Experimentierfeld Afghanistan - Zehn Jahre Krieg und kein Ende in Sicht

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Helmut S. - ADMIN
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Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Experimentierfeld Afghanistan - Zehn Jahre Krieg und kein Ende in Sicht
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Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. aus Tübingen arbeitet seit 1996 in einem breiten Spektrum friedenspolitischer Themen mit einem starken Fokus auf Deutschland und seine Rolle in der Welt.

Das Ziel des gemeinnützigen Vereins ist es, mit Analysen und Informationen einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten. Die IMI versteht sich dabei als ein Mittler zwischen der Friedensbewegung und der wissenschaftlichen Bearbeitung von Konflikten und Konfliktkonstellationen durch die Wissenschaft.

Im November 2011 haben die Autoren Micheal Haid, Jonna Schürkes und Jürgen Wagner eine umfangreiche Broschüre herausgegeben, von der ich Euch hier vorab die Einleitung als kleine Leseprobe anbiete:




Experimentierfeld Afghanistan - Zehn Jahre Krieg und kein Ende in Sicht

 

Zehn Jahre nach seinem Beginn liegt das sorgsam um den Afghanistan-Krieg herum gebaute Lügengebäude in Trümmern: Was dem größtenteils passiv-ablehnenden westlichen Publikum als „bewaffnete Entwicklungshilfe“ verkauft wurde, entpuppt sich mehr und mehr als brutale Aufstandsbekämpfung. Der afghanischen Bevölkerung, der blühende Landschaften versprochen wurden, hat der Krieg unsägliches Leid gebracht.

Mittlerweile ist eine beängstigende Eskalationsspirale in Gang gesetzt worden, die zur Folge hat, dass die Intensität der Kampfhandlungen jährlich zunimmt. Im ersten Teil dieser Broschüre soll deshalb dargestellt werden, dass es die westliche Kriegspolitik ist, die hierfür die maßgebliche Verantwortung trägt: Die rücksichtlose Durchsetzung geostrategischer und ökonomischer Interessen, die Brutalisierung der westlichen Kriegsführung, die Etablierung einer autoritären Fassadendemokratie sowie der neoliberale Umbau des Landes und die Verarmung der Bevölkerung.

Das sind die maßgeblichen Faktoren, die zur Eskalation des Krieges geführt haben. Die westlichen Truppen sind Teil des Problems und nicht die Lösung für die Probleme der afghanischen Gesellschaft – sie müssen sofort aus dem Land abgezogen werden.

Dies scheint aber eine der wenigen Optionen zu sein, die von westlicher Seite nicht in Betracht gezogen wird. Alle gegenwärtigen Planungen deuten darauf hin, dass der Krieg noch viele Jahre – auch über das angebliche Abzugsdatum 2014 hinaus – fortgesetzt werden wird. So stellte der neue Oberkommandierende der NATO für Afghanistan, John Allen, Anfang Oktober 2011 unmissverständlich klar: „Der Plan ist es, zu gewinnen. Der Plan ist, erfolgreich zu sein. Und deshalb werden wir, auch wenn einige Leute meinen zu hören, wir würden 2014 abziehen, […] tatsächlich noch für eine lange Zeit dort bleiben.“ Der Grund hierfür liegt vor allem darin, dass ein „Scheitern“ in Afghanistan es der NATO nahezu unmöglich machen würde, künftig ähnlich gelagerte Einsätze zur Unterwerfung renitenter Staaten und zur Durchsetzung eigener Interessen durchzuführen. Ronald Naumann, bis 2007 US-Botschafter in Afghanistan, bringt das Dilemma der NATO-Strategen auf den Punkt: „Die NATO ist die fundamentale Verpflichtung eingegangen, in Afghanistan zu gewinnen. Und entweder wird sie gewinnen, oder sie wird als Organisation scheitern.“

Deshalb werden krampfhaft Mittel und Wege gesucht, um den Einsatz auf Biegen und Brechen doch noch „siegreich“ beenden zu können. Statt aus der erschreckenden Eskalationsspirale die einzig richtige Schlussfolgerung zu ziehen und abzurücken, wird per „Versuch und Irrtum“ ein Konzept nach dem anderen erprobt, um Afghanistan doch noch unter Kontrolle zu bekommen: „Seit Ende 2001 stochert die internationale Gemeinschaft im Nebel, probiert aus, erleidet Rückschläge und kann nur darauf hoffen, dass eine Änderung in ihrer Strategie endlich doch noch zum Erfolg führt. Vielleicht noch schlimmer: Unter Umständen würde sie den Erfolg gar nicht erkennen.

Anfang Dezember 2011 steht der nächste wichtigste Termin an, an dem die „internationale Gemeinschaft“ beabsichtigt, weiter an der Zukunft Afghanistan herumzuexperimentieren.

Zehn Jahre nach den fatalen Entscheidungen der ersten Konferenz auf dem Bonner Petersberg, sollen dort erneut die Weichen für die weitere westliche Kriegspolitik gestellt werden. Im zweiten Teil der Broschüre sollen deshalb die derzeitigen Konzepte vorgestellt werden, mit denen auf dem „Experimentierfeld Afghanistan“ versucht wird, den Aufstand niederzuschlagen. Die dabei zur Anwendung kommenden Strategien – der Aufbau lokaler Repressionsorgane und die zivil-militärische Aufstandsbekämpfung – sollen nach gegenwärtigen Planungen auch bei anderen künftigen Einsätzen zur Anwendung kommen, und zwar obwohl sich die katastrophalen Auswirkungen dieser Konzepte bereits heute abzeichnen.

Der Afghanistan-Krieg ist somit ein wesentlicher Faktor, der zu einer weiteren  Militarisierung von Politik und Gesellschaft führt. Dies gilt insbesondere für Deutschland, wo der Afghanistan-Einsatz zum Ausgangspunkt für eine dramatische „Enttabuisierung des Militärischen“ (Gerhard Schröder) geworden ist.

Eine aktuelle Bilanz, was zehn Jahre Afghanistan-Krieg „bewirkt“ haben, fällt dementsprechend ernüchternd aus: „Das Übergewicht des Militärischen dürfte in der deutschen Außenpolitik auch in Zukunft spürbar werden. Die Wehrpflicht ist abgeschafft, die Bundeswehr soll eine professionelle Armee aus effizienten, hoch gerüsteten Kämpfern werden. Man will sich vorbereiten auf die nächste Intervention. Denn die kommt bestimmt. Wozu diese Armee dienen wird, welche Interessen sie verfolgen soll, ob sie erreichbar sind, in welches Verhältnis Deutschland mit dieser unübersichtlichen Welt treten will – auf all diese Fragen gibt es keine Antwort, genauso wenig wie es während der zehn Jahre Afghanistan darauf schlüssige Antworten gab.“

Dennoch wird weiter suggeriert, es gäbe diese schlüssigen Antworten. Deshalb soll im dritten Teil der Versuch einer Einschätzung unternommen werden, wie sich die Lage in Afghanistan weiterentwickeln wird. Leider deutet dabei vieles darauf hin, dass dem Land und seiner Bevölkerung eine düstere Zukunft bevorsteht. Ein wesentlicher Faktor um dies abzuwenden wäre ein sofortiger Abzug der westlichen Truppen, was auch die Kernforderung der Proteste gegen die Petersberg-Konferenz im Dezember 2011 darstellt.


Diese Broschüre soll dabei einen Beitrag zur Mobilisierung leisten, denn von allein werden die Herrschenden nicht von ihrer Kriegspolitik abrücken.[...]



Den äußerst informativen Text dieser Broschüre könnt Ihr gratis von der IMI-Seite heruntergeladendazu bitte hier klicken

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