Machtausübung

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Peter Weber
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Machtausübung
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Machtausübung


Ich habe lange überlegt, wie ich meinen Essay angehen und gliedern soll. Dabei bin ich wieder auf meine – so denke ich – bewährte Taktik verfallen, dem Thema ein Gesicht zu verleihen, indem ich eine strukturierte Auffächerung der Aspekte vornehme:

 

Bedingungen für Machtausübung

Der Boden für Machtausübung wird besonders geebnet, wenn ein Potenzial an Geld- und Vermögensmitteln zur Verfügung steht. Die Verfügungsgewalt über Menschen, Produktionsmittel, Medien, Polizei, Militär bietet die idealen Voraussetzungen für die Anwendung von Machtmitteln und beinhaltet die Verführung, diese Hebel für die Einführung von autoritären Strukturen zu benutzen.

Insbesondere das Eigentum und die Eigentumsrechte, wie sie hierzulande eingeführt und als Tabu fungieren, machen es der  Gutsherrenart sehr leicht, eine fröhliche Auferstehung zu feiern. Vermögenswerte und Geld leisten – vielleicht noch mehr als polizeiliche und militärische Verfügungsgewalt – der Willkür der Gewalt Vorschub und bilden das geeignete Repressionsmittel, um Menschen zu unterdrücken oder sie als Werkzeuge der Herrschenden zu mißbrauchen.

 

Nährboden der Machtausübung

Die Praktizierung von Macht findet dort den besten Nährboden, wo sich autoritär strukturierte und unterwanderte  Gesellschafts- oder Staatsformen etabliert haben. Machtmißbrauch kann dort am besten praktiziert werden, wo eine durchorganisierte und zentralisierte Staatsverwaltung das Sagen hat. Das galt für die antiken Reiche und Imperien, den mittelalterlichen Feudalismus und für die neuzeitlichen Diktaturen sowie Oligarchien (nationalsozialistische und kommunistische-maoistische-bolschewistische-stalinistische bzw. Militärdiktaturen) wie für heutige Wirtschaftsimperien.

Dezentrale Strukturen (siehe meine weiter unten aufgeführten Rückbezüge auf die Kelten) sind das wirksamste Mittel, um Willkür und Machtgier vorzubeugen. In übersichtlichen Stammes- oder Gesellschaftsformen ist eine demokratisch fundierte Regulierung viel leichter. Obwohl ich die Bedeutung der physischen Repression durch militärische oder polizeiliche Übergriffe nicht verharmlosen will, sollte man verstärkt das Augenmerk auf die neuzeitliche psychologische Kriegsführung mit anderen Mitteln mit Hilfe von Medien sowie des Wirtschaftsimperialismus und –Kolonialismus richten.

 

Formen der Machtausübung

Vielleicht sollte ich zunächst einmal den Begriff der Macht durch die neutralere Bezeichnung „Einfluß(nahme)“ ersetzen. Insofern sollte man die rein negative Besetzung von Macht überwinden und auch die positiven und erwünschten Formen berücksichtigen wie:

eher positiv besetzt:

  • persönliche Autorität
  • durch Delegation / Verfügungsgewalt
  • als Familien-/Sippenoberhaupt
  • als Arbeitgeber
  • als Vorgesetzer / Leiter / Trainer etc.

eher negativ besetzt:

  • durch Erbfolge
  • durch Geld- und Vermögenswerte
  • durch politischen Einfluß
  • durch wirtschaftlichen Einfluß
  • durch Medieneinfluß

Völlig trennen lassen die bewertenden Faktoren allerdings nicht, denn es gibt sich meistens eine Verquickung.

 

Motive der Machtausübung

Die zugrunde liegenden Motivationen für Macht- bzw. Einflußausübung können durchaus auch edlerer Herkunft sein. Meistens tendieren sie jedoch aufgrund der Veranlagung des Menschen zum Egoismus weniger zu altruistischen Beweggründen. Trotzdem versuche ich nochmals die oben bereits angewandte Aufspaltung:

eher positiv besetzt:

  • solidarisches Bedürfnis zu Hilfeleistung und –stellung
  • Souveränität und Anliegen, seine Fähigkeiten in den Dienst anderer zu stellen
  • demokratisch verliehene Macht der Jurisdikative und Exekutive durch Wahl


eher negativ besetzt:

  • Machtgier
  • Habgier
  • Sadismus
  • Korruption
  • Arroganz - Überlegenheitsgefühle
  • Rassismus und Intoleranz mit Lust auf Diskriminierung
  • undemokratisch, selbstherrlich oder „im Namen des Herrn“ erworbene Macht


Machtmißbrauch begünstigende menschliche Schwächen

Die menschlichen Schwächen bzw. Triebe, sich selbst als Mittelpunkt der Schöpfung zu sehen und die eigenen Interessen vorrangig zu bedienen, gepaart mit der Lust, über andere zu verfügen und zu herrschen, stellen wohl Hauptgründe für Machtmißbrauch dar. An dieser Stelle möchte ich jedoch noch ein anderes Unterscheidungskriterium einführen – zum einen die passive Verhaltensweise, die anderen die Machtausübung erleichtert und erst ermöglicht und zum anderen die aktive Form der Bereitschaft, in die Rolle des Leitwolfes oder Platzhirsches zu schlüpfen.

Deshalb wage ich es  nochmals aus Gründen der Vereinfachung, eine Zweiteilung vorzunehmen, wobei das Potenzial  für ein aktives Machtstreben sich bereits aus den Ausführungen des letzten Kapitels „Motive der Machtausübung“ ergibt. Faktoren, die in diesem Sinne eine ausschlaggebende Rolle spielen, sind:

  • Obrigkeitsdenken
  • Konformitätsverhalten
  • narzißistische, patriotistische und nationalistische Verhaltensmuster
  • die zuletzt genannten Muster sind die Basis für eine Übertragung der eigenen Gefühle und Aktivitätsvorstellungen auf eine Führungspersönlichkeit oder eine entsprechende Gruppe
  • mangelndes Selbstbewußtsein, was wiederum die Grundlage für ein solches Vorgehen ist
  • ein sich Hingeben an den Herdentrieb, das heißt Abgabe von Verantwortung und Aufgabe des eigenen Denkens sowie Ausschaltung des kritischen Verstandes
  • Dummheit und Unwissenheit

Das Stichwort „Dummheit“ erinnert mich an unser Vorhaben, auf der Startseite des Forums einen entsprechenden ausführlichen Essay zu plazieren. Dies wird bereits in den nächsten Tagen erfolgen, denn der Text steht schon.

 

Machtmißbrauch begrenzende Faktoren

Den Gegenpol zu den geschilderten Keimzellen für Machtmißbrauch bilden Eigenschaften, Verhalten  und Organisationsvarianten in folgender Ausrichtung:

  • in sich gefestigte Menschen  mit Rückgrat, Moral, Ethik und eigenständigem Charakter
  • Mitgefühl mit den Mitmenschen und solidarisches Verhalten
  • kritisches Denken, Mut zu Widerspruch und Widerstandsgeist
  • demokratisches und konstruktives Weltbild
  • Vorfahrt für eigene Ideen, Kreativität und Eigeninitiativen
  • aktive Einholung von Informationen aus möglichst vielen und unabhängigen Quellen
  • Schaffung von demokratisch legimitierten und unabhängigen Kontrollorganen
  • Bildung von dezentralen Einheiten
  • radikale Reformierung der repräsentativen Demokratie und Ersatz durch direktere Mitsprachesysteme
  • Veränderungen der bisherigen Amtsperioden etc.

Bei diesem Punkt sind der Eigeninitiative und Vorstellungskraft keine Grenzen gesetzt. Ohne Vernetzung und Bündelung der Kräfte verpuffen diese allerdings.

 

Notwendigkeiten für Machtausübung

Im Sinne von Schaffung einer (An-)leitung, Führung, Ernennung eines „primus inter pares“, Organisationsleiters, Akzeptanz einer Kompetenzführerschaft und Vergabe von Delegierungsrechten sind Macht- bzw. Einflußkompetenzen unerläßlich, damit eine Gesellschaft funktionieren und überleben kann. Ohne derartige Regelungen, die von allen Mitgliedern der Gemeinschaft anerkannt werden, wird Chaos und Willkür regieren.

Entscheidungen müssen nun einmal getroffen werden, egal ob als Individuum oder als Gesellschaft, wenn es keinen Stillstand oder Rückschritt geben soll und wir die Herrschaft nicht den Populisten, Dummen oder Skrupellosen überlassen wollen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage aller Fragen:

Wer weiß und bestimmt, was das Volk will? Weiß das Volk das selbst und wer überhaupt ist das Volk? Besitzt das Volk eigentlich die Kompetenz in entscheidenden Sachfragen? Oder ist das, was das Volk will, denn auch gut für das Volk?

Es läßt sich nicht leugnen, daß der Mensch ein sehr paradoxes Wesen ist, das bei seinen Entscheidungen sehr oft die Vernunft nicht zu Rate zieht und sich leicht manipulieren läßt (Propaganda, Medien, Werbung etc.) Das menschliche Verhalten lehrt uns, daß wir unsere eigenen Interessen und die Gesundheit oft nicht nur vernachlässigen, sondern uns sogar sträflich leichtsinnig oder bewußt dagegen versündigen. Ganz zu schweigen davon, daß uns die Sorgen und Nöte unserer Mitmenschen – erst recht, wenn sie außerhalb unserer Reichweite leben und wir sie nicht persönlich kennen – so ziemlich schnurzegal sind.

 

historisches Beispiel für konstruktive Machtausübung

Ich bin bekannt als Anhänger und Verfechter keltischer Lebenskultur – und in diesem Rahmen vertrete ich die Ansicht, daß die Kelten bereits vor 2.500 Jahren in unseren Regionen humane und soziale Rechte eingeführt und praktiziert haben, wie sie in heutiger Zeit von den meisten Ländern der Welt noch nicht erreicht werden. Das Interessante daran sind in diesem Kontext die  positiven Aspekte der Macht in der keltischen Gesellschaft, die es ermöglicht haben, derartige Errungenschaften zu realisieren.

Es gibt m. E. in  dieser Beziehung zwei Hauptgründe, weshalb es den Kelten gelungen ist, relativ stabile und tolerante Stammes- und Volksgemeinschaften zu unterhalten:


einheitliches Werte- und Weltbild


Obwohl die Kelten dezentral organisiert, von der Mentalität her individualistisch veranlagt waren und daher in unabhängigen Stammesgemeinschaften lebten, besaßen sie eine einheitliche Wertorientierung, ein konformes Weltbild sowie europaweit abgestimmte Rechtsnormen. Dieses war das Rückgrat, das Bindemittel und die Seele der keltischen Gesellschaft. Die entscheidenden Träger und Weiterentwickler dieser Kultur waren die Druiden, die sich regelmäßig auf überregionalen Synoden trafen und dort über die anzuwendenden Regeln diskutierten.


Autorität der Druiden


Die Autorität der Druiden war unangetastet, weil sie in der Regel ihre Autorität nicht autoritiär mißbrauchten, sondern sie zum Wohle der Allgemeinheit einsetzten. Obwohl sie nicht die Exekutive vertraten (das waren die Häuptlinge, Fürsten oder Kleinkönige etc.), war ihre Autorität und damit ihre Macht in der Regel größer als die der Stammesführer. Dies war möglich, weil die einzelnen keltischen Gemeinschaften ziemlich übersichtlich waren und jeder den anderen persönlich kannte. Die Regeln und Urteile der Druiden wurden konsequent anerkannt und ausgeführt. Todesstrafe gab es nicht, das Strafprinzip war Wiedergutmachung – und die schlimmste Strafe für hoffnungslose Fälle waren die Aussprache des gefürchteten Geis (eine Art Verfluchung) oder die Verbannung. Die Stammesmitglieder hatten allerdings Mitspracherechte – Frauen und Männer gleichberechtigt.

Der Grund für das Auseinanderbrechen der keltischen Gesellschaft war nicht nur die perfekte Miltitärstruktur und Kampfstrategie der Römer, sondern vielleicht noch mehr die konsequente Ausschaltungstaktik des Druideneinflusses durch Caesar. Caesar als geschickter Planer und Stratege wußte genau, wo er ansetzen mußte, um den Widerstand der Kelten zu brechen: er ließ die Druiden durch Mordkommandos europaweit töten.



Fazit

Aus diesem keltischen Beispiel läßt sich erkennen, daß gewisse Autoritäts- und Machtstrukturen für das Funktionieren einer Gesellschaft unabdinglich sind. Wenn sie dem Gemeinwohl dienen, nicht dem Ausbau der Privilegien sowie des Reichtums von wenigen benutzt werden und nicht in einem autoritärem Regime ausarten, haben sie eine Berechtigung.

Auch kann man aus diesem Exempel einiges über die Bedingungen für eine gesellschaftliche Gestaltung ablesen, wenn sie die genannten Kriterien erreichen will. Entsprechend der keltischen Gesellschaft müßte sie u. a.

  • dezentral in übersichtlichen Einheiten organisiert sein
  • trotzdem überregionalen, supranationalen und globalen Autoritäten verantwortlich sein
  • und (was wahrscheinlich die wichtigste Voraussetzung ist) eine ethisch-moralische Werte- und Grundordnung besitzen, die von allen Mitgliedern akzeptiert wird

An dieser Stelle wird ersichtlich, daß ein Rückblick auf die Geschichte und das Lernen aus den historischen Zusammenhängen unentbehrlich ist zur Gestaltung der Zukunft. Insofern können uns die Kelten auch heute noch einiges mit auf den Weg geben – und ich bin sicher, daß die gleiche Aussage auch für viele andere Kulturen der Weltgeschichte gilt.

Das bereits beschriebene manchmal paranoide Verhalten der Menschen läßt einen fast vor der Aufgabe verzweifeln, eine einigermaßen humane und gerechte Gesellschaftsform einzurichten. Allerdings zeigen die Erfahrungen, daß dies nicht ohne die Mithilfe von kompetenten Führungspersönlichkeiten möglich ist, denen wir zu diesem Zwecke auch eine gewisse kontrollierte  Machtfülle verleihen müssen.

Die über allem stehende Frage, ob es denn überhaupt möglich ist, daß menschliche Gesellschaften ohne Machtausübung funktionieren können, ist damit wohl – wenn auch nicht erschöpfend – beantwortet! Wenn wir nicht wollen, daß Dummheit, Beschränktheit, Neid, Gier und Egomanie die Herrschaft über uns übernehmen, dann müssen wir Autoritäten zulassen – aber autoritäre Charaktäre bekämpfen!

 

Peter A. Weber