DAX-Rekord, EZB-Geldschwemme: Noch ein Hurra für die Vermögenden

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DAX-Rekord, EZB-Geldschwemme: Noch ein Hurra für die Vermögenden
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DAX-Rekord, EZB-Geldschwemme


Noch ein Hurra für die Vermögenden – der nächste Knall rückt näher


Conrad Schuhler / Vorsitzender des isw (Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.)  


Der Deutsche Aktienindex in Frankfurt (DAX) schoss diese Woche mehrfach durch die 12000-er Decke. Der große Bruder In New York, der Dow Jones, hat den Rekord von 18.000 Punkten erklommen. Deutsche Aktienberater malen ein DAX-Ziel von 15.000 bis Mitte des Jahres an die Wand. Nach dem Sprung in der ersten beiden Monaten um fast 20% noch mal ein Satz von 25 %. Damit hätten die Besitzer von DAX-Aktien ihr Vermögen schon im ersten Halbjahr 2015 um fast die Hälfte erhöht.

Woran liegt das? Haben sich die volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten verändert? Das Wachstum bleibt niedrig. Zwar fällt der Eurokurs, womit die Exportpreise billiger werden, doch wachsen auch die Export- märkte nicht im alten Tempo. Das einzige, das sich wirklich fundamental verändert hat, ist die von der Europäischen Zentralbank (EZB) gesteuerte Geldmenge. Die EZB ist dabei, einen gewaltigen Ankauf von Vermögenswerten umzusetzen. Bis Ende September 2016 will die EZB monatlich 60 Milliarden Euro für „Vermögenswerte“, genauer gesagt für Staatsanleihen ausgeben.
 

 

Das sind über 1 Billion Euro zusätzliches Geld gegenüber einem Gesamtwirtschaftsprodukt der Euro-Länder von rund 9,5 Billionen. Die Geldmenge steigt um rund 12% des Werts des Gesamtproduktes, das selbst kaum verändert wird. Die logische Folge nach alter Lehrbuch-Weisheit wäre eine galoppierende Inflation. Eine solche Inflation wird in der Tat mit Sicherheit eintreten. Wenn auch zunächst nicht auf dem allgemeinen Warenmarkt, sondern auf einem speziellen: dem der Vermögenspreise. Denn das Geld kommt weder beim Otto Normalverbraucher an, der in der Regel kein größeres Aktiendepot aufzuweisen hat, noch beim Otto Normalunternehmer, denn dem fehlt es ja nicht an billigem Geld, sondern an der Nachfrage nach seinen Produkten. Das zusätzliche Geld fließt in den Finanzraum der Vermögens- werte. Es wird deren Preise weiter nach oben treiben, die Blasenbildung bei Wertpapieren und Grundstücken weiter anfeuern.

Ein besonders schwaches Gegenargument hat die EZB in die Auseinandersetzung um den Preisanstieg eingebracht. Die EZB erwerbe die Staatsanleihen erst dann, wenn sich bereits ein Marktpreis gebildet habe (keine Ankäufe am Primärmarkt). Dadurch sei sichergestellt, dass die EZB die Risikobewertung am Markt nicht verzerre.

Das ist absurd, weil die Primärkäufer ihre Ankäufe nur tätigen, weil sie wissen, dass die EZB sie ihnen abkauft. Es dreht sich nicht einfach um eine Verlagerung der Vermögenswerte. Der entscheidende Punkt ist die Vergrößerung der Geldmenge für die Vermögensbestände durch die Zentralbank, die damit für das Aufblasen der Vermögenswerte sorgt.


Was ist schlecht an der Erhöhung der Vermögenspreise?

Zunächst wird auch das allgemeine Preisniveau davon inflationär beeinflusst, weil die Vermögenden ihren Reichtumszuwachs mit mehr Nachfrage nach Luxusgütern zur Geltung bringen. Die Luxusnachfrage zieht die Preise auf den meisten Sektoren mit nach oben, vom Tourismus über Fahrzeuge bis zur medizinischen Versorgung. In einem Bereich wird der Preisauftrieb auch für die Massennachfrage relevant: bei den Mieten. Denn der Vermögenswert Häuser/Grundstücke wird hochgetrieben und über die Mieten höher verzinst.

Sodann wird das zentrale Problem des neoliberalen Kapitalismus zugespitzt, nämlich das der wachsenden Ungleichheit der Vermögen und Einkommen. In Deutschland hat der Gesamtwert der Privatvermögen (schuldenfreie Immobilien-, Geld- und gewerbliche Vermögen) 2010 das Vierfache des Bruttoinlands- produkts ausgemacht. Bei einer mageren Kapitalrendite von 10% müssten schon 40 % des jährlichen Volkseinkommens an die Vermögenden abge- führt werden, bevor der erste Cent für den Rest der Bevölkerung und für staatliche Aufgaben ausgegeben werden könnte. Schon heute fließen in den reichen Ländern 25 – 31 % des Volkseinkommens an die Kapital- einkommensbezieher. Dieser Anteil würde sich nach den Berechnungen von Thomas Piketty bis 2030 etwa verdoppeln.

Die galoppierende Ungleichheit ist das Haupthindernis jeder sozialen, fortschrittlichen Politik. Sie wird nicht zu ändern sein durch Appelle an die, die von der Ungleichheit profitieren. Nur durch die Aktion derer, die darunter leiden.

Conrad Schuhler
 



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Bild- u. Grafikquellen:

 

1. Bulle und Bär vor der Frankfurter Wertpapierbörse. Fotograf: Jochen Zick, action press. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0)

2. Buchcover: "Das Kapital im 21. Jahrhundert" von Thomas Piketty, Verlag C.H. Beck, 6. Auflage 2015. 816 S.: mit 97 Grafiken und 18 Tabellen. Gebunden, ISBN 978-3-406-67131-9, auch als E-Book lieferbar.

Wie funktioniert die Akkumulation und Distribution von Kapital? Welche dynamischen Faktoren sind dafür entscheidend? Jede politische Ökonomie umkreist die Fragen nach der langfristigen Evolution von Ungleichheit, der Konzentration von Wohlstand und den Chancen für ökonomisches Wachstum. Aber befriedigende Antworten gab es bislang kaum, weil geeignete Daten und eine klare Theorie fehlten. In "Das Kapital im 21. Jahrhundert" untersucht Thomas Piketty Daten aus 20 Ländern, mit Rückgriffen bis ins 18. Jahrhundert, um die entscheidenden ökonomischen und sozialen Muster freizulegen. Seine Ergebnisse werden die Debatte verändern und setzen die Agenda für eine neue Diskussion über Wohlstand und Ungleichheit in der nächsten Generation.

Piketty zeigt, dass das moderne ökonomische Wachstum und die Verbreitung des Wissens es uns ermöglicht haben, Ungleichheit in dem apokalyptischen Ausmaß abzuwenden, das Karl Marx prophezeit hatte. Aber wir haben die Strukturen von Kapital und Ungleichheit nicht in dem Umfang verändert, den uns die optimistischen Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg suggeriert haben. Der Haupttreiber der Ungleichheit – dass Gewinne aus Kapital höher sind als die Wachstumsraten – droht heute vielmehr extreme Formen von Ungleichheit hervorzubringen, die den sozialen Frieden gefährden und die Werte der Demokratie unterminieren. Doch ökonomische Trends sind keine Handlungen Gottes. Politisches Handeln hat ökonomische Ungleichheiten in der Vergangenheit korrigiert, sagt Piketty, und kann das auch wieder tun.

"Das Kapital im 21. Jahrhundert" ist ein Werk von außergewöhnlichem Ehrgeiz, von großer Originalität und von beeindruckendem Rigorismus. Es lenkt unser ganzes Verständnis von Ökonomie in neue Bahnen und konfrontiert uns mit ernüchternden Lektionen für unsere Gegenwart. (Quelle: Klappentext des Verlages)

3. Thomas Piketty (* 7. Mai 1971 in Clichy-la-Garenne) breit angelegte Studie über das Kapital im 21. Jahrhundert wird gefeiert wie kein anderes Sachbuch in den vergangenen Jahren. Die Medien reißen sich um den 43-jährigen Wissenschaftler, der an der Paris School of Economics lehrt. Ausgebuchte Vorträge, Talkshows und Livestreams, Rezensionen in allen bedeutenden Zeitungen und Zeitschriften dieser Welt, von Science bis zur New York Times, vom Stern bis zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung - das Interesse der Öffentlichkeit ist enorm. Die Financial Times nannte ihn den "Rockstar" unter den Ökonomen, das Wirtschaftsmagazin Business Week sprach von "Pikettymania“.

Pikettys Thema ist die Ungleichheit, über die er seit zwei Jahrzehnten forscht. Mit 22 Jahren schrieb der 1971 im Pariser Vorort Clichy geborene Piketty seine Doktorarbeit zur Verteilung des Wohlstands in Frankreich, die zur besten des Jahres 1993 in Frankreich gekürt wurde. Zwischen 1993 und 1995 lehrte er in den USA am prestigereichen Massachussetts Institute of Technology (MIT). Seit 2000 unterrichtet Piketty in der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris und gehörte 2006 zu den Gründern der Pariser School of Economics, an der er bis heute lehrt und forscht. Foto / Quelle: Privatfoto von seiner Webseite