„Hilfszahlungen“ an Griechenland - wie Mainstream-Medien die Wahrheit auf den Kopf stellen

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Ernst Wolff
Ernst Wolff
Offline
Verbunden: 17.02.2015 - 23:40
„Hilfszahlungen“ an Griechenland - wie Mainstream-Medien die Wahrheit auf den Kopf stellen
DruckversionPDF version

„Hilfszahlungen“ an Griechenland  

Wie Mainstream-Medien die Wahrheit auf den Kopf stellen

Die wochenlange Auseinandersetzung zwischen der neuen griechischen Regierung und der Troika hat ein anschauliches Beispiel dafür geliefert, wie Mainstream-Medien der Politik in die Hände spielen und dabei die öffentliche Meinung in unserem Land zu manipulieren versuchen.

Während die Troika Athen durch wirtschaftliche Erpressung unter Druck setzte und ihr jegliche Zugeständnisse verweigerte, starteten die Leitmedien eine breit angelegte Desinformations-Kampagne mit dem Ziel, die Bevölkerung auf die Fortsetzung der bisherigen Sparpolitik einzuschwören.

Zunächst wurde die neu gewählte Regierung in Athen nicht als eine Koalition aus einer liberalen Gruppierung und einer extrem rechts stehenden Partei dargestellt, sondern pauschal und wahrheitswidrig mit den Etiketten „radikal“, „ultralinks“ und „revolutionär“ versehen – in der offensichtlichen Absicht, sie als unmittelbare Gefahr für die bestehende Ordnung erscheinen zu lassen.

Dass sich mehr als ein Drittel der griechischen Bevölkerung vom Bündnis Syriza die Beendigung der erdrückenden Sparmaßnahmen erhoffte, wurde weitestgehend aus der Berichterstattung ausgeklammert, die sozialen Notstände - wie die bei sechzig Prozent liegende Jugendarbeitslosigkeit, der Zusammenbruch des Gesundheitswesens oder die Zunahme der Zahl hungernder Rentner - fanden überhaupt keine Erwähnung mehr.

Statt dessen wurde das Bild eines Landes gezeichnet, das jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat, in dem Korruption und Vetternherrschaft den Alltag bestimmen und dessen Bürger die Hand gern aufhalten, es aber mit der Rückzahlung geliehenen Geldes nicht so ernst nehmen. Die an Zins- und Zinseszinszahlungen und zudem an härteste Bedingungen geknüpften Kredite der Troika wurden grundsätzlich und ohne Erwähnung dieser Konditionen als „Hilfszahlungen“ und „Rettungspakete“ bezeichnet. Der griechische Mindestlohn wurde nicht etwa angeprangert, sondern den noch niedrigeren Mindestlöhne in den baltischen Staaten gegenübergestellt – ganz offenbar in der Absicht, am Existenzminimum lebenden griechischen Arbeitern Unverschämtheit und Anspruchsdenken zu unterstellen.

Schließlich wurden nicht nur die griechische Regierung, sondern „die Griechen“ insgesamt zur Einhaltung von Verträgen aufgefordert, die das Land „auf einen guten Weg gebracht hätten“, obwohl der Anstieg der Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von 125 Prozent zu Beginn der Krise auf mittlerweile 175 Prozent das Gegenteil beweist. Den Höhepunkt der Kampagne bildete eine Aktion der Bildzeitung, die einzelne Leser dazu animierte, sich mit einem Titelblatt, auf dem ein klares „Nein“ an Griechenland abgebildet war, fotografieren und der Öffentlichkeit präsentieren zu lassen.

Obwohl die Kampagne verschiedene BILDungsschichten auf unterschiedliche Weise ins Visier nahm, waren drei Ziele durchgehend zu erkennen:  


1. Das Ausblenden der sozialen Katastrophe in Griechenland diente dazu, von der moralischen Verwerflichkeit der Politik der Troika abzulenken.

2. Die Darstellung der Schieflage Griechenlands als „selbstverschuldet“ zielte darauf ab, die kriminelle Rolle der Finanzindustrie zu verschleiern.

3. Die ständige Erwähnung von Korruption und Vetternwirtschaft verfolgte die Absicht, die Mehrheit des ums alltägliche Überleben kämpfenden Griechen in den Augen der deutschen Öffentlichkeit als Verschwender und undankbare Empfänger von Hilfsmaßnahmen darzustellen.


Auf der Grundlage dieser umfassenden medialen Vorbereitung geriet die Abstimmung im Bundestag schließlich zu einem Höhepunkt politischer Heuchelei: Die Abgeordneten, die für den Aufschub des Reformprogramms und damit für nichts anderes als eine zeitverzögerte Fortsetzung der brutalen Austeritätspolitik stimmten, stellten sich als Opfer von Gewissenskonflikten dar, die sich angesichts der wenig unterwürfigen Haltung der Griechen nur unter Selbstvorwürfen für weitere „Hilfsmaßnahmen“ entscheiden konnten. Die Abgeordneten, die gegen den Aufschub stimmten, begründeten dies allen Ernstes damit, dass sie dem deutschen Steuerzahler keine weitere Enteignung zumuten könnten – demselben Steuerzahler, dessen Geld sie seit vier Jahren in Milliardenhöhe ohne die geringste Hemmung in die Tresore von Gläubigerbanken geleitet haben!

Der abstoßende Charakter der Kampagne, wie auch der Aufwand und die Vehemenz, mit der sie geführt wurde, sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie kein Zeichen der Stärke, sondern ein klares Indiz für die zunehmende Schwäche einer Branche ist, die an einem rasant fortschreitenden Verfall ihrer Glaubwürdigkeit leidet. So glaubten nach einer Befragung des NDR vom Dezember 2014 zwei Drittel der Nutzer den Leitmedien nicht mehr. Einer bereits im November von Journalisten-Watch veröffentlichten Untersuchung der „Freien Welt“ zufolge hielten 72 Prozent der Nutzer die Leitmedien für „überhaupt nicht vertrauenswürdig“.
 

Volker Pispers Nachrichtensendungen Verarschungsmaschinerie Volksverblödung

Es ist dieser Vertrauensverlust und die explosionsartig zunehmende Verbreitung nicht manipulierter Informationen über die sozialen Netzwerke, die die Mainstream-Medien in zunehmende Bedrängnis bringen und sie dazu zwingen, bei der Wahl ihrer Mittel zu immer plumperen Mitteln zu greifen und sich gleichzeitig immer weiter von der Wirklichkeit zu entfernen – eine Entwicklung, die mit Sicherheit dazu führen wird, dass in Zukunft noch mehr Menschen erkennen, wessen Interessen sie in Wahrheit vertreten und welche Rolle sie in unserer Gesellschaft spielen.  

Ernst Wolff


Bild- und Grafikquellen:

1. Egon Karl-Heinz Bahr (* 18. März 1922 in Treffurt) ist ein deutscher Politiker der SPD. Unter dem von ihm geprägten Leitgedanken „Wandel durch Annäherung“ war er einer der entscheidenden Vordenker und führender Mitgestalter der von der Regierung Brandt 1969/70 eingeleiteten Ost- und Deutschlandpolitik, von 1972 bis 1974 Bundesminister für besondere Aufgaben und von 1974 bis 1976 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Aussage »In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte. Es geht um Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt!« tätigte Egon Bahr Anfang Dezember 2013 gegenüber Zwölftklässlern des Bunsen-Gymnasiums in Heidelberg. (⇒ Quelle des Zitates u.a. hier)

Foto (ohne Inlet): Holger Noß. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 Generic (CC BY-SA 2.5), US-amerikanisch, lizenziert. Bildidee: Helmut Schnug / KN. Inlet eingearbeitet: Wilfried Kahrs (WiKa).

2. FEIND BILD LOGO. Grafik: Wilfried Kahrs, QPress.de 

3. Volker Pispers: "[. .]"Unsere Nachrichtensendungen sind eine komplette Volksverblödung- und Verarschungsmaschinerie. Und die läuft hier im Dauerbetrieb. Im permanenten Dauerbetrieb. Und es wiederholt sich alles endlos.[. . ]" Originalfoto: Niko Bellgardt, Düren via Wikimedia Commons. Bildidee: Helmut Schnug, Technische Umsetzung: Wilfried Kahrs / QPress.de

4. "Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs" (ERNST WOLFF) > zur Buchvorstellung

Er erpresst Staaten. Er plündert Kontinente. Er hat Generationen von Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft genommen und ist dabei zur mächtigsten Finanzorganisation der Welt aufgestiegen: Die Geschichte des Internationalen Währungsfonds gleicht einem modernen Kreuzzug gegen die arbeitende Bevölkerung auf fünf Kontinenten.

In seinem bis zur letzten Seite fesselnden Buch schildert der Journalist Ernst Wolff, welche dramatischen Folgen die Politik des IWF für die globale Gesellschaft und seit Eintreten der Eurokrise auch für Europa und Deutschland hat. Denn die Vergabe von Krediten durch den IWF hat die Erzwingung neoliberaler Reformen zur Folge: Auf der einen Seite fördert diese Praxis Hunger, Armut, Seuchen und Kriege, auf der anderen begünstigt sie eine winzige Gruppe von Ultrareichen, deren Vermögen derzeit ins Unermessliche wächst – alles im Namen der Stabilisierung des Finanzsystems.