Für die Freiheit des Denkens

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Helmut S. - ADMIN
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Für die Freiheit des Denkens
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Für die Freiheit des Denkens

von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann


Es ist nicht angenehm zu erkennen, einem übermächtigen, mit riesigen finanziellen Mitteln voll gepumpten Moloch gegenüberzustehen, der nur punktuell und zeitlich begrenzt getroffen werden kann, einen weit verzweigten, fast unüberschaubaren Apparat aus den Desinformationsorganen imperialer Staaten, PR-Unternehmen, NGOs, Nachrichtenagenturen, Medienunternehmen etc. vor sich zu haben, der sein Spiel auf eine Weise treibt, dass kaum jemand es bemerkt - auch große Teile all derjenigen nicht, die sich als "links" oder als Teil der Friedensbewegung verstehen.

Trotzdem oder gerade deshalb ist es unabdingbar zu erkennen, wie die Kräfte der Desinformations- und Desorientierungsapparate, also die Kräfte der Anti-Aufklärung operieren, mit welchen Strategien sie vorgehen: Diskreditierung von kritischen Gedanken, Schaffen von Spielwiesen, auf denen politisches Engagement erlaubt ist und gewürdigt wird, Schaffen von Tabuzonen, bei deren Betreten zugeschlagen wird, d.h. diejenigen, die es wagen, die verbotene Zone zu betreten, in inquisitorischer Weise abgestraft werden. Ein Phänomen, das zunehmend zu beobachten ist, ist das der Diskussionsverweigerung. Menschen fallen sich in den Rücken, indem sie plötzlich jede Kommunikation ausschlagen, weil sie den anderen in einer verbotenen Zone wähnen. Es erinnert an Aufzeichnungen einer jüdischen NS-Zeugin: Sie hatte als Kind Nachbarn, die sich ihr gegenüber wie Großeltern verhielten. Von einem Tag zum anderen wechselten sie die Straßenseite und sagten nicht einmal mehr "Guten Tag".


Umkämpfte Aufklärung

Es ist keineswegs so, dass die Kräfte der Anti-Aufklärung nur in den Organisationen und Medien zu finden sind, in denen sie zunächst zu vermuten wären, z.B. in Parteien wie der CDU oder bei Zeitungen oder Fernsehsendern aus dem Hause Springer. Nein, es ist fest davon auszugehen, dass diese Kräfte der Anti-Aufklärung ganz gezielt in den Parteien, Medien und Vereinigungen auch des linken Spektrums, also der potenziell kritischen Intelligenz ihr Unwesen treiben. Das ist bei einer großen Zahl von Organisationen zu beobachten. Wichtige Organe der Aufklärung sind in diesem Sinne umkämpft. Das wundert in keiner Weise, wenn man weiß, welche riesigen Summen von Staaten mit imperialen Gelüsten in das Geschäft der Desinformation und Desorientierung investiert werden.

Ein Beispiel für eine Spielwiese: Proteste gegen die so genannten Nazi-Aufmärsche sind gewissermaßen erlaubt. Sie finden breite Anerkennung. So wird viel Engagement in Aktivitäten mit Ventilfunktion gebunden. Ein Aktivist konnte nach einer der unzähligen so genannten Nazi-Aufmärsche (in Friedberg am 7.11.2009) schreiben: „Friedberg hat einen weiteren Punktsieg gegen die Nazis errungen...“ Doch das sind Siege auf (künstlich) geschaffenen Nebenschauplätzen. Sie sollen nicht verlassen werden. Und diejenigen, die zum Protest aufrufen, sollen als Demokraten, als die Guten erscheinen. Dass die NPD, die bei vielen Nazi-Aufmärschen dabei ist, geheimdienstdurchsetzt ist, ist bekannt. Wenn wir uns vorstellen, dass solche Parteien und Gruppierungen von den Diensten auch gesteuert sind, wird klar, auf welche Weise die Spielwiesen und ihre Regeln geschaffen werden. Dann wird klar, dass hier Feldversuche "in vivo" durchgeführt werden, die mitunter zu Bürgerkriegsszenarien ausufern und den Spielplanern wichtige Erkenntnisse bringen.

Zur Tabuzone, in die man unter Strafe nicht eindringen darf, wird alles, was außerhalb der erlaubten Spielwiese liegt.  Die Erkenntnis, dass die Gefahr nicht in erster Linie von den offen aufmarschierenden "Nazis" ausgeht, sondern von den etablierten Kräften in Regierungen und anderen "etablierten" Organisationen, soll ausgeblendet werden. Bildungsbürger bauen sich ihr "Glasperlenspiel" und wollen nicht sehen, dass die eigentlich gefährlichen Kräfte nicht offen mit dem Etikett "Nationalsozialist" oder "Nazi" über die Straße laufen. Sie verstecken sich hinter einem Schleier, den es zu lüften gilt. Denn hinter einem Schleier von Freiheit und Humanität verbergen sich diejenigen, die verantwortlich sind für die Planung und Führung von Kriegen mit hunderttausenden von Toten und für die Anwendung faschistischer Methoden.


Politik hinter der Politik

Unter der Politik der Oberfläche liegen meist knallharte Strategien, die für den Normalmenschen kaum sichtbar werden und die in der Regel als erschreckend und unvorstellbar abgelehnt werden. So erinnern die Bilder um die angeblich gefälschten Präsidentschaftswahlen im Iran 2009 an die manipulierten Bilder von Unruhen im April 2002 in Venezuela nach dem Umsturzversuch gegen die Regierung von Hugo Chávez. Der Privatsender RTCV hatte Anhängern der Regierung unterstellt, auf „unbewaffnete oppositionelle Demonstranten“ geschossen zu haben (Ekkehard Sieker in „junge Welt“, 1.8.2007 über die Finanzierung der NGO „Reporter ohne Grenzen“).

Es gilt zu erkennen, dass besonders in Fällen, bei denen es um Fragen imperialer Macht geht, bezüglich der Berichterstattung höchste Vorsicht angebracht ist. Oft bedarf es nur eines geringen Ausmaßes von Recherche, und es lässt sich erkennen, dass die "offiziellen" Darstellungen in den Medien voller Widersprüche sind, so dass klar ist, dass etwas teilweise oder ganz grundsätzlich nicht stimmen kann.

Zur Zeit begegnen wir in den "offiziellen" westlichen Darstellungen dem US-amerikanischen Präsidenten als der "Lovemark" Obama, der – wie sein Vorgänger – ungebremst die Rüstung vorantreibt, Präventivkriege vorbereitet und dafür sogar den Präventiv-Friedensnobelpreis zugesprochen erhalten hat. Die Erscheinung des heutigen US-amerikanischen Präsidenten ist mit Sicherheit kein "Zufallsprodukt", sondern das leibhaftige Beispiel einer gelungenen Imagekampagne: Eine "Lovemark" ist ein Werbeerzeugnis, „zu dem Verbraucher eine tiefe, bedingungslose Verbindung aufgebaut haben“, inklusive Gefühlen wie „Respekt und Liebe“ (Sieker, w.v.). So hatte Kevin Roberts als Chef der weltführenden Werbeagentur Saatchi & Saatchi vor US-Militärgeheimdiensten bereits 2005 als parallele Version zum "Krieg gegen Terror" den "Kampf für eine bessere Welt" angeraten - mit den gleichen Zielen und den gleichen Waffen versteht sich.

Und erst recht wird klar, dass höchste Vorsicht geboten ist, wenn wir uns das Zusammenspiel von Medien, Nachrichtenagenturen, Nachrichtendiensten, PR-Unternehmen, verdeckt operierenden Menschenrechts- und anderen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und regelrechten staatlichen (Des-)Informationseinrichtungen vor Augen führen. Dann wird klar, wie einfach es ist, in dieses Geflecht – für die Öffentlichkeit fast unbemerkt – Desinformation einzuschleusen. Es reicht aus, wenn eine Menschenrechtsorganisation in Serbien ein Video "findet", um damit das Massaker von Srebrenica zu "beweisen". Es reicht aus, wenn in der so genannten Taliban-Hochburg Kandahar in Afghanistan ein Video "gefunden" wird, auf dem eine Person zu sehen ist, die angeblich Osama bin Laden ist, und dieses Video – ganz offen – vom Pentagon in Umlauf gebracht wird, um zu "beweisen", dass Osama bin Laden für das Verbrechen des 11. September 2001 verantwortlich ist. Es reicht aus, über die weltweit operierenden Nachrichtenagenturen falsche Übersetzungen von Äußerungen des iranischen Präsidenten in Umlauf zu bringen, um dem Iran-Feindbild einen entscheidenden Schub zu versetzen.

Wir treten ein, für ein unabhängiges freies Denken, für echten Journalismus, der ganz selbstverständlich allen Unklarheiten auf den Grund geht, und für die Freiheit der Kunst. Das Beschweigen und die Denk- und Gesprächsverweigerung halten wir für einen Ansatz von Selbstaufgabe. Versuchen wir eine Projektion: im Deutschland der 1930er und 40er Jahre hätte sich trotz der allzeit präsenten NS-Propaganda ein Verbreitungsweg für die Aufklärung politischer Verfolgung, Morde bis hin zur "Vernichtung" Hunderttausender in den so genannten Arbeitslagern gefunden. Wie viele der Menschen, die dieser Gedanke überhaupt erreicht hätte, würden ihn mit dem (zugegeben damals nicht gebräuchlichen Begriff) Verschwörungstheorie abgetan haben? Wie die Realität damals aussah, wissen wir heute. Ein Gedenken zu pflegen, das nicht in der Lage ist, aus diesen schrecklichen Umständen zu lernen, ist fatal.

„Geht ohne Zögern weiter diesen aufrechten Gang. Es ist manchmal nicht ganz einfach, aber es ist der einzige Weg – ich weiß es und Ihr wisst es.“ Das schrieb der Journalist und Filmemacher (Deadly Dust) Frieder Wagner.
 



Diesen Artikel kann man nachlesen in der neuen, quartalweise erscheinenden Schrift namens

 


DAS KROKODIL

Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens

bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch

http://www.das-krokodil.com/



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Anneliese Fikentscher, Merheimer Str. 107, 50733 Köln, krokodil@datblatt.de