Konkurrenz als positiver Impuls - ein naiver Glaube

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Konkurrenz als positiver Impuls - ein naiver Glaube
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Konkurrenz als positiver Impuls - ein naiver Glaube


Die Sprüche von der Belebung des Geschäftes durch die Konkurrenz und von der Konkurrenz als positiver Impuls sind nicht totzukriegen. Es ist eines der Märchen des Neoliberalismus, das dem Sozialdarwinismus entliehen ist, und das von ansonsten normalen Erwachsenen als unumstößliche Wahrheit angenommen wird - genau so wie die Kinder an den Osterhasen glauben. Franz Schandl hat ins seinem Beitrag „Der Todestrieb der Konkurrenz“ diese Lügen aufgedeckt und zutreffend geschrieben:

 

„Die Konkurrenz ist ein Prinzip, das stets ihre eigenen Grundlagen zerstört, sie hat ein destruktives Verhältnis auch zu sich selbst, ist somit ihre eigene Negation. Die Nichtung der Kontrahenten ist unumgehbar. Resultat der Konkurrenz ist die Eliminierung der Konkurrenten. Das konkrete Tun negiert das abstrakte Bekenntnis. Die Konkurrenz schützt also die Konkurrenz nicht, sondern betreibt ihre Abschaffung. Sie führt zu Konzentration und Monopol. So muss die Konkurrenz permanent vom ideellen Gesamtinteressenten, dem Staat und seiner Gesetzgebung, dazu angehalten werden, doch Konkurrenz bestehen zu lassen.“

 

Diese zerstörerischen Eigenschaften und Folgen des Konkurrenzdenkens erinnern mich an das Buch von Erich Fromm "Die Anatomie der menschlichen Destruktivität". Fromm spricht in diesem Zusammenhang von den Gegensätzen Haben - Sein sowie nekrophile - biophile Lebenseinstellung. Einseitige Orientierung am Haben und eine nekrophile Einstellung zu haben, bedeutet, daß der Mensch vorwiegend an materiellen Gegenständen hängt und von destruktivem Verhalten geleitet wird. Das vom marktradikalen System eingeforderte lebenslange Konkurrenzdenken ist genau diese von Fromm gemeinte Fixierung auf ein nekrophiles und lebens- sowie menschenfeindliches Verhalten, das man ohne Übertreibung pathologisch nennen kann. Eben die "Pathologie der Normalität" wieder im Sinne von Erich Fromm.


Es ist schwer, gegen die in den Köpfen der Menschen festgesetzten Vorurteile und Fehleinschätzungen anzukommen, die Konkurrenz mit Begriffen wie Ehrgeiz, Leistung, Fleiß, Pflicht und Motivation gleichsetzen. Die Verpflanzung des Konkurrenzwahns in die Hirne der Menschen stellt eine strategische und propagandistische Meisterleistung der neoliberalen Profiteure dar. Die "Unsichtbare Hand" des Marktes, die quasi Gottes Hand ablöst und dafür sorgt, daß allen Beteiligten angeblich Gutes widerfährt, ist eine geniale Erfindung. Adam Smith sei Dank!

 

Natürlich ist Konkurrenz nicht in jeder Hinsicht negativ zu bewerten. Außer der Konkurrenz als Mittel zum Kampf aller gegen jeden gibt es auch noch kreative Versionen der Konkurrenz. Sie kann als  Anregung für menschendienliche Optimierungen zur Förderung einer gesunden persönlichen Leistungssteigerung oder als Element im Spiel und Sport den Menschen in seiner Entwicklung behilflich sein. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn sich durch Konkurrenz das Bessere gegen das Schlechtere durchsetzt – vorausgesetzt, das Bessere wird als ein Ergebnis zum Wohle der Allgemeinheit aufgefaßt.  In diesem Sinne ist ein Wettbewerb, der Verbesserungen für die Menschheit hervorbringt, selbstverständlich erwünscht. Auch Wettbewerb, der motiviert, seine eigenen Grenzen und Möglichkeiten auszuloten, ist nicht des Teufels, sondern im Gegenteil erstrebenswert. Ebenfalls fällt ein spielerischer Wettbewerb, bei dem Freude aufkommt und bei dem auch der Zweite oder Dritte sich noch als Sieger fühlen kann, nicht unter die Rubrik menschenfeindlich. Es kommt also immer darauf an, welche Absichten bei Konkurrenz und Wettbewerb zugrunde liegen.

Meine negativen Bewertungsansätze hinsichtlich der Auswirkungen von Konkurrenzsituationen beziehen sich ausschließlich auf die Fälle, in denen die Konkurrenz als Eliminierungsprinzip und Kampfmittel eingesetzt wird, um andere auszustechen oder um sich rücksichtlos auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. In unserem System gewinnt die Konkurrenz allerdings immer mehr Oberhand in der Form, daß sie Menschen gegeneinander aufhetzt, so daß die Machtelite sich ungeniert und unbehelligt die Taschen vollstopfen und ihr Schäfchen ins Trockene bringen kann. Auch hier bewährt sich wiederum das jahrtausendealte Prinzip des „Divide et Impera“. Die Menschen werden dazu getrieben, in ihrer Hektik, in ihrem Streß, in ihrer Gier und ihrem rücksichtlosen Gewinnstreben Begriffe wie Solidarität, Humanität und Nächstenliebe total vergessen. Und vor allen Dingen kommen die aggressiven Kampfhähne nicht auf die verrückte und unerwünschte Idee, kritisch über ihr Leben und die fremdbestimmten Vorgaben nachzudenken: Konkurrenz ist also ein ideales Ruhigstellungsmittel, dessen Dosierung nach Bedarf der herrschenden Klasse erhöht werden kann.

In letzter Konsequenz ist auch Konkurrenz bei Diskriminierung und Rassismus im Spiel. Mißgunst und Mobbing geht ebenfalls auf das Konto von konkurrenzgesteuerten Menschen. Gleichfalls Nationalismus und die Bereitschaft, kriegerische oder ausbeuterische Maßnahmen zu unterstützen oder sich selbst daran zu beteiligen. Wir sollten endlich einsehen, worauf wir uns eingelassen haben, als wir Konkurrenz und feindseligen Wettbewerb in das Repertoire der positiven Werte aufgenommen haben. Wenn wir hier keine Korrekturen vornehmen, richten wir uns selbst zugrunde.


MfG Peter A. Weber