

Neoliberalismus - der größte Irrtum der Geschichte
Die Politik hat sich aufgrund Ihrer Hörigkeit gegenüber Wirtschaft und Finanzwirtschaft in einen Engpaß treiben lassen, in dem nun sich tatsächlich jede noch bleibende Alternative schädlich auf den Normalbürger auswirkt – sie haben uns zunehmend vom Regen in die Traufe geführt.
Dieherrschende Klasse und ihre Helfershelfer verteidigen ihre Ideologie bis aufs Messer – und das umso mehr, als sie erkennen, daß ihr räuberisches Gedankengebäude samt Statthalter und Büttel zusammen zu stürzen droht. Gleichzeitiges Entsetzen und Gelangtweilsein ist die paradoxe daraus entstehende Verhaltensweise – die deutsche Bevölkerung scheint von diesem pathologischen Widerspruch paralysiert zu sein. Den Aspekt des "Kapitalismus als Abwicklungsfall" habe ich an anderer Stelle des Forums bereits zur Sprache gebracht.
Politik und Gesellschaft haben sich einer perversen Eigendynamik unterworfen, von der sie sich trieben lassen, jegliche Selbstreflektion tabuisieren und die Fakten des laufenden Scheiterns einfach verdrängen. Die Ereignisse überschlagen sich, so daß die Agierenden nur noch den Geschehnissen hinterher laufen und in chaotischen Aktivismus verfallen. Es kommt zwar zunehmend Kritik auf – und die globale Occupy-Bewegung hat dazu beigetragen, daß Kritik am Wirtschaftssystem als Ganzes und am Finanzkapitalismus im Detail durchaus hoffähig geworden ist. Allerdings ist zu beobachten, daß ein Großteil der Medien – insbesondere unser regierungsunterwürfiges Fernsehen – immer noch krampfhaft nach Argumenten suchen, um die organisierte Verantwortungslosigkeit zu rechtfertigen die hilflosen Betriebsamkeiten zu rationalisieren sowie an längst verschütt gegangenes Vertrauenspotenzial zu appellieren.
Im Tagesspiegel habe ich den Artikel „Die Perversion des Systems“ von Prof. Rudolf Hickel gefunden, auf den ich nun einmal ausführlicher durch Zitieren und Hervorheben der wesentlichen Argumente eingehen möchte:
- Neoliberalismus als größter Irrtum der Geschichte
„Der Neoliberalismus ist der größte Irrtum in der Geschichte des ökonomischen Denkens. Um die Perversionen des Systems zu beheben, muss der Kapitalismus zugunsten der Politik entmachtet werden.
Seit seiner historischen Durchsetzung gilt: Kapitalismus und Krise sind die zwei Seiten einer Medaille. Der Grund ist einfach. Die Triebkraft bei der Nutzung der Marktkräfte ist das einzelwirtschaftlich unternehmerische Ziel, den Gewinn auf das eingesetzte Kapital, die Profitrate, hochzutreiben. Bei den durch diese Produktionsweise erzeugten Ergebnissen wird auf gesellschaftlich politische Zielsetzungen keine Rücksicht genommen. Die profitwirtschaftlich dominierte Unternehmenswirtschaft versucht, die damit erzeugten sozialen, beschäftigungsbezogenen und ökologischen Risiken zugunsten einer bornierten, rein betriebswirtschaftlichen Gewinn- und Verlustrechnung zu externalisieren.“
- Versagen einer Selbstregulierung des Systems
„Man sollte meinen, dieses ordnende Konzept der Rettung des Kapitalismus durch eine auf die Ursachen der Krisenerzeugung ausgerichtete Politik sei eine Selbstverständlichkeit. Davon kann (leider) keine Rede sein. Allein schon wegen der Begrenzung des Dogmas vom machtvollen „unternehmerischen Investitionsmonopol“ (Erich Preiser) ist dieses Rettungskonzept immer wieder attackiert, ja zu Fall gebracht worden.
Dabei wird ein grundlegendes Demokratiedefizit deutlich. Die heutige Marktwirtschaft hat mit der in den Lehrbüchern beschworenen Wettbewerbsidylle, der sich die Unternehmen unterordnen, schon lange nichts mehr zu tun. Vielmehr dominiert die monopolistische Konkurrenz. Vermachtete Unternehmen passen sich nicht an die Marktvorgaben an. Vielmehr wird nicht nur mit der Marktmacht strategisches Verhalten durchgesetzt.“
Neoliberalismus - umfangreiche und detaillierte Zusammenstellung
- politische Schützenhilfe für die Anfeuerung eines destruktiven Finanzmarktmechanismus
„Den Startschuss für die heute drohende Kernschmelze auf den Finanzmärkten hat am 20. Oktober 1986 Maggi Thatcher mit dem peinlichen Imperativ losgelassen: „Lasst uns die Regeln, die den Erfolg bremsen, wegwerfen.“ Gefolgt ist der „Big Bang“, mit dem eine Aufhebung wichtiger Regulierungen am Finanzplatz London ausgelöst wurde. Bill Clinton folgte 1994 mit der Aufhebung der Regulierungen für USA-Banken: „Die neuen Regeln machen uns wirtschaftlich stärker und effizienter, sie sind gut für die Verbraucher.“
2003 öffnete in Deutschland die sozial-grüne Koalition die Schleusen durch die Zulassung von völlig unkontrollierten Kreditverbriefungen (Derivate) sowie von Hedgefonds.“
- Entmachtung des Kapitalismus
„Aus dem durch eine schwere Krise sichtbar gewordenen Zusammenbruch des Dogmas von den segensreichen Wirkungen entfesselter Märkte folgt: Die kapitalistische Marktwirtschaft muss zugunsten des Vorrangs der Politik entmachtet werden. Im Mittelpunkt stehen harte Regulierungen der Finanzmärkte. Die Idee, die dienenden Funktionen der Geschäftsbanken gegenüber dem hochriskanten Investmentbanking abzuschotten, ist wichtig. Entscheidend ist jedoch die Kontrolle, die Begrenzung, ja das Verbot der gefährlichsten Spekulationsinstrumente.
Es geht darum, den Investmentbankern diese Geschäftsfelder zu entreißen. Dazu gehört die Einschränkung des von Kunden unabhängigen Eigenhandels, den die Banken zur Profiterzielung nutzen. Auch sind ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Anleihen schlichtweg zu verbieten. Schließlich dürfen künftig nur noch die Hälfte der Kredite verpackt werden, und für die andere Hälfte ist hartes Eigenkapital bei den Banken zu bilden. Darüber hinaus muss die Abwanderung von Investment- und Hedgefonds in „Schattenbanken“ durch Genehmigung und Kontrolle ihrer Geschäftspolitik verhindert werden.“
- Schrumpfung und Regulierung
„Der Kapitalismus ist nur durch Schrumpfen und Regulierungen zu retten. Die krisentreibenden Exzesse sind zu verbieten, weil sie die Gesamtwirtschaft und Gesellschaft belasten. Finanzmärkte sollten auf ihre dienende Funktion zurückgeschraubt werden. Der ordnende Staat hat für streng einzuhaltende Spielregeln des Wirtschaftens zu sorgen. Sicherlich hat die um sich greifende Gier die Fehlentwicklung vorangetrieben. Sie ist ein zutiefst moralisches Problem. Dazu bedarf es eines gesellschaftlichen Diskurses über Ethik und Moral.“
- fehlende Ethik- und Moralstandards in Diskurs und Curriculum der Hochschulen
„Der organisierte Verzicht auf die Diskussion von Wirtschaftsethik und Moral bei der Präsentation von Modellen zur Renditeoptimierung ist ein Skandal, der den Betroffenen sowie der Gesellschaft teuer zu stehen kommt. Der heutigen Generation der Studierenden in Sachen Techniken der Renditeoptimierung im Kapitalismus droht die Reduktion auf den seelenlosen und therapieverdächtigen „homo oeconomicus“.“
- Aufruf zum Aufstand
„Wo bleibt der Aufstand für den Bildungsauftrag zum Nutzen der Betroffenen und der Gesellschaft?“
Hier der Originaltext des Artikels: Tagesspiegel - 27.10.2011 - von Rudolf Hickel - "Die Perversion des Systems"
"Auf die immer wieder gestellte Frage, ob dieser Kapitalismus wegen seines Zerstörungspotenzials noch zu retten sei, ist in einem mühseligen Lernprozess unter mehreren Möglichkeiten eine konsensualisierbare Antwort gefunden worden. Effizienz und Wohlstand sind auf der Basis der kapitalistischen Märkte nur zu erzielen, wenn das ökonomische System unter dem Primat der Politik in eine gesellschaftliche Ordnung eingebunden wird ..." Bitte weiterlesen: hier
MfG Peter A. Weber