Freie Menschen in Freien Vereinbarungen: Gegenbilder zu Markt und Staat
AutorInnen der ersten Auflage: Gruppe Gegenbilder. Zweite Auflage überarbeitet und ergänzt von Jörg Bergstedt
Verlag: SeitenHieb-Verlag (überarbeitete 2. Aufl. Januar 2012) zur Verlagsseite – klick
ISBN-13: 978-3-86747-005-6
Taschenbuch, 354 Seiten, 14,00 €
Die erste Auflage erschien im Jahr 2000. Die zweite Auflage ist ihr gegenüber kaum wiederzuerkennen. Denn neben einer zeitgemäßen Analyse von Herrschaftsverhältnissen über die klassischen Interpretationen in Klassen oder Hierarchien hinaus sind modernste naturwissenschaftliche Erkenntnisse in Überlegungen eingeflossen, worauf menschliches Dasein basiert und was sich daraus für Konsequenzen ergeben.
Die Kernessenz: Ob Soziologie, Quantenphysik oder Hirnforschung - überall lässt sich feststellen, dass dynamische Offenheit das Wesen nicht nur des Menschen, sondern der ganzen Natur ist. Reglementierte Gesellschaftssysteme, die Menschen mit Gewalt zur Einhaltung von Regeln der Vergangenheit zwingen, sind deshalb unmenschlich. Die Gedankengänge des Buches sind streng materialistisch - metaphysische Erklärungsnot tritt an keiner Stelle auf.
So bietet das dicke Werk mit seinen 354 Seiten genug Stoff für eine klare Absage an Herrschaft und für das Ringen um eine Zukunft jenseits von Markt und Staat. Konsequent hat der Verlag seine Reihe "Fragend voran" genannt - denn kein Gedanke ist für immer gültig. Alles Leben auf der Erde strebt, wenn es nicht durch Gesetze, Normen, Diskurse, Knüppel und Gefängnisse künstlich eingehegt wird, zu weiterer Entfaltung, zu mehr Komplexität und Vielfalt. Das wird auch für das Buch gelten, welches nur eine Zwischenstation zu neuen Ideen sein soll - und hoffentlich zu mehr Praxis.
► Inhaltsverzeichnis:
1 Intro: Inhalt ...............5
Vorweg ...............9
Worum geht es? ...............11
2 Grundlagen und Geschichte von Herrschaft Geschichte sozialer Organisierung ...............14
Soziale Organisation als Grundform menschlichen Lebens ...............14
Wer macht Geschichte? Was prägt die Gesellschaft? ...............17
Emanzipation: Das Herrschaftsförmige aus den Beziehungen verdrängen ...............22
Masse ... in Form gegossen: Wird aus Vielen Vielfalt? ...............29
Soziale Organisierung als Teil des Menschseins ...............29
Eine Menge von Menschen kann sehr unterschiedlich aussehen ...............29
In welcher Form leben wir? ...............38
Biologie und Kultur des Menschen bieten mehr ...............39
Plädoyer für Vielfalt ohne Hierarchie ...............40
Geschichte formaler Herrschaft ...............43
Normierung, Kontrolle und Sanktion im Wandel der Zeit ...............43
Was lange währt...: Die klassischen Formen formaler Macht ...............43
Neue Weltordnung: Modernisierte, formale Herrschaft ...............47
Erscheinungsformen institutionalisierter Macht ...............52
Kein ruhiges Leben ohne Verdrängung ...............56
Geschichte der Produktivkraft als ökonomische Unterdrückung des Menschen ...............57
Geschichtliche Entwicklung der Produktivkraft ...............59
Von der personal-konkreten zur abstrakten Vergesellschaftung ...............63
Ökonomische Zwänge, Abhängigkeit und Kapitalverteilung ...............66
Diskursive Herrschaft ...............70
Wie sich Traditionen, Normen und Wahrheiten einbrennen ...............70
Diskurssteuerung ...............73
Beispiele für Diskurssteuerung ...............74
Rollen und Zurichtung ...............81
Aufklärung: Demaskieren als Ziel ...............83
Wir, alle und die Stimmen des Ganzen ...............84
Repräsentation und Vereinnahmung ...............84
Schlussgedanke ...............88
3 Was sind Welt und Leben? ...............89
Der ewige Streit um Diesseits und Jenseits ...............90
Dynamische Materie in Selbstorganisierung ...............96
Materie im Wandel - an Beispielen ...............111
Wahrheit und Wahrnehmung ...............122
Was ist der Mensch? ...............137
Was prägt den Menschen? ...............137
Abhängigkeit, Geborgenheit, Losgelöstsein ...............148
Fluchten: Die Matrix der Geborgenheit ...............151
Statt Fluchten: Subjekt des eigenen Lebens werden ...............157
Selbstentfaltung ...............161
Egoismus als Antrieb ...............163
Wie geht's? ...............166
Was hindert uns? ...............172
Autonomie & Kooperation ...............177
Wo Eigennutz und Gemeinnutz sich gegenseitig fördern ...............177
Autonomie und Kooperation ...............179
Beziehungskisten: Auf die Art der Kooperation kommt es an ...............182
Voraussetzungen für „Autonomie und Kooperation" ...............186
Der Weg zu Autonomie und Kooperation ...............189
Mensch - Natur - Technik ...............191
Mensch und Natur ...............191
Natur und Natürlichkeit 194
Naturnutzung als Allianztechnologie ...............196
Technik: Heilsbringer, teuflisch oder einfach nur Werkzeug? ...............200
Forschung und Forschungsfreiheit ...............204
4 Strategien ...............207
Die Brücke von der Theorie zur Praxis ...............207
Heute beginnen, nie aufhören ...............208
Emanzipation und Selbstentfaltung als offener Prozess ...............208
Fragend schreiten wir voran ...............215
Mut zur Vision bei kritischer Reflexion 215
Horizontalität und offene Systeme ...............217
Räume, Kommunikation und mehr ohne Privilegien ...............217
Verhandeln ohne Regeln und Metaebenen ...............218
Worauf ist dann noch Verlass? ...............224
Anwendungsfelder ...............227
Koordinierung und Kooperation ...............231
Auf der Metaebene der Gesellschaft ...............231
Zentrale Steuerung ...............231
Demokratische Legitimation ...............232
Räte ...............233
Die übersehenen Problem aller Modelle: Eliten, Ressourcen, diskursive Macht ...............238
Perspektiven ...............241
Ökonomie ohne Zwang und Unterdrückung ...............243
Herrschaftsfrei wirtschaften ...............243
Eine andere Produktionswelt ist möglich! ...............247
Klarstellung: Emanzipation ist etwas anderes als (Neo-)Liberalismus ...............252
Möglichkeiten und Grenzen dezentraler Wirtschaftsformen ...............253
5 Praxis: Experiment, Aktion und Alltag ...............258
Demaskierung des Herrschaftsförmigen in Verhältnissen und Beziehungen ...............258
Herrschaft abwickeln ...............259
Aneignung und Austeilen 261
Beteiligungsmöglichkeiten ausdehnen, Hemmnisse abbauen ...............262
Utopien entwickeln, benennen und vorantreiben ...............264
Experimente und Anwendungsfelder ...............265
Aktion: Öffentlichkeit und Widerstand ...............267
Gemeingüter und frei zugängliche Ressourcen ...............268
Commons, Open Access und der kleine Unterschied ...............268
Organisationsformen ...............274
Hürden und Hemmnisse ...............275
Beispiele für Commons und Open Access ...............277
Streit: Organisierte Vielfalt und Antrieb für den weiteren Prozess ...............285
Anbahnung von Kommunikation und Kooperation ...............285
Orte schaffen und Methoden .erfinden" ...............288
Alitagstauglichkeit: Direkte Intervention üben ...............289
Umwelt und Ressourcen ...............291
Zentrale Steuerung oder Umweltschutz von unten? ...............291
Umwelt oder Mitwelt? ...............292
Flächen- und Rohstoffverbrauch ...............292
Fazit: Umweltschutz ist eine Machtfrage ...............296
Experimente und Aktionen ...............297
Über das Örtliche hinaus: Wie entsteht das Große? ...............300
Direkte und gesamtgesellschaftliche Kooperation ...............300
Beispiel Wasserversorgung ...............302
Energieversorgung ...............304
Beispiel Mobilität ...............307
Konversion: Das Neue aus dem Alten formen ...............308
Widerstand als utopisches Feld ...............310
Emanzipatorische Organisierung und Strategie ...............311
Widerstand ... ohne sich an Machtkämpfen zu beteiligen ...............316
Und was heißt das praktisch? ...............319
Wer schafft den Wandel? ...............325
Anhang: Glossar ...............326
Literatur ...............347
Bücher und Materialien ...............351
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Obwohl ich dieses Buch bisher nur überflogen habe, kann ich schon jetzt bestätigen, daß es wichtige Grundlage zur Natur des Menschen behandelt und daraus schlüssige Folgerungen zieht.
Bergstedt zeigt die Unterdrückungsmechanismen, das Funktionsschema und die Praktiken von Herrschaftsgesellschaft und damit auch unserer real existierenden marktradikalen und inhumanen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auf. Das Beste an diesem Buch sind jedoch die angebotenen Lösungsansätze und Strategien zur Schaffung einer gerechteren Welt unter Vermeidung der traditionellen Autoritäts- und Hierarchiemodelle.
Die Tatsache, daß die Betonung darauf liegt, daß dieses Buch streng materialistisch aus gerichtet ist und metaphysische Erklärungsnot nirgendwo auftritt, bringt mich jedoch zu einem – so glaube ich – berechtigten Einwand. Die Natur des Menschen ist nicht nur physisch sondern nur als Gesamtschöpfung einschließlich Körper, Geist, Psyche und Seele zu verstehen. Die Beweggründe für sein Verhalten entstehen außer bei der Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse ausschließlich durch (Unter-) Bewußtsein, Gedanken und Gefühle, so daß man behaupten kann, daß die Psychologie in Zusammenhang mit den sozialen Bedingungen vorwiegend das Verhalten der Menschen steuert. Und dort sind außer der einkommensabhängigen Komponenten nur nicht-materielle – also doch metaphysische – Ursachen maßgebend.
Für den Menschen sind sein Glaube, seine Gedanken und seine Vorstellungen genau so real und bestimmend wie das, was er gerade mit seinen Augen und den Sinnen bemerkt. Der weise Spruch „der Sinn des Lebens ist es zu leben“ ist zwar nicht falsch, weil es für mich sicher ist, daß man auch ohne Religion und Gott einen Sinn im Leben finden kann. Aber ich bezweifle doch sehr, daß bei einem Mensch, dessen Lebensinhalt einseitig strukturiert ist, der über Langeweile klagt und der deshalb ständig bemüht sein muß, Verdrängungsmechanismen in Gang zu setzen, Zufriedenheit aufkommen kann. Dieser Mensch lebt der Definition auch, aber er führt ein Schmalspurleben und sobald er dieses zu hinterfragen beginnt, wird er eine harte Bauchlandung durchmachen und der Gedanke an Fluchtreaktionen, um aus diesem frustrierenden Leben auszusteigen, bleiben nicht aus.
Peter A. Weber