Eingemauert im Ghetto der "Auschwitz-Grenzen"

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Verbunden: 18.06.2012 - 19:17
Eingemauert im Ghetto der "Auschwitz-Grenzen"
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Kommentar vom "Hochblauen"


Eingemauert im Ghetto der "Auschwitz-Grenzen"


Von Evelyn Hecht-Galinski


Wie krank muss eine Gesellschaft sein, die Politiker gewählt hat, die den Rückzug aus dem besetzten Westjordanland und die Anerkennung auf die international anerkannten Grenzen von 1967 mit den "Auschwitz Grenzen" gleichsetzen? So geschehen am 2. Januar 2014 während einer Tour und Einweihung neuer Wohneinheiten der Siedlung Gitit im Jordantal. Dort sagte der stellvertretende israelische Außenminister Ze`ev Elkin, dass die Grenzen von 1967 die "Auschwitz Grenzen" sind. Auf dieser Veranstaltung während der Jordantal-Tour, an der verschiedene Minister und Parlamentarier teilnahmen, u.a. auch der Innenminister Gideon Sa`ar, betonte Elkin, das Jordantal müsse "für immer" unter israelischer Oberhoheit stehen.
 
"Hier und jetzt sagen wir als Likud, in einer Siedlung, die Likud baute, laut und deutlich, sie werden für alle Ewigkeit hier bleiben und immer unter israelischer Herrschaft." Elkin fügte hinzu, für alle die immer neue Vorschläge machen, um Israelis zum Rückzug auf die Grenzen von 1967 zu zwingen, gebe es nur eine Antwort, nämlich dieselbe vom damaligen Außenminister Abba Eban, die Grenzen von 1967 wären "die Auschwitz-Grenzen (Borders)"! Elkin fügte hinzu, die einzige Likud-Antwort zu diesen Vorschlägen sei, "Nein! Die Sicherheit für Israels Bürger ist Israels vitales Interesse und jeder, der das Jordantal aufgibt, verwandelt Kfar Sava in Sderot."
 
All das geschah nur Stunden vor der erneuten Landung von US-Außenminister John Kerry in Israel, um sich mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu treffen (s. Foto aus 2013) und um ein "Rahmenabkommen" zwischen Israel und den Palästinensern zu erreichen. Wie lange will man uns diese Farce des "Friedenstheaters" eigentlich noch in den Medien verkaufen? Eine regierende Likud-Regierung, ein rassistisch-faschistisches Kolonial- und Besatzerregime, das gerade noch am 30. Dezember pünktlich vor dem Wechsel von 2013 zu 2014 einen Gesetzentwurf beschloss, der die Annektion des Jordantals vorsieht, um die militärische Oberherrschaft für die "Sicherheit des jüdischen Staates" zu gewährleisten.
 
Immer wieder suggeriert man uns, dass die sogenannten Friedensverhandlungen, die diesen Namen ja überhaupt nicht verdienen, von zwei gleichen Partnern geführt werden. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Hier verhandelt "Goliath", der Besatzer, mit "David", dem Besetzten. Wie kann man diese Verhandlungen eigentlich noch rechtfertigend kommentieren? Weder die USA noch die EU und besonders Deutschland erweisen sich als ehrliche Makler. Ganz offensichtlich wird immer wieder die "christlich/jüdische" Wertegemeinschaft bevorzugt und unterstützt. Wie kann man sonst verstehen, dass diese neue Vorbedingung des israelischen Regimes auf Anerkennung als "jüdischer Staat" zur Bedingung in den Rahmenvertrag von den USA übernommen wurde? Auch der Koalitionsvertrag der neuen GroKo in Deutschland hatte diese Formel sofort übernommen.

  • Wie ist es möglich, dass sich auch die angepassten Duckmäuser in das neue Koalitionsdenken so eingefügt haben?
  • Sie posaunen ihre Gedanken über die Springer-Presse hinaus,
  • sie verraten ihre Wähler und treten die soziale Gerechtigkeit mit Füßen,
  • sie unterstützen die Kriegseinsätze Deutschlands und
  • sie sorgen sich um die "Deutsch-Amerikanische Freundschaft" in Abhörzeiten.

So gesehen darf sich das israelische Regime entspannt zurücklehnen und Israels Außenminister Avigdor Lieberman schon auf den Besuch seines deutschen Kollegen Steinmeier freuen.
 
Dazu passt auch, dass sich derzeit in Deutschland ein Verein namens "Siedlungspolitik e. V. i. G. - Aufklärung und Bildung über die israelische Siedlungspolitik" entwickelt, dessen einziger Zweck darin besteht, die jüdischen Siedlungen, die Siedlungspolitik und die Rechte der Siedler in Deutschland als "koscher zu verkaufen". In diesem Verein sollen laut dem unter Impressum & Kontakt als "verantwortlich im Sinne des Presserechts" genannten Yoav Sapir "Akademiker, Deutsche und Juden" Mitglieder sein. Normalerweise könnte man sagen: Na ja, ein weiterer unnötiger Verein, aber interessanterweise wurde dieser Verein, wie Sapir erklärt, schon von der Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen!
 
Es wäre mehr als wünschenswert, wenn sich besonders Parteimitglieder mehr über ihre jeweiligen Stiftungen und deren Aktivitäten informieren würden. Auch der deutsche Steuerzahler ist gefragt, denn schließlich werden hier auch Gelder zweckentfremdet! Sollte das stimmen, wäre es wieder einmal ein Beispiel von einer von Steuergeldern getragenen Stiftung der "guten alten SPD", die damit tatsächlich die übelste Ausprägung eines modernen Kolonialregimes unterstützt. Willy Brandt, der letzte "sozialdemokratische" Kanzler, dürfte deshalb im Grabe rotieren! Manchmal kann es einem so vorkommen, als ob Israel inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist, mit dem Hinweis von Kanzlerin Merkel, die Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson übernommen hat.
 
Dieses ganze Friedenstheater hat doch nur ein Ziel, nämlich die Unterstützung der täglichen Menschenrechtsverletzungen der IDF, die immer stärker dazu übergeht, palästinensische Kinder und Jugendliche zu verhaften, zu foltern und zu misshandeln. Über diese traurigen Fakten berichtete die israelische Menschenrechtsgruppe PCATI (The Public Committee Against Torture) in Israel. Und alles das geschieht, um von dem ausufernden Landraub des "jüdischen Staates" abzulenken" und diesen zu legitimieren - alles ganz legal mit Hilfe der USA und des "Friedensnobelpreisträgers" Europäische Union!
 
Machen wir uns nichts vor! Es gibt weder einen "liberalen Zionismus“ noch einen "legitimen Besatzer". Es gibt auch keine Aussicht auf eine "Zwei-Staaten-Lösung". Ich las in diesem Zusammenhang einen mehr als interessanten Artikel von David Lloyd, einem Professor der Universität von Kalifornien, Riverside, aus dem ich einige Gedanken aufgegriffen habe. Fragen wir uns also doch vielmehr, warum bezeichnet sich Israel ständig "als einzige Demokratie im Nahen Osten"? Diese Behauptung wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer! Ein Besatzerstaat, der nur eine Demokratie für seine jüdischen Bürger ist, Palästinenser und "Nicht-Juden" aber diskriminiert und diesen die fundamentalen Rechte einer wirklichen Demokratie verweigert, muss natürlich den Anspruch für eine Demokratie gehalten zu werden, ständig wiederholen. Israel beansprucht für sich und seine jüdischen Bürger immer Ausnahmen und Sonderrechte,  die in der Anerkennung als "jüdischer Staat" gipfeln. Kann es wirklich Sonderrechte für einen Staat geben, der seit seiner Gründung Diskriminierung, Ausschluss und ethnische Säuberung als Politik betreibt? Vergessen wir nicht, dass Diskriminierung eine Anomalie der Anwendung des jüdischen Rechtssystems im "jüdischen Staat" ist.

Wie kann ein Staat demokratisch sein, der seinen NICHT-jüdischen Bürgern alle Rechte vorenthält, dagegen alle Juden in "ihre Heimat"(!) "Erez Israel – Groß-Israel" heimkehren lässt, sie sogar immer mehr durch gezielte Hasbara-Arbeit lockt, "in das gelobte Land heimzukehren", während er den legitimen Ureinwohnern, den Palästinensern, dieses legale Rückkehrrecht verweigert? Stichwort "ezrahut", Bürgerschaft für ewig, gegen "le`um", die Kategorie von Nationalität als Jude und Recht auf Rückkehr und Landbesitz. Nein die Palästinenser, die in ihre geraubte Heimat zurückkehren wollen, sind KEINE IMMIGRANTEN.
 
Der Ausschluss von allen palästinensischen "Bürgern" in Israel wird fortwährend gehandhabt, indem man Palästinenser/innen, die einen Partner geheiratet haben, der nur ein paar Kilometer entfernt im besetzten Westjordanland lebt, das Recht auf eine Familienzusammenführung verwehrt. Ist die palästinensische Forderung an Israel nach Anerkennung der fundamentalen Rechte als palästinensische Bürger so sonderbar oder verabscheuungswürdig? Diese palästinensischen Flüchtlinge sind eben keine Immigranten oder Eindringlinge, sondern Opfer der Nakba oder z.B. ehemalige Bewohner des Dorfes Issawiyeh, auf dessen Gelände heute das "Rabin Gebäude" der Hebräischen Universität steht. Oder sie wurden bei Staatsgründung und Zerstörung des Dorfes von Sheikh Muwannis deportiert, wo heute die Universität Tel Aviv steht.

 


Noch schlimmer steht es um das annektierte Ost- Jerusalem, wo dessen palästinensische Bewohner unter der "demokratischen" israelischen Gesetzgebung ihre Häuser verlieren, oder wo diese von jüdischen Siedlern demoliert oder "legal" enteignet werden - alles unter den Augen "der einzigen Demokratie im Nahen Osten"! In welchem anderen Staat würde dieses Ansinnen als Destruktion des Staates oder als diskriminierend gegenüber der (jüdischen) Mehrheit angesehen werden? Dazu fällt einem nur das Apartheid-Südafrika ein, oder Nordirland während der schlimmen Zeit, als Protestanten einen Staat für protestantische Bürger wollten und Katholiken, die eine Bewegung der Forderung für gleiche Rechte gründeten und mit staatlicher Ablehnung und Gewalt konfrontiert wurden.

  • Wie lange frage ich also, kann sich ein Regime noch halten, das auf Besatzung, Privilegien für Juden und Ungleichheit für Nicht-Juden setzt? Alle machen sich schuldig, die dieses Besatzerregime weiter so vorbehaltlos unterstützen.
  • Wann werden auch jüdische Bürger in der Diaspora so weit sein und sich nicht mehr in das "Ghetto der Auschwitz-Grenzen einbinden lassen?
  • Wann werden sich auch und gerade jüdische Bürger dagegen wehren, sich ständig mit der Holocaust-Instrumentalisierung durch israelische Politiker oder jüdische Funktionsträger konfrontiert zu sehen?
  • Wann werden sich jüdische Bürger weltweit, auch in den USA, endlich dazu bekennen, in Israel Demokratie und nicht Unterdrückung und Besatzung zu unterstützen?

Warum sollte man auch die BDS-Bewegung so vehement unterstützen?

Weil sie sich für die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge einsetzt, die zurück aus der Vertreibung in  ihre Häuser und ihr Land wollen, die ihr Eigentum zurückhaben wollen und eine gleiche Behandlung als gleichberechtigte Rückkehrer. Die Bewegung BDS setzt sich dafür ein, dass den palästinensischen Flüchtlingen dieselben Rechte zustehen wie allen anderen jüdischen Bürgern in Israel und Palästina. Sie will Israel verpflichten, seine bevorzugte Flüchtlingspolitik gegenüber den jüdischen Einwanderern aufzugeben. BDS ist eines der wichtigsten Instrumente, die wir alle im Kampf für Gerechtigkeit und gegen die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel haben. BDS ist wirksam und muss sich auf alle Bereiche der Waren und der Zusammenarbeit erstrecken, damit der "jüdische Staat" zu einem demokratischen Staat für alle seine Bürger wird, egal ob Palästinenser, Beduine, Christ oder Moslem, ob säkular oder religiös, eben gleich für alle Bürger.

NEIN zu einem kolonialen Siedlerstaat!

Diesen Traum habe ich für 2014!

Evelyn Hecht-Galinski
 



► Diesen Kommentar habe ich heute erstmals bei NRhZ-Online veröffentlicht.

► Bildquellen:

1. US-Außenminister John Kerry und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, 2013. Foto: U.S. Department of State - Quelle: Wikipedia Commons, das Foto ist in public domain.

2. Israelische Soldaten schikanieren und verhaften palästinensische Jugendliche.

3. Palästinensische Flüchtlinge verlassen Galiläa, 1948. Als Nakba oder an-Nakba, deutsch Katastrophe oder Unglück, wird im arabischen Sprachgebrauch die Flucht und Vertreibung von etwa 700.000 arabischen Palästinensern aus dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina, das zu einem Teil am 14. Mai 1948 als Staat Israel seine Unabhängigkeit erlangte, bezeichnet. Der UN-Teilungsplan für Palästina sah die Gründung eines jüdischen Staates vor, der mehr als die Hälfte des Mandatsgebiets ausmachen sollte. Der Exodus der arabischen Bevölkerung begann während des arabisch-jüdischen Bürgerkriegs, der der Annahme des UNO-Teilungsplans im November 1947 folgte. Er setzte sich im unmittelbar nach der Erklärung der Unabhängigkeit des Staates Israel von den arabischen Staaten begonnenen arabisch-israelischen Krieg fort. Aus israelisch-jüdischer Sicht, der sich die meisten westlichen Staaten angeschlossen haben, werden die Kriege als „israelischer Unabhängigkeitskrieg“ bezeichnet. Die Gründe, die zur Flucht von rund der Hälfte der arabischen Bevölkerung des seinerzeitigen britischen Mandatsgebietes Palästina führten, waren umstritten. Nach den eindeutigen Forschungsergebnissen der israelischen Historiker Benny Morris (der das israelische Militärarchiv ausgewertet hat und der das israelische Vorgehen verteidigt) und Ilan Pappe, ist klar, dass es sich um eine ethnische Säuberung durch das israelische Militärs gehandelt hat. Dabei wurden palästinensische Städte und Dörfer zerstört und Palästinenser zur Abschreckung getötet.

Foto: Fred Csasznik. Front cover of The Birth of the Palestinian Refugee Problem by Benny Morris Quelle: Wikipedia Commons. This work or image is now in the public domain because its term of copyright has expired in Israel.