Für mehr Datenvorrat. Sigmar Gabriel: Hamstern für die Sicherheit

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Ulrich Gellermann
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Verbunden: 22.03.2013 - 15:43
Für mehr Datenvorrat. Sigmar Gabriel: Hamstern für die Sicherheit
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Für mehr Daten-Vorrat

Gabriel: Hamstern für die Sicherheit

Was macht das Eichhörnchen? Es legt Vorräte an, die es für den Notfall braucht. Bienen tun es, Vögel sorgen für die knappe Zeit vor und auch der australische Bergbilchbeutler hamstert sicherheitshalber Nahrung. Sicherheit ist auch das Stichwort für den Vizekanzler und Wirtschaftsminister Gabriel. Erst jüngst hat der SPD-Chef - der selbst ständig einen Bio-Rucksack vor sich her trägt - diese Sicherheitsbevorratung angemahnt: "Ich bin der Überzeugung, wir brauchen das", erzählte er jüngst dem DEUTSCHLANDFUNK zum Thema Vorratsdatenspeicherung, jener staatlichen Sammlung von durchaus privaten Daten, die dann, Sommer wie Winter, monatelang auf öffentlichen Rechnern rumliegen, um für die Notfälle zur Verfügung zu stehen. (⇒ Artikel b. DLF)
 

Was sollten Geheimdienst-Schnüffler zum Beispiel tun, wenn in datenarmen Zeiten, über Weihnachten oder bei Fußball-Weltmeisterschaften, wenig gemailt und telefoniert wird? Mal eben an den nahezu toten Leitungen schnüffeln, hilft dann wenig zur Linderung der kranken Sucht. Da müssen sich die geheimen Jungs schnell ein paar gespeicherte Megabytes durch die Nase ziehen, damit der staatliche Sicherheitsapparat nicht kollabiert. Auch wirkliche Staatsaffären könnten ruck-zuck aufgeklärt sein, gäbe es genug Vorrat. Zum Beispiel als der damalige Chef des NSU-Terror-Untersuchungsausschusses Sebastian Edathy mal den BKA-Präsidenten Jörg Ziercke in die demokratische Mangel nahm: Nur einmal hätte der beleidigte Ziercke in die gespeicherten Daten gucken müssen - wenn sie denn damals schon gespeichert gewesen wären - und der freche Edathy wäre schon im Juni 2012 der Vernichtung durch Datenveröffentlichung anheim gefallen.

Ohnehin ist die Demokratie und deren Justiz eine lästige Angelegenheit, wenn es um die innere Sicherheit geht. Erst kam das Bundesverfassungsgericht im März 2010 daher und erklärte die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und nichtig. Dann verwarf 2014 der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Solch einen juristischen Unsinn können Sigmar Gabriel und seine Fans in CDU und CSU natürlich nicht dulden. Zwar sind die privaten Daten der Bürger nach Artikel 10 des Grundgesetzes geschützt, aber wie sollten wir denn die Verfassung schützen, wenn der Verfassungsschutz sie nicht brechen darf?
 

Auf dem Weg zum besseren Schutz des Bürgers wird es bald, so war auf der CeBIT in Hannover zu erfahren, eine neue Daten-Dimension geben: Das "Internet der Dinge" kann uns in eine Zukunft gespeicherter Daten führen, gegen die das pubertäre FACEBOOK ein Tresor der Privatheit ist. Endlich wird die reale Welt in die virtuelle überführt, wenn der Kühlschrank via Internet mit dem Backofen redet: "Achtung, Verfallsdatum des Hähnchen nähert sich dem Ziel. Muss bald gegrillt werden. Bitte vorheizen". Oder: Zahnpasta an Einkaufszettel: "Siggi hat die Tube wieder nicht richtig ausgedrückt. Neukauf erforderlich." All das ist dann für die Dienste abrufbar und wird, gemeinsam mit den abgehörten Telefonaten und den mitgelesenen Mails, zu einem randscharfen Täter-Profil führen: "Verfressener schlampiger Sozialdemokrat hat der Kanzlerin in diesem Monat bereits dreimal per SMS die Treue versichert, Weiterleitung an SPD auf Wiedervorlage legen."

Nächst der Sicherheit ist eine jahrelange Daten-Speicherung auch unersetzlich für die Geschichtsschreibung. Deshalb sollte die Einführung einer Voice over IP-Speicherung (VoIP) unbedingt vorgesehen werden. Die mitgeschnittenen, mitgelesenen Daten eines kleinen Kreises von gesellschaftlich besonders relevanten Menschen sollten für immer aufbewahrt werden, um künftigen Generationen als mahnende Lehre zu dienen. 

  • Angela Merkel zur Geschmeidigkeit: "Die Grünen wissen wenigstens noch, wogegen sie sind. Bei der SPD ist nicht mal mehr das sicher."
  • Sigmar Gabriel zur Vitalität der Agenda 2010: "Man sollte die Agenda weder beerdigen noch wie ein Denkmal behandeln, vor dem wir jeden Tag einen Kranz niederlegen."
  • Joachim Gauck zum Krieg: "Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu haben. (...) Hier, in der Bundeswehr, treffe ich auf Menschen mit der Bereitschaft, sich für etwas einzusetzen – gewissermaßen auf „Mut-Bürger in Uniform!“
  • Frank-Walter Steinmeier zum Versicherungswesen: "Diese Regierung ist kein Brandschutz."

Mit den von der NSA gespeicherten Handy-Daten der Kanzlerin wird sich in den neuen Vorratszeiten eine TV-Sondersendung befassen - an dem Tag, an dem Edward Snowden Informationsminister wird.

Ulrich Gellermann, Berlin



► Quelle:  RATIONALGALERIE > Artikel

Lesetipp dazu ein Artikel bei netzpolitik.org, einer Plattform für digitale Freiheitsrechte.

"SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung" von Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org > Artikel

► Bild- und Grafikquellen:

1. FREEDOM NOT FEAR - Freiheit statt Angst Demonstration in Berlin. Gefordert wird von dem Protestbündnis ein Abbau der bestehenden Überwachungsmethoden wie unter anderem der Online-Durchsuchung, der Vorratsdatenspeicherung oder der Videoüberwachung und Mustererkennung. Darüber hinaus wird eine unabhängige Überprüfung aller bestehenden Überwachungsbefugnisse im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und schädliche Nebenwirkungen, sowie ein sofortiger Stopp neuer Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der inneren Sicherheit verlangt, sofern sie mit weiteren Grundrechtseingriffen verbunden sind. Eine weitere Forderung ist die Gewährleistung der Meinungsfreiheit und des freien Meinungs- und Informationsaustauschs über das Internet.
Foto: Sozialfotografie [►] StR. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

2. "Kann die Vorratsdatenspeicherung Terroranschläge verhindern?" - "Natürlich. Genauso wie uns die V-Männer vor Neonazis schützen . . . ". Gezeichnet vom Stuttgarter Karikaturist Kostas Koufogiorgos. Er wurde 1972 in Arta, Griechenland geboren, studierte nach dem Abitur 1989 Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Athen und begann zeitgleich als Karikaturist für verschiedenen Zeitungen und Magazine zu arbeiten. Seine ersten Arbeiten wurden im Magazin ODIGITIS veröffentlicht. Bis heute hat Kostas Koufogiorgos für zahlreiche politische- und Wirtschaftszeitungen sowie für über 20 Μagazine in Griechenland gearbeitet. Daneben hat er Bücher, Werbeanzeigen und Poster illustriert. > zu seiner Webseite

3. "Und dann hab ich gesagt . . .  Keine Panik, niemand wird überwacht. Wir haben das schriftlich! " Grafik/Quelle: NETZPOLITIK.org. Verbreitung mit CC-Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 3.0.

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