktober des vergangenen Jahre ließ die ZEIT den slowenischen Philosophen Slavoj Žižek mal kurz zu Wort kommen. Zu TiSA wusste er zu sagen: "Unablässig mit aufgezwungenen "freien Wahlen" bombardiert und zu Entscheidungen gezwungen, für die es uns an der rechten Qualifikation und Information fehlt, erleben wir unsere Freiheit zunehmend als das, was sie in Wirklichkeit ist: als eine Last, die uns die Entscheidung für politischen Wandel unmöglich macht." [Quelle: ⇒ Artikel "TiSA: Die Freiheit des Geldes"]

Ausgehebelt sind die Parlamente, in denen vorgeblich die Freiheit verwaltet wird. Eine lächerliche Fassaden-Demokratie macht sich in Talk-Shows breit. Die Bundestags-Inszenierungen bieten zunehmend schlechteres Theater. Denn erst wenn der Vorhang gefallen ist, tagen in den Hinterzimmern der Macht die eigentlichen Entscheidungsrunden. Und die angeblich freie Presse kennt keine Namen, nennt keine Namen. Wer genau ist das, der die Interessen der Menschen in der australischen Botschaft verkauft? Was zahlt man ihm dafür? Wo wohnt er? Wann können wir ihn besuchen? Das wissen wir nicht, sagt uns die Chefredaktion. Wir sind gerade mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt. Wir müssen uns um den Nord-Irak kümmern. Wir feiern zur Zeit das Ende der Afghanistan-Mission. Zwar haben wir die Afghanen nicht erfolgreich missioniert, und so richtig ist kein Ende abzusehen, aber wir feiern schon mal.

Am Rand des deutschen Sprachgebietes, stimmte der Bezirkstag Oberbayern jüngst gegen das Freihandelsabkommen TiSA. Noch weiter südlich, im österreichischen Leondingen, stellte der Gemeinderat fest: "Mit den Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA werden Städte und Gemeinden eingeschränkt, Dienstleistungen, die im allgemeinen Interesse liegen und zu denen alle Bürgerinnen und Bürger möglichst freien Zugang haben sollten, selbst zu erbringen oder in Eigenregie zu vergeben." Wächst die Einsicht vom Rand zur Mitte?

Das neue Jahr ist das alte: Das Kapital-Gefängnis bekommt nicht einmal einen neuen Anstrich, geschweige, dass die Türen geöffnet werden würden. Freiheit? Dieses Wort gilt nur für den Profit.

Ulrich Gellermann, Berlin
 

siehe PdF-Anhänge weiter unten!



► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel



Bild- und Grafikquellen:


1. "DIE ABKOMMEN TTIP UND TiSA - wie die EU Lohndumping vorantreiben, die Umsetzung von Sozialstandards untergraben und geltendes Recht umgehen will."  Foto: Artsenal Wordpress. Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e. V. > Homepage > Foto aus einem Eventflyer
 

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung gehört zu den großen Trägern politischer Bildungsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland. Sie versteht sich als ein Teil der geistigen Grundströmung des demokratischen Sozialismus. Hervorgegangen aus dem 1990 in Berlin gegründeten Verein »Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e. V.«, entwickelte sich die Stiftung zu einer bundesweit agierenden Institution politischer Bildung, zu einem Diskussionsforum für kritisches Denken und politische Alternativen sowie zu einer Forschungsstätte für eine progressive Gesellschaftsentwicklung. An der Arbeit der Stiftung beteiligen sich viele ehrenamtliche Akteure.

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2. TiSA - TTIP - STOP. Demo "March against Monsanto", Düsseldorf 2014.  Foto: Arbeiterfotografie > Arbeiterfotografie.com > Bildergalerie