Die Kunst des Liebens (ERICH FROMM)

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Die Kunst des Liebens (ERICH FROMM)
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Die Kunst des Liebens



Autor: Erich Fromm

Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag dtv (12. Auflage, Dezember 2011)

ISBN-13: 978-3-423-36102-6

Taschenbuch,  224 Seiten, Preis 7,90 €


Die Kunst des Liebens ist ein populäres gesellschaftskritisches Werk des Sozialpsychologen Erich Fromm, erstmals erschienen 1956 unter dem Originaltitel: The Art of Loving.  

"Ein Buch, so wichtig wie die Liebe selbst", so hoch bewertete einmal die New York Times den Stellenwert und die Bedeutung dieses Werkes. Es wurde - und wird bis heute - weltweit millionenfach gelesen und ist in 34 Sprachen übersetzt. Für Fromm ist die Liebe – neben der Vernunft – die wichtigste seelische Triebfeder des Menschen. Sie wächst und entwickelt eine verändernde Kraft nur in dem Maße, als sie praktiziert wird.



Fromms Vorwort beschreibt das Buch wie folgt:

Man darf von diesem Buch keine simple Anleitung zur Kunst des Liebens erwarten; tut man es doch, wird man enttäuscht sein. Das Buch möchte ganz im Gegenteil zeigen, dass die Liebe kein Gefühl ist, dem sich jeder ohne Rücksicht auf den Grad der eigenen Reife nur einfach hinzugeben braucht. Ich möchte den Leser davon überzeugen, dass alle seine Versuche zu lieben fehlschlagen müssen, sofern er nicht aktiv versucht, seine ganze Persönlichkeit zu entwickeln, und es ihm so gelingt, produktiv zu werden; ich möchte zeigen, dass es in der Liebe zu einem anderen Menschen überhaupt keine Erfüllung ohne die Liebe zum Nächsten, ohne wahre Demut, ohne Mut, Glaube und Disziplin geben kann. In einer Kultur, in der diese Eigenschaften rar geworden sind, wird die Fähigkeit zu lieben nur selten voll entwickelt. Jeder mag sich selbst die Frage stellen, wie viele wahrhaft liebende Menschen er kennt.

Dass die Aufgabe schwer ist, sollte uns jedoch nicht davon abhalten zu versuchen, uns die Schwierigkeiten klarzumachen und die Voraussetzungen, die man braucht, um diese Schwierigkeiten zu überwinden. Um die Sache nicht zu komplizieren, habe ich mich bemüht, in einer einfachen, klaren Sprache zu schreiben. Aus eben diesem Grunde habe ich auch möglichst wenig auf Fachliteratur verwiesen.

Für ein weiteres Problem habe ich allerdings keine voll befriedigende Lösung gefunden. Ich konnte es nicht immer vermeiden, Gedanken aus meinen früheren Veröffentlichungen zu wiederholen. Leser, die mit meinen Büchern, insbesondere mit ›Die Furcht vor der Freiheit‹ (1941a), ›Psychoanalyse und Ethik‹ (1947a) und ›Wege aus einer kranken Gesellschaft‹ (1955a) vertraut sind, werden hier viele Gedanken wieder finden. Trotzdem ist das vorliegende Buch keine Wiederholung. Es enthält viele neue Gedanken, und natürlich gewinnen Überlegungen, auch wenn sie bereits in anderen Zusammenhängen angestellt wurden, dadurch, dass sie sich alle auf ein einziges Thema – die Kunst des Liebens – konzentrieren, neue Perspektiven. (Text: Erich Fromm)



Inhalt: (die nachf. Seitenzahlen entsprechen der hier vorgestellten dtv-Version und kann natürlich bei anderen Veröffentlichungen abweichen)  
 

Vorwort ……………9

I Ist Lieben eine Kunst? ……………11

II Die Theorie der Liebe ……………19

a) Liebe als Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz ……………19

b) Liebe zwischen Eltern und Kind ……………66

c) Objekte der Liebe ……………78

1. Nächstenliebe ……………79

2. Mütterliche Liebe ……………82

3. Erotische Liebe ……………88

4. Selbstliebe ……………95

5. Liebe zu Gott ……………104


III Die Liebe und ihr Verfall in der heutigen westlichen Gesellschaft ……………132

IV Die Praxis der Liebe ……………167

Literaturverzeichnis ……………209

Register ……………212



Leseprobe aus dem 1. Kapitel: Ist Lieben eine Kunst?

Ist Lieben eine Kunst? Wenn es das ist, dann wird von dem, der diese Kunst beherrschen will, verlangt, dass er etwas weiss und dass er keine Mühe scheut. Oder ist die Liebe nur eine angenehme Empfindung, die man rein zufällig erfährt, etwas, was einem sozusagen „in den Schoss fällt“, wenn man Glück hat? Dieses kleine Buch geht davon aus, dass Lieben eine Kunst ist, obwohl die meisten Menschen heute zweifellos das Letztere annehmen.

Nicht als ob man meinte, die Liebe sei nicht wichtig. Die Menschen hungern geradezu danach; sie sehen sich unzählige Filme an, die von glücklichen oder unglücklichen Liebesgeschichten handeln, sie hören sich Hunderte von kitschigen Liebeslidern an – aber kaum einer nimmt an, dass man etwas tun muss, wenn man es lernen will zu lieben.

Diese merkwürdige Einstellung beruht auf verschiedenen Voraussetzungen, die einzeln oder auch gemeinsam dazu beitragen, dass sie sich am Leben halten kann. Die meisten Menschen sehen das Problem der Liebe in erster Linie als das Problem, selbst geliebt zu werden, statt zu lieben und lieben zu können. Daher geht es für sie nur darum, wie man es erreicht, geliebt zu werden, wie man liebenswert wird. Um zu diesem Ziel zu gelangen, schlagen sie verschiedene Wege ein. Der eine, besonders von Männern verfolgte Weg ist der, so erfolgreich, so mächtig und reich zu sein, wie es die eigene gesellschaftliche Stellung möglich macht. Ein anderer, besonders von Frauen bevorzugter Weg ist der, durch Kosmetik, schöne Kleider und dergleichen möglichst attraktiv zu sein. Andere Mittel, die sowohl von Männern als auch von Frauen angewandt werden, sind angenehme Manieren, interessante Unterhaltung, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit und Gutmütigkeit. Viele dieser Mittel, sich liebenswert zu machen, sind die gleichen wie die, deren man sich bedient, um Erfolg zu haben, um „Freunde zu gewinnen“. Tatsächlich verstehen ja die meisten Menschen unseres Kulturkreises unter Liebenswürdigkeit eine Mischung aus Beliebtheit und Sex-Appeal. [.....] (Text:Erich Fromm)


Leseprobe aus dem Kapitel: Nächstenliebe

Die fundamentalste Art von Liebe, die allen anderen Formenzugrunde liegt, ist die  Nächstenliebe. Damit meine ich ein Gespür für Verantwortlichkeit, Fürsorge, Achtung und »Erkenntnis«, das jedem anderen Wesen gilt, sowie den Wunsch, dessen Leben zu fördern. Es ist jene Art der Liebe, von der die Bibel spricht, wenn sie sagt: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« (Lev 19,18). Nächstenliebe ist Liebe zu allen menschlichen Wesen. Es ist geradezu kennzeichnend für sie,d aß sie niemals exklusiv ist. Wenn sich in mir die Fähigkeit zu lieben entwickelt hat, kann ich gar nicht umhin, meinen Nächsten zu lieben. Die Nächstenliebe enthält die Erfahrung der Einheit mit allen Menschen, der menschlichen Solidarität, des menschlichen Einswerdens. Die Nächstenliebe gründet sich auf die Erfahrung, daß wir alle eins sind. Die Unterschiede von Begabung, Intelligenz und Wissen sind nebensächlich im Vergleich zur Identität des menschlichen Kerns, der uns allengemeinsam ist. Um diese Identität zu erleben, muß man von der Oberfläche zum Kern vordringen. Wenn ich bei einem anderen Menschen hauptsächlich das Äußere sehe, dann nehme ich nur die Unterschiede wahr, das, was uns trennt; dringe ich aber bis zum Kern vor, so nehme ich unsere Identität wahr, ich merke dann, daß wir Brüder sind. Diese Bezogenheit von einem Kern zum anderen, anstatt von Oberfläche zu Oberfläche, ist eine Bezogenheit aus der Mitte (central relatedness).[…..]



Leseprobe aus dem Kapitel: Die Liebe und ihr Verfall in der heutigen westlichen Gesellschaft

Wenn Liebe eine Fähigkeit des reifen, produktiven Charakters ist, so folgt daraus, daß die Liebesfähigkeit eines in einer bestimmten Kultur lebenden Menschen von dem Einfluß abhängt, den diese Kultur auf den Charakter des Durchschnittsbürgers ausübt. Wenn wir jetzt von der Liebe in der westlichen Kultur sprechen, wollen wir uns daher zunächst fragen, ob die Gesellschaftsstruktur der westlichen Zivilisation und der aus ihr resultierende Geist der Entwicklung von Liebe förderlich ist. Wir müssen diese Frage verneinen. Kein objektiver Beobachter unseres westlichen Lebens kann bezweifeln, daß die Liebe – die Nächstenliebe, die Mutterliebe und die erotische Liebe - bei uns eine relativ seltene Erscheinung ist und daß einige Formen der Pseudoliebe an ihre Stelle getreten sind, bei denen es sich in Wirklichkeit um ebenso viele Formen des Verfalls der Liebe handelt.

Die kapitalistische Gesellschaft gründet sich einerseits auf das Prinzip der politischen Freiheit und andererseits auf den Marktals den Regulator aller wirtschaftlichen und damit auch gesellschaftlichen Beziehungen. Der Markt der Gebrauchsgüter bestimmt die Bedingungen, unter denen diese Gebrauchsgüter ausgetauscht werden, der Arbeitsmarkt reguliert den An- und Verkauf von Arbeitskraft. Nutzbringende Dinge wie auch nutzbringende menschliche Energie werden in Gebrauchsgüter verwandelt, die man ohne Anwendung von Gewalt und ohne Betrug entsprechend den Marktbedingungen austauscht. Schuhe zum Beispiel, so nützlich und notwendig sie sein mögen, haben keinen wirtschaftlichen Wert (Tauschwert), wenn auf dem Markt keine Nachfrage danach herrscht. Die menschliche Energie und Geschicklichkeit hat keinen Tauschwert, wenn sie unter den derzeitigen Marktbedingungen nicht gefragt ist. Wer über Kapital verfügt, kann Arbeitskraft kaufen und so einsetzen, daß er sein Kapitalgewinn bringend anlegt. Wer nur über Arbeitskraft verfügt, muß sie zu den jeweiligen Marktbedingungen an die Kapitalisten verkaufen, wenn er nicht verhungern will. Diese wirtschaftliche Struktur spiegelt sich in der Hierarchie der Werte wider. Das Kapital dirigiert die Arbeitskraft; angesammelte, tote Dinge besitzen einen höheren Wert als das Lebendige, die menschliche Arbeitskraft und Energie.  

Dies war von Anfang an die Grundstruktur des Kapitalismus. Obgleich es noch immer auch für den modernen Kapitalismus kennzeichnend ist, haben sich doch inzwischen eine Reihe von Faktoren geändert, die dem heutigen Kapitalismus seine spezifischen Eigenschaften verleihen und einen tiefen Einflußauf die Charakterstruktur des modernen Menschen ausüben. Die Entwicklung des Kapitalismus hat dahin geführt, daß wir heute Zeugen eines ständig zunehmenden Prozesses der Zentralisierung und Konzentration des Kapitals sind. Die großen Unternehmen dehnen sich ständig weiter aus, und die kleineren werden von ihnen erdrückt. Die Besitzer des in Großunternehmen investierten Kapitals sind immer seltener zugleich auch die Manager. Hunderttausende von Aktionären »besitzen« das Unternehmen; eine Bürokratie von gut bezahlten Managern, denen das Unternehmen jedoch nicht gehört, verwaltet es. Diese Bürokratie ist weniger an einem maximalen Profit als an der Ausweitung des Unternehmens und der eigenen Macht interessiert. Parallel mit der zunehmenden Konzentration des Kapitals und dem Aufkommen einer mächtigen Managerbürokratie läuft die Entwicklung der Arbeiterbewegung. Durch die Organisierung der Arbeiter in den Gewerkschaften braucht der einzelne Arbeiter auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr seine Sache allein auszuhandeln. Er ist in großen Gewerkschaften organisiert, die von einer mächtigen Bürokratie geleitet werden und die ihn gegenüber den Industriekolossen vertreten. Auf dem Gebiet des Kapitals wie auch auf dem Arbeitsmarkt ist die Initiative, mag man das nun begrüßen oder bedauern, vom einzelnen auf die Bürokratie übergegangen. Immer mehr Menschen verlieren ihre Unabhängigkeit und werden von Managern der großen Wirtschaftsimperien abhängig.[…..] (Text: Erich Fromm)


Eine gute und umfangreiche Beschreibung des Buches findet man bei Wikipedia - klick


Eine Sammlung von Textstellen von Matthias Kaldenbachklick hier


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