Die Welt verändern in Zeiten des Krieges.

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Jürgen Meier
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Die Welt verändern in Zeiten des Krieges.
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Die Welt verändern in Zeiten des Krieges.

Wer soll das tun?  .  Welche Theorie ist dazu nötig?

von Jürgen Meier

„Es ist an der Zeit!“ Kriege zu beenden. Es ist an der Zeit Kriege zu verhindern! Auch uns haben sie schon genauso belogen, wie die Menschen, die voller Hass im Taumel zweier Weltkriege im Franzosen oder im Russen den Feind alles Menschlichen erkennen sollten. Deshalb ist es an der Zeit sich die letzte Liederstrophe von Hannes Wader noch einmal genau anzuhören:

Es blieb nur das Kreuz als die einzige Spur

Von deinem Leben, doch hör' meinen Schwur

Für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein:

Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein

Dann kann es geschehen, dass bald niemand mehr lebt

Niemand, der die Milliarden von Toten begräbt

Doch längst finden sich mehr und mehr Menschen bereit

Diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit

Wer die Welt der Kriege beenden und verhindern will, muss nicht nur wissen warum sie überhaupt in einem Zeitalter entstehen können, in denen eigentlich alles im Überfluss vorhanden ist, sondern muss in erster Linie eine sinnliche Fähigkeit für das menschliche Leben entwickeln können. Die Kunst der Lieder, Bilder und Theater kann hier nützlich sein. Das wusste Erich Fromm, der mit den Möglichkeiten des Psychoanalytikers diese Erkenntnis differenzierte. Er stützte sich in vielen seiner Aufsätze auf die theoretischen Erkenntnisse von Karl Marx, der in seinen Frühschriften notierte, das die Menschen leidensfähig sein müssten. Es muss weh tun, wenn wir sehen, wie gelogen und gemetzelt wird. Was schmerzt, wollen wir abschaffen. Wir müssen also sinnlich spüren können, wie unmenschlich und kulturlos es ist, wenn der Mensch im anderen Menschen, wenn ein Volk im anderen Volk, nur die Konkurrenten sieht, die liquidiert werden sollen, um das eigene Interesse, die eigene Rasse, Nation, Religion oder Kultur gegen sogenannte Barbaren oder Antidemokraten zu verteidigen.

Der Mensch ist, so Marx, ein allseitig, mit fünf Sinnen ausgestattetes Wesen, das als Gattungswesen teleologisch die gegenständliche Welt durch Arbeit zu einer menschlichen Welt mit hoher Kultur gestalten kann. Es gibt nur die eine Menschheit und die menschlichen Verhältnisse eines jeden Menschen zur Welt, hergestellt durch "Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, Empfinden, Wollen, Tätigsein, Lieben, kurz, (mit) allen Organen seiner Individualität. (Sie) sind in ihrem gegenständlichen Verhalten oder in ihrem Verhalten zum Gegenstand die Aneignung desselben.“ Fromm zieht daraus die Schlussfolgerung: Indem sich der Mensch „mittels seiner Kräfte mit der gegenständlichen Welt in Beziehung setzt, wird die Außenwelt für den Menschen wirklich“ Der Mensch muss sich in Beziehung setzen zum Gattungsleben. Wir eignen uns die Welt sinnlich, denkend und handelnd als gesellschaftliche Wesen an. Durch Arbeit in der uns äußeren und mit der uns eigenen Natur werden wir Subjekt des gesellschaftlichen Seins.

Unser Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Denken und Wollen kann und wird aber mit immer größerer Perfektion manipuliert. Wir werden, wie Fromm sagt, verdinglichte Menschen, die sich als Objekte und Instrumente des Marktes zu Marketingcharakteren verstümmeln. Als Objekte des Marktes hören sie auf, sich als Subjekte ihrer Geschichte zu begreifen. „Dieser Charaktertyp,“ so Fromm, „ist historisch gesehen eine neue Erscheinung, denn er ist das Produkt eines voll entwickelten Kapitalismus, in dessen Mittelpunkt der Markt steht...und dessen Prinzip es ist, durch günstigen Tauschhandel einen möglichst hohen Profit zu erzielen.“ Das „der moderne Kapitalist den Arbeiter `anstellt´...zum Zwecke des Profits“ der Profit also eine Kategorie des gesellschaftlichen Seins des Kapitalismus ist, war Fromm natürlich bewusst, dennoch bezieht er hier den Begriff Profit auf den „neuen Menschentyp“, den er auch den „kybernetischen Menschen“ nennt, der durch den scheinbaren Sachzwang des weltweiten Konkurrenzkampfes der Monopole entsteht.

Der moderne Mensch besitze „hervorragende Intelligenz, aber seine Vernunft degeneriert immer mehr.“ Unser Verhalten zur gegenständlichen Welt ist von diesem Blick der Rivalität beeinflusst. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Wir gebrauchen unsere Intelligenz häufig um Neid, Ehrgeiz, Geiz und Habgier als Selbstbewusstsein zu kaschieren. Der Blick auf die Konkurrenzschlachten der Kapitale vermittelt bei der Mehrheit der Menschen, die als Lohn-und Gehaltssklaven abhängig sind, Angst. Diese Angst verhindert zusätzlich die Entwicklung des Menschen hin zur Entfaltung und Kultivierung all seiner individuellen Organe. Davon sind wir alle betroffen. Auch die kritischen Geister, die genau wissen, warum der Kapitalismus gesetzmäßig Kriege hervorbringt, um u.a. die Überakkumulation, bzw. den tendenziellen Fall der Profitrate letztlich durch Zerstörung aufhalten zu wollen, um nach der Zerstörung neue „Wirtschaftswunder“ schaffen zu können.
 

Der Krieg ist die großzügigste und wirkungsvollste ‘Reinigungskrise zur Beseitigung der Überinvestition’, die es gibt.

Er eröffnet gewaltige Möglichkeiten neuer zusätzlicher Kapitalinvestitionen und sorgt für gründlichen Verbrauch und Verschleiß der angesammelten Vorräte an Waren und Kapitalien, wesentlich rascher und durchgreifender, als es in den gewöhnlichen Depressionsperioden auch bei stärkster künstlicher Nachhilfe möglich ist.

So ist der Krieg das beste Mittel,
um die endgültige Katastrophe des ganzen kapitalistischen Wirtschaftssystems immer wieder hinauszuschieben.
Ernst Winkler
Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung, 1952

 

Es ist das besondere an Fromms Theorie, dass sie uns, Sozialisten, Kommunisten, Demokraten, Christen, die wir denken wir seien keine von diesen kybernetisch, narzisstischen Menschen, zeigt, wie wir stets selbst Gefangene des „Manipulationskapitalismus“ (Georg Lukács) sind. Hier ist selbst die Psychologie, so Fromm, „zu einem wichtigen Instrument für die Manipulation von anderen Menschen und der eigenen Person geworden.“ Wie das Instrument Psychologie in unseren Tagen zur Unterstützung der grundgesetzwidrigen Auslandseinsätze der Bundeswehr eingesetzt wird, erklärt Prof. Rainer Richter, Präsident des Vorstandes der Bundespsychotherapeutenkammer. Es spräche „nichts dagegen,“ so Richter, „dass ein Soldat, der psychisch krank war, aber erfolgreich behandelt wurde, seinen Dienst weiter fortsetzt – und auch an Auslandseinsätzen teilnimmt“. Offiziellen Angaben zufolge wurden 2013 allein in den Krankenhäusern der Bundeswehr 1423 Soldaten wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung behandelt.

Der Manipulationskapitalismus braucht Menschen, die „alles Leben in Dinge (verwandeln), einschließlich (des Menschen) selbst und der Manifestationen seiner menschlichen Fähigkeiten der Vernunft, des Sehens, des Hörens, des Fühlens und Liebens.“ Diese Fähigkeiten verrohen im Krieg vollends. Aus Mördern werden mit Orden geschmückte, im Dienste des Vaterlandes agierende Helden gemacht. Der Krieg verhindert die menschliche Bezogenheit eines Gattungswesens zum anderen Gattungswesen. Er zerstört die „Organe der Individualität“, die kultiviert werden müssten, um menschlich sein zu können. Er verhindert den Fortschritt des Gattungswesens. Erich Fromm glaubt, „dass der Mensch sich das Erlebnis des ganzen universalen Menschen nur vergegenwärtigen kann, wenn er seine Individualität verwirklicht, und dass er es niemals erreichen wird, wenn er sich auf einen abstrakten gemeinsamen Nenner zu reduzieren sucht.“ Ein solcher gemeinsamer Nenner ist das Vaterland oder der Schutz der eigenen Kultur vor dem Fremden. Wenn also Kriege verhindert werden sollen, dann gelingt dies nicht mit dem „kybernetischen Menschen“, der, wie Fromm schreibt, derartig entfremdet ist vom wirklich menschlichen Leben, dass „er seinen Körper nur noch als Instrument für den Erfolg wahrnimmt“

Als Fromm das schrieb, gab es noch nicht die fabrikähnlichen Fitness-Studios, in denen heute Millionen von Menschen ihre Körper stylen, um auf den Konkurrenzschlachten der Körper und Märkte bestehen zu können. Die Einstellung dieser Menschen „zur gesamten Umwelt – und zu sich selbst -“ , so Fromm, sei „rein verstandesmäßig“. „Er möchte wissen, wie die Dinge beschaffen sind, wie sie funktionieren und wie sie konstruiert sind oder manipuliert werden.“ Mit anderen Worten, er will wissen welche Übung in welcher Zeit wie viel Muskeln bildet, Fett verbrennt und den Körper „mächtig und stark“ werden lässt, wofür es im Mittelhochdeutschen den Begriff „gesunt“ gab. Diese Einstellung klinge sicherlich in manchen Ohren fortschrittlich, so Fromm. Doch der kybernetische Mensch sieht in der Welt nur ein „Konglomerat von Dingen“ die man verstehen muss, um sie „nutzbringend zu verwenden.“ Dabei geht seine „intellektuelle Einstellung Hand in Hand mit dem Fehlen einer affektiven Reaktionsfähigkeit. Man könnte eher sagen, das Gefühl sei ihm abgestorben, als dass es verdrängt wird, sofern Gefühle noch lebendig sind, werden sie nicht gepflegt, und sie sind relativ roh, sie nehmen die Form von Leidenschaften an, wie der, den Sieg davonzutragen, sich den anderen überlegen zu zeigen, zu zerstören, oder von Erregung durch Sex, Geschwindigkeit und Lärm.“

Wir müssen Gefühle wieder zum Leben erwecken, was bedeutet, mit den Organen der Individualität eine Bezogenheit zum anderen Menschen und zur Menschheit, wie zur Natur zu schaffen. Was auch bedeutet, in Diskussionen ohne Eitelkeit und ohne manipulative Tricks kommunizieren zu wollen, um gemeinsam Richtiges vom Falschem zu sondieren. Die Verwirklichung der Individualität ist Teil des Kampfes gegen den Krieg. Der Krieg zerstört die Produkte menschlicher Arbeit so wie sie sich in Wohnhäuser, Straßen, Fabriken, Felder vergegenständlicht. Er zerstört das physische Leben von Menschen und Tieren. Er zerstört aber in ganz besonderem Maße die Entwicklung der Individualität der Menschen, die allein verhindern kann, dass Leben und die von Menschen geschaffenen Gegenstände zerstört werden. Von dieser inneren Zerstörung sind nicht nur die Soldaten betroffen, sondern alle Menschen. Auch ein Volk das ein anderes Volk erfolgreich mit Waffen unterdrückt, verhindert die Möglichkeit der eigenen Emanzipation, denn „die Macht, deren es zur Unterdrückung der anderen bedarf, wendet sich schließlich immer gegen es selbst ...“, schreibt Friedrich Engels.

Die Entfaltung der „Organe der Individualität“ ist letztlich das Ziel, das Marx als den Beginn der eigentlichen, weil bewusst gestalteten Geschichte der Menschheit bezeichnete. Mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten wollte er die materiellen Möglichkeiten, wie sie die hohe gesellschaftliche Produktivkraft im Kapitalismus geschaffen hat, als objektive Grundlage zur Erreichung dieses Zieles beweisen. Die Verwirklichung der Individualität ist die Voraussetzung für die Befreiung der Menschheit von Entfremdungen, Kriegen und Irrationalismen aller Art.
 

„In der gegenwärtigen Epoche,“ so Marx, „hat die Herrschaft der sachlichen Verhältnisse über die Individuen, die Erdrückung der Individualität durch die Zufälligkeit, ihre schärfste und universellste Form erhalten und damit den existierenden Individuen eine ganz bestimmte Aufgabe gestellt. Sie hat ihnen die Aufgabe gestellt, an die Stelle der Herrschaft der Verhältnisse und der Zufälligkeit über die Individuen die Herrschaft der Individuen über die Zufälligkeit und die Verhältnisse zu setzen.“

Es ist gerade diese Zufälligkeit in die in der bürgerlichen Gesellschaft jeder von uns geboren wird, die uns unter der Herrschaft des kapitalistischen Warenmarktes glauben macht, wir seien freier als die Menschen in den früheren Standesgesellschaften, wo der Mensch von Geburt an wusste zu welcher Klasse oder Stand er gehörte. „Sie glauben dies,“ so Marx, „weil ihnen ihre Lebensbedingungen zufällig sind; in der Wirklichkeit sind sie natürlich unfreier, weil mehr unter sachliche Gewalt subsumiert.“ Wie unter den herrschenden Produktionsverhältnisse die Eigentlichkeit der Individuen verschleiert, dabei gleichzeitig ihre echte Entwicklung als totale Menschen verhindert wird, zeigt Marx an einem Beispiel, dass in der heutigen Klatschpresse täglich zu beobachten ist. Denken sie nur an Berlusconi. Marx schreibt: „Das, was ich bin und vermag, ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt. Ich bin häßlich, aber ich kann mir die schönste Frau kaufen. Also bin ich nicht häßlich, denn die Wirkung der Häßlichkeit, ihre abschreckende Kraft ist durch das Geld vernichtet.“

Die Herrschaft der Verhältnisse über die Individuen ist der Grund dafür, dass wir unsere Geschichte solange nicht als bewusste Gattungswesen gestalten können, also wirkliche Individuen werden können, solange partikulare Kapital- und Marktinteressen die Zielsetzung der Arbeit und die Aneignung der Produkte der Arbeit bestimmen. Die Gesellschaft des Kapitalismus produziert Angst, Vereinzelung, aber gleichzeitig scheinbare totale Freiheit für die Menschen die über einen gewissen Wohlstand verfügen können und in Hobbies, Urlaub oder Haus- und Wohnungsgestaltung ihre Zufriedenheit finden wollen. Man schließt Frieden mit den Verhältnissen. Man schützt die eigene kleine Insel des Glücks, auf der jeder auf seine Art Spaß oder Ruhe finden will. Doch, so Erich Fromm, es ist die Langeweile die hier bestimmt. Sie wird gesteuert von der Konsumindustrie. Das verhindert die individuelle Entwicklung hin zum leidenschaftlichen, totalen, sinnlichen Individuum. Trotz mancher Schrecken über die heutigen Kriege und über die Armut in der Welt, die von den meisten Bundesbürgern  geäußert werden, fühlt man sich ohnmächtig, desinteressiert oder nicht zuständig. Der Krieg, so Fromm, ist aber auch Ausdruck einer „indirekten Rebellion gegen Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Langeweile, wie sie das gesellschaftliche Leben in Friedenszeiten beherrschen, und man sollte die Tatsache nicht unterschätzen, dass der Soldat – wenn er gegen den Feind um sein Leben kämpft – nicht gegen die Mitglieder seiner eigenen Gruppe um Nahrung, ärztliche Betreuung, Unterkunft und Kleidung zu kämpfen braucht. Für all dies sorgt ein perverses sozialisierte System.“

Frau von der Leyen ist die Personifizierung des „perversen sozialisisierten Systems“ unserer Tage in das sicher gerade die Menschen flüchten, die sich in irgendeiner Weise in Existenznot und Sinnsuche befinden. Finanzielle Sicherheit für die Soldatenfamilien wird garantiert, dabei sogar eine Kürzung der Wochenarbeitszeit der Soldaten versprochen. Dass der Krieg diese positiven Züge aufweist, ist ein „trauriger Kommentar zu unserer Zivilisation,“ so Fromm. Diese Zivilisation ist zynisch. Sie verklärt das Handwerk mit den Todeswaffen in Schulen und auf Bildungsmessen. Es sei ein Handwerk wie jedes andere, wird gesagt. Brecht könnte in Schulen und auf Bildungsmessen helfen, diesen Zynismus, der das Morden für das Kapital verschleiern soll, zu entlarven. Brecht:


Diese Abgestumpftheit ist es,

die wir zu bekämpfen haben,

ihr äußerster Grad ist der Tod.

Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote,

wie Leute, die schon hinter sich haben,

was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

 

Und doch wird nichts mich davon überzeugen,

dass es aussichtslos ist,

der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen.

Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,

damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!

 

Lasst uns die Warnungen erneuern,

und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!

Denn der Menschheit drohen Kriege,

gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind,

und sie werden kommen ohne jeden Zweifel,

wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,

nicht die Hände zerschlagen werden.“


Die Manipulateure der bürgerlichen Gesellschaft leisten in ihrer Kriegsrhetorik stets ganze Arbeit. Sie setzen, um Soldaten und willige Bundesbürger für den Krieg zu gewinnen, je nach „Zielgruppe“ ihrer Agitation, Krieg mit Naturkatastrophen gleich, behaupten, der Mensch sei ein Raubtier. Unser Verhalten zum Krieg als Gegenstand unseres Gattungslebens wird mit diesen Behauptungen aus unserem Gattungsleben entrückt und in das Reich der Natur verbannt. Das gesellschaftliche, also das menschliche Sein unterscheidet sich aber vom organischen und anorganischen Sein dadurch, dass wir Menschen es selbst geschaffen haben.

Wenn gesagt wird, der Krieg müsse die Demokratie der zivilisierten Länder gegen die blindwütenden Terroristen verteidigen, wird die Demokratie zu einem Fetisch aufgeblasen, hinter dem sich imperialistische Interessen verbergen. Hochqualifizierte Marketing-, BWL- oder Börsenexperten gebärden sich wie Naturwissenschaftler, die tödliches Menschenwerk als Naturgesetz eines zweiten Natursein behandeln. Diese Wissenschaftler verschleiern, meist völlig unbewusst, die gesellschaftlichen Widersprüche. Kriege sind aber Folge gesellschaftlicher Widersprüche, deren „Leiden, menschlich gefasst“, ein „Selbstgenuss des Menschen“ sei, so Marx. Die Organe der Individualität sind ihrer Form nach stets gemeinschaftliche Organe. Individualität kann daher nur in Beziehung zum Gattungsleben entfaltet werden.

Leiden als „Selbstgenuss des Menschen“ gehört zu dieser Beziehung, durch die der Krieg erst als Gegenstand unseres Gattungslebens in seinem Wesen erkannt werden kann. Marx gebraucht den Begriff Genuss ganz im Sinne seiner mittelhochdeutschen Bedeutung, wo „geniesz“ mit „etwas nutzen“ in Verbindung stand. Das Leid muss genossen werden als barbarisches Menschenwerk aus dessen Niedertracht revolutionäres Wollen gedeiht, dessen Endziel es stets ist, „dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ Die Oktoberrevolution nannte Fromm den Beginn eines solchen Wollens, das aus dem imperialistischen Krieg entstand und das eine sozialistische Welt schaffen wollte.

„Deutschland hat zwei Kriege begonnen,“ schreibt Fromm, „den von 1914 und den von 1939...Der Nachzügler unter den großen westlichen Industrienationen, begann nach 1871 seinen spektakulären Aufstieg. 1895 hatte seine Stahlproduktion bereits die Englands erreicht, und 1914 war Deutschland England und Frankreich weit überlegen...doch besaß es nicht genügend Rohstoffe und hatte nur wenige Kolonien...Es musste Gebiete erobern, die in Europa und Afrika über Rohstoffe verfügten.“  Der Krieg wurde nicht als Gegenstand einer Gattungstragödie begriffen, sondern irrational als Vaterlandsverteidigung und als Kampf der Kulturen vermarktet. Leid als Selbstgenuss dieser Gattungstragödie muss zum Schmerz werden, der den Willen auslöst die Ursachen des Krieges begreifen zu wollen, um ihn künftig als Weltkrieg verhindern zu können. Wenn  Leid nicht mehr als Selbstgenuss genutzt wird, sondern wenn es nach dem Motto "Da sind die Bösen! Wir sind die Guten!" von einem übermenschlichem Elitedenken manipuliert wird, lassen sich Kriege nicht verhindern. Kriege lassen sich gänzlich nur auslöschen, wenn die Menschen sich „in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt“ als Gattungswesen bewähren.

Kriege können nur verhindert werden, wenn sie als Fortsetzung des menschlichen Scheiterns begriffen werden, das verhindert, das der Mensch die gegenständliche Welt der Erde und deren Rohstoffe bewusst als Gattungswesen erkennt und bearbeitet, um Individuum, also totaler Mensch werden zu können.  Nur wenn sich die Ohnmacht der Menschen, ihr Desinteresse, ihre Nichtzuständigkeit in leidenschaftliche Selbstbetroffenheit wandelt, kann Krieg auch als Krieg gegen die eigene Entwicklung hin zum echten Individuum erlebt werden, denn, so Marx, „die Leidenschaft, die Passion ist die nach seinem Gegenstand energisch strebende Wesenskraft des Menschen.“ „Wenn unsere Einstellung zur Welt erst einmal zu einem leidenschaftlichen Betroffensein geworden ist,“ so Fromm, „dann schlägt unser Denken über die Welt andere Wege ein.“ Aber, so Fromm, „gewöhnlich sind wir im Halbschlaf und wachen nur soweit auf, wie wir unseren Geschäften nachgehen müssen. Aber wir sind nicht wach genug, um dem Leben gerecht zu werden...Dabei ist das Wichtigste, dass man den Mut hat, nein zu sagen und den Befehlen der Machthaber und der öffentlichen Meinung den Gehorsam zu verweigern, dass man nicht länger schläft, sondern menschlich wird, dass man aufwacht und das Gefühl  der Hilflosigkeit und Sinnlosigkeit verliert...Aber die Fähigkeit, sinnvoll `Nein´ sagen zu können, impliziert die Fähigkeit `Ja´zu sagen. ...das ´Ja´ zum Menschen ist das `Nein´ zu all jenen, die ihn versklaven, ausbeuten und verdummen wollen.“

„Sage nein!“ singt Konstantin Wecker mit einer Leidenschaft die im sinnlich freimütigen Hörer Leidensgenuss erzeugt. Seine Kunst erfüllt ihren sozialen Auftrag. Sie will das Individuum im Hörer und Mitsänger zur Entfaltung bringen, will gattungsmäßiges Selbstbewusstsein stärken oder zunächst wachrütteln. Es geschieht ganz im Sinne von Marx und Fromm, wenn er singt: „Sage nein, Wenn sie dann in lauten Tönen / Saufend ihrer Dummheit frönen, / Denn am Deutschen hinterm Tresen / Muss nun mal die Welt genesen, / Dann steh auf und misch dich ein: Sage nein!...Sei nicht nur erschreckt, verwundert, / Tobe, zürne, misch dich ein: Sage nein! “ 

Wer so mutig Nein! sagt, wird die Repressionen die diesem Nein häufig folgen, - da fallen mir Prügel, Berufsverbot, Schulverweis, Arbeitsplatzverlust, Strafanzeige und Verschmähungen ein - nur ertragen, wenn sich dieses Nein auf ein Ja stützt, dass weiß, wofür es sich zu leben lohnt.

Menschen, die erfolgreich "Nein!" sagen wollen zum Krieg, zu Waffenexporten und zur Rüstungsindustrie, müssen deshalb, so Fromm, „über sich selbst als Friedensbewegung hinausweis(en) und zu einer Bewegung des radikalen Humanismus" (werden). Sie müssen „an den ganzen Menschen ... appellieren...(auch an sein Gefühl)". Sie müssen „eine Vision einer neuen Gesellschaft und eines neuen Menschen zeigen.“ Erfolg kann die Friedensbewegung also nur haben, wenn sich die Menschen nicht nur mit Mitleid und „Nächstenliebe“ für die Menschen engagieren, die im Gattungsleben durch Giftgas oder Bomben ermordet werden oder hungern und auf ihrer Flucht vor dem Elend im Mittelmeer ertrinken, sondern wenn sie sich selbst als direkt betroffene des Krieges erkennen und deshalb wissen wollen, was der Grund dafür ist, dass es uns noch nicht gelungen ist, in der „Bearbeitung der gegenständlichen Welt“ uns als Gattungswesen zu bewähren und warum der „radikale“ oder wie Marx sagte, der „positive Humanismus“ noch nicht zur Entfaltung gekommen ist?    


Warum immer wieder Krieg statt radikaler Humanismus?

Erich Fromm antwortet auf diese Frage ganz pragmatisch, er sagt, weil wir „das tun, was man technisch tun kann. Das technisch Mögliche wird zum moralischen Wert. ...wenn man die destruktivsten Waffen konstruieren kann, dann soll man es tun. Nicht mehr was für den Menschen gut, wahr und schön ist, sondern die Werte des technisch Möglichen werden zu den entscheidenden Werten, die das Handeln bestimmen. Das bedeutet in der Tat die Abdankung aller jener Werte, die die Menschheit in einigen Jahrtausenden geschaffen hat und die ihr Hoffnungen gegeben haben. Und das ist genau die Bedingung, die zur totalen Zerstörung führt“.

Das diese Abdankung von menschlichen Werten nicht nur eine Frage des Bewusstseins ist, sondern in dem gesellschaftlichen Sein seine Wurzeln hat, hatte Marx bewiesen und Fromm stimmte ihm zu: „Mit der modernen Industriegesellschaft hat der Mensch nach Marx den Höhepunkt der Entfremdung erreicht. Im Produktionsprozess wird die Beziehung des Arbeiters zu seiner eigenen Tätigkeit als etwas erlebt, das nicht zu ihm gehört. Während der Mensch hierdurch sich selbst entfremdet wird, wird das Produkt seiner Arbeit zu einem fremden Objekt, das ihn beherrscht. Der Arbeiter existiert `für den Produktionsprozess, nicht der Produktionsprozess für den Arbeiter´.“

Der Mensch beherrscht in diesem Produktionsprozess nicht mehr die Beziehung zur gegenständlichen Welt, sondern die Dinge die er produziert scheinen ihn zu beherrschen. Die Überproduktion von Waren und von Kapital, das ja nichts anderes ist als „aufgespeicherte Arbeit“, führt zu Börsen-Nachrichten, die uns täglich vor der Tagesschau um die Ohren gehauen werden und die uns bestätigen sollen, dass unser Lebensglück vom DAX, vom Umsatz und von der Realisierung von Konzernprofiten, also von den Geschöpfen unserer eigenen Tätigkeit abhängig ist. Damit ist, wie Fromm Marx zitierend schreibt, „an die Stelle aller physischen und geistigen Sinne... die einfache Entfremdung aller dieser Sinne, der Sinn des Habens getreten.“
 

Nun bildet die Konkurrenz den Fetisch Weltmarkt. Die Konkurrenz ist die „Basis und die Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise“ Ein Konzern versucht den anderen zu liquidieren oder zu übernehmen, um auf diese Weise dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenwirken zu können. Man will Marktführer werden. Gelingt dies nicht durch ökonomischen Krieg um Rohstoffe, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte, müssen politische Führer ausgebildet werden, die demagogisch den Konkurrenzkampf mit der Waffe als unabwendbar darstellen können. „Die Kriegsziele des Kaisers waren wirtschaftliche Hegemonie über Westeuropa sowie Gebietseroberungen im Osten, Hitler hatte genau die gleichen Kriegsziele; er wollte nicht die Welt und nicht einmal England erobern, sondern betrieb die traditionelle Expansionspolitik des kaiserlichen Deutschland,“ schreibt Fromm 1966 und ergänzt , „Deutschland wird noch immer von den gleichen Kräften beherrscht. Es ist wieder die stärkste Wirtschaftsmacht Europas und strebt nach den alten Zielen: nach der wirtschaftlichen Vorherrschaft über ein geeintes Europa und – auf lange Sicht – nach Landaneignung im Osten. Allerdings hat Deutschland gelernt, dass seine Außenpolitik nur erfolgreich sein kann, wenn es sich mit der mächtigsten Nation der Welt, mit den Vereinigten Staaten verbündet...Mit aller Sorgfalt versucht die deutsche Führung den Verdacht von sich zu weisen, dass sie es noch einmal mit den alten Zielen versuchen wolle.“

Die Wiederbewaffnung Deutschlands, so Fromm, sei stets mit den Schwüren der Politiker erfolgt, die „eifrig ihren Friedenswillen und ihre demokratische Einstellung“ bekundet hätten. „Das von Deutschland angeführte Neue Europa“, schrieb Fromm 1962, „wird ebenso expansionistisch sein wie es das Alte Deutschland war, und in seinem Bestreben, die früheren deutschen Gebiete zurückzubekommen, wird es eine noch größere Gefahr für den Frieden sein.“

Wer heute Frau von der Leyen sieht, wie sie nahezu liebevoll die Bundeswehr familienfreundlicher gestalten will und wie sie die Produktion von Drohnen als alternativlos bezeichnet, der ahnt, wie richtig Erich Fromm vor fast fünfzig Jahren mit seiner Einschätzung lag, Deutschland strebe nach Hegemonie auf dem Weltmarkt.  In Kurdistan schlummern geschätzte 45 Milliarden Barrel Ölreserven oder nehmen wir die Ukraine. Sie ist das einzige Land Europas das noch Uranabbau betreibt und im Donezkbecken werden Kohle, Eisenerz, Graphit und Mangan gefördert. Auch Erdölvorkommen (am Schelf des Schwarzen Meeres ) gibt es in der Kornkammer Europas. Wer hier erfolgreich mitmischt, hat einen riesigen Vorteil auf dem Weltmarkt.

Doch Deutschlands politische Führer, so Fromm, seien noch zu „farblos“ um Kriege im großen Stil durchführen zu können. Man verfüge noch nicht über die „interessanteren andersartigen Führer“ die es braucht, um nach Innen demagogisch die Truppen sammeln zu können, die ein imperialistischer Sieg benötigt. Für Fromm war Franz Josef Strauß jemand, der diesem „andersartigem“ Führertyp entsprach. Dieser Typus warte „bereits hinter den Kulissen“ und werde auftauchen, „sobald Deutschland erst den Finger am Auslöser von Kernwaffen hat und sobald es wieder die Möglichkeit hat, erpresserischen Druck auszuüben.“ Wenn Deutschland „Kernwaffen bekommt, dann wird Deutschland eine Generation nach dem Zweiten Weltkrieg wieder da stehen, wo es 1914 und 1939 stand.“

Das sind düstere Aussichten die Fromm hier benennt, doch tatsächlich gibt es bereits die sogenannte „Nukleare Teilhabe“ für US-Atomwaffen die im Rahmen der NATO u.a. in der Eifel stationiert sind. Diese „Teilhabe“ besagt, dass Deutschland unter Freigabe der USA im Ernstfall Atomwaffen einsetzen kann. Deutschland hat sich am 21. Oktober 2013 in der UN geweigert, seine Unterschrift unter ein Statement von 125 Staaten zu setzen, das jeglichen Einsatz von Atomwaffen unter allen Umständen verhindern will. Ist Deutschland auf dem Weg ganz direkt und ohne Zustimmung der USA den Finger an den Auslöser von Kernwaffen legen zu wollen, um „erpresserischen Druck“ im Kampf um die Neuaufteilung der Welt legen zu können?
 

Der geplante Einkauf von Kampfdrohnen erhärtet diese Befürchtungen. Die USA haben in 450 Drohnenangriffen seit 2001 rund 4000 Menschen getötet, darunter 1000 Zivilpersonen. Die Ächtung von Drohnen- und Atomwaffen, so würde Fromm heute sicherlich an die internationale Friedensbewegung appellieren, muss im Internet und auf der Straße, in Schulen und Gewerkschaften laut gefordert werden. Dieser wichtige Widerstand gegen den Krieg und gegen die Aufrüstung zum Krieg definiert, so Fromm, den Begriff Frieden allerdings stets negativ. Es wird nämlich nur die „Nicht-Anwendung von Gewalt zur Erreichung gewisser Ziele“ gefordert. Für Fromm war diese negative Definition von Frieden ein notwendiges Übel, um zu verhindern, dass sich die Menschheit im Atomzeitalter selbst auslöscht. Die Friedensbewegung müsse sich aber an der positiven Definition des Begriffs Frieden orientieren, die besagt, dass der Frieden „ein Zustand der brüderlichen Harmonie aller Menschen“ ist.

Diese positive Definition von Frieden, die sich mit der Friedensbewegung eng verbinden muss, lässt sich solange nicht verwirklichen, wie  „der Mensch dem Produkt seiner Arbeit, seiner Lebenstätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet ist.“ Das „ist die Entfremdung des Menschen von dem Menschen. Wenn der Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegenüber. Was von dem Verhältnis des Menschen zu seiner Arbeit, zum Produkt seiner Arbeit und zu sich selbst, das gilt von dem Verhältnis des Menschen zum andren Menschen, wie zu der Arbeit und dem Gegenstand der Arbeit des andren Menschen. Überhaupt, der Satz, dass der Mensch seinem Gattungswesen entfremdet ist, heißt, dass ein Mensch dem andern, wie jeder von ihnen dem menschlichen Wesen entfremdet ist.“

Erich Fromm wusste natürlich, dass die Verwirklichung der positiven Definition von Frieden oder mit den Worten von Marx, die Abschaffung der Entfremdung des Menschen vom Menschen erst im Sozialismus zur gänzlichen Entfaltung kommen kann und es bis dahin ein langer Weg sein wird auf dem wir Menschen die „Nicht-Anwendung von Gewalt“ verteidigen oder erkämpfen müssen. Die Diplomatie, so Fromm, spiele dabei auch eine wichtige Rolle. Hier müsse eine Friedensstrategie gefordert werden, die „die Niederlage des Gegners zu vermeiden“ wisse. Denn  „die einzige Strategie des Friedens ist die Anerkennung der wechselseitigen Interessen, und das heißt – ganz konkret gesprochen – der bestehenden Interessensphären mit der gleichzeitigen Neutralisierung jener Gesellschaften, die außerhalb dieser Interessensphären liegen.“

Marx nannte als Grundlage einer Außenpolitik, die den Frieden will, „die einfachen Gesetze der Moral und des Rechts, welche die Beziehungen von Privatpersonen regeln sollten.“ Sie müssten „die obersten Gesetze des Verkehrs von Nationen“ sein. Dazu gehört es auch, die Widersprüche zwischen den imperialistischen Mächten genau wahr zu nehmen. Wenn die USA mit einem Wall von militärischen Stützpunkten, der von Polen bis zum Schwarzen Meer reichen soll, die Hegemonie über Europa anstrebt und Deutschland auf diese Weise von Russland abkoppelt, aber durch das NATO-Bündnis Deutschland im Falle eines Krieges gegen Russland an der Seite der USA stehen soll, dann ist dies ein Widerspruch zwischen Deutschland und den USA, den die Friedensbewegung unter dem Aspekt der nationalen Unabhängigkeit Deutschlands ernst nehmen sollte und der, konsequent geführt, nur zum Austritt aus der NATO führen kann.

„Der Kampf für solch eine auswärtige Politik“ sei, so Marx, „eingeschlossen im allgemeinen Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse“. Die AfD nennt den Widerspruch zwischen Deutschland und den USA beim Namen, allerdings mit chauvinistischer Absicht, ohne den Austritt aus der NATO zu fordern. Das Eintreten für die nationale Unabhängigkeit unterdrückter Nationen und deren Streben nach Lösung von den sie unterdrückenden Nationen, ist ein demokratisches Recht, für das die Arbeiterbewegung als internationale Bewegung weltweit kämpfen muss, zum Zwecke der eigenen Emanzipation.

Wenn jedoch der Betriebsrat des Panzerherstellers Krauss-Maffei Wegmann die Regierung kritisiert sie müsse den mehr als 2000 Arbeitnehmern „dringend neue Projekte“ verschaffen, da sich die Sicherheitslage Deutschland ja schnell ändern könne, denn, so seine Argumentation zur Sicherung von Arbeitsplätzen, „wer hätte vor fünf Jahren denn gedacht, dass Russland auf einmal eine Bedrohung für uns sein könnte“, beweist er, wie blind und dumpf er mit hilft einen Krieg gegen ein Land vorzubereiten, das bereits im letzten Weltkrieg durch deutsche Aggressoren 26 Millionen Menschen verlor. Gegen solche Gewerkschaftsfunktionäre hat es die Friedensbewegung schwer, deren einzige Hoffnung, so Fromm, sich auf jene Menschen stützt, „die die humanistische Tradition noch nicht verloren haben, die noch das Leben lieben und keine Roboter werden wollen; sie  protestieren gegen die Gefahr, die der Menschheit droht – nicht nur physisch durch die Ausrottung, sondern auch psychisch durch die Unterhöhlung alles dessen, was den Menschen zum Menschen macht.“ Diese Menschen gilt es zu mobilisieren.

Ferner „geht es um ein Bewusstmachen dessen, worunter die meisten Menschen leiden, nämlich unter ihrer Angst, ihrer Isolierung,  ihrer fast unerträglichen Entfremdung.....Es geht um einen Appell an die lebendige humanistische Tradition, die noch da ist.“ Friedenspolitik muss wieder vom „ganzen Menschen“ ausgehen. Sie muss, so Fromm, „wieder ein Teil seiner Weltanschauung“ werden. Wir müssen wieder „an das appellieren, was über Politik hinausgeht und woran einmal der Sozialismus zur Zeit von Marx bis zum Beginn dieses Jahrhunderts appelliert hat und dem er seine ungeheuren Erfolge verdankt.“

Zum Schluss möchte ich noch einmal die Frage stellen: Welche Theorie brauchen wir, um Kriege zu verhindern? Kurze Antwort: Wir müssen, anders als die Philosophen Nietzsche oder Heidegger, die das Denken des 20. und des 21. Jahrhunderts massiv beeinflussten und noch immer beeinflussen, die Gattungsmäßigkeit des Menschen als Grundlage unseres Denkens setzen. Sie wird hergestellt im Prozess der Arbeit, der entsprechend so verändert werden muss, dass die „Organe der Individualität“ permanent und überall auf der Welt gedeihen können.

Es gibt nur die eine Menschheit heißt: Wir sind als Menschheit Subjekte unseres eigenen gesellschaftlichen Seins. Wir brauchen, um uns unseres Tuns als Subjekte immer und überall bewusst werden zu können, gegenseitige Solidarität. Die „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“ (Che Guevara). Sie muss gedacht, gewollt, gelebt und besungen werden.

Wie heißt es doch im Solidaritätslied von Brecht:

Auf ihr Völker dieser Erde,

einigt euch in diesem Sinn,

dass sie jetzt die eure werde,

und die große Näherin.

Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber!

Endet ihre Schlächterei!

Reden erst die Völker selber,

werden sie schnell einig sein.


Jürgen Meier



Bild- und Grafikquellen:

1. Karl Marx Portrait. Foto: Unbekannt. Quelle: International Institute of Social History in Amsterdam, NL / Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

2. Erich Fromm 1974. Photograph: Müller-May. © Deutsche Verlags-Anstalt. Mit freundl. Genehmigung durch Dr. Rainer Funk, Tübingen.

3. "Warum gibt es eigentlich Kriege?" Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

4. Silvio B.: "Io ti amo Angela. Oh, dea venuta sulla terra, rendimi immortale con un bacio" Autor: European People's Party (EPP) Quelle: Flickr / Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert. Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

5. Ursula von der Leyen. Foto: Marc Müller. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Bild wurde von der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik unter der Lizenz Creative Commons Attribution Deutschland 3.0 auf der Webseite www.securityconference.de veröffentlicht. Entsprechend den Angaben im Impressum können die Bilder unter dieser Lizenz verwendet werden, solange der Name des Fotografen genannt wird. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 Deutschland“ lizenziert.

6. THE WAR LOVER - Verliebt in den Krieg. Grafikbearbeitung: Jan Müller / Borgdrone

7. Kampagne “Schule ohne Militär” - Zu Beginn des neuen Schuljahres 2013/14 hatte das landesweite Bündnis „Schule ohne Bundeswehr NRW“  eine neue Kampagne „Schule ohne Militär“ gestartet. Motiviert durch eine zunehmende Zahl von Schulen, die Werbe- und sonstige Auftritte der Bundeswehr vor Schülerinnen und Schülern ablehnen, will das Bündnis seine Aktivitäten verstärken. SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern sollen ermutigt und unterstützt werden, an weiteren Schulen in NRW über die Rolle der Bundeswehr an Schulen zu diskutieren und sich gegen diese Werbemaßnahmen des Militärs zu positionieren.

8. Kabarettist VOLKER PISPERS: "Auf dem Grabstein des Kapitalismus wird später stehen: Zuviel war nicht genug." Originalfoto: Niko Bellgardt, Düren. Quelle: Flickr / Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert. Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

9. Karrikatur mit Panzer "...und vergiss nicht, den Kleinen nachher pünktlich von der Kita abzuholen." Karikatur wurde von Kostas Koufogiorgos, Stuttgart, gezeichnet - ein erstklassiger Künstler. Bitte besucht seine Webseite

10. "Familiengerechte Teilzeitkriege. Ein fühes Branding des Nachwuchses ist schlachtentscheidend." Originalfoto: Thiemo Schuff: Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert. Kreative Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de

11. Die NATO (engl. North Atlantic Treaty Organization „Organisation des Nordatlantikvertrags“ bzw. Nordatlantikpakt-Organisation; im Deutschen häufig als Atlantisches Bündnis bezeichnet) oder OTAN (frz. Organisation du Traité de l’Atlantique Nord) ist eine Internationale Organisation, die den Nordatlantikvertrag, ein militärisches Bündnis von 28 europäischen und nordamerikanischen Staaten, umsetzt. Das NATO-Hauptquartier beherbergt mit dem Nordatlantikrat das Hauptorgan der NATO; diese Institution hat seit 1967 ihren Sitz in Brüssel. Nach der Unterzeichnung des Nordatlantikpakts am 4. April 1949 – zunächst auf 20 Jahre – war das Hauptquartier zunächst von 1949 bis April 1952 in Washington, D.C., anschließend war der Sitz vom 16. April 1952 bis 1967 in Paris eingerichtet worden. Foto: Netzfund, Autor nicht bekannt.

12.
Grafik: "VERNUNFT und LOGIK haben uns von jeher allen möglichen Abgründen näher gebracht: Neid, Gier, Konkurrenz, Intoleranz und Krieg, . ." Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de