Drohender Kriegsschauplatz Iran (4) - Beispielhafter Christ

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Drohender Kriegsschauplatz Iran (4) - Beispielhafter Christ
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Drohender Kriegsschauplatz Iran

Beispielhafter Christ

Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in den Iran - Teil 4


von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann - 16.05.2012



Am Freitag, dem 27. April 2012, wurde eine Reisegruppe aus Deutschland von Mahmud Ahmadinedschad, dem Staatspräsidenten des Iran, empfangen – darunter auch die beiden Autoren dieses Artikels. Über dieses Ereignis wurde in den iranischen Medien berichtet. Und in Deutschland war der Empfang Auslöser für große Teile der Medien, sich eingehend mit der Iran-Reise zu befassen. Ohne den Empfang wäre das sicher so nicht geschehen. Hauptsächliches Ziel der Medienanstrengungen war die Diskreditierung der Reise und ihrer Teilnehmer, die das Feindbild Iran bzw. Ahmadinedschad ins Wanken zu bringen drohten.


Ein Höhepunkt bei der Schaffung des Feindbildes Ahmadinedschad

„Der Spiegel“ am 5.3.2012


Ein wichtiges Ziel der Reise war, das mit großem Aufwand über Jahre geschaffene Feindbild zum Thema zu machen und einen kleinen Beitrag zu leisten, dieses aufzubrechen. Das konnte auf zweierlei Weise geschehen: zum einen dadurch, dass die im Iran lebenden Menschen den Betrachtern in Deutschland nahe gebracht werden, indem wir zeigen, wie sie leben und miteinander umgehen, zum anderen durch das Zugehen auf denjenigen, der von den Medien zum personifizierten Bösen, als neuer Hitler, als der Dämon schlechthin stilisiert werden soll. Denjenigen zu treffen, der angeblich die Atombombe entwickelt, der angeblich den Holocaust leugnet, der angeblich Israel dem Erdboden gleichmachen und die Juden vernichten will, ist für diejenigen, die diese falschen Behauptungen verbreiten, verständlicherweise eine Provokation.

Zu denjenigen, die eine solche Provokation sicher nicht scheuen, gehört Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski, die in ihrem im März 2012 erschienenen Buch fragt: „Warum dämonisiert man immer den iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad, der nur unbequeme Wahrheiten ausspricht?“ Und sie führt aus: „...es wird mit den bekannten Unwahrheiten und bewussten Falschübersetzungen von Reden von Ahmadinedschad gearbeitet... Hier wird also eine gezielte Rhetorik - den Holocaust missbrauchend - eingesetzt. Erfunden von Israel-Lobbyisten und Thinktanks weltweit. Nicht der Iran als Atommacht ist die Bedrohung, sondern Israel mit seinen mindestens 200 Atomwaffen am Boden, zur See und in der Luft - zu benutzen um Iran, oder andere Gegner zu vernichten.“ Derartige Äußerungen machen deutlich, dass ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten zu einem wichtigen friedenspolitischen Signal werden kann.

Ob ein solches Treffen zustande kommen würde, war lange Zeit nicht klar. Doch am Freitag, dem 27. April 2012, einem Wochentag, der unserem Sonntag entspricht, wurde der Termin Realität. Spontan richtete Mahmud Ahmadinedschad an die Reiseteilnehmer und ein annähernd gleich großes Medienaufgebot eine Ansprache, die sein religiös geprägtes, humanistisches Denken deutlich werden ließ, ein Denken, das auf die Gemeinsamkeit der Menschen, Kulturen und Religionen orientiert.

Im Hinblick auf die verschiedenen Religionen brachte er zum Ausdruck, dass der Islam alle Propheten (Moses für die Juden, Jesus für die Christen und Mohammed für die Muslime) anerkenne. Es gebe keine Gegensätzlichkeit unter den Propheten, und sie alle hätten für die gleiche Religion geworben. Eine andere Sichtweise sei ein Missbrauch der Prophetengeschichten mit dem Ziel, Macht über andere auszuüben.


Ahmadinedschad als Sprecher der Occupy-Bewegung

Ein wesentlicher Teil seiner Ausführungen beschäftigte sich mit dem Zustand der Weltwirtschaft. Und einen Moment lang entstand der Eindruck, als würden sich die Zuhörer auf einer Kundgebung der Occupy-Bewegung befinden. Die sich verschärfenden wirtschaftlichen Verhältnisse, die Korruption, die Armut wie auch die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit - so Ahmadinedschad - hätten im Westen zu der anti-kapitalistischen Occupy-Bewegung geführt. Gleiche Rechte für alle seien eine wichtige Basis für alle menschlichen Wesen. Aber das persönliche Verlangen nach immer mehr, das Verlangen, über anderen stehen zu wollen, führe zu den heutigen Problemen und Konflikten.


„Kapitalisten verantwortlich für die Wirtschaftskrise des Westens“

Artikel aus „Iran Daily“ vom Sonntag, dem 29.4.2012, Seite 3 – mit Gruppenbild des Empfangs bei Staatspräsident Ahmadinedschad

 


Es sei ersichtlich, dass die Krise das Ergebnis derer ist, die immerwährend Kapital anhäufen und horten. Anstatt den Kapitalisten das durch Plünderung der einfachen Menschen angeeignete Vermögen zu entziehen und ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben, würden die Kapitalisten weiter in die Taschen der Menschen greifen. Kein Unrecht sei größer als dieses.

Die Regierung der USA begleiche ihre Haushaltsdefizite seit Jahren andauernd aus den Taschen anderer Nationen. Seit 1973 würden die USA der Weltwirtschaft im Durchschnitt jährlich 1.600 Milliarden Dollar von ihrem Defizit aufzwingen. Bis dato habe der Betrag die Marke von 32.000 Milliarden Dollar überschritten. Unter diesen Konditionen sei es kein Wunder, dass es weltweit mehr als drei Milliarden arme Menschen gebe.

Den Unterstützern und Befürwortern des kapitalistischen Systems gehe es allesamt um die Erlangung von Macht, nicht um Menschlichkeit. Die werde unter den Füßen der Selbstsüchtigen zermalmt. Es werde aber die Zeit kommen, wo dieses System demontiert und damit auf der Basis von Nächstenliebe und Gerechtigkeit die Entfaltung der Begabungen und Talente der menschlichen Natur ermöglicht werde. Er gehe davon aus, dass der Tag, an dem allen Menschen ungeachtet ihrer Hautfarbe, Sprache oder Ethnie ihr Recht garantiert werde, sehr nah sei.

Zwei Tage später überschrieb die englischsprachige Tageszeitung „Iran Daily“ einen Artikel, in dem von dem Treffen berichtet wurde, mit „Capitalists Behind West’s Economic Crisis“ (Kapitalisten verantwortlich für die Wirtschaftskrise des Westens).


Ahmadinedschad erhält Ahmadinedschad-Poster

Im Rahmen des Treffens erhielt der iranische Präsident ein Poster mit dem Titel „Beispielhafter Christ“, das im Sommer 2011 beim evangelischen Kirchentag in Dresden auf einem Stand der Arbeiterfotografie unter dem Motto „Die Rolle der Feindbilder - sie sind Teil der Kriege - wir nehmen sie unter die Lupe“ gezeigt worden war und dort zu erregten Diskussionen geführt hatte.


Ahmadinedschad-Poster (arbeiterfotografie.com)


Im Sinne dieses Posters bedankte sich einer der Reiseteilnehmer bei Irans Präsident. Er sei einer der ganz wenigen hoch gestellten Politiker, die sich für Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Wahrheit einsetzen, der das Palästina-Problem durch Gerechtigkeit lösen wolle (nicht dadurch, dass Israel und die Juden vernichtet werden, wie die westlichen Medien es unentwegt behaupten), der herausfinden wolle, wer tatsächlich für die Operation 9/11 verantwortlich ist, und der Atomwaffen weltweit abschaffen und ächten wolle.


Der iranische Präsident mit dem überreichten Poster (Bild: president.ir)

 

„Arbeiterfotografie provoziert nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Handeln in der Auseinandersetzung“, schrieb der Theologe und Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes VVN, Prof. Heinrich Fink, gewissermaßen als Quintessenz in das beim Kirchentag ausliegende Gästebuch.


Die Provokation kommt an

„Tee beim Diktator“ war am 10.5.2012 ein Artikel in der „Jüdischen Allgemeinen“ überschrieben, als wäre der Autor dabei gewesen. Aber es gab keinen Tee. Und einen Diktator haben wir auch nicht getroffen, sondern einen vom Volk gewählten Präsidenten. Und – ähnlich wie in den USA tritt der Präsident nach spätestens zwei Amtsperioden ab. Das ist im Iran im Sommer des kommenden Jahres (2013) der Fall. Eine dritte Amtsperiode in Folge sieht die iranische Verfassung nicht vor.


Jüdische Allgemeine vom 10.5.2012 – Seite 2


Mit diversen Unwahrheiten soll die Reise in „Feindesland“ diskreditiert werden. Die Rede ist von „einem Tête-à-Tête mit dem Mann, der Israel von der Landkarte streichen möchte und Homosexuelle steinigen lässt“. Der Wahrheitsgehalt der ersten Behauptung ist vielfach untersucht und belegt worden. Ob der Wahrheitsgehalt der zweiten Behauptung höher ist, bliebe zu klären. Dass Darstellungen von so genannten Menschenrechtsorganisationen, die dem Artikel in der „Jüdischen Allgemeinen“ möglicherweise zugrunde liegen, mit Vorsicht zu genießen sind, haben wir im Teil 2 unseres Reiseberichts dargelegt. Dass der Präsident des Iran diejenige Instanz ist, die Urteile ausspricht und verhängen lässt, hat bislang noch kaum jemand verbreitet.

Besonders angegriffen wird der mitgereiste Delmenhorster FDP-Politiker Claus Hübscher. Die Volkshochschule und der Freundeskreis der Jüdischen Gemeinde haben sich von ihm infolge der entfachten bundesweiten Kampagne getrennt. Der Weser-Kurier lässt ihn unglaubwürdig erscheinen, indem er ihm unterstellt, nach gegenteiligen Äußerungen schließlich doch auf die verbreitete Position eingeschwenkt zu sein und formuliert zu haben: „Von seinen wiederholten Holocaustleugnungen, seiner Negierung des Existenzrechts und seinen Aufrufen zum Kampf gegen den Staat Israel distanziere ich mich in aller Deutlichkeit.“ Tatsächlich hat er aber - wie er uns gegenüber versicherte - zum Ausdruck gebracht, dass Ahmadinedschad ihm gegenüber eine Holocaust-Leugnung von sich gewiesen habe, er aber nicht alle Äußerungen von ihm kenne. Und wenn Ahmadinedschad jemals doch eine solche Äußerung gemacht haben sollte, distanziere er sich davon.

Ein hagalil-Artikel behauptet, „der Ex-NPDler und heutige Pro-Kölner Andreas Molau“ würde bei „Muslim-Markt" schreiben und zielt damit auf Yavuz Özuguz, den Betreiber dieser website und Organisator der Iran-Reise. Das ist üble Verunglimpfung. Es ist richtig, mit Molau ist bei „Muslim-Markt" ein Interview geführt worden – aber wie! Äußerst distanziert und mit dem abschließenden Statement: „..wenn die Inhalte in extremen Maß unseren Widerspruch finden, so erachten wir es dennoch als hilfreich, wenn die Gegensätze deutlich werden und Muslime Ihre Einstellungen besser kennen lernen, damit manche verklärte und auf Unwissenheit beruhende Fehleinschätzung vermieden werden kann.“

In diesem Stil gibt es zahllose Beispiele. Mit allen nur erdenklichen Mitteln wird versucht, die Reiseteilnehmer zu diskreditieren. Damit wird klar: die Reise mit dem Treffen bei Irans Präsident war genau das richtige Signal. Es weist in Richtung Abbau von Feindbildern, in Richtung Frieden.

 



zum Originalbeitrag auf der Webseite arbeiterfotografie.de - klick hier

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