Israel, der Westen und ein neuer Faschismus

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Rene Wolf
Rene Wolf
Offline
Verbunden: 19.05.2012 - 09:03
Israel, der Westen und ein neuer Faschismus
DruckversionPDF version

Israel, der Westen und ein neuer Faschismus

 

Kritik an Israel - steht sie uns zu?

Kritik an Israel bedeutet keine Entlastung unserer Vergangenheit. Gerade aus dem Massenmord an Juden und unserer daraus entstandenen Verantwortlichkeit entsteht die Verpflichtung, dieses Thema und das Thema Israel nicht zu ignorieren. Eng mit Israel verknüpft ist der Begriff "Zionismus".  Was heißt eigentlich Zionismus?


⇒ Jüdischer Zionismus

Die "Sehnsucht nach dem heiligen Land", die angeblich alle Juden in sich tragen, ist eine künstlich erzeugte Sehnsucht. Sie entspringt keiner echten, historisch gewachsenen Heimatverbundenheit. In Palästina gab es immer Menschen verschiedenster Herkunft und verschiedensten Glaubens. Das zionistische  Bedürfnis teilten am Ende des 19. Jahrhunderts die wenigsten deutschen Juden. Deshalb musste der 1. Zionistenkongress auf Einspruch der jüdischen Gemeinde in München nach Basel verschoben werden. Der Zionismus konnte sich erst durch den Holocaust bei den Juden durchsetzen. Aber es gibt nicht nur den jüdischen Zionismus.


Christlicher Zionismus

Wenn von Zionismus die Rede ist, quälen sich unsere Politiker mit Erklärungen. Bis hin zu Gregor Gysi, der Anti- Zionismus in der Nachbarschaft von Antisemitismus wittert. Dabei ist der jüdische Zionismus vielleicht gar nicht so sehr ein Problem wie der christliche, hauptsächlich US- amerikanische Zionismus, dessen Anhänger auf bis zu 100 Millionen Menschen geschätzt werden.


► Christlicher Zionismus - eine mächtige Sekte. Doku in engl. mit dt. Untertiteln:

Darin heißt es: Der ehemalige US- Senator Joseph "Joe" Lieberman verglich John Hagee, den selbsternannten Leiter von "Christians United for Israel" (CUFI), der populärsten christlichen Zionisten- Organisation Amerikas, mit dem biblischen Moses. Auch George W. Bush ("ich habe einen göttlichen Auftrag") lobte die CUFI und John Hagee. Die CUFI (gegründet 2005) hat eine enorme Macht, die im völligen Gegensatz zu jedem säkularen Prinzip steht.

John Hagee 2008: "Es ist Zeit für Amerika, einen Präventivschlag gegen den Iran zu erwägen. Gegen einen möglichen nuklearen Holcaust in Israel." Dabei haben selbst amerikanische Geheimdienste zugegeben, dass es keine Beweise dafür gibt, dass der Iran Atomwaffen hat. Im Gegensatz zu Israel, dessen Nuklearwaffenpotential auf einige hundert Atomsprengköpfe beziffert wird. Hagee akquirierte etliche Millionen Dollar für die illegalen israelischen Siedlungen. Christliche Zionisten treten für einen "ethnisch reinen" israelischen Staat ein. Damit sind sie zionistischer als die meisten jüdischen Zionisten. Die totale Unterstützung Israels ist das Kernstück des christlichen Zionismus. Das ist reiner religiöser Fundamentalismus. Er führt bis zu realen Endzeit- Gedanken. Zum Armageddon, der Voraussetzung zum Erscheinen des Messias. Atomkrieg inklusive.


Israel und Deutschland - was verbindet uns?

Deutsche Herrschafts- und Wirtschaftsinteressen sind für unsere Beziehung zu Israel dominant. Ideologische und vermeintliche Schuld- Probleme sind nur "Zückerchen fürs Volk" (siehe Ken Jebsen / KenFM- Interview mit Elias Davidsson). Israel will Macht und Geld. Das eint es mit Deutschland. Das eint Israel mit dem gesamten Westen, dem es vor allem um seinen Einflussbereich im Nahen Osten geht. Würde Deutschland sich tatsächlich so sehr um einen humanen Umgang mit Opfern der Geschichte bemühen, wie wäre es dann mit der Betrachtung seiner gesamten Verbrechen? Was müsste man dann in den Schulen über deutsche Verbrechen in Afrika erzählen, etwa über den Völkermord an den Herero und Nama 1904, inklusive des Wegsperrens der Überlebenden in den ersten- auch damals schon so genannten- Konzentrationslagern?


Antisemitische Kriminalfälle

Angeblich gibt es einen in Deutschland vorhandenen "tatsächlich antisemitischen Bodensatz".

  • Wie bedeutsam ist der?
  • Sammeln sich überall Gruppen von Menschen zum "Judenbashing"?
  • Sind nicht eher Türken und verschiedenste "People of Color" Ziele fremdenfeindlicher Attacken?
  • Sind es nicht eher die wirtschaftlich Armen, welche als Sündenböcke angesehen werden?
  • Wen stören wohlhabende türkische Bauunternehmer, im Vergleich mit syrischen Asylbewerbern?

Wer in die offiziell einsehbaren Verzeichnisse "antisemitischer Straftaten" sieht, bemerkt schnell, dass dort kaum Gewalt- und Eigentumsdelikte vorkommen. Es vor allem sind Beleidigungen, echte und scheinbare. Das unterscheidet die allgemeine Kriminalstatistik von der sich auf "Antisemitismus" beziehenden. Der neue Antisemitismus meint heute vor allem jene Semiten, die Araber sind. Antisemitische Kriminalfälle sind  zum Beispiel alle direkten und indirekten Morde, die von der US- Regierung an Arabern begangen werden.


Nebelgranaten

Ist nicht das gesamte Geschwätz über "Antisemitismus- ebenso wie über "problematische Ausländer" und "faule Hartz IV- Empfänger"- eine riesige Nebelgranate, eine Bedeutungsverschiebung vom echten "arm- reich" Problem, also eines vertikalen Phänomens in die Horizontale, in die von den Herrschenden herbeimanipulierte Kritik am Nebeneinander unterschiedlichster Daseinsformen?

Sogar in Israel fristen viele der echten Holocaust- Überlebenden heute ein ärmliches Dasein. Für sie wurde sogar eine Wahl zur "Miss Holocaust" organisiert, deren Einnahmen bedürftigen Holocaust- Opfern zukommen sollten.

  • Abgesehen davon, was nützen den armen, einst von den Nazis verfolgten Juden die Propaganda- Aktionen der israelischen Regierung im Gedenken an den Holocaust?
  • Wer hat sich die enormen Spenden für Holocaust- Opfer unter die Nägel gerissen?
  • Etwa auch jene, die diese Spenden sammelten?
  • Jüdische Organisationen gar, welche Norman Finkelstein als "Holocaust- Industrie" entlarvte?

Bitte den Artikel von Evelyn Hecht- Galinski, Autorin vieler Artikel hier im KN und des Buches "Das elfte Gebot: Israel darf alles.", über den US-amerikanischen Politikwissenschaftler Norman Finkelstein und "Die Holocaust- Industrie" lesen. Israel ist weder der Staat der Juden noch der beste Vertreter von Interessen der Holocaust- Opfern.


⇒ Israel als neokolonialer Staat

Die Konstruktion des Staates Israel war und ist eine machtpolitische Entscheidung Europas und der USA. Es wird das gemacht, was schon Theodor Herzl in seinem Buch "Der Judenstaat" Ende des 19. Jahrhunderts angeboten hat: "Wir sollten in Palästina ein europäisches Bollwerk gegen Asien bauen, einen Vorposten der Zivilisation gegen das Barbarentum". Es geht nicht um das Wohlbefinden von Juden. Es geht um neokoloniale weiße Politik. Hätte die westliche Welt tatsächlich ihr Herz für Juden entdeckt, so müsste sie darin Platz für jede Art von Juden haben: arme und reiche, schwarze und weiße Juden.

  • Wer aber kümmert sich etwa darum, wie äthiopische Juden in Israel behandelt werden?
  • Gibt es Proteste gegen den täglichen Rassismus in Israel gegen Äthiopier?

Was den Westen nach dem Holocaust empörte, war der gewaltsame Tod von weißen Mittelstandsjuden. Mit denen konnte man sich identifizieren.


Die negative Glorifizierung des Holocaust

Wer vom Holocaust spricht als etwas Einzigartigem, Unbegreiflichem, der glorifiziert dieses Verbrechen, wenn auch negativ. Holocaust wird heute als "systematischer, industriell betriebener Mord an Millionen Juden" definiert. Das ist eine- entgegen der vorherrschenden Meinung, welche Judenfeindlichkeit als dominanten Faktor dafür ansieht- klare Kapitalismuskritik. In dem Begriff "systematisch" steckt hier eine System- Kritik. In "industriell" steckt Industrie- Kritik. Das einzige, was noch fehlt, wäre die Kritik am Profit. Massenmord kann profitabel sein; im Falle der Judenvernichtung war sie es auch. Der österreichische Philosoph Günther Anders schrieb:


"Wenn du von Auschwitz sprichst, dann  vermeide Feierlichkeit. Der feierliche Tonfall ziemt sich nicht, er ist noch zu human, er  könnte noch so klingen, als wenn es irgendwo doch noch eine Möglichkeit von Sinn oder  Versöhnung gebe - und diese Möglichkeit offen zu lassen, das wäre eine tödliche  Entwürdigung des Monströsen, das sich abgespielt hat. Sprich nicht von Toten. Noch nicht  einmal von Ermordeten. Beides wäre Hohn. Getötet worden ist niemand. Und ermordet  worden ebenfalls niemand. Wie tief dich das auch erschrecken mag, wie schwer dir das auch  fallen mag, die einzige angemessene, die einzige wahre, die einzige der Millionen entwürdigte  Rede ist die zynische. Zu sprechen hast du also von dem Material, das, der Maschine zu  Verarbeitung zugeliefert, die ungewöhnliche Eigenschaft besessen hat, sehen, hören und  fühlen zu können. Und (wenn du die Zeugen erwähnst, die heute auftreten): von den zufällig unverarbeitet gebliebenen Materialresten, die die gleichfalls ungewöhnliche Eigenschaft  besitzen, sich erinnern, berichten und anklagen zu können. - Nur so. Anders zu sprechen, ist  unerlaubt und läuft beinahe schon auf Entschuldigung heraus." (Philosophische  Stenogramme)


Massenmord als neutrale Arbeit

Günther Anders war Sachverständiger bei Kriegsverbrechertribunalen der 50er und 60er Jahre. Er beschreibt die Empörung der Angeklagten über den Vorwurf, sie hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Sie behaupteten, dass sie lediglich "gearbeitet" hätten. (Erinnern wir uns an die Worte Adolf Eichmanns: "Ich habe nur meine Pflicht getan"- ?) Günther Anders sagt, dass in unserer modernen Betriebswelt "Arbeiten zum eigentlichen Arbeitsziel" geworden sei. Damit und mit der Forderung, dass alle mitzuarbeiten hätten, sei die Arbeit zu etwas moralisch Neutralem geworden. Natürlich, welcher Arbeiter in einer Fabrik, die Mikrochips herstellt, fragt danach, ob das Produkt seiner Arbeit etwa in Kriegsmaschinen eingesetzt wird?

Unsere Waffenindustrie und die Exporte betreffend, begegnet man höchstens noch dem zynischen Argument "Wenn wir es nicht machen, tun es andere". Wenn wir also beispielsweise Israel mit U- Booten beliefern, dann ist das nicht nur unsere moralische Verpflichtung, die aus der Geschichte entstanden ist, es ist auch ein neutraler Akt der Zusammenarbeit mit Freunden, die sonst von anderen beliefert werden würden.

Umgekehrt gilt Israel als äußerst begehrter Handelspartner für Kriegstechnik "Made in Israel". Gaza ist ein Versuchslabor für Drohnen und anderes modernstes Mordgerät. Dahinter steckt keine Ideologie. Nur Profitdenken.


Eleganter Faschismus

Der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, sagt: "Der II. Weltkrieg brauchte sechs Jahre, um 56 Millionen Opfer zu produzieren. Das schafft der Imperialismus heute in einem Jahr." Wie das geht? Durch ganz normale Arbeit, globalen Handel und durch unseren Konsum. (⇒ lest bitte den Artikel: "Weiterführung des Kolonialismus in Gestalt des Kapitalismus")

Jedes Jahr ein II. Weltkrieg? 56 Millionen Opfer pro Jahr, ist das nicht übertrieben? Wer mit "Opfern" lediglich Bilder von Kriegseinsätzen assoziiert, der wird das nicht begreifen. Wenn er sich aber vergegenwärtigt, dass es weltweit 1 Milliarde Hungernde gibt, ist er der Wahrheit schon näher. Und eben das meint Jean Ziegler. Er deutet auf den Preis unseres Wohlstands. Er besteht im Leid der anderen. Das "Recht auf Nahrung" steht auf dem Papier. Ebenso das "Recht auf Trinkwasser" oder das "Recht auf Gesundheit". (Man schaue sich an, welchen Wert etwa in Gaza solche Rechte haben.) Daraus konkrete Forderungen abzuleiten, wäre nichts anderes, als dem kapitalistischen Wachstumswahn den Kampf anzusagen.

Spekulationen auf Nahrungsmittel, das Abgraben des "virtuellen Wassers", Landgrabbing, Schuldenfallen für arme Länder, Austeritätspolitik, Profitlogik bei der Behandlung Kranker, Patente auf lebenswichtige Medikamente und auf Nahrungsmittel, krankheitsverursachende Produktionsmethoden, Ausgrenzung von armen Menschen- das sind die Bausteine des täglichen Massenmords. Das ist eleganter Faschismus. So sagte es auch der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini: "Der Konsumismus ist der moderne Faschismus".

Günter Anders bringt diesen Produktions- und Konsum- Faschismus bewusst in Zusammenhang mit einem Begriff, der für die wahnsinnigsten Nazi- Verbrechen steht:

"Unsre Kraft - durch ihre Freude .. Lob und Preis den Konsumenten/Unseren Geheimagenten." ("Die Antiquiertheit des Menschen", Band II)


 

kleine Auswahl relevanter informativer Artikel hier im Kritischen Netzwerk:
 

Die Rassenideologie des Zionismusweiter

Am Scheideweg. Judentum und Kritik am Zionismus (JUDITH BUTLER)weiter

Prof. Ilan Pappe über die Zerstörungsmaschinerie Israel und die Notwendigkeit einer Einstaatenlösungweiter

Nakba – die offene Wunde. Die Vertreibung der Palästinenser 1948 und ihre Folgen (MARLENE SCHNIEPER)weiter

Die Nakba, das Unrecht, das mit der israelischen Staatsgründung einhergingweiter


Bildquellen:

1. Als Aufstand der Herero und Nama bezeichnet man den Kolonialkrieg zwischen den deutschen Truppen und den Völkern der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika (dem heutigen Namibia) während der Jahre 1904 bis 1908, der nach der Niederschlagung des eigentlichen Aufstandes in einen Völkermord durch die deutsche Kolonialmacht mündete.

Der unter anderem durch Existenzängste geschürte Aufstand begann im Januar 1904 mit dem Angriff der Ovaherero unter Samuel Maharero auf deutsche Einrichtungen und Farmen. Die Schutztruppe der Kolonie war dem anfangs nicht gewachsen, die Reichsleitung entsandte daraufhin umgehend Verstärkung. Durch etwa 15.000 Mann unter Generalleutnant Lothar von Trotha wurde der Aufstand der Herero dann bis zum August 1904 niedergeworfen.

Der größte Teil der Herero floh daraufhin in die fast wasserlose Omaheke-Wüste. Von Trotha ließ diese abriegeln und Flüchtlinge von den wenigen dort existenten Wasserstellen verjagen, so dass Tausende Herero mitsamt ihrer Familien und Rinderherden verdursteten. Von Trotha ließ ihnen im sogenannten Vernichtungsbefehl mitteilen: „Die Herero sind nicht mehr Deutsche Untertanen. […] Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen.“

Foto: unbekannt. Quelle: Ullstein Bilderdienst, Berlin / Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

2. Titelbild des Buches von Evelyn Hecht-Galinski, 2. Auflage - ISBN-13: 978-3-94045651-9

3. Jean Ziegler am Genfer Buchsalon 2011. Foto: Rama. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Frankreich lizenziert.