Kindesmißbrauch im Namen von Religion

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Rudolf Kuhr
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Kindesmißbrauch im Namen von Religion
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Kindesmißbrauch im Namen von Religion

Beginn, Auswirkungen, Ursachen, Lösungen

Die Tatsache des Mißbrauchs von Kindern weltweit im Namen von Religion ist allgemein noch kaum bewußt. Entweder viel zu groß oder aber viel zu verdeckt sind meist die Auswirkungen dieser Problematik, als daß man sich allgemein mit ihren Ursachen befassen würde. Und viel zu sehr sind viele verantwortlich am Mißbrauch Mitwirkende persönlich durch ihr eigenes Schicksal in der Sache verstrickt, so gehört der Mißbrauch allgemein noch immer (unbewußt) zur Normalität.


Beginn des religiösen Kindesmißbrauchs

Dieser beginnt mit der Erziehung von Kindern zu einer bestimmten religiösen Glaubensrichtung. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht nicht um das beispielhafte persönliche Vorleben durch religiös orientierte Erzieher, nicht um diese indirekte Form der Erziehung zu einem ethisch einwandfreien Verhalten.

Es geht beim Mißbrauch um die direkte Anleitung zum Glauben an bestimmte religiöse Objekte und zum Praktizieren von religiösen Kulten und Ritualen im Dienst von Institutionen. Und es geht um konfessionelle Festlegungen wie Kindes-Taufe, Religions- bzw. Konfessions- Unterricht und ähnliches. Als besonders verhängnisvoll sei hier neben der psychischen die in manchen Kulturräumen praktizierte irreparable körperliche Beschneidung von Kindern beiderlei Geschlechts genannt.

Religiöser Mißbrauch von Kindern beginnt mit jedem Versuch, Kinder in eine festgelegte Glaubensrichtung zu lenken, weil damit die - inzwischen durch internationale Menschenrechte garantierte - freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit erschwert bzw. verhindert wird. Vor allem wird die eigentlich beabsichtigte religiöse (rückbindende) Heilung der Kinder vom natürlichen Getrenntsein von ihrer Mitwelt durch zu frühen Einsatz von geistigen Heilmitteln (Drogen) be- oder gar verhindert. Wie im medizinischen, so können auch im religiösen Bereich durch zu frühes Verabreichen oder Überdosieren von Heilmitteln die Bildung von eigenen Abwehrkräften erschwert oder verhindert und eine oft lebenslange Abhängigkeit von diesen Heilmitteln herbeigeführt werden. (Siehe hierzu auch die Texte auf meiner Webseite 'Religion', 'Frieden, Demokratie und Religion' und 'Gedanken über das Heil' oder z.B. auch das Buch 'Tilmann Moser: Gottesvergiftung')


► Auswirkungen des religiösen Kindesmißbrauchs

Die von der Natur her abzuleitende Bestimmung des Menschen ist normalerweise - wie auch bei anderen Lebewesen - seine optimale Entfaltung. Hierzu gehört auch Mündigkeit, die Eigenständigkeit und Verantwortungsbereitschaft enthält. Dazu bedarf es einer Entwicklung zur Ablösung von den Eltern. Eine grundlegend verhängnisvolle Auswirkung religiösen Kindesmißbrauchs ist es, daß, noch bevor ein Kind sich von seinen Eltern ablösen kann, ihm mit Gott ein Übervater anerzogen wird, der ihm meist zeitlebens erhalten bleibt, so daß nie eine echte Eigenständigkeit und Verantwortungsfähigkeit entstehen kann. Es bleibt meist eine ständige unterschwellige Abwehrhaltung gegen eine aufgezwungene Autorität bestehen mit all den daraus resultierenden psychischen Folgen für den Betreffenden selbst und auch für seine Mitwelt.

Nach Erkenntnissen der Psychologie sind frühe Einwirkungen auf die Psyche eines Kindes ganz entscheidend für sein späteres Leben. Sie werden im Hirn gespeichert in Form unbewußter Erinnerungen. Im erwachsenen Alter können sie dazu führen, verdrängte Ereignisse ständig zu wiederholen, um zur Befreiung früher erlittener Ängste zu kommen. Es sind emotionale Deformationen, die später zu destruktiven Verhaltensweisen und Handlungen führen können. Androhungen von körperlicher Gewalt sind Kleinkinder hilflos ausgeliefert. Im Gegensatz zum Tier ist ihnen eine Reaktion mit Flucht oder Angriff nicht möglich. So können jahrzehntelang zurückgehaltene natürliche Reaktionen mitunter zur Gewalt gegen schwächere Objekte werden.

Nach Alice Miller ist das "eine mögliche Folge der Wut und Verzweiflung des Kindes, das bereits in seiner averbalen Zeit mißachtet worden ist. Solange der Zorn auf einen Elternteil unbewußt und verleugnet bleibt, läßt er sich nicht auflösen. Er läßt sich nur auf Sündenböcke verschieben, auf die eigenen Kinder oder angebliche Feinde."

Ebenso, wenn nicht noch gravierender, weil weniger auffällig als Gewaltandrohungen sind psychische Einengungen und Beschneidungen der Erfahrung und Entfaltung eigenständiger, ursprünglicher und unspezifischer kindlicher Religiosität durch spezifische Indoktrinationen bestimmter Glaubensrichtungen.

Entgegen der allgemein verbreiteten Wunschvorstellung geben die meisten religiös-konfessionellen Glaubens-Inhalte keine wirkliche echte Sicherheit, weil sie nicht wissenschaftlich haltbar sind und deshalb nicht hinterfragt oder gar angezweifelt werden dürfen. Das Ergebnis ist eine verborgene innere Unsicherheit, eine innere Unaufrichtigkeit und ein daraus resultierender Mangel an Fähigkeit und Bereitschaft zu kritischer Selbstwahrnehmung, verursacht durch eine Gespaltenheit zwischen natürlicher Vernunft und angepaßtem Glauben. "Wer am Glauben zweifelt, der ist schon verloren", heißt es nicht selten in religiösen Kreisen. In den meisten religiösen Gemeinschaften werden kritische Menschen als Gefahr empfunden und als Abweichler behandelt, so daß eine menschliche Entfaltung und Weiterentwicklung von Individuum und Gemeinschaft kaum noch möglich ist.

Mit der Verehrung und Anbetung von Symbolen wie dem Kruzifix geschieht eine Umwertung von Werten und Gefühlen. Ursprünglich als Folterinstrument und Werkzeug des Todes wird es im Extrem als Schmuck getragen und sogar als "süßes Holz" besungen. Kleine Kinder, denen dieses Symbol erstmals ins Zimmer gehängt wurde, begannen zu weinen und konnten nicht einschlafen. Sie hatten noch ein gesundes Gefühl des Entsetzens gegenüber dem plastischen Bild von einem gemarterten Menschen, der mit festgenagelten Händen und Füßen am Kreuz hängt.

 

"An diesem Kreuz (in der Kirche) hängt ein toter Mann, es ist eine fast brutale Darstellung eines geschundenen Mannes. Ich kann nicht davon ausgehen, daß Kinder im Kindergarten- und Schulalter unbedingt wissen, wie es dann weiterging. Und unter diesen Voraussetzungen halte ich es für nicht unbedingt geeignet, daß man Kinder mit diesem Kreuz konfrontiert. Wir haben hier (im Kindergarten) vor Jahren zuerst einmal ein Kreuz hergehängt, ein sehr großes Kreuz, das hing aber nicht lange da, weil die Leiterin sagte, die Kinder, wenn sie da vorbeigehen, haben Angst vor dem Gekreuzigten. Das war für mich ausreichende Begründung, um das Kreuz wegzunehmen. Wir haben dann einen besseren Platz dafür gesucht und es in unser Leichenhaus gehängt."

Pfarrer Dallmeier, Martlhofen (Bayern) in einem Fernseh-Bericht (BR-Quer 17.01.02 )

 

Im Laufe einer religiösen Erziehung gewöhnen sich Kinder an das Bild der Grausamkeit und empfinden es als normal und sogar anbetungs- und verehrungswürdig, es begleitet sie in manchen Gegenden Tag und Nacht. Eine solche Erziehung entspricht einer seelischen Vergewaltigung, einer Abrichtung, Abhärtung und Desensibilisierung. Hierdurch wird ein Mißtrauen gegenüber den eigenen Gefühlen und Werten herbeigeführt und verfestigt, das eine Grundlage zur Unaufrichtigkeit nicht nur sich selbst, sondern auch anderen gegenüber schafft, da die Erwachsenen eine Anpassung an ihre Normen erwarten und andernfalls mit Abweisung und Liebesentzug reagieren.

Dieser Zwang zum Unterdrücken berechtigter natürlicher Gefühle und das damit verbundene Erlebnis einer elementaren Ungerechtigkeit bezüglich einer eigenständigen freien Entfaltung führen meist zum Verdrängen von Versagungen und können einerseits zu Störungen der Selbstwahrnehmung und andererseits auch zu Aggressionen gegen sich und andere führen.
 

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Dummes Zeug kann man viel reden,

Kann es auch schreiben,

Wird weder Leib noch Seele töten,

Es wird alles beim alten bleiben.

 

Dummes aber vors Auge gestellt

Hat magisches Recht:

Weil es die Sinne gefesselt hält,

Bleibt der Geist ein Knecht.

 

Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

 

 

Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie die Ungerechtigkeit.

 

Charles Dickens, britischer Schriftsteller (1812-1970)

 

Ähnlich wie bei Mitgliedern von Sekten, die sich in ihrer - für Außenstehende offensichtlichen - Abhängigkeit frei und wohl fühlen, wird auch den früh zu den allgemein anerkannten Konfessionen hin erzogenen Menschen ihre Abhängigkeit und mangelnde Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung meist nicht mehr bewußt. Dieselben Menschen, die sich - zu recht - über die Darstellung von Greueltaten in Horrorfilme empören, gewöhnen ihre Kinder an den grausigen Anblick des gemarterten Jesus. Als Entschuldigung für die Duldung eines solchen Widerspruchs ist selbst von hoch intelligenten, ansonsten kritischen Menschen zu hören, daß sie halt so erzogen worden seien. So wundert es nicht, daß durch die Wirkung einer frühkindlichen Indoktrinierung noch heute die meisten Politiker freiwillig ihren Amtseid mit dem Zusatz "so wahr mir Gott helfe" ablegen und damit bekennen, daß sie letztlich nicht eigenverantwortlich handeln. (Siehe hierzu Erklärungen von 37 Spitzenpolitikern auf eine entsprechende Umfrage.)

Besonders folgenschwer für den Frieden in der Welt sind die Auswirkungen des Kindesmißbrauchs durch die Abgrenzung von Menschen anderen Glaubens, verbunden mit dem Entstehen von Überheblichkeit (Auserwähltheit, Rechtgläubigkeit), Rivalität und Gewalt gegenüber diesen (Un- und Andersgläubigen), auch heute noch, sogar in Europa. Die menschliche Geschichte wird begleitet von religiös motivierten Konflikten, und ein Ende ist nicht abzusehen.

Spezielle Formen des religiösen Mißbrauchs von Kindern sind u.a. die Kinderprostitution z.B. in Indien, wo trotz offiziellen Verbotes Mädchen von ihren Eltern als Teenager zu Devadasis, das bedeutet Göttliche Jungfrauen, hergegeben und so zu Dorfhuren oder an Bordelle verkauft werden. Knaben werden, wenige Jahre alt, von ihren Eltern irgendwelchen Gurus in Einsiedeleien (Matts) oder buddhistischen Mönchen (Lamas in Tibet) überlassen. In Afghanistan untersagten die islamischen Taliban den Schulbesuch für Mädchen. Wie immer, so schweigt auch hier die UNICEF, wenn Religion im Spiel ist.

Körperliche Verstümmelung an den Geschlechtsorganen nicht nur bei männlichen, sondern sogar bei weiblichen Kindern verschiedener religiöser Bekenntnisse mit entsprechenden lebenslangen körperlichen und psychischen Folgen ist eine besonders schwerwiegende Art des Kindesmißbrauchs im Namen von Religion bzw. einer von dieser geprägten Kultur. Die Auswirkungen der erlebten Gewalt und des religiösen Einflusses sind so tiefgreifend, daß trotz der eigenen schrecklichen Erfahrungen diese Rituale an den eigenen Kindern vorgenommen werden.

Gegenüber diesen zuletzt genannten Auswirkungen religiösen Kindesmißbrauchs mögen die in unserer Gesellschaft verbreiteten Formen der religiösen Einflußnahme unbedeutend erscheinen. Deshalb sind diese jedoch nicht weniger schwerwiegend, im Gegenteil, sie sind sogar wesentlich unheilvoller, weil sie so wenig sichtbar sind. Viele der negativen gesellschaftlichen Entwicklungen lassen sich letztlich auf diesen frühen, sehr subtilen religiösen Kindesmißbrauch zurückführen. Wer diese Behauptung als übertrieben oder gar absurd empfindet, der sollte diesem Vorwurf zumindest deshalb nachgehen, um ihn zu widerlegen.

  
Ursachen für religiösen Kindesmißbrauch

Hier sind vor allem psychische und materielle Abhängigkeiten der religiös erziehenden Erwachsenen von traditionellen religiösen Konfessionen zu nennen. Die meisten dieser betreffenden Personen, seien es Eltern, Großeltern, Verwandte, Bekannte, Lehrer usw. trauen aufgrund ihrer eigenen inneren Unsicherheit oder Scheinsicherheit und ihrem Mangel an kritischer Distanz ihrem eigenen Glauben gegenüber den Kindern nicht zu, daß sie eigenständig zu einem ihnen gemäßen religiösen Glauben finden. Deswegen zwingen sie die Kinder mit allen möglichen psychischen und physischen Mitteln zur Übernahme ihres eigenen Glaubens. Die Folgen einer solchen Indoktrinierung, besonders einer unterschwelligen, für den einzelnen Menschen und für die Gesellschaft sind ihnen meist nicht bewußt. Deshalb wäre hier im Interesse einer gesellschaftlichen Stabilisierung und ethischen Weiterentwicklung viel mehr Aufklärung als bisher nötig. Ansätze hierzu sind durch die zunehmenden religiösen Einflüsse von anderen Kulturen erkennbar.

Eine schwerwiegende Ursache von religiösem Kindesmißbrauch ist in einer direkten Glaubens-Vermittlung zu sehen, die nicht nur aus innerer Unsicherheit und darauf aufbauend aus Tradition, Gewohnheit, Opportunismus oder aus Pflichtgefühl, sondern aus professionellen Gründen durch religiöse Institutionen mit staatlicher Unterstützung erfolgt. Hier gibt es eine Symbiose aus emotionaler Unsicherheit und materieller Existenzgrundlage, die leider sehr stabil ist.


Zur Lösung des Problems

Um den negativen gesellschaftlichen Entwicklungen entgegenzuwirken und die ethische Stabilität zu erhöhen wird es not-wendig sein, die geistigen Grundlagen der gewohnten ethischen Orientierungen kritisch zu untersuchen, so wie inzwischen in technischen Bereichen selbstverständlich geworden ist, Fahrzeuge und technische Anlagen regelmäßig auf ihre Sicherheit hin zu überprüfen. Gleichzeitig zu dieser, am Vorhandenen erfolgenden Analyse wäre eine neue, ganz oben in unseren Werte-Ebenen ansetzende Vision einer realen Utopie von einem menschlichen Ideal bewußt zu machen, um die mit einer Analyse des traditionsgemäß Vertrauten verbundene Verunsicherung auszugleichen und die Orientierung neu ausrichten zu können. Das heißt, ein Hinterfragen bisher vertrauter ethischer Orientierungen abgrenzender Art würde leichter fallen, wenn die Möglichkeit einer neuen Orientierung, die alle Menschen unserer einen Welt einschließt, vermehrt im Bewußtsein vorhanden wäre.

Der inzwischen schon gewohnten zunehmenden Globalisierung dürfte der Gedanke von einer religiösen, rückbindenden Orientierung an einem universellen Humanismus entgegenkommen. So wie die Forderung nach materiellem Verzicht zugunsten der Umwelt immer selbstverständlicher wird und immer öfter von Verzicht auf Besitzstandsdenken gesprochen wird, so wird künftig auch der Verzicht auf geistige und kulturelle Traditionen, die abgrenzend und trennend wirken, immer notwendiger erscheinen. Das zunehmende globale Bewußtsein von unserer einen Menschheits-Familie dieser einen Welt wird früher oder später ein solches von der einen Menschheits-Religion und -Kultur verlangen.

 

Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Ansicht, daß es gewaltige kulturelle Unterschiede gibt, die sich in einer sogenannten "fremden Mentalität" äußert, zeigt die ethnologische Literatur, dass die Mitglieder alle Völker dieser Erde eine bis in die Details hineinreichende identische psychische Struktur besitzen. Moralische Ideale teilen praktisch alle Menschen als ihr phylogenetisches Erbe: Kinder auf der ganzen Welt bringen nahestehenden Menschen liebevolle Gefühle entgegen und reagieren ablehnend auf Brutalität und Ungerechtigkeit.

Die Veranlagung, Scham, Schuldgefühle und Empörung zu empfinden, teilen wir mit allen anderen Menschen - jedes Kind verfügt über einen Grundkanon von angeborenen Reaktionen, die es zu ethischem Handeln verpflichtet. (...) Zu welchen Gelegenheiten und in welcher Stärke wir emotional reagieren, hängt stark vom Wertesystem einer Gesellschaft ab, denn die Bereitschaft, sich an die eigenen moralischen Grundüberzeugungen zu halten, wird individuell durch das soziale Umfeld erlernt.

Zitat aus "Das Evangelium der Naturwissenschaften" von P.-P. Manzel, S. 136

 

Der Verzicht auf Identifikations-Hilfen, die auf äußeren Abgrenzungen beruhen, wird der Identifizierung mit sich selbst und dem Ganzen nicht entgegenstehen, sondern eher entgegenkommen und damit zur Entfaltung und Stabilisierung des Individuums als Voraussetzung der Stabilisierung von Gesellschaft und Umwelt beitragen.

'Mit List aus der Last eine Lust machen' könnte das neue Motto lauten. In unserer Gesellschaft ist es heute doch "in", das Neue, Ungewöhnliche, das Sensationelle, das Abenteuerliche, der Nervenkitzel. Packen wir's an! Statt Bungie-Springen, bei dem der freie Fall des Körpers erlebt wird, zum Beispiel Tabu-Aufbrechen, wo der freie Aufstieg des Geistes zum Erlebnis wird. Oder Verzicht auf überholte Tradition als Lust. Der Lustgewinn durch Verzicht auf Lust bei Asketen hat erwiesen, daß alles möglich ist, wenn die geistige Einstellung stimmt. Es fehlt wohl noch an geistigen Animateuren, die hier eine Marktlücke erkennen. Wenn die kirchlichen Seelsorger sich ihrer Verantwortung gegenüber den Mitmenschen umfassender bewußt würden, dann könnten sie auch zur Lösung der aktuellen Probleme ihrer Kirchen wirksam beitragen.

Konkret: Religion ist neu zu definieren, von Verfremdung und Überfrachtung zu befreien, wenn Religion nicht weiterhin als geistige Droge, sondern als echtes Heil-Mittel wieder wirksam werden soll. Religion ist nicht Konfession. Religion ist Rückbindung, direkte Rückbindung des Einzelnen an das Ganze. Das durch Religion zu erreichende Heil besteht in der eigenständigen, unmittelbaren und bewußten Verbundenheit des Individuums mit dem Weltganzen.

Kinder brauchen keine geistigen Heilmittel in Form von religiösen Heilslehren, sondern geistige Freiheit und Vertrauen. Sie brauchen Zeit und Unterstützung zur eigenen freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Kinder brauchen Begleiter, die ihnen keine zweifelhaften Wahrheiten aufdrängen, sondern sie zum Hinterfragen und zur Wahrhaftigkeit ermutigen. Kinder brauchen Vorbilder die mit Gelassenheit vorleben, daß man nicht alles wissen kann und muß, die ihnen auch mal sagen: "das weiß ich nicht, das weiß niemand genau, es gibt Menschen die glauben dieses, und andere die glauben jenes, ich glaube folgendes, und du kannst dir etwas davon aussuchen oder etwas eigenes entwickeln, und du kannst immer offen bleiben für neue Erkenntnisse".

Kinder brauchen Menschen, die ihre innere Sicherheit aus einem realistisch-heilen Weltbild gewinnen, nämlich daraus, daß sie sich als Teil der Gesellschaft und der Natur erkennen und erleben, und die ihre Aufgabe in der Vervollkommnung ihrer eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu ihrer Mitwelt sehen.
 

Groß und glücklich wäre der Meister, der alle seine Schüler

größer machen könnte, als er selbst war.

Johann Gottlieb Ficht, Philosoph (1762-18149)

 

Abschließend noch der Hinweis, daß sich auf meiner Seite einige weitere Zitate zum Thema befinden. Sie zeigen, es ist im Grunde alles wesentliche schon gesagt worden, nur wurde es bisher zu wenig beachtet und befolgt. Ich halte es mit Voltaire, der sagte: Ich werde mich solange wiederholen, bis man mich verstanden hat, und ich würde mich freuen, wenn auch andere Menschen guten Willens nicht müde würden, Kritik zu üben, da wo es not-wendig ist und gleichzeitig mindestens ebenso fleißig neue, alle Menschen dieser einen Welt verbindende Wege ethischer Orientierung anzubieten, wie sie ein umfassend verstandener, universeller Humanismus ermöglicht.

Rudolf Kuhr


Quelle: Humanistische AKTION für verantwortliche Menschlichkeit > Webseite > Artikel 

"Wachstum an Menschlichkeit. Humanismus als Grundlage" > zur Vorstellung meines Buches

weiteres lesenswerte Artikel zum Thema:


Gotteswahn- und Pest. Sieben Thesen zur Religion. - weiter

Bertrand Russell: Warum ich kein Christ bin - weiter

Dokumentation Sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche - weiter

Vergewaltigungen und Prügelstrafen bei den Regensburger Domspatzen - weiter

Katholische Kirchenkriminalität: Stockschläge und Stoßgebete - weiter

Bildquellen:

1. Bild veröffentlicht in einem ital. Artikel bei "La Voce di Manduria" und beim "Komitee des Rechtsbeistands des Internationalen Tribunals für Verbrechen durch die Kirche und den Staat" - ITCCS.

2. Bild u.a. veröffentlicht in einem Artikel bei der NGO "The National Secular Society". »Die Nationale Säkulare Gesellschaft setzt sich für die Trennung von Religion und Staat ein und fördert den Säkularismus als das beste Mittel zur Schaffung einer Gesellschaft, in der Menschen aller Religionen oder keiner Religion fair und kohärent zusammenleben können. Die NSS sieht den Säkularismus - die Position, dass der Staat von der Religion getrennt sein sollte - als ein wesentliches Element zur Förderung der Gleichheit aller Bürger an.

Wir arbeiten in Großbritannien und Europa daran, den unverhältnismäßig großen Einfluss der Religion auf Regierungen und im öffentlichen Leben zu bekämpfen. Wir bieten eine säkulare Stimme in den Medien und verteidigen Freiheit und Gleichheit als Gegengewicht zu der mächtigen religiösen Lobby und einigen der destruktiveren religiösen Impulse, die die Menschenrechte weltweit bedrohen können.«  >> Webseite des NSS.

3. Kruzifix im Kreuzgang des Essener Münsters. Foto: Andreas Praefcke. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk veröffentlicht der Bildautor als gemeinfrei. Dies gilt weltweit.

4. Ein Flurkreuz auf dem Hochtannbergpass. Foto: Böhringer Friedrich, Dornbirn / A. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.