Neoliberale Ideologie und Rösler

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Peter Weber
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Neoliberale Ideologie und Rösler
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Neuer Blödsinn aus der Ideologie-Fachwerkstatt Rösler

 

Eine weitere ungenießbare Kostprobe aus der neoliberalen  FDP-Küche. Rösler führt sich, die FDP und die von  ihnen vertretenen marktradikalen Werte einmal wieder ad adsurdum. Aus der folgenden Rede Röslers zitiere ich die wichtigsten Passagen und kommentiere sie nach meiner Fasson:

 

Ethik in der sozialen Marktwirtschaft: Vertrauen, Regeln, Wettbewerb

Eröffnungsrede des Bundeswirtschaftsministers Dr. Philipp Rösler anlässlich der Konferenz "Die Ethik der Sozialen Marktwirtschaft: Vertrauen - Regeln - Wettbewerb"

Berlin, BMWi  - 7.2.2012

Es gilt das gesprochene Wort!

„Herzlich Willkommen auch im Namen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zu unserer Veranstaltung "Ethik in der Sozialen Marktwirtschaft". Es geht um ein enorm wichtiges Thema, nicht nur für die Wirtschaft, sondern weit darüber hinaus auch für unsere Gesellschaft und Gesellschaftsordnung. Denn eines erfüllt uns mit großer Sorge: Aktuelle Umfragen zeigen einen enormen Vertrauensverlust in die Soziale Marktwirtschaft - und das, obwohl die Soziale Marktwirtschaft für den Wohlstand, den die Menschen in Deutschland erleben, entscheidend mitverantwortlich ist. Heute geht es um die Gründe für diesen Vertrauensverlust, aber auch darum, wie wir ihm gemeinsam vernünftig begegnen können. Wir haben dazu zahlreiche Gäste aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, Kirchen, aber auch der Verwaltung, eingeladen …“

  • „Es gibt offenkundig einen Zwiespalt zwischen dem erlebten Wohlstand und dem Erkennen…“

Eine Erkenntnis, die Regierung und Rösler fehlt, da sie unter Realitätsverlust leiden. Es wird dem Volk unterstellt, daß es seine eigenen Befindlichkeiten nicht kennt und - zumindest teilweise - nicht auf die trommelnde Meinunsmanipulation der Regierung, die von den Massenmedien unterstützt wird, herein gefallen ist. Stattdessen wird noch eine Erhöhung der Propaganda-Dosis gefordert.

  • „…. welche Rahmenbedingungen, welches System, für diesen Wohlstand ursächlich verantwortlich ist. Sie alle kennen die Zahlen, grandiose Wachstumswerte der deutschen Volkswirtschaft: Im Jahre 2010 3,7 Prozent, im Jahr 2011 3,0 Prozent. Man kann auch festhalten, dass der Wohlstand bei den Menschen ankommt: Beschäftigungsrekorde, niedrigste Jugendarbeitslosigkeit, sinkende Rentenbeiträge und zugleich höhere Renten. Eigentlich müssten die Menschen sehr zufrieden sein. Und trotzdem stellen sie den Wert von Wachstum zunehmend in Frage.“

Warum wohl? Auf die Idee, daß der postulierte Wirtschaftsaufschwung, die sog. Beschäftigungsrekorde, Wachstum und Wohlstand Hirngespinste und Volksverdummung sind, die nicht durch inhaltliche Zahlen zu belegen sind, kommt Herr Rösler nicht. Die Behauptung von sinkenden Rentenbeiträgen ist zwar in minimalem Umfang korrekt, aber von höheren Renten zu sprechen ist eine Frechheit, die dem Faß den Boden ausschlägt. Die realen Rentenauszahlungsbeträge sind seit langem Jahr für Jahr sowohl aufgrund von systembedingten Korrekturen (wie Erhöhung des Rentenalters, Änderung der Errechnungsbasis etc.) als auch durch die Inflationsrate (die durch die offiziellen statistischen Werte in ihrer Höhe nicht annähernd realistisch erfaßt werden) ständig und drastische gesunken!

  • „Anstatt klar zu sagen, dass wir unser Wachstum der Sozialen Marktwirtschaft verdanken und das etwas Positives ist, versuchen manche, die Begriffe zu beschönigen …“

Was bedeutet hier schon Wachstum:  wirtschaftliches Wachstum?, quantitatives oder qualitatives Wachstum?, geistiges Wachstum?, Wachstum von Glück und Zufriedenheit?, Wachstum von physischer und seelischer Gesundheit?  Bevor wir das nicht geklärt haben, sind wir gar nicht in der Lage, eine  Antwort darauf zu geben, ob es sich um einen positiven Faktor handelt und wem wir diesen zu verdanken haben.

  • „…. Begriffe wie "qualitatives" oder "nachhaltiges" Wachstum gehören untrennbar zur Grundüberzeugung der Sozialen Marktwirtschaft. Das gilt ausdrücklich auch für den Begriff der Nachhaltigkeit, der ja unmittelbar aus dem Wirtschaftsleben kommt - nämlich aus der Forstwirtschaft …“

Solch ein Blödsinn! Man kann das ökologische globale System nicht auf einen künstlich geschaffenen Wald reduzieren. Wer derartige Lügen verbreitet, den muß sich gefallen lassen, daß man ihn als einen Demagogen bezeichnet.

  • „…. weil nur fairer Wettbewerb in der Lage ist, die Menschen zu erreichen. Dahinter steckt die Überzeugung, dass der Markt in der Lage sein wird, das Beste, das innovativste Produkt herauszufinden, in dem es sich in einem fairen Wettbewerb durchsetzen kann und muss. Das kann niemand anders sonst herausfiltern, weder ein Ministerium noch ein Politiker."

Ein Markt, der nur einen einzigen Steuerungsmechanismus besitzt, nämlich den Gewinn, kann niemals automatisch nach Innovation, Bestem (für wen?) und Fairneß filtern. Alle ungeregelten Systeme – ob technische, gesellschaftlich oder physikalisch gesehen – müssen vom Menschen (oder dem Staat) mit Regelungsmechanismen ausgestattet werden, sonst führen sie entweder zu einseitiger Ausrichtung und/oder zu Chaos und fliegen uns um die Ohren.

  •  „Der Staat setzt die Regeln. Er kontrolliert auch deren Einhaltung. Aber er darf niemals selbst mitspielen.“

Aber was ist, wenn der Staat nicht mehr unabhängig entscheidet, sondern sich die Spielregeln von der Wirtschaft diktieren läßt?

  • „…Und trotzdem erleben wir gerade jetzt immer wieder, dass der Wunsch nach mehr Staat größer wird und das Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft in Frage gestellt wird. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass das auch die Ursache für den Vertrauensverlust in die Soziale Marktwirtschaft ist.“

Was soll das denn heißen? Die Ursache für den Vertrauensverlust der Bürger in die Soziale Marktwirtschaft ist doch, daß sie von der Politik  umgedeutet und zu einer Perversion ihrer selbst geworden ist. Sie ist doch nicht mehr den Interessen der Menschen untergeordnet sondern vertritt nur noch die mechanistischen  und profitausgerichteten Prinzipien der Wirtschaft und des Kapitals

  • „Zu Anfang war es auch sinnvoll, Subventionsinstrumente auf den Weg zu bringen. Heute ist der Markt der erneuerbaren Energien aber längst kein kleiner Nischenmarkt mehr, sondern ein deutlich größerer Massenmarkt. Und auch der muss sich - wenn man ihn effizient gestalten will - den Regeln des Marktes unterwerfen.“

Und wie verhält es sich mit den großen Energiekonzernen, die als Oligopol eine monopolistische Marktposition hatten und haben und damit ihre klimaschädlichen und gefährlichen Geschäfte durchgesetzt haben. Wenn Rösler diese Konzerne genau wie die Erneuerbare-Energie-Unternehmen an die Kandarre nehmen würde, könnte man darüber reden.

  •  „… Es gibt also keinen Wettbewerb im System. Mit eben den Folgen, die wir aktuell erleben. Nehmen wir das Beispiel Photovoltaik. Enorm hohe Förderkosten, über sieben Milliarden Euro, werden hierauf verwendet. Dabei liegt der Anteil der Solarenergie nur bei drei Prozent: Da ist wenig Wirtschaftlichkeit.“

Ist der Mensch noch ganz bei Trost? Diesen Vergleich soll er mal einem Unternehmen erzählen, das in ein zu zukunftsträchtiges Geschäft investieren will, weil man sich in der Zukunft einen guten Marktanteil und entsprechende Gewinne verspricht. Wird ein solches Unternehmen seine Investitionsentscheidung  und deren Höhe vom augenblicklichen Umsatz abhängig machen. Welches irreale Verständnis vom Funktionieren einer Marktwirtschaft und von BWL hat dieser Dilettant eigentlich?

  • „ …Jetzt muss und kann der Markt eine Chance bekommen.“

Der Markt hatte seine Chance tausendmal – seit hundert Jahren hat er versagt mit seiner unsäglichen neoliberalen marktradikalen Ideologie. Jetzt wären doch mal neue Konzepte gefragt, die die alten Fehler hinter sich lassen.

Wenn wir das nicht tun, dann gerät die Grundidee des fairen Wettbewerbes zunehmend aus dem Fokus. Mischt der Staat sich zu sehr ein, ist die Folge nicht nur mangelnde Effizienz, sondern oft ein Übermaß an Bürokratie und Fremdbestimmung.

Wenn der „Markt“ , die Wirtschaft und die davon  abhängige Politik keine soziale Gerechtigkeit und einen fairen Handel und Wettbewerk bewerkstelligen konnte, dann frage ich mich, wer soll denn dann eingreifen, als der Staat – allerdings mit einer ausgewechselten Führung.

  • „Im fairen Wettbewerb kann jeder, der gute Leistungen bringt, auch gute Ergebnisse bekommen. Das greift auch ein Satz von Guido Westerwelle auf: "Leistung soll sich lohnen". Bei unfairer Konkurrenz gewinnt dagegen nicht derjenige, der gute Leistung zeigt, sondern derjenige, der in der Lage ist, seine Vorteile zu optimieren. Da kommt es also nicht auf Leistung an, sondern oft eher auf Pfiffigkeit, also wie gut man in der Lage ist, mit den vorhandenen Instrumenten und Regeln umzugehen.“ 

Das ist doch der größte Witz der Weltgeschichte. Es gewinnt nicht derjenige, der echte Leistung zeigt, sondern der, der skrupellos ist, über die nötigen Verbindungen verfügt und vor allen Dingen im Besitz des Vermögens und des Kapitals ist. Leistungsloses und nicht leistungsadäquates Einkommen wie Zinsen, Mieterträge aus großem Immobilienbesitz und unangemessene Erträge aus Urheberrechte, für die die Anspruchsberechtigten höchstens einen Finger krumm machen, bezeichnet Westerwelle, Rösler und die FDP als  Erträge aus wirklicher Leistung?

Wer glaubt denn ernsthaft einen derartigen Unsinn? Das soll der Rösler mal einem normalen Arbeitnehmer erzählen, der mit seinem Vollzeitjob trotz fleißiger Arbeit seine Familie nicht ernähren kann.

  • „Im Gesundheitssystem muss auch das kleinste Detail geordnet und geregelt werden - von Seiten der Verwaltung oder von Seiten des Gesetzgebers. Die Menschen haben angesichts unseres Gesundheitssystems nicht das Gefühl, dass es hier Wettbewerb gibt. Leistung lohnt sich da leider häufig nicht genug. Oft geht es viel zu sehr darum, das Optimale aus den von der Politik festgelegten Töpfen herauszubekommen.“

Wer soll denn anders als die Politik (die jedoch die Interessen der Bürger und Kranken vertreten muß) für eine gerechte und effiziente Regeln sorgen? Im Gesundheitssystem haben (Profit-)Wettbwerb  und Privatwirtschaft nichts zu suchen, denn es handelt sich um ein Feld der existenziellen öffentlichen Versorgung. Marktwirtschaftliche Verhältnisse soll es nur geben bei den Zulieferanten und pharmazeutischen Unternehmen, die ihre Produkte zu fairen Preisen zur Verfügung stellen sollen – und im Notfall auch dazu gezwungen werden müssen.

  • „… Ich würde mir wünschen, dass man ernsthaft über Finanzmarktregulierung diskutiert, statt sich mit Schlagworten zufrieden zu geben wie Finanztransaktionssteuer oder Stamp-duty-tax.“

Da hat er ausnahmsweise einmal recht! Aufgrund der bisherigen FDP-Politik und der immer wieder geäußerten Einstellungen der FDP-Führung muß man doch an der Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit dieses Statements zweifeln.

  • „Eigentlich haben die Finanzmärkte ein klares Ziel, auch im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft: Nämlich dafür zu sorgen, dass immer und zu jeder Zeit Kapital, zum Beispiel für mittelständische Unternehmen, zur Verfügung gestellt werden kann. Von dieser Grundaufgabe haben sich die Finanzmärkte ein ums andere Mal entfernt.“

Auch diese Aussage ist isoliert für sich betrachtet berechtigt.

  •  „Also ist es unsere Aufgabe …. unseren Beitrag dazu zu leisten, dass es durch Regulierung zu einem fairen Wettbewerb kommt. Genauso, wie damals Ludwig Erhard das Kartellrecht als wesentlichen Baustein in das Fundament der Sozialen Marktwirtschaft eingefügt hat, genauso ist es Aufgabe der heutigen Gesellschaft und Politikergeneration, als weiteren Baustein das Fundament der Sozialen Marktwirtschaft um eine kluge Finanzmarktregulierung mit einem fairen Wettbewerb als Ziel zu ergänzen.“

Wenn diese Forderungen auch in der politischen Realität umgesetzt würden, dann hätte man vielleicht auch einmal wieder Grund, die FDP zu wählen. Aber - wie bereits geäußert - ist Zweifel am Umsetzungswillen angebracht. Wenn die FDP z. B. mit Alibiaktionen wie einer lächerlich niedrig angesetzen Transaktionssteuer, die niemandem weh tut und keinen daran hindert, weiter zu machen wie bisher, Eindruck schinden will, so sind das für mich nur Blendwerk und Nebelkerzen.

  • …Auch das kann ein Beitrag sein, um das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft, ihre Systeme, ihre einzelnen Märkte wieder herstellen zu können …Man muss die richtige Balance finden. Das ist eine Frage von Vertrauen. Ohne Vertrauen wird keine Beziehung, keine Koalition, keine Gesellschaft, und also auch die Soziale Marktwirtschaft nicht funktionieren.“

Dies ist eine unlogische Aussage. Vertrauen ist niemals die Voraussetzung von etwas sondern die Folge eines über eine längere Zeit sinnvollen und zuverlässigen Verhaltens.

  • „ …Es ist auch eine Frage der Grundeinstellung den Menschen gegenüber. Entscheidend ist, dass man darauf vertraut, dass diese Menschen eigenverantwortlich agieren, wirtschaften und arbeiten können.“

Wenn den Menschen von Wirtschaft, Politik und durch die gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen nicht die Voraussetzungen geschaffen werden, auf deren Basis sie mit einer reellen  Verwirklichungschance eigenverantwortlich agieren können, dann nutzt das ganze Geschwätz nichts.

  • „Man muss also den urliberalen Zusammenhang kennen: Zwischen Freiheit auf der einen Seite und Verantwortung auf der anderen …Wir vertrauen auf die Eigenverantwortung der Menschen. Wir brauchen nicht für alles ein Gesetz, wir brauchen nicht für alles eine Verordnung, wir müssen nicht alles regeln. Menschen agieren untereinander sehr wohl eigenverantwortlich.“

Kein vernünftiger Mensch würde ernsthaft fordern, daß alles im voraus geregelt und staatlich organisiert werden sollte. Solche Binsenweisheiten kennt schon ein kleines Kind – dafür brauchen wir keine FDP und einen Rösler. Nach Fromm gehört es zum natürlichen Repertoire des Menschen, zu seinem sinnvollen Gelingen Aktivitäten zu entfalten und zu planen. Aber eine Vorbedingung ist immer zu beachten: Der gesellschaftliche und ökonomische Kontext muß entsprechend ausgestaltet sein, sonst bringt einen die intensivste Motivation nicht viel weiter. Und dieser zum Gelingen des Menschen erforderliche Kontext wird von der FDP und der von ihr gepredigten unsozialen neoliberalen Politik verwehrt!

  • „…Das ist meine feste Überzeugung. Sozialpartnerschaften funktionieren nach diesem Modell großartig. Nehmen Sie das Beispiel Tarifautonomie. Da braucht man keinen Staat, der sich einmischt und die Löhne festlegt. Auch in diesem Bereich muss sich die Frage stellen: Hat man Vertrauen - oder hat man keins?“ 

Rösler lernt es einfach nicht: Es kann keine Tarifautonomie im Sinne des Wortes geben, wenn der Staat nicht seine Hand darauf hält. Die ungleichen Gewichte des (Arbeits-)Marktes tragen dazu bei, daß die Wirtschaft immer am längeren Hebel sitzt und diesen Vorteil natürlich in Verhandlungen brutal ausnutzt. Wie gesagt, Wirtschaft ist keine soziale Organisation.

  • „ …Man muss auch auf die Eigenverantwortung der Marktteilnehmer vertrauen. Sind die Regeln gut gesetzt, dann funktioniert es auch mit dem Vertrauen vergleichsweise gut. Wir bräuchten dann nur noch ein schlankes, hocheffektives Kartellamt, das in der Lage ist, die Einhaltung zu kontrollieren.“ 

Ich kann die Phrase von der Eigenverantwortung nicht mehr hören! Und wenn es langweilt, dann wiederhole ich es noch einmal: auch Eigenverantwortung funktioniert nur auf einem gedeihlichen Boden. Was das geforderte effektive Kartellamt angeht, was ist das denn anderes als ein Teil des Staates?

  • „… Unsere Aufgabe aber ist es, für eine möglichst breite Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft zu sorgen.“

Ich kann mir vorstellen, daß die FDP dies zu ihrer Aufgabe gemacht hat. Aber wem außer dem Profiteuren nutzt denn die Akzeptanz einer Sozialen Marktwirtschaft etwas, wenn sie im eigentlichen und von den Urhebern geplanten Sinne gar nicht mehr existiert? Glaubt Herr Rösler, es wäre die Aufgabe der Politik, den Bürgern nur als Worthülse vorhandene Begriffe als vermeintliche Inhalte durch tausendfache wiederholende Propaganda einzubläuen?

  • „ … All das, was wir als Wertesystem, als Regelsystem in der Sozialen Marktwirtschaft haben, das finden Sie gerade auch im Mittelstand in aller Breite wieder. Das Thema Handeln und Haftung, Freiheit und Verantwortung findet sich hier in besonderer Weise.“

Bei mittelständigen Unternehmen und Personengesellschaften gilt diese Feststellung. Aber bei Kapital- und Aktiengesellschaften ist sie außer Kraft gesetzt. Ich habe allerdings in Wirklichkeit selten feststellen, daß die FDP ein Politik zugunsten des Mittelstandes betriebt – im Gegenteil werden von ihr die Konzerne in jeder Beziehung bevorteilt.

  • „Wenn Sie ein eigenes Unternehmen haben und damit haften, dann agieren Sie schon sehr verantwortungsvoll …Da gibt es oft eine engere, menschlichere und viel persönlichere Beziehung zu Mitarbeitern, als in vielen Großkonzernen. All das, was wir theoretisch mit "Wettbewerb, Regeln und Vertrauen" beschreiben, finden Sie ganz praktisch beim Mittelstand. Wenn Sie Dinge erreichen wollen, wenn Sie auch Führung zeigen wollen, dann geht das nur durch Vorbilder. Wir finden gerade im deutschen Mittelstand sehr viele solcher Vorbilder, die jeden Tag aufs Neue Soziale Marktwirtschaft leben und vorleben.“

Diese Wortfechterei und Schönfärberei vom hehren Mittelstand und den gegebenen Vorbildern soll doch nur ablenken und verbergen, daß die FDP ganz anderes im Sinn hat.

  •  „… Weil es hier gleich mit dem Thema Solidarität weiter geht, vielleicht noch ein Hinweis. Vielleicht liegt ein Teil der Sorge der Menschen darin begründet, dass von der schöpferischen Zerstörung des Marktes gesprochen wird. Es ist großartig, wenn man an schöpferische Dinge denkt. Bei der Zerstörung ist es nicht mehr ganz so toll. Zum Markterfolg gehört eben auch das Marktscheitern.“

Diesen Ausspruch kann ich nur unterstreichen. Aber Markterfolg und Marktscheitern müssen davon abhängig sein, daß dieses Behaupten/Nichtbehaupten sich auf der Basis eines eines weitgehend von Wettbewerbsverzerrungen freien Marktes abspielt. Aber wo gibt es denn dieses Idealbild? Außerdem sollte es zu den Grundfesten gehören, daß der Markt sich auch an die Spielregeln des Humanismus und des Erhaltens des ökologischen Gleichgewichtes hält. Auch diese Voraussetzung ist in der Praxis selten vorhanden.

  • „… Karl-Herrmann Flach, ein großer Liberaler, soll einmal gesagt haben: "Wer heute nicht weiß, wovon er morgen leben soll, der ist nicht wirklich frei."

Flach hat in seiner geistigen Flachheit vergessen hinzuzufügen, daß es noch wichtiger ist zu wissen, womit man leben soll, um wirklich frei zu sein. „Wovon zu leben“ impliziert ja eine materielle Grundannahme, während „Womit zu leben“ bedeutet, daß man einen nichtmateriellen Lebensinn verfolgt und auch Prinzipien sowie Utopien in die Zunkunft hinein verfolgt.

  • „… können Sie dann auch nichts von der Schönheit des Wettbewerbes erzählen oder von schöpferischer Kraft, wenn dieser Mensch gerade eher die Zerstörung erlebt hat… Denn es ist elementar, Menschen eine Perspektive zu geben und genau das leistet die Soziale Marktwirtschaft.“

Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, ob wir den Menschen eine Chance geben sollen. Nur die von der FDP favorisierte Version der Sozialen Marktwirtschaft kann dies mit Sicherheit nicht leisten, denn sie ist von ihrem Wesen her unsozial.

  • „Wie schaffen wir Solidarität, so dass die Starken den Schwachen in diesem System helfen können - institutionalisiert oder aus tiefer Verantwortung heraus? Das ist sozial im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft. Ich finde es zum Beispiel großartig, wenn Unternehmen sich sozial engagieren, doch der Kern der Sozialen Marktwirtschaft ist ein anderer. Das Soziale ist in Wirklichkeit, dass jeder eine Chance hat. Und dass diejenigen, die schwächer sind, durch Stärkere ebenfalls in die Lage versetzt werden, selber solche Chancen des Marktes zu nutzen.“

Rösler hätte Prediger werden sollen. Jedem eine Chance zu geben und Schwächere zu unterstützen, ist selbstredend ein soziales, humanes und christliches Anliegen. Jedoch muß ich leider betonen, daß die FDP und auch die meisten anderen staatstragenden Parteien

- dafür sorgen, daß ungleiche Startbedingungen des Menschen zementiert werden

- daß eine Chancengerechtigkeit nicht hergestellt und die bisher vorhandene sogar abgebaut wird und eine theoretische Chancengleichheit alleine im tägliche Leben keinen Effekt besitzt

- Solidarität das letzte ist, um das sich die maßgebenden Politiker kümmern – sie tragen folgewidrig zu individuellen Diskriminierungen und einer Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich bei

  • „Ich bin tief davon überzeugt, dass die Soziale Marktwirtschaft richtig ist und gerade jetzt gebraucht wird. Ich bin überzeugt, dass wir sie stärken müssen, gerade in der heutigen Zeit. Und das ist die Aufgabe für mich, für die heutige Tagung und für mein Ministerium.“

Dieses Fazit Röslers läßt mich erschauern und klingt für mich wie eine Drohung. Was wir von den wirtschaftshörigen Apologeten der staatstragenden Parteien in dieser Beziehung zu erwarten haben, ist an anderer Stelle interpretiert.

 

bitte die komplette Rede nachlesen:  hier

 

Dieses Zitat habe ich in einer Ankündigung des BMW zur oben zitierten Eröffnungsrede Röslers gefunden. Es ergänzt die Weltsicht des Herrn Rösler in kristallklar, so daß keine Zweifel aufkommen können:

  • "In der Sozialen Marktwirtschaft übernimmt der Wettbewerb eine zentrale ethische Funktion. Er fördert das Wachstum, das Grundlage für Fortschritt und sozialen Ausgleich ist. Soziale Marktwirtschaft und Wachstum gehen Hand in Hand.“

Die von der FDP propagierte Soziale Marktwirtschaft ist – wie bereits erläutert an den Kapitalinteressen ausgerichtet und verfolgt demzufolge nur materielle und keine ethischen Ziele. Das ist einfach ein Widerspruch in sich! Da trinkt der Teufel eher Weihwasser. Daß Soziale Marktwirtschaft nach dem Verständnis Röslers und Wachstum in neoliberaler Definition Hand in Hand gehen, daß nehme ich Herrn Rösler wohl ab.  Wenn er in diesem Zusammenhang von „Fortschritt“ redet, so kann ich wiederum nur das Schlimmste befürchten, denn Fortschritt in der menschlichen Entwicklung kann er damit nicht meinen. Und sozialer Ausgleich ist bei der FDP doch ein Fremdwort – eine bewußte Irreführung, daß er uns weismachen will, das dies zu seinen Zielen gehört.

 

bitte nachlesen:  hier

 

Peter A. Weber