Gewalt gegen Frauen: sie passiert täglich und in allen Kontexten

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Helmut S. - ADMIN
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Verbunden: 21.09.2010 - 20:20
Gewalt gegen Frauen: sie passiert täglich und in allen Kontexten
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Gewalt gegen Frauen: sie passiert täglich und in allen Kontexten

von Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)

Frauen erfahren zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit und im Internet Gewalt. Das Ausmaß dieser Gewalt zeigt ein neuer Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), der die Ergebnisse der weltweit größten Erhebung über Gewalt gegen Frauen vorstellt.

Der Bericht belegt nicht nur die weit verbreitete Gewalt gegen erwachsene Frauen, sondern schildert auch die körperliche und sexuelle Gewalt, die Frauen in der Kindheit erfahren haben. Die FRA-Erhebung macht deutlich, dass es an der Zeit ist, dass politische Entscheidungsträger und -trägerinnen, Maßnahmen gegen diese weit verbreitete Gewalt ergreifen. Hierbei müssen die Bedürfnisse und Rechte der Gewaltopfer nicht nur auf dem Papier berücksichtigt, sondern auch in der Praxis umgesetzt werden.

„Die Ergebnisse dieser Erhebung können und dürfen nicht ignoriert werden“, betonte der FRA-Direktor, Morten Kjaerum: „Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt gegen Frauen ist eine gravierende Menschenrechtsverletzung, die in allen EU-Mitgliedstaaten anzutreffen ist.“ Kjaerum erklärte weiter: „Das enorme Ausmaß des Problems verdeutlicht, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur einige wenige Frauen betrifft, sondern sich tagtäglich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Politiker und Politikerinnen, Interessensvertreter und Interessensvertreterinnen der Zivilgesellschaft sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Hilfseinrichtungen müssen deshalb gemeinsam ihre bisherigen Maßnahmen einer kritischen Prüfung unterziehen, um das Problem der Gewalt gegen Frauen in jedem Bereich der Gesellschaft anzugehen. Die Zeit ist reif, eine breit angelegte Strategie zur wirksamen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg zu bringen.“

Die Erhebung befragte Frauen zu ihren Erfahrungen mit körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt, einschließlich häuslicher Gewalt. Thema der Befragung waren auch Stalking, sexuelle Belästigung und die Rolle, die neue Technologien bei Missbrauchserfahrungen spielen. Die Erhebung enthielt auch Fragen zu Gewalterfahrungen der Frauen in ihrer Kindheit.

Die Antworten zur Erhebung führen insbesondere zu folgenden Ergebnissen:

  • 33 % der Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Dies entspricht etwa 62 Millionen Frauen.
  • 22 % der Frauen haben körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt.
  • Eine von 20 Frauen (5 %) ist seit ihrem 15. Lebensjahr vergewaltigt worden. Fast jede zehnte Frau, die sexuelle Gewalt außerhalb der Partnerschaft erfahren hat, gab an, dass mehrere TäterInnen an dem schwerwiegendsten Vorfall beteiligt waren.
  • 43 % der Frauen waren entweder durch den/die aktuelle/n oder eine/n frühere/n PartnerIn psychischer Gewalt ausgesetzt. Der Missbrauch bestand unter anderem darin, dass Frauen öffentlich bloßgestellt wurden oder das Haus nicht verlassen durften oder eingesperrt wurden, dass sie gegen ihren Willen pornografische Filme ansehen mussten und ihnen Gewalt angedroht wurde.
  • 33 % der Frauen haben in der Kindheit körperliche oder sexuelle Gewalt durch eine/n Erwachsenen. 12 % der Frauen waren in der Kindheit von sexueller Gewalt betroffen, die in der Hälfte der Fälle von fremden Männern ausgeübt wurde. Bei diesen Formen des Missbrauchs handelt es sich typischerweise um Fälle, in denen Erwachsene ihre Genitalien zeigen oder die Genitalien oder Brüste des Kindes berühren.
  • 18 % der Frauen haben seit dem 15. Lebensjahr Stalking erlebt; bei 5 % der Frauen war dies innerhalb der letzten 12 Monate vor der Befragung der Fall. Dies bedeutet, dass etwa 9 Millionen Frauen in der EU von Stalking betroffen sind. 21 % der Stalking-Opfer gaben an, dass die Belästigung länger als zwei Jahre andauerte.
  • 11 % der Frauen haben bereits unangemessene Annäherungsversuche in den neuen sozialen Medien erlebt oder erhielten E-Mails oder SMS-Nachrichten mit eindeutig sexuellem Inhalt. Unter den jungen Frauen (18–29 Jahre) waren es 20 % die bereits Opfer von solchen Formen der Online-Belästigung wurden.
  • 55 % der Frauen haben irgendeine Form der sexuellen Belästigung erlebt. 32 % der Opfer sexueller Belästigung nannten als TäterInnen Vorgesetzte, Kollegen und Kolleginnen oder Kunden und Kundinnen.
  • 67 % meldeten die schwerwiegendsten Gewaltvorfälle innerhalb einer Partnerschaft nicht der Polizei oder einer anderen Organisation.

Die in dem Bericht dargestellten Erhebungsergebnisse lassen keinen Zweifel daran, dass ein breites Spektrum unterschiedlicher Gruppen, wie etwa Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, medizinisches Fachpersonal und Internet-Provider, Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen treffen muss. Um die Situation zu verbessern, hat die FRA eine Reihe von Stellungnahmen ausgearbeitet. Diese sollen politische Entscheidungsträger und -trägerinnen der EU und ihrer Mitgliedstaaten dabei unterstützen, umfassende Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen einzuführen und umzusetzen.

  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, ratifizieren.
  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten Gewalt in der Partnerschaft als gesellschaftliches und nicht als privates Problem anerkennen. Vergewaltigung in der Ehe sollte in der Gesetzgebung aller EU-Mitgliedstaaten der Vergewaltigung in allen anderen Fällen gleichgestellt, und häusliche Gewalt sollte mit Nachdruck geahndet werden.
  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten den Anwendungsbereich ihrer rechtlichen und politischen Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung überprüfen. Diese müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass sexuelle Belästigung überall auftritt und über unterschiedliche Medien, etwa das Internet oder Mobiltelefone, erfolgen kann.
  • Polizisten, medizinisches Fachpersonal, Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Opferhilfe-Einrichtungen müssen geschult und mit den notwendigen Mitteln und Befugnissen ausgestattet werden, damit sie die Gewaltopfer unterstützen können.
  • Schulungen bei der Polizei und anderen relevanten Einrichtungen sollen sicherstellen, dass die Personen, die mit Gewaltopfern in Berührung kommen, die Auswirkungen psychischen Missbrauchs erkennen und verstehen. Jegliche Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen in verschiedenen Umfeldern sollte aufgedeckt, gemeldet und geahndet werden können.
  • Die Polizei sollte dazu angehalten werden, routinemäßig Fälle aufzugreifen und zu untersuchen, bei denen Online-Stalking und Online-Belästigung eine Rolle spielen.
  • Internet-Provider und Plattformen für soziale Medien sollten Opfer von Online-Belästigung aktiv bei der Meldung von Missbrauchsfällen unterstützen. Sie sollten dazu aufgefordert werden, solch unerwünschtes Verhalten einzudämmen.
  • Spezielle Opferhilfe- oder Opferschutzeinrichtungen sollten Betreuungsangebote für Gewaltopfer bereitstellen, die die Opfern bei der Bewältigung der psychischen Folgen einer Gewalterfahrung, wie zum Beispiel andauernde Schuld- und Schamgefühle, unterstützen.
  • Sensibilisierungskampagnen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen müssen sich sowohl an Männer als auch an Frauen richten. Männer sollten konstruktiv in Initiativen gegen die von einigen Männern verübte Gewalt gegen Frauen eingebunden werden.
  • Es ist zentral die Datenerhebung zu Gewalt gegen Frauen in den EU-Mitgliedstaaten zu verbessern und zwischen den Mitgliedstaaten zu harmonisieren.

Weitere Informationen sind dem Pressematerial zu entnehmen, das den vollständigen Ergebnisbericht der FRA-Erhebung und die Zusammenfassung „Ergebnisse auf einen Blick“ der wichtigsten Ergebnisse und Analysen umfasst. [Anm. siehe Anhang] Über den Online-Daten-Explorer können die gesamten Erhebungsergebnisse, aufgeschlüsselt für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten und Themenbereiche, abgerufen werden.


Hinweise für die Redaktion:

  • Für die Erhebung wurden über 42 000 Frauen in den 28 EU-Mitgliedstaaten befragt. Die Nettostichprobengröße umfasste 1 500 Befragte je Land (außer in Luxemburg, wo eine Nettostichprobengröße von 900 Befragten zugrunde gelegt wurde). Die Befragten waren zum Zeitpunkt der Interviews zwischen 18 und 74 Jahre alt.
  • Alle Befragten wurden zufällig ausgewählt und die Ergebnisse der Erhebung sind sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene repräsentativ.
  • Die Fragen bezogen sich auf Erfahrungen und Vorfälle seit dem 15. Lebensjahr und in den 12 Monaten vor der Befragung.
  • Das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul-Konvention) zielt auf einen besseren Schutz von Frauen ab, die Opfer von geschlechtsbezogener Gewalt geworden sind. Bislang haben lediglich Österreich, Italien und Portugal das Übereinkommen ratifiziert, das von 17 EU Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde.
  • Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) bietet EntscheidungsträgerInnen auf EU  und nationaler Ebene faktengestützte Grundrechtsberatung an und trägt so dazu bei, dass im Bereich der Grundrechte eine fundiertere Debatte geführt und gezieltere politische Maßnahmen getroffen werden können.

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)


siehe Anhänge ganz am Ende dieses Beitrages:

  • Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung - Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) – 48-seitige Ergebniszusammenfassung
  • Violence against women: an EU-wide survey. Main results report – 198-seitiger Gesamtbericht der FRAU - englischer Text


Quelle:  Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) > Pressemitteilung

Die FRA wurde von der EU im Jahr 2007 gegründet und hat die besondere Aufgabe, unabhängige faktengestützte Grundrechtsberatung zu geben.

Die FRA ist eine der EU-Fachagenturen, die eingerichtet wurden, um die Organe und Mitgliedstaaten der EU fachkundig zu einer Reihe von Themen zu beraten. Finanziert werden die Agenturen aus dem EU-Haushalt.

Zu den 90 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der FRA zählen Juristen, Sozial- und Politikwissenschaftler, Statistiker sowie Experten für Kommunikation und den Aufbau von Netzwerken.

Der Verwaltungsrat der FRA gewährleistet, dass die Agentur die ihr übertragenen Aufgaben ausführt. Darüber hinaus legt der Verwaltungsrat die Arbeitsprioritäten der Agentur fest, billigt ihren Haushalt und begleitet ihre Arbeit. Je ein von jedem Mitgliedstaat benannter unabhängiger Sachverständiger, zwei Vertreter der Europäischen Kommission und ein vom Europarat benannter unabhängiger Sachverständiger gehören dem Verwaltungsrat an.   

Weitere Informationen erhalten Sie unter: http://fra.europa.eu/de

E-Mail: media@fra.europa.eu

Tel.: +43 158030878  


Bildquellen:

1. Gewalt gegen Frauen und Mädchen findet sich alltäglich zuhause, am Arbeitsplatz und an Schulen. Foto: Martin Büdenbender, Quelle: Pixelio.de

2. Stalking-Opfer haben oft jahrelange psychische Leiden. Wer gestalkt wird, sollte Anzeige erstatten. Foto: Martin Schemm, Quelle: Pixelio.de

3. Physische Gewalt gegen Frauen ist zwar in westlichen "Zivilisationen" verpönt, aber leider alltäglich. Foto: Harry Hautumm, Quelle: Pixelio.de

4. Depression und Burnout sind oftmals Folgen erlittener Gewalt. Foto: Petra Bork, Quelle: Pixelio.de

5. Gewaltszene. This graphic ad commissioned by AWARE or Association of Women for Action and Research in Singapore depicts the injurious nature of verbal abuse. The ad was created to empower women suffering from verbal abuse to reach out for help.

The most prominent aspect of the ad is the obvious pain portrayed by the woman as a result of abuse. The clenched fist punching her face adds a physical representation of the emotional pain, which she has been subjected to. Additionally, the intense rage emanating from the abuser is evident and almost tangible. The visual construction of the ad causes the abuser and his actions to overwhelm the image. The victim is being pushed off the page by the overwhelming force of her counterpart. As a result of forceful imagery and muted hues, the ad embodies the overwhelming emotion of both individuals.

AWARE’s ad campaign presents the reality of verbal abuse. The assertion is that verbal and physical abuses are equally painful. The ultimate statement however, is that verbal abuse should not be overlooked. Verbal attacks constitute abuse despite what the abuser or victim may think. The use of a fist coming out of the abusers mouth and physically assaulting the victim is an example of semiotics. Essentially, the fist represents verbal abuse and allows the viewer to feel the intensity of words. Additionally, the ad equally promotes feelings of disgust and empathy. The act of abuse, whether it is physical or verbal, is a repulsive thought. The image encourages viewers to be empathetic of the victim. From a victim’s point of view, the image presents the reality of their situation and provides an opportunity to seek support. The ad promotes a sense of hope as well. The ad’s assertion that verbal abuse constitutes mistreatment leads to an optimistic undertone in light of the negative subject matter.

Foto: AWARE or Association of Women for Action and Research in Singapore > http://www.aware.org.sg/ > ABOUT. Quelle: Osocio.org

6. Scham und Angst: Frauen sollten diese überwinden, sich beraten lassen und jeden Fall von Gewalt, Mobbing und Stalking zur Anzeige bringen. Tätern muß das Handwerk gelegt werden. Foto: "Jerzy", Quelle: Pixelio.de

7. Stalking ist KEIN vernachlässigenswertes Delikt, sondern eine Straftat. 2007 wurde der spezielle Tatbestand „Nachstellung“ unter § 238 ins Strafgesetzbuch eingefügt und in den § 112a Strafprozessordnung aufgenommen, wo unter bestimmten Voraussetzungen und Gefährdungen ein Haftgrund zu Anordnung der Untersuchungshaft, man spricht auch von Deeskalationshaft, vorliegen kann. Vereine, Beratungsstellen und Polizei bieten Präventionstipps, geben Auskunft und prüfen im Einzelfall, was zu tun ist. In jedem Fall sollten sich Stalkingopfer informieren (siehe Link) und an die Öffentlichkeit gehen. Foto: Thomas Weiss, Quelle: Pixelio.de