Ist Integration für Muslime zumutbar?

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Verbunden: 02.10.2012 - 10:47
Ist Integration für Muslime zumutbar?
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Ist Integration zumutbar?

Musliminnen müssen zum Schwimmunterricht

Das Bundesverwaltungsgericht musste klären, ob das Grundrecht auf Glaubensfreiheit eine Befreiung vom Schulunterricht begründen kann.

Eine junge Gymnasiastin empfand es als Zumutung, mit den Kleidungsgewohnheiten und Verhaltensweisen von Mitschülern beim Schwimmen konfrontiert zu werden und klagte 2011 gegen die Pflicht, am Schwimmunterricht unter diesen Bedingungen teilzunehmen. Vor gut 5 Jahren kam die Familie aus Marokko. Nicht so weit von Europa entfernt als hätte man nicht im Vorfeld schon Eindrücke des kulturellen europäischen Miteinanders mitbekommen können.

So entsteht fast der Eindruck, als sei das Mädchen von den Eltern zur Durchsetzung engstirniger Interessen vorgeführt worden, die gleichzeitig von einem hohen Maß an Intoleranz zeugen. Denn würde der Islam zwingend eine Vollverschleierung o. ä. vorschreiben, wäre das Kopftuch oder gar Barhäuptigkeit nicht möglich. Das hat nichts mehr mit Religionsfreiheit zu tun, sondern mit der Unfähigkeit zu toleranterer Auslegung und Unterdrückung von Frauen. Für Menschen extremer religiöser Gesinnung muss unsere europäische Kultur demnach fast unerträglich sein. Sicher, Toleranz heißt nicht, alles mitmachen zu müssen – aber das gilt für beide Seiten.

Somit kann man nicht immer jedes Abweichen von einer strengen Glaubensmoral mit dem Ruf nach Religionsfreiheit einfordern. Die Bereitschaft zur Integration muss auch von anderer Seite erkennbar sein, will man nicht unnötig provozieren. Letztlich soll das Mädchen in unsere Kultur hineinwachsen – die Wahl der Eltern - und wird sich in unserer Kultur unweigerlich anders mit dem anderen Geschlecht auseinandersetzen müssen. Mit dem Kompromiss wird ihr jedoch sehr wahrscheinlich ein „Ankommen“ erschwert. Als mündige Bürgerin, als Arbeitnehmerin und in ihrer Rolle als Frau wird sie zwischen strengster islamischer Auslegung und all den Versuchungen des 21. Jh. jonglieren müssen. Ähnliche Herausforderungen, Kinder vor Versuchungen zu schützen, erleben Eltern beim Umgang mit dem Internet oder mit „schaurigen“ Filmen wie Krabat.

  • Müssen jetzt zukünftig die Lehrpläne geändert werden, weil sie was von Liebe, Leid und Krieg erzählen?
  • Es ist alles nicht mehr wegzudenken, man kann dem nicht ständig ausweichen. Wie also damit umgehen?

Der Anblick von Jungen in Badehosen wäre unzumutbar, so die Begründung, wie auch Berührungen anderer Schülerinnen. Damit lehrt man dem Kind, das Körperlichkeit etwas abschreckendes, beschämendes, schmutziges ist. U. u., das Jungen/ Männer potentielle Täter sind und grundsätzlich unfähig, sich zu regulieren. Was sagt das über den Vater des Mädchens aus. Frauen, die von Männern angestarrt bzw. belästigt werden, Respektlosigkeit brauchen wir hier tatsächlich nicht. Und das darf von staatlicher Seite nicht auch noch forciert werden, indem man Frauen einhüllt; denn Gleichberechtigung ist heute noch nicht überall selbstverständlich. Nicht zu vergessen, dass auch wir als Bürger auf der Straße oder in den Medien uns ebenso manche „Verschleierungspraktik“ ansehen müssen, egal in welcher Form. Und das kann ebenfalls als unzumutbar erlebt werden. Denn wir sehen uns mit Maßstäben konfrontiert, die man vom Christentum aus den letzten Jahrhunderten kennt. Eine Kleiderordnung wird instrumentalisiert, die im staubigen Wüstenklima und aus anderen Gründen vielleicht nötig war bzw. noch ist. Aber wie dringend angebracht erscheint dies in unseren aufgeklärten Klimazonen?

Mit Fragen dieser Art sollten sich auch streng Gläubige als verantwortungsvolle Eltern auseinandersetzen, ohne dabei gleich Gerichte anrufen zu müssen. D. h., sie sind gefordert aus dem Dunstkreis ihrer Religion heraus zu sehen und sich mit einer pluralistischen Kultur auseinanderzusetzen.

Mit dem Urteil hat das Gericht potentielle Unterdrückung legalisiert und dies ist mit dem

GG Art. 3 (2)
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“

und GG Art. 3 (3)
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

nicht zu vereinbaren.

Das Urteil ist ein Affront nicht nur gegen Frauen (-rechte).

Hartz 4 ist bereits als Verrat am Volk gebrandmarkt, in dem hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte negiert wurden. Nun gehen wir hier wieder und wieder einen Schritt weiter rückwärts.

Feindseligkeiten will man vermeiden, doch genau diese Einforderungen von anderer Seite ohne sich wirklich um Integration zu bemühen, können dazu beitragen. Integration heißt auch, sich mit der Kultur in der man leben will, auseinanderzusetzen. Der Migrant wäre unweigerlich mit den jahrzehntelang bestehenden Dauerproblemen konfrontiert, die uns ohnehin über Gebühr belasten, wie Umweltschutz, Konsum, Verbraucherschutz, Pflege, Atommüll, Arbeitnehmerrechte, Mobbing (Feindseligkeiten gibt es hier also genug). Die Forderung, sich um die Kultur zu bemühen, in die man einzieht, scheint jedoch ebenso unzumutbar, führt allerdings zur Unfähigkeit, zu erkennen, dass viele Mitbürger nicht noch mehr schultern können und ihre Reaktionen nicht auf Ausländerfeindlichkeit zurückzuführen sind. Durch die Fixierung an und Durchsetzung von interpretierbaren Religionsregeln lässt man den Rest der Welt außen vor, und stößt diesen gleichsam vor den Kopf.

So wie unsere Kultur für manchen nicht zumutbar ist, und hier hat Religion nicht mehr den Stellenwert, ist die strenge muslimische Auslegung für viele Europäer/innen nicht tragbar. Dieser Zwist ist für den einen Ausdruck von Kulturkonflikt, für den anderen geht es um Religionsfreiheit und für den Nächsten um Ausländerfeindlichkeit. Egal, wie man es nennt, Brücken können nur gemeinsam gebaut werden und können nicht nur von einer Seite ausgehen. Integration kann nur mit Respekt für beide Seiten gelingen. Doch leider ist eine Bereitschaft zur Integration in unseren Kulturkreis bei so einer Forderung wie ´nur unter islamischen Bedingungen Schwimmen zu dürfen´ nicht zu erkennen.

Manch korpulente ältere Frau wäre aber vielleicht gar nicht so unglücklich über eine Burkinimode: So schreibt eine Forumsteilnehmerin: „Super! Her damit, den will ich auch haben!! Für alle, die nicht mehr 20 sind und sich aus anderen Gründen beim Schwimmen nicht so entblößen wollen! Er sei auch vielen anderen Frauen UND Männern angeraten, die betroffen sind von Altersexhibitionismus.“

Claudia B.



Bildbeschreibung:

Der Burkini (auch Burqini oder Bodykini) ist ein zweiteiliger Schwimmanzug für muslimische Frauen. Er ist aus Elastan gefertigt, hat eine integrierte Kopfbedeckung und erfüllt die Anforderungen des Hidschab. Der Begriff „Burkini“ (bzw. „Bodykini“) ist ein Kofferwort aus Burka (bzw. Body) und Bikini.

Foto: Giorgio Montersino, Mailand, Italien  /  Quelle:  Wikipedia  CC Lizenz