ERST ZYPERN, BALD LUXEMBURG?
Mir wëlle bleiwe wat mir sinn
Das hätten Sie gern, die Luxemburger Unternehmen unter der Regierung von Jean-Claude Juncker: Bleiben was wir sind! (Mir wëlle bleiwe wat mir sinn ist das nationale Motto des Zwergstaates). Und was würde das Land gern bleiben? Ein Banken- und Steuerparadies. Ein Land mit 149 Banken für eine habe Million Einwohner. Zum Vergleich: Die Stadt Düsseldorf mit ihrer knappen halben Million Einwohner beherbergt 36 Banken. Und natürlich sind die Banken in Luxemburg mehrheitlich Niederlassungen ausländischer Institute, unter ihnen mehr als 40 aus Deutschland. So leistet sich das Land einen Banken-Sektor, der nahezu 22-mal so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes. Ein Wert, der die unverhältnismäßigen und gescheiterten Proportionen in Zypern weit übertrifft.
"Es stört mich," sagte der Luxemburger Regierungschef dem ZDF, "wenn man so tut, als ob die Art und Weise, wie das Zypern-Problem zu lösen versucht wurde, als Blaupause für zukünftige Rettungspläne gilt". Zu lösen versucht wurde: Dieses Zitat darf man als Untertreibung des Jahres ansehen. Denn der Kern der Zypern-Misere liegt im Niedrig-Steuersatz von zehn Prozent. Ein paradiesischer Satz, der Spekulanten-Geld aller Art angezogen hat. Und Luxemburg, das weiß Jean-Claude Juncker, ist davon nicht weit entfernt: Die Nichtregierungs-Organisation "Tax Justice Network" schätzt, dass 13 Prozent des Geldes, das weltweit in Steueroasen versteckt ist, in Luxemburg lagert. Da könnte eine zypriotische Blaupause schnell zum Bankrott des Großherzogtums führen. Und wenn die EU auch noch dessen 149 Banken retten wollte, müsste die Notenpresse ihren bisherigen Geschwindigkeitsrekord deutlich übertreffen.
Erst jüngst fiel Luxemburg unangenehm auf, als bekannt wurde, dass die Firma "Amazon" in den letzten Jahren rund zwei Milliarden Steuern gespart hat: Durch einen Firmensitz in Luxemburg. Denn dort müsste man eigentlich die in der EU üblichen rund 30 Prozent Steuern zahlen. Aber das es sich bei "Amazon" um den Handel mit "geistigem Eigentum" handele, fallen weniger als sechs Prozent an. Wie "Amazon" und die luxemburgische Steuerbehörde Rasierer, Fotoapparate und Klamotten, alles Produkte des Versandhändlers, zu "geistigen Eigentum" hat deklarieren können, bleibt deren Geheimnis. Kein Geheimnis ist, dass die mehr als 3500 Investmentfonds, die in Luxemburg ihren Sitz haben, von Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer und Vermögenssteuer befreit sind. Die Fonds verwalteten Anlagegelder in Höhe von rund 2 Billionen Euro. Damit ist Luxemburg der größte Fondsstandort Europas, weltweit belegt er hinter den USA den zweiten Platz.
Der STEUER-SCHUTZBRIEF ein zentrales Organ des Steuervermeidungs-Wesens, schreibt über Luxemburg:
"War es vor gar nicht allzu langer Zeit noch die Schweiz, die Privatpersonen und Unternehmer gleichermaßen anzog, so ist es nun Luxemburg, das mit attraktiven neuen Rahmenbedingungen um Zuzügler wirbt. Luxemburg hat seit dem 1. Januar 2006 mit neuen Regelungen hervorragende Standortbedingungen geschaffen. Seit dem 1. Januar 2006 gilt für Privatpersonen eine so genannte 10-prozentige Abgeltungssteuer auf Zinserträge. Die Vermögenssteuer wurde gänzlich abgeschafft. Weitere steuerliche Vorteile: Erbschaften in direkter Linie werden nicht besteuert; Spekulationsgewinne dürfen nach einer sechsmonatigen Haltefrist steuerfrei eingestrichen werden."
Aber Jean-Claude Juncker ist ein ehrenwerter Mann, lange Zeit Chef der Euro-Gruppe, Träger des deutschen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband, Träger des Karls-Preises, der dann auch die Laudatio auf Wolfgang Schäuble hielt, als der den Preis abfasste.
Es ist einer der Geburtsfehler der Europäischen Union, dass sie die ungleichen sozialen und ökonomischen Bedingungen der Mitgliedsländer nicht nur hinnahm, sondern sie zuweilen sogar verschärfte: Luxemburg war keineswegs immer ein Steuer-und Banken-Paradies. Auch wenn die seltsame Truppe von Nichtswissern um Frau Merkel und Herrn Schäuble so tut, als sei die Euro-Krise vorbei, als hätte sie ein Rezept zur Beendigung des Banken-Taumelns: Sie irrt sich. Der Euro-Raum darf nicht "bleiwe wat mir sinn". Spätestens wenn die Steuer-Oase Malta, noch vor Luxemburg, den Offenbarungseid leisten muss, beginnt die nächste Runde.
Ulrich Gellermann
Quelle: RATIONALGALERIE > Artikel vom 02.04.2013
Lieber Uli
bei J-C Juncker, stellvertretend für die EU-Macher der ersten Stunde, verweise ich immer gerne auf seine bereits 1999 getätigte Aussage:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter, Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.”
Quelle: Jean-Claude Juncker als „Macher im EU-System” im Spiegel 52/1999 (Titel „Die Brüsseler Republik“) – hier bitte weiterlesen
Damit bescheinigt er – nicht zu Unrecht – der großen Masse der zumeist "braven obrigkeitsgläubigen" EU-BürgerInnen eine sehr beschränkte Aufnahmefähigkeit, ein kleines Maß an Verständnis, einen gravierenden Mangel an kritischem Hinterfragen und zugleich eine große Vergesslichkeit.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Lesehilfe:
Die Statistik zeigt die Staatsverschuldung von Zypern von 2003 bis 2013. Die Angaben beziehen sich auf den Gesamtstaat und beinhalten die Schulden des Zentralstaats, der Länder, der Gemeinden und Kommunen sowie der Sozialversicherungen. Im Jahr 2012 betrug die Staatsverschuldung Zyperns geschätzt rund 15,5 Milliarden Euro.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Lesehilfe:
Die Statistik zeigt die Staatsverschuldung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im 3. Quartal 2012 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Angaben beziehen sich auf den Gesamtstaat und beinhalten die Schulden des Zentralstaats, der Länder, der Gemeinden und Kommunen sowie der Sozialversicherungen. Im 3. Quartal 2012 betrug die Staatsverschuldung von Griechenland 152,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
In der Online-Ausgabe der Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 15. Januar 2013 ist ein Artikel unter dem Titel "Luxemburg wegen versteckter Schulden gefährdet" folgendes zu lesen:
"Eine neue Facette der Verschuldung in Europa ergibt sich, wenn man auch die verdeckten Schulden einbezieht. Demnach steht Luxemburg wegen des großzügigen Rentensystems so schlecht da wie kaum ein anderes Land der Euro-Zone. Nur Griechenland liegt noch hinter Luxemburg".
hier weiterlesen
@ Uli
Was ist eigentlich mit Liechtenstein? Ist das in der Eurozone? Und Monaco? Ist denn eigentlich der Vatican noch sicher? Und San Marino? Und Andorra?
Ich befürchte, ich muss umschichten, vielleicht auf die Kanalinseln? Sprich doch mal Klartext, Du Orakel!
@ Wolfgang
Nach Auskunft von "attac" sollte man sein Schwarzgeld schleunigst nach Delaware (USA) bringen:
"Der US-Bundesstaat Delaware (hier besonders die Stadt Wilmington) gilt als derzeit größte Steueroase. Hier unterhält die Deutsche Bank ein Fünftel ihrer gesamten Aktivitäten. Die Steuern sind äußerst niedrig und es bestehen keinerlei Veröffentlichungspflichten für Unternehmen, die zudem mit nur einem Geschäftsführer und ohne Grundkapital gegründet werden können. Diese Voraussetzungen führen zu absurden Ergebnissen, etwa dass in dem Bürogebäude 1209 North Orange Street in Wilmington mehr als 200.000 Unternehmen "sitzen" bzw. ihren Briefkasten haben."
Hinzu kommt, dass die USA über eine Armee verfügen, die ausländische Steuerfahnder und Schwarzgeldsucher abschrecken dürfte. Fröhliches Umschichten.
Monaco, Liechtenstein, Andorra, Kanalinseln, Delaware ??
Unser ex-Finanzminister und aktueller SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte doch 2009 Burkina Faso als steuerpolitischen "Schurkenstaat" in einem Atemzug mit der Schweiz, Österreich etc. geoutet und damit fast eine diplomatische Krise ausgelöst. Also ich empfehle allen besorgten Besitzern von Schwarzgeld eine Umschichtung nach Ougadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso.
Ouaga, wie es umgangssprachlich oft genannt wird, hat die afrikanischen Filmfestspiele und Millionen von offenbar selbstmordsüchtigen Mopedfahrern, die mit ihren knatternden "Mobilettes" den Straßen einen Anschein von Quirligkeit verleihen. Die Hauptstadt ist außerdem Dienstleistungsmetropole des Landes als Sitz von Banken, Versicherungen und Medien. Dort wurde 2003 auch das neue Stadtwappen vorgestellt. Es umfasst neun Elemente: ein Pferd, ein Rückenschild, eine aufgehende Sonne, Wasser, eine Kette, eine Hirseähre, einen Baumwollzweig, eine Fahne und die Devise: "Waogdg ra yees beoogo" – zu deutsch: "Fürchte nicht die Zukunft".
Na wenn das alles nicht vertrauenserweckend ist, wo bitte soll dann Schwarzgeld noch sicher sein?
Hab mir auch schon überlegt, ob man Schwarzgeld deshalb "Schwarz“geld nennt, weil es vielleicht ursprünglich eine afrikanische Währung war? Schliesslich liegt der Ursprung des Menschen ja auch auf dem "Schwarzen" Kontinent.