Konzerne platzen vor Geld

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Konzerne platzen vor Geld
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Konzerne platzen vor Geld

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.


Omas Sparbuch verzinst zur Zeit mit 0,05 Prozent – bei 1.000 Euro Einlage ist das im Jahr ein halber Euro Zinsgutschrift. Nach der neuesten Zinssenkung der EZB wahrscheinlich mit null-komma-nix. Selbst die niedrigste Inflationsrate von 0,3% im vergangenen Jahr frisst da noch von der Substanz. Opas „Bundesschätzchen“ rentieren gerade noch mit 0,5%; steigt der Verbraucherpreisindex über ein halbes Prozent, wird auch seine Altersrücklage real weniger wert. Nicht viel besser als mit staatlichen Schatzbriefen steht es mit Unternehmensanleihen, zudem sind sie risikobehafteter. Von der privaten Altersvorsorge gar nicht zu reden.

Fein heraus waren zumindest in den vergangenen Jahren Aktionäre. Hat ein Shareholder sein Geld zu Beginn des Jahres 2015 in Aktien gemäß der Zusammensetzung des DAX-Index angelegt, war er am Ende des Jahres um 9,8 Prozent reicher; um diesen Prozentsatz stieg der Dax-Kurs. Die Nebenwerte im MDAX legten sogar um 22,7% zu, die Technologiewerte Tec-DAX um 33,5%. Möglicherweise ist diese Zeit vorbei, seit der Jahreswende schwächelt der DAX. Aber möglicherweise pusht ihn die neue Geldflut der EZB wieder nach oben.

Wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die „Zentralbank der Zentralbanken“, in einer neuen Studie feststellt, hat die lockere Geldflut der Notenbanken die Vermögensungleichheit erhöht. Die BIZ kommt zudem Schluss, dass die Geldpolitik nach der Finanzkrise die Vermögensungleichheit vor allem über steigende Aktienkurse gesteigert haben dürfte (FAZ, 06.03.16).

Die Kurssteigerungen waren und sind nicht der einzige Gewinn des Aktionärs. Hinzu kommen noch die jährlichen Dividendenausschüttungen. Im Durchschnitt betrug die Dividendenrendite (Dividende bezogen auf den Aktienkurs) bei den Dividendenzahlungen im Jahr 2015 (für das Gewinnjahr 2014) 2,7 %; eine ganz ordentliche Verzinsung. Mit Ausreissern nach oben und unten: Bei E-on beträgt sie 5,5%, Allianz 4,6%, MunichRe 4,3%. Die Deutsche Bank und RWE haben für dieses Jahr angekündigt, dass sie für das vergangene Geschäftsjahr keine Dividende ausschütten.

Dennoch: Die Dividende gilt als der neue Zins für Kapitalanleger mit etwas dickeren Brieftaschen. Mit aufsteigender Tendenz, denn die Dividendenhöhe und -gesamtsumme geht nach oben. Bei den Ausschüttungen in diesem Frühjahr (für die Geschäftsabschlüsse des Bilanzjahres 2015) dürfte sie nach Schätzungen und Berechnungen der Commerzbank die 30-Milliarden-Euro-Schwelle touchieren: 29,6 Milliarden Euro. Die Konzerne zahlen nicht nur höhere Dividenden infolge höherer Gewinne, sondern sie erhöhen auch die Ausschüttungsquoten; sie liegen zwischen 40 und 50 Prozent des Nettogewinns, früher lagen sie in der Regel unter 40 Prozent.

Hinzu kommt die Kurspflege durch das Top-Management. Die extremste Form ist dabei der Rückkauf eigener Aktien, was allerdings bei deutschen Konzernen noch relativ selten der Fall ist. In den USA ist er gang und gäbe. Dort werden die Konzerne von Fonds und anderen Großanlegern angetrieben, die höhere Renditen einfordern. Man geht davon aus, dass im vergangenen Jahr die 500 größten börsennotierten US-Unternehmen für 600 Milliarden Dollar Aktien zurückkauften. Weitere 500 Milliarden Dollar haben sie ihren Aktionären als Dividende überwiesen (HB, 30.11.15).

Wenn eigene Aktien vom Markt genommen werden, erhöht sich der Gewinn pro Aktie. Die zusätzliche Nachfrage bzw das verknappte Angebot treiben – zumindest vorübergehend – den Kurs in die Höhe. Die Logik eröffnet sich nur für ein Aktionärsgehirn: Ein Unternehmen macht Gewinn und kauft damit zu Teilen sich selbst. Von wegen Gewinne als die Investitionen von morgen.

Getrieben wird diese Politik auch durch das billige Geld der Notenbanken. Denn inzwischen bezahlen die Konzerne die Rückkäufe nicht aus ihren Gewinnen, sondern mit Krediten, die sie teilweise für ein bis zwei Prozent Zinsen erhalten. „Microsoft, Oracle und Qualcomm haben sich in den vergangenen vier Quartalen jeweils zehn Milliarden Dollar geliehen, um eigene Papiere zurückzukaufen. McDonald´s gibt in diesem Jahr rund acht Milliarden Dollar für Aktienrückkäufe und Dividenden aus. Das ist doppelt so viel, wie die Fast-Food-Kette im selben Zeitraum netto verdient“ (HB, 30.11.15). Der Vorteil für Unternehmen bei Aktienrückkäufen ist, dass für die ausgeschiedenen Aktien keine Dividende mehr gezahlt werden muss. IBM hat in den vergangenen drei Jahren das Angebot seiner Aktien um 310 Millionen Stück verringert und spart jetzt jährlich etwa 1,3 Milliarden Euro an Dividende (HB, 30.11.15).

In Deutschland ist der Aktienrückkauf, wenn man so will, die teilweise Übernahme des Unternehmens durch sich selbst, noch nicht so verbreitet. Praktiziert wird er vor allem von Siemens und Munich Re. Siemens kündigte Ende vergangenen Jahres an, bis zu drei Milliarden eigene Aktien zurückzukaufen. 2014/15 kaufte der Konzern bereits für vier Milliarden eigene Aktien. Siemens muss durch die verringerte Zahl von Aktien, jährlich 150 Millionen Euro weniger an Dividende zahlen. Hätte es die Rückkäufe zu 100 Prozent kreditfinanziert – etwa durch Begebung einer Firmenanleihe mit Zinssatz 1,5% – müsste Siemens dafür 60 Millionen Zinsen zahlen. Die Ersparnis würde immer noch 90 Millionen Euro betragen. Heute wäre für eine Firmenanleihe ein Zins von weniger als einem Prozent fällig (vgl. HB, 30.11.15).

Ansonsten aber ist in Deutschland das große Horten angesagt. Mangels Investitionsmöglichkeiten parken die Firmen ihre Gelder bei den Banken zu Niedrigst- bzw Nullzinsen. Statt bei Banken Geld für Geschäftszwecke zu leihen, haben deutsche Unternehmen 1,2 Billionen Euro bei Banken geparkt. „Vor allem die großen Konzerne sind ohnehin schon vollgesogen mit Liquidität. Sie horten das Geld, anstatt es zu investieren. Und Kredite brauchen sie daher erst recht nicht: Mit 207 Milliarden Euro bunkern allein die 30 größten, börsennotierten Konzerne derzeit so viel Bargeld wie noch nie“ (HB, 11.01.16). Aufgrund der Rekordgewinne der letzten Jahre, laufen sie Gefahr, in ihrer eigenen Liquidität zu ersaufen.

Fred Schmid


Quelle: Erstveröffentlich am 13.03.2016 bei isw-München > Artikel. Der Artikel erscheint Mitte April 2016 im isw-wirtschaftsinfo „Bilanz“.

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2. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ; englisch Bank for International Settlements, französisch Banque des règlements internationaux, italienisch Banca dei Regolamenti Internazionali, spanisch Banco de Pagos Internacionales) ist eine Internationale Organisation des Finanzwesens. Die BIZ wurde am 17. Mai 1930 im Rahmen einer Neuregelung der deutschen Reparationsverpflichtungen gegründet. Sie ist die weltweit älteste internationale Finanzorganisation.

Eine Mitgliedschaft ist Zentralbanken oder vergleichbaren Institutionen vorbehalten. Die Deutsche Bundesbank zählt zu den gegenwärtig 60 Mitgliedern. Die BIZ gilt als „Bank der Zentralbanken“ und nimmt eine Schlüsselrolle bei der Kooperation der Zentralbanken und anderer Institutionen aus dem Finanzbereich ein. So hält sie regelmäßige Sitzungen auf Ebene der Zentralbankgouverneure ab, auf deren Tagesordnung vor allem Fragen der Konjunktur- und Finanzmarktlage sowie der internationalen Währungs- und Finanzstabilität stehen. Ebenso ist das Sekretariat des Financial Stability Board (FSB) und der nach dem Zusammenbruch der Kölner Herstatt-Bank gegründete Basler Ausschuss für Bankenaufsicht bei der BIZ angesiedelt.

Hauptsitz der BIZ ist das schweizerische Basel. Aufgrund eines Abkommens mit dem Schweizer Bundesrat unterliegen die Grundstücke, Gebäudeteile sowie die Bediensteten der BIZ der schweizerischen Hoheitsgewalt nur eingeschränkt. Repräsentanzen der BIZ befinden sich in Hongkong und Mexiko-Stadt. Mitglieder des Verwaltungsrats sind derzeit u.a. EZB-Präsident Mario Draghi, der Bundesbankpräsident Jens Weidmann, die Präsidentin der US-Zentralbank Federal Reserve Board, Janet Yellen sowie der Gouverneur der Chinesische Volksbank, Zhou Xiaochuan.

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