Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter: Snowden, Poitras und Greenwald

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Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter: Snowden, Poitras und Greenwald
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Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter

Carl-von-Ossietzky-Medaillen an Edward Snowden, Laura Poitras und Glenn Greenwald

Buchvorstellung von Rolf Gössner / Internationale Liga für Menschenrechte e.V.

Die Carl-von-Ossietzky-Medaille ist eine undotierte Auszeichnung, die vom Berliner Verein Internationale Liga für Menschenrechte vergeben wird. Mit ihr werden Personen und Initiativen ausgezeichnet, die sich nach Auffassung des Vereins in besonderer Art und Weise für die Verwirklichung der Menschenrechte eingesetzt haben. Der Namensgeber der Medaille ist der Publizist, Pazifist, Menschenrechtsaktivist und Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, der Vorstandsmitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte war und 1938 an den Folgen der Haft im nationalsozialistischen Konzentrationslager starb.
 

         

Die Reden und Erklärungen rund um die Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaillen im Dezember 2014 in der Berliner Urania sind spannende Zeitdokumente über mutige Aufklärer im elektronischen Zeitalter – ein Manifest gegen geheimdienstlichen Überwachungswahn und anlasslose Massenausforschung der Bevölkerung, für demokratische Transparenz und den wirksamen Schutz von Whistleblowern.

Mit seinen historisch einmaligen Enthüllungen hat der ehemalige NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden die umfangreichste verdachtsunabhängige Überwachung aller Zeiten aufgedeckt. Für seine beispiellose Zivilcourage zeichnete ihn die Internationale Liga für Menschenrechte mit der renommierten Carl-von-Ossietzky-Medaille aus. Zusammen mit Edward Snowden ehrte die Liga auch die Filmregisseurin Laura Poitras (Dokumentarfilm “Citizenfour“) und den Journalisten Glenn Greenwald („Die globale Überwachung“, s. Buchvorstellung im KN), die mit der Publikation von Snowdens Enthüllungen betraut sind.

Dem verantwortungsvollen Zusammenwirken dieses Trios ist die Aufklärung der Weltöffentlichkeit über das ganze Ausmaß der Menschrechtsverletzungen zu verdanken, die mit der globalen Massenüberwachung durch die USA, Großbritannien und Deutschland verbunden sind.

"Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter" - so lautet auch der Titel eines 100 Seiten starken Manifests, daß vor wenigen Tagen als Taschenbuch von Dr. Rolf Gössner herausgeben wurde und im Ossietzky Verlag erschienen ist.  

Gerade angesichts des am 16. Oktober 2015 beinahe klammheimlich von der Regierungskoalition beschlossenen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung macht auch ein solches Manifest gegen den geheimdienstlichen Überwachungswahn, die anlasslose Massenausforschung der Bevölkerung und für den wirksamen Schutz von Whistleblowern Mut und Hoffnung, sich im Ausnahmefall selbst unter Lebensgefahr für demokratische Transparenz einzusetzen. Der Bundestag hatte das umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Für die von der Koalition eingebrachte Neuregelung votierten in namentlicher Abstimmung 404 Abgeordnete. 7 Abgeordnete enthielten sich, 71 gaben keine Stimme ab. Erfreulicherweise gab es immerhin 148 Gegenstimmen. Sie kamen vorwiegend von der Linkspartei (52) und den Grünen (53), aber auch 43 Sozialdemokraten sagten Nein zu den Plänen. Sieben SPD-Abgeordnete enthielten sich.

Dr. Rolf Gössner, Anwalt und Publizist, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte (Berlin). Herr Dr. Gössner ist außerdem Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren des Bundestages und diverser Landtage, Berater von Bürgerrechtsgruppen im In- und Ausland, Prozessbeobachter in politischen Verfahren  und - last but not least - Mitherausgeber der Zweiwochenzeitschrift Ossietzky sowie des "Grundrechte-Reports - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland" (Fischer Verlag, Frankfurt/M.).
 



Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter

Mit Beiträgen von:

Gerhard R. Baum
(ehem. Bundesinnenminister, Bürgerrechtsanwalt; Düsseldorf/Köln/Berlin)

Glenn Greenwald
(Jurist und Journalist; Rio de Janeiro, Brasilien)

Rolf Gössner
(Rechtsanwalt/Publizist, Liga-Vizepräsident; Bremen)

Wolfgang Kaleck
(Mitglied im Rechtsanwaltsteam von E. Snowden; Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights, ECCHR Berlin)

Peter Lilienthal
(Filmregisseur und Drehbuchautor; Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2012)

Laura Poitras
(US-amerikanische Dokumentarfilmregisseurin; Berlin)

Fanny-Michaela Reisin
(Liga-Präsidentin, Professorin für Informatik i.R. an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin)

Edward Snowden
(Ex-CIA-/NSA-Mitarbeiter und Whistleblower; aus seinem Exil in Moskau zugeschaltet)


Eine Publikation der Internationalen Liga für Menschenrechte (Berlin 2015) - http://ilmr.de/

Taschenbuch, 100 Seiten, ISBN 978-3-944545-07-3, Preis: 8,00 EUR / zzgl. 1,50 EUR Versandkosten
 



Vorwort von Rolf Gössner

„Sie haben sich mit beispielloser Zivilcourage um Demokratie und Menschenrechte im digitalen Zeitalter verdient gemacht.“

Seit 1962 verleiht die Internationale Liga für Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medaille an Personen und Gruppen, die sich mit Zivilcourage für die Verwirklichung, Verteidigung und Fortentwicklung der Menschenrechte und des Friedens einsetzen.

Im Dezember 2014, zum Tag der Menschenrechte und im hundertsten Jahr ihrer Geschichte, zeichnete die Liga den ehemaligen NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden sowie die Filmregisseurin Laura Poitras und den Journalisten Glenn Greenwald für ihre sensationelle Aufklärungsarbeit und ihren ernormen Mut mit dieser Medaille aus. Die von ihnen publik gemachte „größte verdachtsunabhängige Überwachung in der Geschichte der Menschheit“ (Snowden), d.h. die digitale Durchleuchtung der Privatsphäre ganzer Gesellschaften, stellt alle Menschen, die auf irgendeine Art elektronisch kommunizieren, unter Generalverdacht, unterhöhlt die Unschuldsvermutung, führt zur Verletzung von Persönlichkeitsrechten und stellt verbriefte Grundrechte, ja die Demokratie insgesamt in Frage.
 

Edward Snowden hat mit seiner Gewissensentscheidung sein bürgerliches Leben, seine persönliche Freiheit und Sicherheit riskiert, ja geopfert, um uns und unsere Freiheit zu schützen. Mit seinen Enthüllungen hat er zusammen mit Laura Poitras und Glenn Greenwald Demokratie und Menschenrechten einen überlebenswichtigen Dienst erwiesen. Die Liga würdigt die Kooperation eines mutigen Whistleblowers mit staatskritischen Journalisten – ganz im Geiste Carl von Ossietzkys, jenes für seine Zivilcourage und für sein selbstloses Engagement international geehrten Publizisten der Weimarer Republik. Ossietzky geriet wegen seiner Aufklärungsarbeit über die völkerrechtlich verbotene Aufrüstung der deutschen Luftwaffe in die Mühlen der politischen Justiz und fiel später dem Nazi-Terror zum Opfer.

Die Feier zur Verleihung der Ossietzky-Medaillen fand in der Berliner Kultur- und Bildungsstätte „Urania“ statt und wurde in nahezu allen wichtigen regionalen und bundesweiten sowie in zahlreichen internationalen Medien gewürdigt. Die Veranstaltungsorganisation gestaltete sich überaus komplex – mit drei Laudatoren und drei Auszuzeichnenden, die irgendwo auf dem Globus verteilt leben und nur schwer zu erreichen sind, nun aber am Tag der Verleihung auf irgendeine Weise zusammenkamen. Laura Poitras, gerade aus USA nach Berlin zurückgekehrt, war persönlich anwesend, Edward Snowden live per Videoschaltung aus seinem erzwungenen Exil in Moskau und Glenn Greenwald per Grußbotschaft aus Rio de Janeiro.
 

Die Dramaturgie der Verleihungsfeier haben wir in der vorliegenden Publikation in etwa beibehalten; sie war diktiert von der Live-Zuschaltung Edward Snowdens aus Moskau, die den Ablauf des Festaktes und die Reihenfolge der Beiträge beeinflusste. Laudatoren waren der ehemalige Bundesinnenminister und Bürgerrechtler Gerhart Baum auf Edward Snowden, der Filmregisseur Peter Lilienthal (seinerseits ausgezeichnet mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2012) auf Laura Poitras und die Laudatio auf Glenn Greenwald hielt Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der Snowden in Deutschland anwaltlich vertritt und zu dessen internationalem Juristenteam gehört.

Es war eine bewegende und denkwürdige Verleihungsfeier. Die mehr als 300 Teilnehmer_innen feierten Edward Snowden mit stehenden Ovationen. Der wohl berühmteste Whistleblower aller Zeiten folgte dem Ereignis höchst interessiert und engagiert, mitunter lächelnd und amüsiert, dabei immer zurückhaltend und bescheiden - wie von ihm gewohnt.

Wir halten die Publikation aller Beiträge und Erklärungen rund um die Verleihung für ein spannendes Zeitdokument, für einen wichtigen Aufklärungs- und Solidaritätsbeitrag, ja für ein Manifest gegen geheimdienstlichen Überwachungswahn und anlasslose Massenausforschung der Bevölkerung, für demokratische Transparenz und den wirksamen Schutz von Whistleblowern. Seit Jahren widmet sich die Liga der Aufklärung über die Unvereinbarkeit von Geheimdiensten und Demokratie; solche Geheimorgane sind ihrem Wesen nach intransparent und unkontrollierbar und neigen zu Verselbständigung und Machtmissbrauch.
 

Skandalöse Anlässe gab es in den vergangenen Jahren mehr als genug, um sich mit dieser Materie unter Menschenrechtsaspekten intensiv zu beschäftigen. Die Liga wird auch künftig in diesem Sinne aktiv und sich an der Aufklärungsarbeit sowie an Protesten gegen geheimdienstliche Massenüberwachung beteiligen (z.B. „BND an die Kette“; „Verfassungsschutz auflösen“); auch die weitere Unterstützung für Edward Snowden (u.a. „Freiheit/Asyl für Snowden“) sowie Bemühungen um einen menschen- und völkerrechtlichen Schutz für Whistleblower stehen auf der Agenda. Zur Aufklärung gehört auch unsere Strafanzeige, die die Liga zusammen mit ChaosComputerClub und Digitalcourage Anfang 2014 gegen Geheimdienste und Bundesregierung erstattete. Über ihr Schicksal gibt diese Publikation ebenfalls Auskunft.

Angesichts des eskalierenden Wettrüstens der Geheimdienste im globalen Informationskrieg braucht dieses Land, braucht Europa dringend eine starke Bürgerrechtsbewegung und widerständige Menschen, die sich anlassloser staatlicher Überwachung und Kontrolle tatkräftig und mit Phantasie widersetzen – und Menschen, die Demokratie und Transparenz, Bürger- und Menschenrechte gerade auch für das digitale Zeitalter neu erkämpfen.


 

Bestellungen und Rezensionsexemplare:

Ossietzky Verlag GmbH

Siedendolsleben 3 / 29413 Dähre. Mail: ossietzky@interdruck.net / Internet: www.ossietzky.net

Wir über uns / Geschichte der LIGA - Internationale Liga für Menschenrechte e.V. im Geiste von Carl von Ossietzky - weiter.

Lesetipp:

Anlässlich des Erscheinens der Publikation "Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter" der Internationalen Liga für Menschenrechte (ILMR) hat der Humanistische Pressedienst mit dem Herausgeber und Vize-Präsidenten der Liga, Dr. Rolf Gössner, ein Interview geführt mit dem Titel: Edward Snowden oder das "Goldene Zeitalter der Überwachung" -- Bitte hier weiterlesen

Infos über die Zweiwochenzeitschrift Ossietzky:

Ossietzky, eine antimilitaristische, pazifistische Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft, wurde 1997 von Publizisten gegründet, die zumeist Autoren der 1993 eingestellten Weltbühne gewesen waren – inzwischen sind viele jüngere hinzugekommen. Sie ist nach Carl von Ossietzky, dem Friedensnobelpreisträger des Jahres 1936, benannt, der 1938 nach jahrelanger KZ-Haft an deren Folgen gestorben ist. In den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte er die Weltbühne als konsequent antimilitaristisches und antifaschistisches Blatt herausgegeben; das für Demokratie und Menschenrechte kämpfte, als viele Institutionen und Repräsentanten der Republik längst vor dem Terror von rechts weich geworden waren. Dieser publizistischen Tradition sieht sich die Zweiwochenschrift Ossietzky verpflichtet – damit die Berliner Republik nicht den gleichen Weg geht wie die Weimarer.

Wenn tonangebende Politiker und Publizisten die weltweite Verantwortung Deutschlands als einen militärischen Auftrag definieren, den die Bundeswehr zu erfüllen habe, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie Flüchtlinge als Kriminelle darstellen, die abgeschoben werden müßten, und zwar schnell, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie Demokratie, Menschenrechte, soziale Sicherungen und Umweltschutz für Standortnachteile ausgeben, die beseitigt werden müßten, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie behaupten, Löhne müßten gesenkt, Arbeitszeiten verlängert werden, damit die Unternehmen viele neue Arbeitsplätze schaffen, dann widerspricht Ossietzky – aus Gründen der Humanität, der Vernunft und der geschichtlichen Erfahrung.

Ossietzky erscheint alle zwei Wochen im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Berlin – jedes Heft voller Widerspruch gegen angstmachende und verdummende Propaganda, gegen Sprachregelungen, gegen das Plattmachen der öffentlichen Meinung durch die Medienkonzerne, gegen die Gewöhnung an den Krieg und an das vermeintliche Recht des Stärkeren.
 

Redaktionsanschrift:

Redaktion Ossietzky
Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalderstr. 4, 10405 Berlin

redaktion@ossietzky.net

http://www.ossietzky.net/


 

Bild- und Grafikquellen:

1. Edward Snowden, Februar 2014. Geboren am 01.06.1983. Laut Angaben des Autors Greenwald (S. 64/65) stammt er aus einer Familie der Mittelschicht in North Carolina. Beide Eltern waren Staatsbedienstete. In der Highschool habe er sich unterfordert gefühlt und sie vorzeitig beendet. Im Alter von zwanzig Jahren war er zur US Army gegangen. Er galt in technischen Dingen als Naturtalent. Ab 2005 arbeitete er als IT-Experte für die NSA und für die CIA. Als Infrastrukturanalytiker hatte er Einsicht in geheimste Dokumente. Er begriff, dass die NSA daran arbeitete, „Zugriff auf die gesamte Kommunikation der Menschen zu bekommen“. (S. 75) Greenwald schildert Edward Snowden als hochintelligent und rational, sehr methodisch denkend.

Urheber: Freedom of the Press Foundation / Webseite. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 4.0 international“.

2. Laura Poitras (* 1964 in Boston) ist eine US-amerikanische Dokumentarfilmregisseurin und -produzentin. Sie hat mehrere preisgekrönte Werke veröffentlicht und ist MacArthur Fellow. Poitras ist eine der Initiatoren der Freedom of the Press Foundation; sie ist neben Glenn Greenwald die erste Person, die Zugriff auf die von Whistleblower Edward Snowden zur Verfügung gestellten Dokumente der Globalen Überwachungs- und Spionageaffäre hatte. Seit Februar 2014 ist sie für das von Glenn Greenwald und Jeremy Scahill zusammen mit ihr gegründete Medium The Intercept tätig. Ihr Film Citizenfour, ein Dokumentarfilm über den US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden, für den sie das Drehbuch schrieb und Regie führte, gewann 2015 den Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm.

Urheber: John D. and Catherine T. MacArthur Foundation. Quelle: Wikimedia Commons. (Foto nicht mehr verfügbar). Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 4.0 international“.

3. Glenn Greenwald (* 6. März 1967 in New York City) ist ein US-amerikanischer Journalist, Blogger, Schriftsteller und Rechtsanwalt. Weltweite Bekanntheit erlangte Greenwald, als er die von Edward Snowden im Jahr 2013 übermittelten Dokumente zum streng geheimen NSA-Überwachungsprogramm PRISM aufbereitete und Anfang Juni 2013 in der britischen Tageszeitung The Guardian zusammen mit einem Interview Snowdens veröffentlichte. Aufgrund dieser und folgender Berichte ist er eine der zentralen Figuren der Globalen Überwachungs- und Spionageaffäre. Seit Februar 2014 ist er als Hauptautor der publizistischen Website The Intercept tätig. Greenwald ist Gründungsmitglied der Freedom of the Press Foundation mit Sitz im Vorstand (Board of Directors).

4. Cover "Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter". © Ossietzky Verlag GmbH.

5. Festakt zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2014 der Internationalen Liga für Menschenrechte an Edward Snowden, Laura Poitras and Glenn Greenwald. Eröffnungsrede der Liga-Präsidentin Fanny-Michaela Reisin.

Urheber: Michael F. Mehnert. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter den Creative-Commons-Lizenzen „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, „2.5 generisch“, „2.0 generisch“ und „1.0 generisch“ lizenziert.

6. Festakt zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2014 der Internationalen Liga für Menschenrechte. Der Whistleblower Edward Snowden war live per Videoschaltung aus seinem erzwungenen Exil in Moskau seiner Auszeichnung zugeschaltet. Laura Poitras empfängt die Medaille für Edward Snowden. Von Links nach rechts: Edward Snowden (Videokonferenz), Fanny-Michaela Reisin, Laura Poitras, Rolf Gössner.

Urheber: Michael F. Mehnert. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter den Creative-Commons-Lizenzen „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, „2.5 generisch“, „2.0 generisch“ und „1.0 generisch“ lizenziert.

7. Buchumschlag (Vorder- und Rückseite) "Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter". © Ossietzky Verlag GmbH.
 

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Harry Popow
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Verbunden: 18.05.2013 - 13:52
Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter - Rolf Gössner

 

„Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter“ - Rolf Gössner (Hrsg.)


Verdammt und geehrt


Rezension von Harry Popow


Wenn ein Whistleblower und Computerexperte 1,7 Millionen geheimster Daten den Herrschenden in den USA entreißt, sie kopiert und mit Hilfe zweier weiterer Widerständler aggressive und unerlaubte Machenschaften im Juli 2013 „ungesetzlich“ in die Welt hinausposaunt, dann treten  ganz gewiss Meinungen zutage: Solche und solche. Sympathisanten reiben sich die Hände. Die aber von der Ausforschung der Menschen aller Kontinente zwecks Herrschaftserweiterung profitieren, sie bringen es auf einen Nenner: Verräter! Die zwischen den Fronten pendeln sind mitunter unbedarfte, nicht unbedingt mutige Mitbürger, manchmal auch Feiglinge, die ihr Abseits ohne Hemmungen überwinden mögen.

Zur Sachlage. Nachdem Edward Snowden und seine Mitstreiter Laura Poitras (Filmdokumentation) und Glenn Greenwald (Buch mit dem Titel „Die globale Überwachung...“), die ihm den Weg in die Weltöffentlichkeit - sozusagen in geheimer Mission – bahnten, seitdem stehen die NSA sowie die Hegemoniepolitik der USA und ihrer Verbündeten, allen voran die Geheimdienste der BRD, verstärkt am Pranger.

Edward Snowden - er hatte in Moskau Asyl gefunden - befürchtete nach dem von einigen Westmedien betitelten Riesenskandal, „dass sich nichts ändert“ (S. 51) und sich „angesichts des eskalierenden Wettrüstens der Geheimdienste im globalen Informationskrieg“ (S. 8) keine Veränderungen bei den zunehmenden Menschenrechtsverletzungen durch das Kapital ergeben könnten.

Dem Vergessen wirkt derzeit ein 100 Seiten umfassendes außerordentlich informatives Bändchen „Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter“, herausgegeben von Rolf Gössner, mit argumentativer und emotionaler Sprengkraft entgegen. Der Anlass: Die am 14. Dezember 2014 in Berlin von der Internationalen Liga für Menschenrechte an das Widerstands-Trio, den Ex-NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden, die Dokumentarfilmregisseurin Laura Poitras und den Journalisten und Juristen Glenn Greenwald, vergebene „Carl-von-Ossietzky-Medaille“.

Sowohl die während der Preisverleihung gehaltenen Laudationes als auch Dokumente zur Medaillenverleihung und weiterführende Beiträge, Dokumente und Aktionen, so zum Beispiel Strafanzeigen gegen Geheimdienste und Bundesregierung wegen geheimdienstlicher Massenüberwachung und -Ausforschung, ergänzen in hervorragender Weise das Anliegen der drei Whistleblower: Gegen geheimdienstlichen Überwachungswahn und anlasslose Massenausforschung der Bevölkerung, für demokratische Transparenz und den wirksamen Schutz von Whistleblowern. So sind in diesem Buch spannende Zeitdokumente vereint.

Ehrungen sind das eine – die Botschaften der Pioniere nach Zurückdrängung des Überwachungskapitalismus in die Taten von Millionen Bürgern münden zu lassen, das andere. Insbesondere formulieren die Autoren nicht nur Dankesworte, sie benennen Ursachen der weltweiten Ausspionierung der Völker und Staaten und benennen Lösungen, um dem Hegemoniegebaren der USA und ihrer Verbündeten – besonders nach dem 11. September 2001, als die USA als Vorwand für die Brechung universeller Menschenrechte zum Generalangriff gegen den internationalen Terrorismus aufriefen - einen Riegel vorzuschieben.

Mit klarem Blick für die Hintergründe legt Herausgeber Dr. Rolf Gössner in einem Interview mit der jungen Welt vom 13./14. Dezember 2014 den Finger auf die Wunde: „Der aufgedeckte digitale Datenexzess ist Folge einer aggressiven Politik, die `Sicherheit´ zur Kriminalitäts- und Terrorabwehr über alles stellt – frei nach einem Ex-Bundesinnenminister, der verbriefte Freiheitsrechte einem frei erfundenen `Supergrundrecht Sicherheit´unterordnete.“ Auf Seite 66 verdeutlicht er das Problem. Es gehe um „präventive und informationelle Vormacht- und Herrschaftssicherung, um wirtschaftliche Einflusszonen und geostrategische Interessen in unsicheren Zeiten verschärfter ökonomischer Krisen, sozialer Spannungen, Rohstoffknappheit und wachsender ´Flüchtlingsströme´“.

Zustimmend rief die Filmemacherin Laura Poitras dem aus Moskau in einer Live-Übertragung zugeschalteten Snowden während der Ehrung zu, man stehe in seiner Schuld für die Opfer, die er gebracht habe und von denen wir „alle profitieren“. Wörtlich mahnte sie, trotz aller Ehrung dürfe man nicht vergessen, „dass wir für eine Gesellschaft kämpfen müssen, in der solche Opfer nicht mehr nötig sein werden“. (S. 45) Das wäre nur der erste Schritt auf dem Wege zur Entwicklung gesellschaftlicher Realitäten, in denen Geheimdienste als Fremdkörper die Vertrauensbasis zwischen den Nationalstaaten vergiften.

Notwendig sei die „Verwirklichung einer lebenswerten Zukunft auf diesem Globus“, so die Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte Fanny-Michaela Reisin im Namen ihres Vorstands. Angestrebt werden müsse „eine regelrechte Umwälzung und Neubestimmung der als `freiheitlich-demokratisch´ bezeichneten Politikverhältnisse. (S. 11) Das sei ein langer und beschwerlicher Weg. Folgen „wir dem Beispiel von Snowden, Poitras und Greenwald – gehen wir ihn miteinander: entschlossen und ohne Scheu“. (S. 49) Mit viel Applaus wurde Edward Snowden bedacht, der - live zugeschaltet -  seinen Dank für die Ehrung aussprach und dabei betonte, „dass das Gesetzeskonforme nicht immer auch legitim oder moralisch angemessen ist“. (S. 38)

Das Buch ist neben dem großartigen Buch von Greenwald „Die globale Überwachung - Der Fall Snowden, die . . . . “ ein Zugewinn an Erkenntnissen für jeden, der politisch die Übersicht behalten will und aktiv werden möchte, die Welt zu verändern.

Edward Snowden wurde für den alternativen Friedensnobelpreis nominiert.
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Rolf Gössner (Hrsg.): „Mutige Aufklärer im digitalen Zeitalter. Carl-von-Ossietzky-Medaillen an Edward Snowden, Laura Poitras und Glenn Greenwald“,

1. Auflage 2015; 100 Seiten, ISBN 978-3-944545-07-3, Preis 8 Euro,

Ossietzky Verlag GmbH, Siedendolsleben 3 / 29413 Dähre. Mail: ossietzky@interdruck.net/www.ossietzky.net

Harry Popow, Schöneiche b. Berlin
 



Quelle: Erstveröffentlichung dieser Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ)

Weitere Texte des Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com

Harry Popow: „Platons Erben in Aufruhr. Rezensionen, Essays, Tagebuch- und Blognotizen, Briefe“, Verlag: epubli GmbH, Berlin, 316 Seiten, www.epubli.de, ISBN 978-3-7375-3823-7, Preis: 16,28 Euro

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