Irak nach zehn Jahren

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Irak nach zehn Jahren
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Irak nach zehn Jahren

von Paul Craig Roberts


19. März 2013. Heute vor zehn Jahren marschierte das Bush-Regime in den Irak ein. Es ist bekannt, dass die Rechtfertigung für diese Invasion ein Paket von Lügen war, fabriziert vom neokonservativen Bush-Regime, um die Vereinten Nationen und das amerikanische Volk zu täuschen.

Der Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, General Colin Powell, hat sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass er vom Bush-Regime benützt wurde, um die UNO mit gefälschtem Geheimdienstmaterial zu täuschen, von dem Bush und Blair wussten, dass es gefälscht war. Die jämmerlichen Medienhuren haben sich beim amerikanischen Volk jedenfalls nicht dafür entschuldigt, dass sie dem korrupten Bush-Regime als Propaganda- und Lügenministerium gedient haben.

 

Paul Craig Roberts


Es ist schwer zu unterscheiden, wer am meisten zu verachten ist, das korrupte Bush-Regime, die Medienhuren, die es ermöglicht haben, oder das korrupte Obama-Regime, das sich weigert, das Bush-Regime wegen dessen eindeutiger Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, Verbrechen gegen kodifiziertes Recht der Vereinigten Staaten von Amerika und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verfolgen.

In seinem Buch Cultures of War (Kriegskulturen) beobachtet der geachtete Historiker John W. Dower, dass die konkreten Kriegshandlungen, die die Japaner im 20. Jahrhundert und die imperiale Präsidentschaft Bushs im 21. Jahrhundert entfesselt haben, „zu vergleichender Analyse offener Kriegsverbrechen wie Folter und anderer Übertretungen einladen. Die schwarzen Taten des kaiserlichen Japan haben einen unauslöschlichen Schmutzfleck auf der Ehre und dem guten Namen des Landes hinterlassen, und man wird sehen, wie anhaltend der Schaden für die Reputation Amerikas sein wird. In dieser Beziehung können sich die Kriegsplaner der Bush-Administration glücklich schätzen, dass sie einer formalen und ernsthaften Untersuchung entgangen sind, die nur entfernt vergleichbar wäre mit dem, was die Alliierten Mächte gegenüber Japan und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg betrieben haben.“

Dower zitiert Arthur Schlesinger Jr.: „Der Präsident [Bush] betreibt eine Politik der ‚vorauseilenden Selbstverteidigung’, die beunruhigend ähnlich ist der Politik, die das kaiserliche Japan in Pearl Harbour zu einem Zeitpunkt betrieb, der, wie ein ehemaliger amerikanischer Präsident sagte, in Schande lebt. Franklin D. Roosevelt hatte recht, aber heute sind es wir Amerikaner, die in Schande leben.“

Die Amerikaner bezahlten eine enorme Summe Geld für die Schande, in Ehrlosigkeit zu leben. Joseph Stiglitz und Linda Bilmes berechneten, dass der Krieg gegen den Irak die Steuerzahler der Vereinigten Staaten von Amerika $3.000 Milliarden kostete. Diese Schätzung könnte sich als optimistisch erweisen. Die jüngste Studie kommt zum Schluss, dass der Krieg die Steuerzahler der Vereinigten Staaten von Amerika letzten Endes doppelt so viel kosten könnte.

Um für die Profite zu bezahlen, die in die Taschen des Militär/Sicherheits-Komplexes der Vereinigten Staaten von Amerika geflossen sind und von dort in die politischen Spendenkassen, laufen die Amerikaner Gefahr, das Sozialversicherungssystem, Medicare und die soziale Kohäsion zu verlieren, die das System der sozialen Wohlfahrt gewährleistet.

Die menschlichen Kosten von Amerikas Infamie sind außerordentlich: 4,5 Millionen vertriebene Iraker, ca. eine Million tote Zivilisten, die Witwen und Waisen hinterlassen, eine Klasse der höheren Berufsstände, die das Land verlassen hat, eine Infrastruktur in Trümmern und eine soziale Kohäsion, die durch den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zerstört wurde, der entzündet wurde durch Washingtons Vernichtung der Regierung Saddam Husseins.

Es ist ein kranker Scherz, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika dem Irak Freiheit und Demokratie gebracht hat. Was die Washingtoner Kriegsverbrecher brachten, war Tod und die Zerstörung eines Landes.

Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika scheint größtenteils sehr angetan zu sein von der unbegründeten Zerstörung des Irak und all dem, was diese mit einschließt: Kinder ohne Eltern, Frauen ohne Ehemänner, Geburtsdefekte durch „abgereichertes“ Uran, unsicheres Wasser, ein Land ohne Hoffnung, verstrickt in gewalttätige Sektenkämpfe.

Washingtons Handlangerstaaten im Vereinigten Königreich, in Europa, im Mittleren Osten und Japan scheinen gleichermaßen erfreut zu sein über den Sieg – über was? Welche Drohung hat der Sieg ausgeschaltet? Es gab keine Bedrohung. Waffen der Massenvernichtung war ein Propagandaschwindel. Wolkenpilze über amerikanischen Städten war Fantasiepropaganda. Wie ignorant müssen Bevölkerungen sein, um einer dermaßen durchsichtigen Propaganda auf den Leim zu gehen? Gibt es keine Intelligenz in der westlichen Welt und ihren Handlangerstaaten?

Auf einer Konferenz vor kurzem waren die Neokonservativen, die verantwortlich sind für die Tode und ruinierten Leben von Millionen Menschen und die Billionen Dollars, die ihre Kriege auf die Schulden der Vereinigten Staaten von Amerika häuften, reuelos und voller Selbstrechtfertigung. Während Washington im Ausland nach Bösem Ausschau hält, das beseitigt werden muss, befindet sich der Hauptsitz des Bösen in Washington selbst.

Die amerikanischen Kriegsverbrecher kommen unbehelligt davon. Sie bekommen große Geldsummen für Reden darüber, wie die Amerikaner der Welt Freiheit und Demokratie bringen, indem sie einmarschieren, bombardieren und Menschen umbringen. Das Kriegsverbrechertribunal hat keine Haftbefehle ausgestellt. Das Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, das noch immer Nazis jagt, hat die amerikanischen nicht entführt und nach Den Haag geschickt, damit sie dort verurteilt werden.  

Die Amerikaner, die zum Handkuss gekommen sind, sind die 4.801 Soldaten, die ihr Leben verloren haben, die Tausenden Soldaten, die Gliedmaßen verloren haben und unter anderen chronischen Defekten leiden, die Zehntausenden, die unter posttraumatischem Stress leiden und unter den Gewissensbissen, unschuldige Menschen getötet zu haben, die Familien und Freunde von amerikanischen Soldaten und die zerbrochenen Ehen und durch den Kriegsstress begründeten Kinder mit nur einem Elternteil.

Andere Amerikaner haben an der Heimatfront gelitten. Diejenigen, deren moralisches Gewissen sie dazu trieb, gegen den Krieg zu protestieren, wurden von der Polizei geschlagen und misshandelt, schikaniert und gegen sie vom FBI ermittelt, und sie wurden auf Flugverbotslisten gesetzt. Gegen einige könnte wirklich Anklage erhoben werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben den Punkt erreicht, wo jeder Bürger, der ein moralisches Gewissen hat, ein Staatsfeind ist. Die Verfolgung von Bradley Manning beweist diese Wahrheit.

Man könnte argumentieren, dass der Vergleich des Historikers zwischen dem Bush-Regime und japanischen Kriegsverbrechern nicht weit genug geht. Mit kommendem 7. Oktober wird Washington in Afghanistan 12 Jahre lang Menschen, hauptsächlich Frauen, Kinder und alte Menschen in Afghanistan getötet haben. Niemand weiß, warum Amerika eine derartige Zerstörung über das afghanische Volk gebracht hat. Zuerst die Sowjets, dann die Amerikaner. Was ist der Unterschied? Als Obama Präsident wurde, gab er zu, dass niemand wisse, welches Ziel die Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan verfolgen. Wir wissen es immer noch nicht. Die beste Annahme ist Profite für die Rüstungsindustrie der Vereinigten Staaten von Amerika, Macht für die Heimatlandsicherheits-Industrie und ein Polizeistaat für die unbekümmerte Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Washington hat Libyen in Ruinen und inneren Konflikt gestürzt. Es gibt dort keine Regierung, aber es ist kein libertäres Nirwana.

Die unablässigen verbrecherischen Drohnenattacken gegen pakistanische Zivilisten radikalisieren Menschen in Pakistan und provozieren Bürgerkrieg gegen die pakistanische Regierung, die in der Tasche Washingtons steckt und die Ermordung ihrer Bürger durch Washington zulässt im Austausch gegen Washingtons Geldüberweisungen an die politischen Eliten, die ihr Land an Washington verkauft haben.

Washington hat Syrien destabilisiert und den Frieden zerstört, den die Familie Assad den islamischen Sekten auferlegt hat. Es sieht so aus, als wenn Syrien bevorsteht, in Trümmer gelegt und permanenter Gewalt ausgeliefert zu werden wie Libyen und der Irak.

Washington ist damit beschäftigt, Menschen in Jemen zu töten.

Wie das Video, das Bradley Manning an WikiLeaks weitergeleitet hat, zeigt, kümmern sich einige Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika nicht darum, wen sie töten – Journalisten und Zivilisten, die friedlich auf einer Straße gehen, einen Vater und seine Kinder, die stehen bleiben, um den Verletzten zu helfen. So lange nur irgendwer getötet wird, spielt keine Rolle wer.

Töten ist siegen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind in Somalia einmarschiert, haben ihre französischen HiWis militärisch in Mali im Einsatz, und vielleicht schon den Sudan im Fadenkreuz für den Einsatz von Drohnen und Raketen.

Iran und Libanon sind vorgesehen als nächste Opfer der Aggression Washingtons.

Washington schützt die israelische Aggression gegen die West Bank, Gaza und Libanon vor Kritik der UNO und vor Sanktionen. Washington hat Menschen verhaftet und eingesperrt, die Hilfe für die palästinensischen Kinder geschickt haben. Gaza, so erklärt Washington, das sich selbst als einzige Quelle der Wahrheit betrachtet, wird beherrscht von Hamas, einer terroristischen Organisation laut Washington. Damit wird jede Hilfe für Gaza zur Unterstützung des Terrorismus. Hilfe für hungernde und kranke palästinensische Kinder ist Unterstützung des Terrorismus. Das ist die Logik eines unmenschlichen Kriegsverbrecherstaates.

Was hat es mit dieser Aggression gegen Moslems auf sich?

Die Sowjetunion brach zusammen und Washington brauchte einen neuen Feind, um dem Militär/Sicherheitskomplex der Vereinigten Staaten von Amerika Macht und Profite zu erhalten. Die Neokonservativen, die das Bush-Regime völlig in der Hand hatten und wohl auch das Obama-Regime dominieren, erklärten die Moslems im Mittleren Osten zum Feind. Gegen diesen „Feind“ entfesselten die Vereinigten Staaten von Amerika Angriffskriege, die Kriegsverbrechen darstellen gemäß dem von den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführten Nürnberger Standard, der gegen die im Zweiten Weltkrieg besiegten Deutschen zur Anwendung kam.

Durch seine unbegründete Ermordung von Moslems in sieben oder acht Ländern hat Washington eine Reaktion bei den Moslems hervorgerufen: bitteren Hass auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Reaktion wird von Washington als „Terrorismus“ bezeichnet, und der Krieg gegen den Terrorismus dient als Quelle endloser Profite für den Militärkomplex und für einen Polizeistaat, der die Amerikaner vor Terrorismus „beschützt,“ aber nicht vor dem Terrorismus ihrer eigenen Regierung.  

Der Großteil der amerikanischen Bevölkerung ist zu desinformiert, um das zu begreifen, und die wenigen, die verstehen und versuchen, andere zu warnen, werden ruhiggestellt werden. Das 21. Jahrhundert wird eines der schlimmsten Jahrhunderte in der Geschichte der Menschheit werden. Überall in der westlichen Welt stirbt die Freiheit.

Das Erbe des „Kriegs gegen den Terror” ist der Tod der Freiheit.
 


           

Quellenang. und Infos zum Autor:

erschienen am 18. März 2013 auf > Paul Craig Roberts Website


Paul Craig Roberts ist US-Publizist und Wirtschaftswissenschaftler. Infos über ihn findet man u.a. bei Wikipedia (engl.)

Auf der Webseite www.antikrieg.com will Klaus Madersbacher Übersetzungen von seiner Meinung nach besonders interessanten Texten für die Menschen im deutschen Sprachraum zugänglich machen, die nicht Englisch sprechen. Die Weiterverbreitung der Texte auf seiner Seite ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der von Klaus Madersbacher betriebenen Webadresse www.antikrieg.com nicht vergessen!
 

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Irakkrieg


Was Sie über den Irak nicht hören werden

von John Tirman


Der Krieg gegen den Irak lässt immer noch viele Fragen aufkommen, 10 Jahre, nachdem diese ersten Bomben Saddam Hussein aufsuchten. Der Großteil der Berichterstattung über diesen zehnten Jahrestag wird sich um die Entscheidungen drehen, die zu dem Krieg geführt haben, die Mischung aus Lügen und Arroganz in der Bush-Administration, welche niemals aus ihrer ungeheuren Sorglosigkeit die Lehren gezogen hat. Andere werden das Hauptaugenmerk auf die Naivität der liberalen Falken richten – Hitchens, Remnick, Ignatieff und andere – deren Selbstgerechtigkeit eine Metropole erleuchten hätte können. Oder der Scheinwerfer wird auf die gefallenen Soldaten und Marines gerichtet sein, die 4.488 im Irak Getöteten, und die Auswirkungen auf deren Familien.

Nicht viel werden wir darüber hören, was mit den Irakern geschah. Nachdem ich darüber oft geschrieben habe, eine Untersuchung der Sterblichkeitsrate im Irak in Auftrag gegeben und eine Erklärung für die amerikanische Gleichgültigkeit entwickelt habe, bin ich kaum darüber überrascht, dass sich der nationale Diskurs über den Krieg um die Themen dreht wie gehabt.  

Wenn ich die zehn Jahre des Krieges gegen den Irak reflektiere, ist das frappierendste abgesehen von der gewaltigen Zahl menschlicher Opfer -- fast eine Million Getötete, fünf Millionen Vertriebene, Hunderttausende Witwen und Waisen, unsägliches Elend -- die schiere Kaltschnäuzigkeit der Kriegsbefürworter-Clique, wenn sie mit diesen Fakten konfrontiert wird. Wie ich in meinem Buch zu diesem Thema The Deaths of Others (Das Sterben der Anderen) ausgeführt habe, reizt das nationale Sicherheitsestablisment nichts so sehr auf wie der Vorwurf bewussten Tötens. Sogar das Versagen im Krieg wird eher hingenommen als die Verantwortung für eine große Anzahl von getöteten Zivilpersonen. Und deswegen vermeiden die Politik und die Medien dieses Thema fast zur Gänze.

Man erwartet, dass sich die Neokonservativen, die rechtsgerichteten Medien und die republikanische Partei grundsätzlich in Abwehrhaltung befinden. Ihre Begeisterung für die Kriegspolitik war von Anfang an durchtränkt mit Verlogenheit und Kaltschnäuzigkeit, wie der anerkannte Geheimdienstanalyst Paul Pillar wiederholt festgestellt hat. Indem er die Begründungen für den Einmarsch in den Irak analysiert, bemerkt Pillar, dass sich die Kriegsarchitekten weiterhin an der nachweislich falschen Behauptung festklammern, dass sich alles nur um falsche Geheimdiensterkenntnisse betreffend Saddams angebliches Programm von Waffen der Massenvernichtung dreht. „Geheimdienstinformation hat die Entscheidung, in den Irak einzumarschieren, weder angetrieben noch gelenkt – bei weitem nicht, trotz des aggressiven Gebrauchs herausgepickter Teile von Geheimdienstberichten durch die Bush-Administration bei ihrer öffentlichen Verkaufskampagne für den Krieg,“ schrieb er vor kurzem.

Meiner Ansicht nach waren die Motive des Bushregimes nicht, Saddam loszuwerden, sondern den Mittleren Osten umzuwandeln, Israel zu schützen und den Zugang zum Erdöl zu garantieren. Der Preis, den die Iraker für diese großen und eigensüchtigen Ziele bezahlen sollten, war ein Nebengedanke, wenn überhaupt. Die Kriegsbetreiber bleiben dabei, sagt Pillar, dass ihr einziger Fehler war, falschen Informationen geglaubt zu haben. Ihr einziger Fehler. Der neue Film über Dick Cheney macht das wieder deutlich -- kein Bedauern.

Aber die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden der Iraker wird von beiden Parteien getragen. Man braucht nur zurückzublicken auf die frühere Phase unserer aggressiven Haltung gegenüber dem Irak. Immerhin führten wir einen 20 Jahre langen Krieg, beginnend mit der Operation Desert Storm 1991. Die dauerhafteste Politik dieser früheren Phase waren die Sanktionen, die vom älteren Bush verhängt und von Präsident Clinton fortgesetzt wurden, Sanktionen, die kalkuliert waren, die Iraker so hart in die Klemme zu nehmen, dass sie Saddam stürzen würden. Das tatsächliche Ergebnis war ein sozialer Zerfall, der neben anderen Konsequenzen den Tod von zwischen 300.000 und 500.000 Kindern zur Folge hatte. Als sie über diese Katastrophe befragt wurde, sagte Clintons Außenministerin Madeleine Albright in 60 Minutes, dass das Leiden und Sterben „es wert war,“ um Saddam zu bestrafen. Auch Clinton distanzierte sich nie von dieser Politik. Eine kaltschnäuzigere Zurschaustellung von Gleichgültigkeit ist schwer zu finden.

Im Krieg 2003-2011 würde man sich ebenfalls schwer tun, einen Vertreter der Demokraten zu finden, der das Leiden der Iraker anprangerte. Noch 2007, nachdem klar war, dass das Land in einen blutigen Bürgerkrieg gestürzt worden war und die Zahl der Toten in die Hunderttausende ging, behauptete der liberale Senator Dick Durbin, dass „wir den Irakern so viel gegeben haben ... wir Amerikaner und ein paar wenige Alliierte haben den Irak beschützt, als niemand anderer das getan hätte.“ Er erwähnte keine Zahl von Toten außer der des Militärs der Vereinigten Staaten von Amerika. Die liberale Intelligenz war gleichermaßen ahnungslos. Viele liberale Falken hingen nicht nur an ihrer widerlichen Begeisterung für den Krieg noch lange, nachdem klar war, dass die Massenvernichtungswaffen-Begründung falsch war, sondern einige von ihnen konnten nie eingestehen, dass ihr angeblicher guter Wille gegenüber den Irakern durch die fortschreitende Schlächterei unterminiert wurde. Indem er auf die hohen Sterbeziffern 2006 reagierte, begrüßte zum Beispiel Christopher Hitchens die hohe Zahl (damals geschätzt auf 650.000), indem er schrieb: „wer kann sagen, wieviele Menschen durch die Tatsache davor bewahrt worden sind, ermordet zu werden, dass die Mörder zuerst getötet worden sind?“

Eher nüchterne und gut informierte Analysten waren nicht weniger fehleranfällig. Colin Kahl, ein Assistenzprofessor für Politikwissenschaft an der Universität von Minnesota, der später zu Obamas Staatssekretär für Verteidigung für den Mittleren Osten ernannt wurde, verfasste in Foreign Affairs Ende 2006 eine vollmundige Entlastung der militärischen Taktiken der Vereinigten Staaten von Amerika im Irak. Zustimmend zitierte Kahl die Versicherungen von Militärführern betreffend den Schutz von Zivilisten und folgerte: „Wenn man sie beurteilt nach drei Schlüsselkriterien -- die Höhe der zivilen Opfer, das Verhalten der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika während der Kampfhandlungen und die Reaktion der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika auf Fälle von Zuwiderhandlung – haben die Taten der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika weitgehend den Aussagen ihrer Führer entsprochen.“ Das, so gab er an, war „würdiges Verhalten.“ Neben anderen Fehlern wie zum Beispiel der unkritischen Übernahme der niedrigstmöglichen Zahlen für zivile Getötete, sah Kahl das Massaker an 24 irakischen Zivilisten in Haditha durch eine Gruppe von Marines (und eine nachfolgende Vertuschung) als einen exzellenten Testfall für dieses gediegene Zeugnis. Wie wir jetzt wissen, wurde in Wirklichkeit nicht eines der acht Mitglieder der Gruppe oder Offiziere, die die Vertuschung betrieben haben, für die Morde zur Verantwortung gezogen.  

Sogar während die Rückblicke auf den Krieg das „wir haben Fehler gemacht“-Mantra in den Mittelpunkt stellen, wollen die amerikanischen Eliten noch immer nichts von dem tatsächlichen Tribut an menschlichem Leiden im Irak wissen. Sie wollen das nicht diskutieren, sie wollen sich nicht mit den derzeitigen Konsequenzen auseinandersetzen, wie den drei Millionen Irakern, die noch immer aus ihren Heimen vertrieben sind, und ganz sicher wollen sie nicht die Schuldhaftigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika in Betracht ziehen. Wenn wir mit dieser Katastrophe nicht klarkommen, lernen wir nichts. Es geht nicht nur um die Lügen von Bush, Cheney, Rumsfeld, Rice oder die Sieh-nichts-schlechtes-Medienlemminge. Es geht um ein moralisches Versagen in einem viel größeren Ausmaß -- wissen, dass dieses Gemetzel stattfand und nichts dagegen zu unternehmen, es nicht zuzugeben, zu versuchen, es unter noch mehr Verlogenheit zu begraben.

Mitten in der schlimmsten Gewalt im Irak im Jahr 2006, als die Vereinigten Staaten von Amerika gemäß Internationalem Recht verpflichtet waren, die Sicherheit im Irak zu gewährleisten, aber zu feig oder zu unfähig waren, das zu tun, konnte man gelegentlich eine irakische Stimme in dieser heulende Wildnis des Todes hören. Amerika wollte nichts hören, aber einige Stimmen kamen durch, hauptsächlich in Blogs. Eine solche Botschaft berührte mich besonders als Vater eines kleinen Kindes. Sie kam von einem anderen Vater, in Bagdad. Vielleicht drückt sie mehr als alles andere die tiefste Verzweiflung im Krieg aus:


Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Vater oder eine Mutter ihre Kinder hassen. In unserer erbärmlichen Existenz kommen wir dem jedoch sehr nahe.

Ein durchschnittlicher Elternteil im derzeitigen „freien Irak” verbringt einen guten Teil des Tages und der Nacht, indem er sich zu Tode sorgt wegen seiner oder ihrer Kinder, die in die Schule gehen, die mit ihren Freunden ausgehen, die eine Spur zu spät nachhause kommen ... ihre Angst treibt ihnen den Schweiß heraus in den vielen Stunden ohne elektrischen Strom in den erbarmungslos heißen Sommernächten in Bagdad, ein dumpfer Schmerz von Hilflosigkeit und Wut macht sich im Herzen breit.

Die meiste Zeit bist du krank vor Sorge um ihre Sicherheit und Wohlbefinden. Das Wissen, dass sie in ständiger Gefahr schweben, verzehrt dich. Es frisst dich bei lebendigem Leib.

Dann kommst du drauf, dass es deine Liebe für sie ist, die dich umbringt. Du beginnst diese Liebe zu hassen
.
 



► Quelle:


erschienen am 17. März 2013 auf > HuffingtonPost > Artikel > John Tirmans MIT-Website

Information über den Autor John Tirman findet man bei Wikipedia und auf seiner Webseite


Auf der Webseite www.antikrieg.com will Klaus Madersbacher Übersetzungen von seiner Meinung nach besonders interessanten Texten für die Menschen im deutschen Sprachraum zugänglich machen, die nicht Englisch sprechen. Die Weiterverbreitung der Texte auf seiner Seite ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der von Klaus Madersbacher betriebenen Webadresse www.antikrieg.com nicht vergessen!
 

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