Kants Weg vom Krieg zum Frieden. Bd. 1: Widerstreit und Einheit.
- Wege zu Kants politischem Denken
Autor: Hans Saner
Verlag: R. Piper & Co, München (1967)
ISBN-10: 3-492-01466-6 …./…. ISBN-13: 978-3-492-01466-3
428 Seiten, gebunden, nur noch antiquarisch zu bekommen – die Suche lohnt!
Klappentext:
Kants politisches Denken galt bislang als ein Randgebiet seiner Philosophie. Auf Gelegenheitsschriften verstreut und in der Rechtslehre nur unvollständig zur Einheit gebracht, schien es sich erst in Kants späten Lebensjahren als Altersfrucht herangebildet zu haben.
Hans Saner weist im vorliegenden ersten Band seiner Kantstudien nach, daß die bisherige Einschätzung von Kants politischem Denken unhaltbar ist. Er analysiert Begriffskonzeptionen, Gedankenformen und Eintwicklungsprozesse in den Frühwerken auf ihre formale Struktur hin und zeigt, daß in sie, oft erst viel später, materiale politische Gehalte eingesenkt wurden. Dabei wird eine Struktur immer wieder als die leitende erkennbar: die Überführung des sich Widerstreitendenzur Einheit durch den Widerstreit.
Saner untersucht ferner die Formen und Funktionen des literarischen Kampfes in Kants fragmentarischen Entwürfen zu Theorien der Polemik und in seinen faktischen Weisen des Polemisierens. Die Formen des Widerstreits und die Wege, auf denen sie zur Einheit gebracht werden, arbeitet der Verfasser schließlich in Kants kritischer Metaphysik heraus.
Kants politisches Denken wird dadurch einerseits als Variation seiner Metaphysik, andererseits als deren Prägnanzfallverstanden; denn es entfaltet sich nicht nur in jener, die ganze Metaphysik prägenden Struktur vom Widerstreit zur Einheit, sondern macht diese in der Überführung des Krieges zum Frieden selber zum materialen Gehalt.
Die Ergebnisse von Saners Untersuchungen eröffnen dem Leser neue Wege zu Kants politischem Denken und stellen es in bisher nicht gesehene Zusammenhänge. Das Buch wird durch seine umfassende Thematik zu einerEinführung in Kants Denken und durch seine Weise des Mitphilosophierens zu einer Einübung in die Kantische Denkungsart.
Vorwort:
Politik gründet in der Vernunft. Sie beginnt schon in deren Gebrauch und nicht erst im politischen Akt. Was und wie man denkt, hat politische Folgen. Diese Einsicht der Griechen hat Kant auf originale Weise wiedergewonnen und sie, wie vor ihm Platon und Aristoteles, in der Einheit von Politik, Erziehung und Metaphysik zum Ausdruck gebracht.. Sein politisches Denken gehört in die große Tradition der abendländischen politischen Philosophie und ist einer ihrer Gipfel.
Kants politische Philosophie läßt sich nur aus den Wurzeln seines Philosophierens verstehen. Dem Gehalt nach entspringt sie seiner metaphysischen Grundverfassung. Den Denkformen nach bewegt sie sich in den Kategorien, durch die von Jugend auf die Erscheinung des Weltdaseins sich ihm erschloß. Seine Philosophie im Ganzen ist von Anfang an auch politische Philosophie.
Um das aufzuweisen, bedarf es der dokumentierenden Entfaltung. Ich lege sie in zwei Bänden vor. Der erste ist ein Buch der Vorbereitung auf sein politisches Denken. Ein zweiter wird dessen Darlegung und Interpretationen enthalten.
Der vorliegende Band könnte als eine Art Einführung zu Kant erscheinen. Er erhebt diesen Anspruch nicht. Allerdings sind seine Themata umfassend: Das erste Kapitel sucht nach Gedankenformen in den Frühwerken, die später mit politischen Gehalten angefüllt werden. Das zweite analysiert die Formen und Funktionen des literarischen Kampfes (der Polemik) in Kants Denkgeschichte und setzt sie in Verbindung mit den Formen und Funktionen des politischen Kampfes in der Geschichte der Menschheit. Das dritte zeigt einen Grundzug seiner Metaphysik: den Ausgangspunkt aller Dinge in der Welt vom Kampf und ihre Hinwendung zum Frieden. Diese drei verschiedenen Wege zu Kants Politik sind in der gemeinsamen Spannung von Widerstreit und Einheit verbunden.
Jeder Schritt auf diesen Wegen läßt sich mit Kantistischen Gedanken belegen. Wenn zuweilen auf Zusammenhänge verwiesen wird, die Kant selbst nicht allseitig bewußt geworden sind, so geschieht es doch immer aus den Kantischen Ansätzen selber. Es soll hier das Fundament für eine Interpretation seines politischen Denkens gelegt werden, die keiner vorgefaßten fremden Leitmittel bedarf. [….] Hans Saner, April 1967
Zur Person des Autors Hans Saner:
Hans Saner wurde 1934 in Großhöchstetten in der Schweiz geboren. Er studierte in Lausanne und Basel Philosophie, Psychologie, Germanistik und Romanistik. Saner war Assistent am Philosophischen Seminar und persönlicher Assistent von Karl Jaspers bis zu dessen Tod im Jahre 1969. Hans Saner veröffentlichte Jaspers Nachlass und lebt als freischaffender Publizist und Autor diverser Bücher in Basel.
Klappentext „Karl Jaspers über dieses Buch“:
„Die Originalität ist ungewöhnlich. Das erste Kapitel (die Analogie) ist in der Fragestellung und der inhaltlichen Durchführung völlig neu. Das zweite Kapitel (die Polemik) behandelt ein jedenfalls bisher nie systematisch dargestelltes, wenn auch in den Details hie und da berührtes Thema in seinem vollen Umfang. Das dritte Kapitel ist durch den neuen Zug, der in die bekannten Dinge kommt, überraschend.
Saners Energie des Denkens und des Weiterdenkens hat einen langen Atem. Er schreibt didaktisch geschickt, ohne Umständlichkeiten und ohne Weitschweifigkeit. Das philosophisch vielleicht Bedeutenste der Arbeit ist in Kürze nicht deutlich auszusprechen.
Wer das Ganze gelesen hat, könnte sagen: das ist ja die radikalste Kant-Kritik. Aber sie liegt allein in der Natur der Sache, die durch Kant in die Welt gekommen ist. Sie ist selber Kantisch. Mir scheint es ergreifend, wie Saner diese Kant-Kritik als Kantisches Denken zum rückhaltlosen Ausdruck bringt. Zum erstenmal wird hier das Gewicht des politischen Denkens Kants im Zusammenhang mit seiner ganzen Philosophie nicht nur behauptet (was schon geschehen ist), sondern in der Durchführung der Interpretation zur Geltung gebracht“.
Inhalt:
Vorwort .7
Einleitung .13
I. Ursprünge Politischer Denkformen .19
A. Vielheit .19
- Der Antagonismus im Monaden-Begriff und im Begriff der ungeselligen Gesellschaft .19
- Die Funktion des Antagonismus in Natur und Geschichte .24
- Die Relativität der Bewegung und der philosophischen Begriffe .33
B. Der Weg zur Einheit .40
- Die Gemeinschaft der Substanzen und der Staatsbürger .41
- Physikalische Reziprozität und rechtliche Gleichheit .44
- Die Realrepugnanz und die Wirkung des Bösen .51
- Die Bildung der Epizykloide und der bürgerlichen Ordnung .57
C. Die Verankerung in Einem .64
- Der eine Grund alles Möglichen .65
D. Kritik und Verteidigung unseres Vorhabens .73
- Kritik des vorausgesetzten Monismus .74
- Kritik der Intention unseres Vorhabens .78
- Kritik an der Methode unseres Vorhabens .81
II. Kant als Polemiker (Vom Kampf für die Metaphysik) .87
A. Kants Entwürfe der Kampfweisen .89
- Disput und Kontroverse in den Frühschriften .89
- Der polemische Gebrauch der Vernunft in der Kritik der reinen Vernunft .96
- Der Streit in der Kritik der Urteilskraft .106
- Gesetzmäßiger und gesetzwidriger Streit im Streit der Fakultäten .114
- Die polemischen Kampfweisen .121
B. Kants Polemiken gegen die Zeitgenossen .126
- Kants unpolemischer Charakter .126
- Das polemische Zeitalter .128
- Der polemische Gebrauch der Vernunft .132
a) Die Herausforderungen .132
b) Kants Antworten .147
c) Fragliches in Kants ausschließender Polemik .162
4. Der Streit .183
a) Anlässe und Verlauf der Polemiken .184
b) Grundhaltung im Streit .195
c) Wesensmerkmale des Streits .199
5. Der Disput .210
C. Die Bedeutung der Polemik für Kants Schaffen .215
- Die Rolle der Polemik in den Vorlesungen .216
- Kants polemischer Umgang mit den großen Philosophen .224
- Die Polemik gegen die Zeitgenossen .228
- Kants Polemik gegen sich selbst .232
- Das Gewicht der Polemik ins Kants Schaffen .235
III. Vom Streit zum Frieden in der kritischen Metaphsyik (Kant als Friedensstifter in der Metaphsyik) .237
A. Der Streit und seine Beileguung im Gebiet der theoretischen Philosophie .238
- I- Der Streit .238
- Das Faktum des Streits in der dogmatischen Metaphysik .240
- Der Ursprung des Streits .243
- Der Ort des Streits in der Vernunft .247
- II- Der Weg zum Frieden .252
- Die Funktion des Streits .252
- Die Voraussetzungen des Weges .257
- Die kurzen Wege und der lange Weg .264
- Wahrheit, Irrtum und der Mittelweg .269
- III- Der Friede in der Metaphysik .275
- Der Friede .275
- Die Vernunft im Frieden .278
- Die Grundverhältnisse von Vielheit und Einheit .281
B. Vom Streit zum Frieden in der praktischen Philosophie .283
- Freiheit und ihr Gebrauch .284
- Der Kampf der subjektiven Prinzipien .286
- Der Kampf des unbedingten Prinzips gegen die Herrschaft der bedingten Prinzipien .287
- Der Kampf der Glaubensweisen .294
- Die Vereinigung der Vernünftigen .300
- Grundverhältnisse von Kampf und Einheit .304
C. Vom Streit zum Frieden in der Urteilskraft .306
- Der Streit um das Angenehme .307
- Die Einhelligkeit der Urteile über das Schöne .311
- Widerstreit und Einheit von Geist und Geschmack im Genie .317
- Grundverhältnisse von Widerstreit und Einheit in der Ästhetik .326
D. Widerstreit und Einheit im Blick auf das politische Denken .328
- Die äußeren Merkmale für das Gewicht der Problematik .329
- Der Satz des Widerspruchs und das Prinzip des Widerstreits .331
- Die Grundverhältnisse von Widerstreit und Einheit in Kants Metaphysik .335
- Ausfaltung der Verhältnisse auf das politische Denken .337
- Philosophie als Weg zum Frieden .339
Anmerkungen .341
Inhaltsübersicht .413-427