Der Offenbarungseid: IWF und ESM geben griechische Schulden verloren

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Ernst Wolff
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Verbunden: 17.02.2015 - 23:40
Der Offenbarungseid: IWF und ESM geben griechische Schulden verloren
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Historische „Neubewertung“ der Wirtschaftslage

IWF und ESM geben griechische Schulden verloren

Seit Wochen wiegen die Mainstream-Medien die Öffentlichkeit in dem Glauben, die Probleme Griechenlands seien unter Kontrolle. In Wirklichkeit aber fürchtet die Politik nach dem historischen Verrat der Syriza-Regierung mehr denn je ein Aufbegehren des Volkes und die Gläubiger des Landes wissen, dass ihre Schulden niemals zurückerstattet werden, sie die Zahlungsfähigkeit des Landes aber trotzdem durch ständig neue Geldspritzen aufrechterhalten müssen.
 

Wie heikel die Lage mittlerweile ist, lässt sich daraus ersehen, dass die Tilgungsfristen für griechische Kredite zum Teil bis 2054 gestreckt wurden und dass bereits jetzt geplant ist, spätestens im November weitere Laufzeitverlängerungen und Zinsstundungen vorzunehmen. Auch die objektiven Zahlen sind verheerend: Lag die Verschuldung Griechenlands zu Beginn der Krise bei ca. 120 % vom Bruttoinlandsprodukt und stieg bis zum Sommer auf 180 %, so wird sie mit Wirksamwerden des neuen „Rettungspakets“ von knapp 90 Mrd. Euro die 200 % übersteigen.


Der IWF verlangte einen Schuldenschnitt

Die Bürokraten der Troika mussten sich in den vergangenen Wochen zudem mit einem weiteren Problem beschäftigen: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte seine Beteiligung am nächsten „Rettungspaket“ von einem Schuldenschnitt abhängig gemacht, der ihn selbst nicht beträfe (da die Schulden des IWF immer vor allen anderen Schulden zu begleichen sind und keinem Schuldenschnitt unterliegen).

Mit dieser Taktik aber kam der IWF bei den anderen beiden Troika-Partnern, der EU-Kommission und der Europäischen Zentrabank (EZB), nicht durch. Deren Bürokraten wissen schließlich, dass ein großer Teil der griechischen Schulden bei den sechs größten amerikanischen Großbanken rückversichert ist. D.h.: Die Wallstreet und auch der IWF können sich einen Zusammenbruch Griechenlands genauso wenig leisten wie die EU und die EZB. Wie aber aus dieser Pattsituation herauskommen?
 

Die „Lösung“ des Problems wurde mittlerweile gefunden und der Welt vergangene Woche - von den Mainstream-Medien weitgehend unterschlagen und daher von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt -  verkündet: Auf Anregung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nimmt der IWF eine „Neubewertung“ der griechischen Schulden vor.


Von der Schuldenquote zum Schuldendienst

Bisher galt für den IWF ein ehernes Gesetz: Die Schuldenquote, also die Obergrenze für die Verschuldung eines Landes im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft, durfte auf keinen Fall mehr als 120 % betragen. Da dieser Wert im Fall Griechenlands nach dem kommenden „Rettungspaket“ aber jenseits der 200 % liegt und in absehbarer Zeit nicht unter-, sondern höchstens weiter überschritten wird, wird diese Schuldenquote in Zukunft nicht mehr als das entscheidende Kriterium zur Beurteilung eines Landes gelten. Von nun an zählt für den IWF nur noch der Schuldendienst, d.h. die Fähigkeit des betroffenen Landes, ausstehende Zinsen zu begleichen.
 

Im Einzelnen sind folgende Regelungen ins Auge gefasst: Die Zinsen für die 130 Mrd. Euro aus dem Euro-Rettungsfonds (= Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, kurz EFSF) werden nun bis 2023 gestundet, die durchschnittliche Laufzeit aller Kredite beträgt 32 Jahre, die ersten Zahlungen werden erst 2040 fällig. Für die in diesem Sommer beschlossenen Kredite des ESM beträgt die durchschnittliche Laufzeit ebenfalls 32 Jahre, die Zinsen sind zwar sofort fällig, betragen aber vorerst nur 1 %.

Einige Kommentatoren werteten die Entscheidung des IWF als ein „Einsehen“ und eine vernünftige Reaktion auf das drohende Ertrinken eines Schuldners. Es ist nichts davon. Der IWF verzichtet ja nicht auf eine Rückzahlung der Schulden, sondern schiebt sie (und damit den endgültigen Zusammenbruch Griechenlands) ja nur in die Zukunft hinaus.




Griechen werden bis zum letzten Blutstropfen zur Ader gelassen.

Das Manöver von ESM und IWF lässt sich mit dem Umgang einer Bank mit dem Bauherrn eines Eigenheims vergleichen, der über keinerlei Eigenkapital verfügt. Die Bank erlaubt ihm, ein respektables Haus hinzustellen, verlangt zunächst keinerlei Tilgung und nur überaus geringe Zinsen, die der Bauherr aus seinem geringen Einkommen gerade eben bestreiten kann. Die Bank setzt aber einen in der Zukunft liegenden Termin fest, zu dem der Zinssatz explodiert und die Tilgung mit hohen Summen einsetzt. Jeder der Beteiligten weiß, dass der Bauherr an diesem Tag den Offenbarungseid wird leisten müssen.

 

Die Zahlenmanipulation des IWF und des ESM zeigt nicht nur, dass der IWF klar anerkennt, wie aussichts- und hoffnungslos die Verschuldungssituation Griechenlands ist. Sie zeigt auch, dass IWF und ESM fest entschlossen sind, auch noch den letzten Blutstropfen aus dem völlig bankrotten Griechenland und seiner Bevölkerung herauszupressen und dass beide Organisationen die Schuldenlawine, die nicht nur Europa, sondern die gesamte Welt existenziell bedroht, von nun an konsequent ignorieren und weiterhin ohne Rücksicht auf Verluste an der Aufrechterhaltung eines dem Untergang geweihten Systems festhalten werden.


Persönliche Vorteile auf Kosten der Zukunft der Menschheit

Sie unterstreicht damit auch Gewissenlosigkeit ihres Führungspersonals. Wenn Klaus Regling (* 3. Oktober 1950 in Lübeck), seit September 2010 geschäftsführende Direktor des EFSF (Euro-Rettungsschirm) sowie seit September 2012 der geschäftsführende Direktor des ESM (permanenter Euro-Rettungsschirm), auf einer Pressekonferenz sagt, er habe Christine Lagarde (die geschäftsführende Direktorin des IWF) davon "überzeugt, dass der Schuldenstand ein falsches Kriterium ist bei den Kreditkonditionen, welche die Euro-Rettungsschirme bieten“, dann sollte er hinzufügen, dass er sich damit für die nahe Zukunft seinen hochdotierten Posten sichert, der mit einem in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Nebeneffekt verbunden ist: Herr Regling genießt Immunität und kann für seine sozial wie ökonomisch verantwortungslosen Handlungen nicht belangt werden.
 

Dass Christine Lagarde, gegen die in ihrer Heimat wegen Begünstigung ermittelt wird, Reglings Vorschlag begierig aufgenommen hat, verwundert auch nicht: Sie muss derzeit den Eindruck vermitteln, ihre Organisation und deren Probleme mit der Troika fest im Griff zu haben, da in absehbarer Zeit Neuwahlen im IWF anstehen, bei denen es für sie ebenfalls um einen überaus lukrativen Posten geht.  

Regling und Lagarde sind nur zwei Beispiele für die moralische und intellektuelle Verkommenheit des derzeitigen Führungspersonals in Politik und Wirtschaft. Um ihres persönlichen Vorteils willen hinterlassen sie denen, die nach ihnen kommen, kalt lächelnd eine Welt, deren Weg direkt in eine soziale, wirtschaftliche und politische Katastrophe führt.

Ernst Wolff
 


 

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Weitere Lesetipps:  Bitte um Beachtung der 14 angehängten -Text-Dokumente weiter unten!!

Bild- und Grafikquellen:

1. PROFIT TÖTET! Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.de.

2. From left to right: Ms. Christine LAGARDE, Managing Director of the IMF; Mr Jeroen DIJSSELBLOEM, President of the Eurogroup; Mr Pierre MOSCOVICI, Member of the European Commission; Mr Klaus REGLING, European Stability Mechanism Managing Director.

Foto: EU Council Eurozone. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

3. CUT THE DEPT - IMF GO HOME!, Athens 2015. Foto: Denis Bocquet. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

4. IMF UCKED International Monetary Fund - IMF FUCKED. Foto/Grafik: Teacher Dude. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

5. "AUSTERITY KILLS". Foto/Grafik: Teacher Dude. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

6. Klaus Regling, auch Klaus P. Regling, (* 3. Oktober 1950 in Lübeck) ist seit September 2010 der geschäftsführende Direktor des EFSF (Euro-Rettungsschirm) sowie seit September 2012 der geschäftsführende Direktor des ESM (permanenter Euro-Rettungsschirm).

Foto: EU Council Eurozone. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

7. Christine Lagarde ist seit Juli 2011 geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) / Managing Director of the International Monetary Fund (IMF). Lt. Reuters bekommt Lagarde als Chefin des IWF ein Jahresgehalt von 467.940 Dollar im Jahr plus eine pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 83.760 Dollar. Ihre Einkünfte muss sie nicht versteuern.

International Monetary Fund Managing Director Christine Lagarde holds a press conference April 16, 2015 at the IMF Headquarters in Washington, DC.

Foto:  IMF Staff Photo / Stephen Jaffe. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).  

8.
Cover: "WELTMACHT IWF - Chronik eines Raubzugs" von Ernst Wolff. Wolff im Interview mit KenFM - weiter und zur Buchvorstellung.

9. Buchcover: "Griechenland - eine €UROpäische Tragödie. Die wahren Gründe für die Griechenland- und Euro-Krise." von Wassilis Aswestopoulos. Zweite, aktualisierte und ergänzte Auflage Mai 2014, 240 Seiten, gebunden mit Prägung oder als eBook.

AnhangGröße
PDF Icon Global Wealth Report 2015 - Winning the Growth Game - Bericht der Boston Consulting Group BCG - 38 Seiten.pdf739.71 KB
PDF Icon Vermögensungleichheit - Anhaltend hohe Vermögensungleichheit - Bericht 2014 - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.pdf615.87 KB
PDF Icon Ernst Wolff - Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs - Tectum Wissenschaftsverlag - Inhaltsverzeichnis, Vorwort und Leseprobe.pdf790.78 KB
PDF Icon Ernst Wolff - Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs - Interview durch Ken Jebsen_KenFM als Textversion.pdf1.09 MB
PDF Icon IMF April 2015 - Global Financial Stability Report (GFSR) - Navigating Monetary Policy Challenges and Managing Risks - 162 pages.pdf4.35 MB
PDF Icon IMF April 2015 - World Economic Outlook (WEO) - Uneven Growth - Short- and Long-Term Factors - 230 pages.pdf11.06 MB
PDF Icon IMF October 2014 - Global Financial Stability Report (GFSR) - Risk Taking, Liquidity, and Shadow Banking - Curbing Excess while Promoting Growth - 191 pages.pdf4.7 MB
PDF Icon Thomas Piketty - Das Kapital im 21. Jahrhundert - Vollständige Einleitung als Leseprobe - 46 Seiten - Beck, München 2014.pdf1.23 MB
PDF Icon Thomas Piketty und die Verteilungsfrage - Analysen, Bewertungen und wirtschaftspolitische Implikationen für Deutschland - SE Publishing März 2015 - Verteilungsfrage_org.pdf2.86 MB
PDF Icon John Perkins - Bekenntnisse eines Economic Hit Man - Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia - ISBN 978-3-442-15424-1 - Leseprobe.pdf438.9 KB
PDF Icon Oekosozialismus oder Barbarei - Eine zeitgemäße Kapitalismuskritik - 40seitige Broschüre von Saral Sarkar und Bruno Kern.pdf209.22 KB
PDF Icon Tobias Plettenbacher - Neues Geld - Neue Welt - Die drohende Wirtschaftskrise - Ursachen und Auswege _ Exponentielles Wachstum - Zinseszins-Effekt - Geldsystem - Kollaps.pdf3.99 MB
PDF Icon Jochen Weiss - Mammon - Eine Motivgeschichte zur Religiosität des Geldes - Dissertation Feb 2004, Universität Mannheim.pdf3.17 MB
PDF Icon Silvio Gesell - Die Natürliche Wirtschaftsordnung (1916).pdf1.23 MB