Nationalismus - Patriotismus - Heimatliebe

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Peter Weber
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Nationalismus - Patriotismus - Heimatliebe
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Nationalismus - Patriotismus – Heimatliebe
 
A.  Vorwort
 
Als klarer Gegner jeglichen Nationalismus erscheint mir dieser als keine erstrebenswerte Eigenschaft. Das geht bei mir so weit, daß ich mich nicht einmal zum Fähnchenschwenken hergebe, was ja bei solch euphorischen (Sport-)Anlässen wie Fußball-Meisterschaften und selbst beim Wintersport obligatorisch geworden ist. Trotzdem respektiere ich jeden, der aus "Spaß an der Freud" gelegentlich mit der Flagge winkt oder auf andere Weise sein "Fan-Sein" zum Ausdruck bringt.
 
Der ausgewachsene Nationalismus stellt jedoch eine Hybris und Überheblichkeit dar, die Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung, Haß sowie Krieg und Gewalt zur Folge hat. Der nationalistisch eingestellte Mensch leidet an einem mangelhaften Selbstbewußtsein mit Persönlichkeitsstörungen, die er durch Rationalisierungen verdrängt.
 
Gleich vorweg auch eine Differenzierung, damit nicht der Eindruck entstehen kann, daß ich mich gegen jegliche Heimatbindung wenden würde. Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen Nationalismus und Vaterlands-/Heimatliebe. Während nationalistische Gefühle von einem gesellschaftskonformem Anpassungsverhalten, einer Fremdbestimmung und Rationalisierung zeugen, gründet wirkliche Heimatliebe auf persönlicher Identifikation.
 
Die Heimatliebe ist umso intensiver, je mehr man sich mit der Geschichte, Leistungen und Denkweise seiner Vorfahren auseinandersetzt und sich mit den Zeitgenossen solidarisiert. Nur wer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftserwartungen seines Landes zu einer Einheit verbinden kann, ist auch in der Lage, seine Region samt Bewohnern zu lieben und dafür ein ehrliches Gefühl von Stolz zu entwickeln.
Zudem stelle ich mir vor, daß ein echter Heimatfan sich auch ernste Sorgen um seine Region/Land machen sollte, falls dort etwas schief läuft. Das ist auch der Grund, weshalb konstruktive Kritik mit dem Ziel der Verbesserung der Lebenssituation nicht als Nestbeschmutzerei mißverstanden werden sollte.
 
 
B.  Positives Beispiel für Heimatliebe
 
Als positives Vorbild für Heimatliebe sehe ich beispielsweise die Einstellung der Iren, Schotten und Katalanen zu ihrem Land an. Diese Menschen schwenken zwar ebenfalls Fahnen, aber dabei ist es wichtig zu wissen, aus welcher Motivation heraus sie das tun.
 
Die Menschen dieser gälischen Regionen besitzen eine sehr starke Affinität zu ihrer Geschichte, ihrer ureigenen keltischen Sprache, ihrer Kultur und Musik, den Leiden und dem Schicksal ihrer Vorfahren. Außerdem weisen sie einen engen Bezug zu ihren Mitmenschen auf. Mythologie ist kein Fremdwort wie in Deutschland, sondern sie ist erfahrbar und in Literatur, Poesie und Musik inhärent. Besonders auffällig ist auch die Verbundenheit und Hingabe an die Natur und Landschaft, die noch als etwas Heiliges erlebt wird, das es zu wahren lohnt. Insofern spielt bei diesem Begriff von Heimatverbundenheit die Seele eine entscheidende Rolle.
 
Die Beispiele Irland, Schottland und Katalonien sind selbstverständlich auch auf andere Regionen der Welt übertragbar. Jeder hat bestimmt schon persönliche Erfahrungen mit dieser positiv besetzten Version von Nationalismus gemacht. Grundsätzlich könnte man sagen, daß sich echte Heimatliebe von künstlich geschaffenem Patriotismus oder Nationalismus dadurch unterscheidet, daß sie intuitiv entsteht, solidarisch ausgerichtet sowie nicht organisiert und instrumentalisiert ist. Damit kann hier auch auch gleich zu einem nicht nachahmenswerten Exempel übergegangen werden: dem Umgang damit in den USA.
 
 
C.  US-amerikanischer Nationalismus als abschreckendes Beispiel
 
Obwohl man damit rechnen muß, von dem ein oder anderen Leser vielleicht des Anti-Amerikanismus bezichtigt zu werden, mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube. Außerdem sollen unsere gerechtfertigten Bemerkungen nur die wirklichen Verursacher und Schuldigen aus Politik, Wirtschaft, Militär, Geheimdienst, Wissenschaft und Medien benennen und offen anklagen. Ob die Mitläufer dabei nur (passive) Opfer oder ebenfalls (aktive) Täter sind, soll an dieser Stelle nicht explizit herausgearbeitet werden.
 
 
Amerikanischer Nationalismus äußert sich in der Regel nach außen durch Paranoia, pathetisches Verhalten, unreflektierten Stolz und die stetige Präsenz der Nationalflagge. Als Liebhaber von gut gemachten Spielfilmen jeglicher Couleur wird mir der Spaß selbst bei ansonsten höheren Ansprüchen genügenden amerikanischen Elaboraten dadurch vergällt, daß meist nach kurzer Zeit – egal ob Aktion-, Kriegs-, Liebesfilm oder Tragödie – die Nationalflagge auftaucht und sich jemand der amerikanischen Lebensart rühmt.
 
Wenn man einen US-Amerikaner danach fragt, weshalb er sein Land als Nabel der Welt sieht und bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit seine Nationalhymne schmettert, dann wird er sicherlich aussagen, daß er stolz auf dieses Land ist. Das wirft jedoch unwillkürlich die Frage auf, auf welche detaillierten Tatbestände er sich dabei bezieht. Dies hat mich veranlaßt, einmal eine Liste anzufertigen, die diejenigen Gründe enthält, die keinen Anlaß zu Stolz sondern zu Schamgefühlen geben sollten.
 
 
D.  Gründe zum Schämen und zur Bußfertigkeit aufgrund der US-amerikanischen Realität
 
  • Historische Verfehlungen wie Genozid an indigener Bevölkerung (Indianer),
  • Aufbau der USA mit Hilfe von Sklavenhaltung und unterdrückten Einwanderern aus aller Herren Länder,
  • Rassismus und Diskriminierung von Farbigen und Latinos bis in die heutige Zeit.
  • Antikommunistisches Kesseltreiben, Japan-feindliche Hetze mit Einrichtung von Internierungslagern während und nach dem 2. Weltkrieg.
  • „Kultivierung“ von faschistoiden Strömungen wie dem Ku-Klux-Klan.
  • Der annähernd 50 %ige Anteil der Bevölkerung mit Orientierung zu Fundamentalismus, Kreatinismus und Sektiererei.
  • Großkotzige imperialistische Weltpolitik mit dem Ziel der Einmischung in die Angelegenheit souveräner Staaten und deren Bevormundung.
  • Kriegstreiberei direkt durch militärisches Eingreifen oder durch paramilitärische Maßnahmen oder Intrigen der Geheimdienste.
  • Rücksichtslose Verfolgung geostrategischer Interessen und Unterstützung der Ziele des militärisch-industriellen Komplexes zur Erhaltung/Ausbau von Machtpositionen und/oder Gier nach Rohstoffquellen.
  • Neokoloniale Handelspolitik auf dem Rücken der Dritten Welt und sogar der „Bündnispartner“.
  • Parasitäre und hemmungslose Lebensführung zu Lasten der restlichen Weltbevölkerung -
  • damit verbundene ökologieschädliche Energieverschwendungssucht.
  • Einschränkung von Freiheitsrechten der eigenen Bevölkerung u.a. durch Inhaftierungspraxis ohne ordentliche Gerichtsverfahren unter Konstruktion von willkürlichen Verdachtsmomenten.
  • Totalitäre Überwachungspraktiken der eigenen Bevölkerung sowie ausländischer souveräner Staaten.
  • Demokratiedefizite auf den verschiedensten Ebenen – z.B. bei dubiosen Wahlauswertungen oder totaler Ungleichheit der Wahlchancen.
  • Legimitation von Folterpraktiken.
  • Eine der höchsten Kriminalitätsraten und die mit Abstand die höchste Inhaftierungsquote der Welt.
  • Ausufernder und selbstzerstörerischer Drogenkonsum.
  • Paranoider Verfolgungswahn und Terrorismusmanie.
  • Besorgnis erregender Gesundheitszustand eines Großteils der Bevölkerung durch Fehlernährung und physischen Krankheiten (z.B. Verfettung) als auch hinsichtlich der psychischen Verfassung (rasante Zunahme von psychischen Erkrankungen).
  • Amerikanisches Sozialsystem als Armutszeugnis und Bankrotterklärung einer Demokratie mit selbsternanntem Vorbildcharakter.
  • Katastrophale und hoffnungslose Staats- und Privatverschuldungsrate.
  • Höchste Diskrepanz zwischen Arm und Reich im Vergleich zu allen anderen westlichen Industriestaaten.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit ... Wenn sich angesichts derartiger Fakten bei einem Großteil der US-amerikanischen Bürger noch Nationalstolz entwickeln kann, so tippe ich auf ein psychotisches Massenverdrängungs-Symptom in Verbindung mit totaler Realitätsverleugnung!
 
 
E.  Nationalflaggen als Fetisch
 
Bei jedem Erleben einer nationalen Großsportveranstaltung wie  Europa-, Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele juckt es mir in den Fingern, die Gelegenheit zu nutzen, um mich mit der Verspottung der Nationalflagge beliebt zu machen.
 

Neue Nationalhymne

Einigkeit unRecht unFreiheit

für das deutsche Trauerland!
Danach lasst sie alle sterben
bürgerlich in Schmerz und Leid! Einigkeit unRecht unFreiheit
sind der Banken Unterpfand!
*** Refrain ***
Glüh im Glanze dieser Tücke,
glühe, deutsches Bankenland!

 

Auffällig ist jedenfalls, daß es wieder in Mode gekommen ist, Nationalhymnen mitzusingen und bei großen Sportevents Flagge zu zeigen: Wimpel, Flaggen, Aufkleber, T-Shirts mit nationalen Emblemen, Sticker an und auf Autos, Menschen, Häusern und Fahrrädern. Nationalspieler, die nicht mitsingen, stehen bereits dicht vor der Disqualifikation. Es wird wieder von Ehre in Verbindung mit der Nation gesprochen und Leistungen erbringt man nicht mehr für sich selbst sondern für das Land.

Bei den täglichen Sportübertragungen im TV ist es allgegenwärtig: Siegerehrungen mit Flagge und Nationalhymne, ständiges Einblenden des Medaillenspiegels mit vergleichenden Kommentaren - Medaillengewinner hüllen sich in überdimensionale Flaggen und rennen damit wie irrsinnig durchs Stadion, der Moderator erzählt uns die rührende Story von der Medaillengewinnerin, die sich die Flagge übers Bett hängt etc. pp.

Ich dachte immer, ein wichtiges Kriterium für den Neoliberalismus sei die Individualität des Menschen und die sich daraus ergebende ichzentrierte Handlungsweise. Vom Menschen wird in diesem System doch erwartet, daß er Selbstverantwortung übernimmt, sich egoistisch gegen andere durchsetzt und nur auf seinen persönlichen Erfolg bedacht ist.
  • Aus welcher Ecke kommen denn nun diese neuen Töne?
  • Hat die neoliberale Ideologie mit ihrer zwanghaften Bedürfnisbefriedigung vielleicht doch keinen selbstbewußten und freien Menschen geschaffen?
  • Wie ist es dann zu erklären, daß man der eigenen Identität verlustig gegangen ist?
  • Warum muß sie stattdessen auf äußere Objekte oder Personen wie Sportler oder andere Prominente verlagert werden?
Entweder sucht man die nicht vorhandene eigene Stärke in fremden Autoritäten oder – wie im Falle eines erfolgreichen Athleten – wird die erbrachte Leistung in den Dienst einer obskuren Sache gestellt: in beiden Fällen begibt man sich in Abhängigkeit von Äußerlichkeiten und Fremdbestimmungen.
 
Als ich Kind und Jugendlicher war, gab es noch keine Tempos. Stattdessen hatten wir Stofftaschentücher in der Hosentasche, die nicht nur zum Naseputzen verwandt wurden und die sich nur sehr selten in den Waschkübel verirrten. Bei uns an der Mosel nannten wir diese Requisiten „Rotzfonn“ (Rotzfahne). Diesen Begriff habe ich seit geraumer Zeit für Nationalflaggen übernommen – speziell für jene bestimmter Länder.
 
Dies in Verbindung mit meiner abschätzigen Bezeichnung für die heilige Flagge stellt für viele natürlich ein Sakrileg dar, weshalb ich mir dafür zuweil böse Blicke oder gar Beschimpfungen als Nestbeschmutzer einhandele. An das Flaggenverbrennen oder das darauf Herumtrampeln habe ich mich bisher allerdings noch nicht herangewagt, weil ich den gesunden Volkszorn fürchte. Einer, der die nationalen Symbole beleidigt, die deutsche Ehre verletzt und es wagt, den nationalen Fetisch in den Dreck zu ziehen, muß ja ein wirklich  bemitleidenswerter gott- und ehrloser Mensch sein. Mit diesem Makel muß man aber leben - und umgehen lernen.
 
 
F.  Nationalismus als Herdenmentalität
 
Wer eine deutsche oder z. B. britische, amerikanische Flagge etc. schwenkt und ihr damit huldigt, der duldet damit nicht nur die Machenschaften der entsprechenden Regierungen und die vorherrschenden ungerechten Verhältnisse - nein, er unterstützt sie noch.
 
Das sollte sich jeder hinter die Ohren schreiben, der unkritisch derartige Praktiken betreibt. Wen soll es eigentlich interessieren, auf welchem Platz des Medaillenspiegels Deutschland oder ein anderes Land nach Abschluß irgendeines Wettbewerbs steht?  
 
Und vor allen Dingen: cui bono - wem nützt das etwas? Wenn man sich während solcher Sportereignisse das Verhalten von Zuschauern und Massenmedien vor Augen führt, die vorwiegend die nationalen Akteure bejubeln, dann stellt man sich zwangsläufig die Frage nach dem Geisteszustand. Der Sozialpsychologe Erich Fromm äußert sich zum Nationalismus folgendermaßen: 
 
"Nationalismus ist unsre Form des seelischen Inzests, ist unser
Götzendienst, unser Irrtum, unser Irrsinn. «Patriotismus» ist sein Kult."
 
Der angewandte Nationalismus, in der übersteigerten Form als Faschismus bekannt und berüchtigt, stellt die Nation über Wahrheit und Gerechtigkeit sowie über die Menschheit und das Wohl des einzelnen Menschen. Nur dumme Menschen lassen sich von nationalistischen Gefühlen einfangen, denn diese Gefühle sind fremdbestimmt und entsprechen in der Regel nicht dem Interesse des Individuums.
 
Ein selbstbewußter Mensch, der sich seiner Fähigkeiten bewußt ist und sein Leben selbstbestimmt auslebt, hat es überhaupt nicht nötig, sich von Massenhysterien anstecken zu lassen. Nur ein Mensch mit schwachem Ich projiziert dieses auf eine Nation, eine Organisation oder einen starken Mann, einen Führer. Bezeichnenderweise sind diese Menschen besonders anfällig für autoritäre Strukturen und Parolen mit einfachen Lösungsmöglichkeiten, die meistens auf der Ebene von Sündenböcken abgewickelt werden. Nationalismus funktioniert nach dem Prinzip der Herdenmentalität, bei der Mitläufer nichts anderes sind als doofe Schafe in der Herde, mitblöken, wenn die andern blöken und ohne Verstand den voranlaufenden folgen!
 
 
G.  Abschließende Gedanken zum Nationalitätsbewußtsein
 
Ich komme nicht umhin, die Frage zu wiederholen: Worauf basiert denn eigentlich der US-amerikanische Stolz und der hemmungslose nicht hinterfragte Nationalismus? Was ist faul im selbsternannten „God´s own country“ und „Land of the free home of braves”, daß dort so viel Heuchelei, Verdrängung, Blasphemie und Hybris die Oberhand gewinnt?
 
Es liegt mir aber auch am Herzen zu betonen, daß mir nichts ferner liegt, als weltoffene und mitdenkende US-Bürger zu diffamieren. Die US-Amerikaner haben ohne Zweifel großartiges in Wissenschaft, Technik, Kultur und Musik geleistet, und ich solidarisiere mich und fühle mich geistig verbunden mit allen die sich ebenfalls für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen. Aber im heutigen Beitrag liegt der Fokus auf dem vernagelten und beschränkten Teil dieser Gesellschaft.
 
In diesem Zusammenhang muß die Frage erhoben werden, ob Nationen sich eigentlich erübrigen und ob sie zum Wohl des einzelnen Menschen oder der Gesamtgesellschaft beitragen oder nicht. Nationen verhalten sich immer ausschließlich, da manche Menschen dazugehören „dürfen“ und andere wiederum nicht. Das heißt, sie diskriminieren zwangsläufig und bewerten oder verurteilen andere nicht Dazugehörige.
 
Wer bestimmt eigentlich über diese Zugehörigkeit? Behörden und Politiker, die keinen persönlichen Bezug zu den Menschen besitzen. Nationalstaatliche Grenzen bestehen in Europa erst seit ca. 200 Jahren, haben sich ständig verändert und verändern sich immer wieder, z. B. durch Kriege, Putsche oder andere Zwistigkeiten. So haben sich die Krimbewohner, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, von Ukrainern in Russen verwandelt. Auch die Sprachen sind einem stetigen Wandel unterzogen, wobei in vielen Nationalstaaten ein babylonisches Sprachengewirr existiert.
 
Nationen sind also keineswegs natürliche und gewachsene Gebilde, die kulturell, sprachlich oder wirtschaftlich eine Einheit bilden. Vor allem wird totgeschwiegen, daß es innerhalb dieser künstlichen Staatenkonstrukte gänzlich unterschiedliche Interessenlagen der Bewohner gibt, die sich vor allem hinsichtlich der Kriterien arm/reich und mächtig/ohnmächtig differenzieren. Dafür werden den Menschen Gemeinsamkeiten vorgegaukelt, die gar nicht vorhanden sind. Oder sie werden gegen extra dafür geschaffene Sündenböcke oder Feindbilder aufgehetzt. Nur auf diese Weise läßt sich der Glaube an die Nation aufrecht erhalten.
 
Denn es gibt kein gemeinsames nationales „Wir“! Niemand kann sich aussuchen, an welchem Ort und in welchem Land er/sie geboren wird und kann folglich auch keinen Stolz dafür empfinden, jedenfalls nicht bei kritischer Hinterfragung. Stolz ist nur dort am Platze, wo man persönlich etwas Sinnvolles geleistet hat.
 
Was hat man denn mit irgendwelchen Leuten gemeinsam, die weit entfernt wohnen und die man nicht einmal persönlich kennt? Die Gemeinsamkeiten mit Menschen außerhalb von überschaubaren Gruppen werden meistens von Nutznießern erfunden und publiziert, um auf der Basis einer Nation Macht auszuüben und sich zu bereichern.
 
Die Überlegungen und Eingruppierungen über die Zugehörigkeit zu einer Nation oder dem Ausschluß davon führen stets zu Vorurteilen über andere und der Fragestellung: Wer ist mehr wert und wer weniger? Ein solches künstlich errichtetes „Wir“ zerstört das Gefühl für die Gemeinsamkeit der Menschheit, da es meist eine Abwertung anderer zur Folge hat, die nicht zu diesem selbsternannten „Wir“ gehören. Auf diese Weise werden Menschen klassifiziert und Rassismus entsteht. Wozu übersteigertes Nationalgefühl führen kann, hat sich z. B. während der Herrschaft von faschistischen Regimen in aller Welt gezeigt. Besonders gefährlich wird es, wenn sich Nationalismus noch mit religiösem Fundamentalismus paart
 
Die Nation kann demzufolge kaum als  ein kuscheliges, menschen- und gastfreundliches Nest qualifiziert werden, sondern sie ist eine Herrschaftsstruktur, die darauf angewiesen ist, ihr Fortbestehen mit Gewalt zu sichern!
 
Peter A. Weber
 

Lesetipp: Der Artikel "Neoliberalismus und Nationalismus als ideales Gespann" beinhaltet deren verhängnisvolle Gemeinsamkeiten sowie die eingegangene Symbiose. Diese Abhandlung bildet eine gute Ergänzung zu obigen Thematik - bitte weiterlesen

Bild- und Grafikquellen:

1. Schwarz-Rot-Gold in Fotokunst. Foto: Lupo. Quelle: Pixelio.de
 
2. "12.000 Flaggen für 12.000 Patrioten" Veranstaltung in Washington, D.C., 2007. Autor: dbking. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.
 
3. "Kann eine große Nation, deren Geschichte womöglich mit einem Völkermord begann, ...." Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.

4. US-Soldat mit Flagge. Für den Patriotismus bringen sie Tod und Elend über Nahost und die Welt. Quelle: homefront.wiki.com / Wikia.com-CC-Lizenz

5. Neue Nationalhymne. Einigkeit unRecht unFreiheit für das deutsche Trauerland. Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.

6. WAS`ZN LOS EY? Immer schön mit der Herde blöken. Grafik: Internetfund, Ersteller nicht ermittelbar.

7. Jiddu Krishnamurti: "Es ist kein Anzeichen seelischer Gesundheit .."
Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.

8. "Denk mal nach .. so lange es noch legal ist." Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.
Bild des Benutzers Roland Forberger
Roland Forberger
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Verbunden: 23.03.2014 - 13:36
Gustave Le Bon


Sehr treffende Darstellung der zugespitzten Lage. Chapeau! Lieber Peter Weber.

Der "Kitt", der Menschen in einem Staatengebilde zusammenhält, kann nur aufrecht erhalten werden, wenn "niedere" Beweggründe gezielt dafür eingesetzt werden. Gustave le Bon hat in seinem Werk "Psychologie der Massen" diese Phänomen gut aufbereitet.

Die Frage nach den qui bono lässt auch hier nur den einen Schluss zu: es nutzt ein paar wenigen, denen Macht und Geld über alles steht. Eine große Nation mit steuerbaren Schafen bringt dann mehr in die Waagschale, als ein paar aufgeklärte Menschen, um (damit) seine Geltungsposition zu bekunden und durch zu setzen. Letztendlich ist Gewalt immer schon das Mittel der Wahl gewesen, muss man den (willigen) Schafen doch eine Aufgabe geben um ihren Zorn zu entladen - so könnte man fast meinen...

Um diese Gewaltbereitschaft stets warm zu halten, lässt sich der Nationalismus bestens nutzen.

Gustave Le Bon (1841-1931): Foto: Nationalbibliothk Frankreich / Quelle: Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

 

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