Generationenkonflikt?

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Generationenkonflikt?
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Generationenkonflikt ?

Vor einer Woche hat der Bundestag das neue Rentenpaket verabschiedet, das den Rentnern angeblich schon ab einem Alter von 63 Jahren eine abschlagsfreie Rente gewährleisten soll. Ich möchte an dieser Stelle nicht detailliert auf die Punkte eingehen, die dieses Gesetz als Mogelpackung auszeichnen, weil nur relativ wenige Rentner wirklich davon profitieren – und dann auch noch gerade diejenigen, die es am wenigsten nötig hätten. Auch wurde verschwiegen, daß die Arbeitnehmer künftig für die Finanzierung mit einer Erhöhung der Rentenbeiträge rechnen müssen.

Jedenfalls hat eine gewaltige Empörungswelle eingesetzt angesichts der mit dem neuen Gesetz verbundenen Kosten. Arbeitsministerin Andrea Nahles beziffert die Kosten bis 2030 auf 160 Milliarden €, während andere Quellen von bis zu 233 Milliarden € sprechen. Wie dem auch sei, der Generationenkonflikt wurde durch diese Maßnahme wieder neu entfacht. Bei der allgemeinen Aufregung wird meistens vergessen, was die Hauptgründe für die Rentenmisere sind:

  • Die Tatsache, daß nicht die Demografie für die Schwundrente verantwortlich ist sondern der Umstand, daß trotz ständig steigender Produktivität sowie enormen Gewinn- und Vermögenszuwächsen die Arbeitnehmer um ihren Anteil davon betrogen werden.
  • Die Tatsache, daß das Rentensystem und die Einnahmeregelungen unsozial ausgelegt sind und die Einnahmesituation der Rentenversicherung durch ein entsprechendes Gesetz kurzfristig auskömmlich gestaltet werden könnte, falls der politische Wille dazu vorhanden wäre.

Alleine durch eine Einführung einer einheitlichen Rentenversicherung für alle, in die sämtliche Einkommensarten einbezogen werden müßten und zusätzlich einer angemessenen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze wäre eine auskömmliche Rente für jeden heute und in Zukunft gewährleistet. Darüber hinaus gibt noch eine Reihe von weiteren Faktoren, die eine wichtige Rolle zur Sanierung der Rente spielen, wie z. B. die politische Fehlentscheidung der Entnahme von Geldern aus der Rentenkasse zur Finanzierung von fremden Leistungen. Immer häufiger wird unkritisch in das Horn geblasen, daß die Alten den Jungen die Butter vom Brot nehmen. Damit findet eine Diskriminierung statt, die auf der Vermittlung von falschen Informationen – also Lügen – beruht. Dazu folgendes:

Der Begriff des Generationenkonfliktes wurde nur mit der einzigen Absicht geprägt und unter die Leute gebracht, weil er ein Teil der Strategie des altbewährten "divide et impera" darstellt, der gezielt von unseren "Eliten" und den Mainstream-Medien gestreut wird. Zweck ist die Entzweiung der Bevölkerung - in diesem speziellen Fall der Plan, die Jungen gegen die Alten aufzubringen -, um das eifrig betriebene Unterfangen des Sozialstaatsabbaus, der Entsolidarisierung und Vertiefung der Klassengesellschaft durch Ausweitung des Arm-Reich-Gegensatzes mit Nebelkerzen einzudecken.

Außerdem soll der falsche Eindruck gefestigt werden, daß die Alten auf Kosten der Jungen leben, was ja eher umgekehrt der Fall ist. Und die Sozialversicherungen sorgen ebenfalls nicht für die Zukunft der Jungen vor, sondern leben von der Hand in den Mund. Alles Andere muß man als unverschämte Lügenpropaganda auffassen. Die Alterspyramide hat sich in den über hundert Jahren seit Ende des 19. Jahrhunderts bis heute so dramatisch verändert, daß die paar Zehntelprozentpunkte in Richtung eines 1:1-Verhältnisses, die in den nächsten Jahren noch zu erwarten sind, dagegen nur Peanuts sind. Trotzdem konnte der Wohlstand und der Sozialstaat ausgebaut werden, und obendrein erhöhte sich der Einkommens- und Vermögensanteil der oberen 5 Prozent noch enorm. Wie bereits oben erwähnt, sind die Fortschritte in der Produktivität  die eigentliche Ursache dafür, daß wir uns keine Sorgen machen müßten, da die Maschinen die Arbeit der Menschen übernommen haben - wenn nicht der Profit und Rahm davon nur von wenigen abgeschöpft würde. Nur von dieser Tatsache soll abgelenkt werden, wenn der "Generationenkonflikt" geschürt wird.

Im Übrigen bin ich ja selbst schon fast 66 und kann dabei mitreden, wie sich "die Alten" fühlen. Wenn man die älteren Mitbürger deshalb herabwürdigt, weil sie vergreisen, anfälliger für Krankheiten werden, nicht mehr so leistungsfähig und daher auf solidarische Unterstützung angewiesen sind, dann handelt es sich um asoziales Verhalten und letztlich um Dummheit, denn dabei wird vergessen, daß Jugend kein Verdienst ist und alle einmal zum Greis werden (sofern es uns nicht früher erwischt). Die einzige Sicherheit im Leben ist nun mal der Tod. Das ist auch wohl der einzige Umstand, der eine Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für alle sichert, ohne daß die Chance besteht, sich mit Geld freizukaufen.

Aber andererseits gibt es Alte, die schon immer alt waren – d. h. bereits in ihrer Jugend -  und Alte, die immer noch jung sind im Sinne einer geistigen Beweglichkeit. Wenn ich mir die vielen Untoten um mich herum betrachte, in denen kein aktives Leben steckt, die geistig tot und total angepaßt sind, die festgelegt sind bis ans Ende ihrer Tage und nichts dazu lernen, dann wird es mir gruselig. Tatsächlich erkennt man die wirklich Alten daran, daß sie immer von der Vergangenheit erzählen und davon, daß früher alles besser war.

Für mich als Senior gelten aber andere Devisen:

  • Solange man noch sein Leben genießt - und zwar das hier und jetzt - und Pläne für die nähere Zukunft schmiedet und sich daran erfreut, diese Vorhaben zu verwirklichen, ist man noch nicht wirklich alt.
  • Und solange ich man sich noch nicht mit Ungerechtigkeiten abfindet und den Mumm besitzt, offen gegen Mißstände anzugehen, ist man noch nicht wirklich alt.
  • Und letztendlich - solange man noch emotional veranlagt ist und in Wut und Zorn ausbrechen kann, ist das das beste Zeichen dafür, daß man noch mitten im Leben steckt.
  • Solange man noch als Stehaufmännchen funktioniert und sich durch nichts unterkriegen läßt, ist das Feuer noch nicht aus - es kann weiter gekocht und gegessen werden.

Ein weiser Mann sagte einmal völlig zu recht, daß die größte Sünde das ungelebte Leben sei. Und immer gerne wieder zitiere ich Erich Fromm, der meinte, daß manche Menschen sterben, ohne wirklich gelebt zu haben. Auch aus diesem Grunde sollten wir keine künstlichen Fronten zwischen Alt und Jung aufbauen, sondern uns besser um unsere persönliche Weiterentwicklung kümmern, die uns zu der Erkenntnis führt, daß eine solidarische und generationenübergreifende Gesellschaft  Sinn macht.

Eine Gesellschaft, die nicht alle ihre Mitglieder – gleich welchen Alters - umsorgt und sie als Zugehörige ansieht, hat es nicht verdient, sich demokratisch, christlich, human, solidarisch oder tolerant zu nennen. Deshalb sollte man jedem einen Schuß vor den Bug setzen, der es wagt, die Generationen gegeneinander auszuspielen oder aufzuhetzen.

MfG Peter A. Weber


 

Bildquellen:

1. Altersarmut als Folge der Rentenmisere. Foto: Maren Beßler. Quelle: Pixelio.de

2. Nachdenken über das Alter. Was wird man sich noch leisten können? Wer wird einen pflegen? Foto: Alwin Gasser.  Quelle: Pixelio.de