Palästinensische Kinder in israelischer Haft

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Palästinensische Kinder in israelischer Haft
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Palästinensische Kinder in israelischer Haft


von Annette Groth


Im Sommer [2014], während des Gazakrieges, gingen die Bilder von Tariq Abu Khdeir, einem 15jährigen amerikanischen Staatsbürger palästinensischer Herkunft, um die Welt. Tariq war während einer Reise nach Jerusalem am Rande einer Demonstration gegen die Ermordung seines Cousins, Muhammad Abu Khdeir, von drei israelischen Jugendlichen, zwei davon Siedler, brutal zusammengeschlagen worden.

Fotos und Videos beweisen, daß ein israelischer Polizist Tariq mißhandelt hatte: Die Lippe und eine Gesichtshälfte des Jugendlichen waren stark angeschwollen und rot-blau gefärbt, Blutkrusten überzogen sein Gesicht. Nase und Kinn waren gebrochen, die Augen verletzt. Sein gesamter Körper war von Schlägen getroffen worden. Tariq wurde – nachdem ihm die Verletzungen zugefügt worden waren – verhaftet und eingesperrt. Medizinische Versorgung erhielt er erst Stunden später, nachdem das US-Konsulat interveniert hatte. Erst dann wurde der junge Mann ins Hadassah-Krankenhaus verlegt und behandelt. Tariq Abu Khdeir hatte Glück, das US-Konsulat griff ein, er wurde freigelassen.

Seit der Besetzung der Westbank und des Gazastreifens 1967 ist der israelische Staat als Besatzungsmacht nach den Bestimmungen der Genfer Konventionen für das Wohlergehen der palästinensischen Bevölkerung verantwortlich. Auch die Internationale Kinderrechtskonvention müßte in den besetzten Gebieten umgesetzt werden. Die israelische Regierung lehnt es aber ab, den Verpflichtungen nachzukommen.

Seit 1967 sind die PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten dem israelischen Militärrecht unterstellt – auch Kinder. Tausende wurden verurteilt und dürfen sechs Monate lang ohne Anklage festgehalten werden – mit der Option auf mehrmalige Verlängerung. In den letzten zehn Jahren hat Israel 7.000 palästinensische Kinder und Jugendliche inhaftiert. Im Oktober 2014 saßen laut der palästinensischen Nichtregierungsorganisation Addameer 182 palästinensische Kinder in israelischen Gefängnissen. 19 davon waren unter 16 Jahre alt. Gemäß der israelische Militärorder 1651 [siehe PdF im Anhang!] können palästinensische Kinder ab einem Alter von zwölf Jahren bis zu sechs Monate inhaftiert werden und ab einem Alter von 16 Jahren die gleichen Strafen wie Erwachsene verbüßen. Allein für das Werfen von Steinen auf israelische SoldatInnen oder PolizistInnen können Richter Kinder mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestrafen.
 

 

Israelische Behörden und Sicherheitskräfte verweigern inhaftierten palästinensischen Kindern oft elementare Rechte und in 90 Prozent der Fälle lehnen Haftrichter es ab, Minderjährige auf Kaution freizulassen. Ihre Familien dürfen sie häufig nicht besuchen, AnwältInnen sehen sie meist nur zu den Gerichtsterminen. Die Verhöre der Minderjährigen verlaufen in der Regel ohne Beisein eines Rechtsbeistandes oder Erziehungsberechtigten.
 

 

 

 

Ein UNICEF-Bericht aus dem Jahr 2013 [siehe PdF im Anhang!] kam zu dem Schluß, daß die »Mißhandlung von palästinensischen Kindern in israelischer Militärhaft … weit verbreitet, systematisch und institutionalisiert zu sein« scheint. Die verhafteten Kinder werden nicht ausreichend über ihre Rechte aufgeklärt und mit Einschüchterung und Gewalt dazu gezwungen, Geständnisse zu unterschreiben. Diese »Geständnisse«, die laut einem Bericht des UN-Menschenrechtsrats aus Angst vor Mißhandlungen von 90 Prozent der inhaftierten Kinder unterzeichnet werden, sind auf hebräisch abgefaßt, einer Sprache, die die Mehrzahl dieser Kinder nicht beherrscht. Viele geben nicht begangene Taten zu, um die Haftzeit zu verkürzen.
 

     

 

Kinder werden vor allem in der ersten Haftphase verbal attackiert und gedemütigt, die sie Verhörenden drohen ihnen und Familienangehörigen mit Gewalt oder gar mit Mord oder sexuellem Mißbrauch. Sie werden gefesselt, in Isolationshaft genommen, müssen Häftlingskleidung tragen, leiden unter Wasser- und Nahrungsentzug, ihnen wird eine angemessene medizinische Versorgung vorenthalten, teilweise werden sie über Stunden daran gehindert, die Toilette aufzusuchen. Laut Studien zu den Haftbedingungen in israelischen Gefängnissen wurden Kinder gezwungen, Urin zu trinken. Im letzten Winter, während im Nahen Osten ein Wintersturm wütete, wurden palästinensische Häftlinge monatelang in Eisenkäfige im Freien eingesperrt – darunter auch Minderjährige. Kinder und Jugendliche, die inhaftiert waren, werden nicht nur während ihrer Haftzeit daran gehindert, ihre Schulausbildung fortzuführen, sondern brechen nach ihrer Freilassung überproportional häufig ihre Schulausbildung ab.
 

   

 

Von fairen Prozessen kann unter diesen Bedingungen keine Rede sein, das bestätigen auch international anerkannte Organisationen, unter ihnen UNICEF und Defence for Children. Das Recht eines jeden, nicht gefoltert oder mißhandelt zu werden, ist eines der Menschenrechte, die als absolut gelten und weder ausgesetzt noch eingeschränkt werden dürfen. Die israelische Regierung und die israelischen Sicherheitsbehörden verstoßen regelmäßig dagegen.

Auch Tariq Abu Khdeir hätte wahrscheinlich dieses menschen- und vor allem kinderunwürdige System durchlaufen, nachdem er vor laufender Kamera zusammengeschlagen worden war. Es war einzig seine amerikanische Staatsbürgerschaft, die ihn davor bewahrte. Andere Kinder haben dieses Glück nicht.

Annette Groth, MdB

 

: Bitte um Beachtung der 8 angehängten -Texte weiter unten!!


 

Lesetipp:


Stone Cold Justice. Das zionistische System der Einschüchterung - weiter


Webseite / Datenbank: Israeli Military Orders in the Occupied Palestinian Territory

The following database of Israeli issued military orders covers only small proportion of the extensive Israeli directory of military orders issued over the past four decades to control the West Bank and the Gaza Strip. Much of the following Israeli military orders were issued to confiscate Palestinian lands to build the under construction Israeli Segregation Wall or demolish Palestinian houses under the pretext of "building without license".  However, those are only some of the Israeli used pretexts to take control of the land and the different aspects of the Palestinians life in addition to violating the protected human rights under international law.
Attempts are underway to acquire all Israeli issued military orders since 1967 to make it available as a reference for research purposes
. - weiter

 

Quelle:  Erschienen in Ossietzky, der Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft - Heft 25/2014 > zum Artikel

 

Ossietzky, Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft, wurde 1997 von Publizisten gegründet, die zumeist Autoren der 1993 eingestellten Weltbühne gewesen waren – inzwischen sind viele jüngere hinzugekommen. Sie ist nach Carl von Ossietzky, dem Friedensnobelpreisträger des Jahres 1936, benannt, der 1938 nach jahrelanger KZ-Haft an deren Folgen gestorben ist. In den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte er die Weltbühne als konsequent antimilitaristisches und antifaschistisches Blatt herausgegeben; das für Demokratie und Menschenrechte kämpfte, als viele Institutionen und Repräsentanten der Republik längst vor dem Terror von rechts weich geworden waren. Dieser publizistischen Tradition sieht sich die Zweiwochenschrift Ossietzky verpflichtet – damit die Berliner Republik nicht den gleichen Weg geht wie die Weimarer.

Wenn tonangebende Politiker und Publizisten die weltweite Verantwortung Deutschlands als einen militärischen Auftrag definieren, den die Bundeswehr zu erfüllen habe, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie Flüchtlinge als Kriminelle darstellen, die abgeschoben werden müßten, und zwar schnell, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie Demokratie, Menschenrechte, soziale Sicherungen und Umweltschutz für Standortnachteile ausgeben, die beseitigt werden müßten, dann widerspricht Ossietzky. Wenn sie behaupten, Löhne müßten gesenkt, Arbeitszeiten verlängert werden, damit die Unternehmen viele neue Arbeitsplätze schaffen, dann widerspricht Ossietzky – aus Gründen der Humanität, der Vernunft und der geschichtlichen Erfahrung.

Ossietzky erscheint alle zwei Wochen im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Berlin – jedes Heft voller Widerspruch gegen angstmachende und verdummende Propaganda, gegen Sprachregelungen, gegen das Plattmachen der öffentlichen Meinung durch die Medienkonzerne, gegen die Gewöhnung an den Krieg und an das vermeintliche Recht des Stärkeren.
 

Redaktionsanschrift:


Redaktion Ossietzky
Haus der Demokratie und Menschenrechte

Greifswalderstr. 4

10405 Berlin

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http://www.ossietzky.net/


 

► Bild- und Grafikquellen:

 

1. Tarek Abu Khdeir following his injuries. (Photo provided and published with consent from the Abu Khdeir family) - Quelle: mondoweiss.net > Artikel mit Bild.

Tarek Abu Khdeir following his injuries. (Photo provided and published with consent from the Abu Khdeir family) - See more at: http://mondoweiss.net/2014/08/tariq-abu-khdeir-is-not-deterred-despite-israeli-police-attack-he-plans-on-returning-to-palestine#sthash.cdDiNLNW.dpuf


2. Israeli Soldiers raid Bil’in village regularly during the night time to make arrests, mostly on young boys. Photo taken by: Hamde Abu Rahmah. Source: ALL THINGS PALESTINE > Artikel mit Bild

3. - 5. Psychoterror: Verschleppung und Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen ist seit Jahrzehnten ein von Polizei und IDF-Soldaten praktiziertes Mittel. Wer das nicht glaubt, sollte sich die Reportage "COLD STONE JUSTICE" des australischen Senders ABC anschauen. Das pervertierte zionistische System macht selbst von Kleinkindern nicht halt. Das stinkt zum Himmel. Quelle: International Solidarity Movement (ISM)

6. An Israeli soldier strangles a child in Beit Ommar. Foto: Palestine Solidarity Project. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

7. Kinder und Jugendliche werden zu tausenden aus den Häusern ihrer Eltern geholt, verhört, bedroht, verletzt und eingelocht. UNO, UNICEF und eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen haben dies bereits mehrfach dokumentiert und scharf kritisiert. Selbst einige Israelis sind gegen diese Vorgehensweise, können sich aber nicht durchsetzen. Foto: International Solidarity Movement. Licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 license. Siehe auch Nutzungsrechte-Hinweis auf der ISM-Seite

8. Soldier points gun at 14-year-old boy. in Beit Ommar. Foto: Palestine Solidarity Project. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

9. Children show solidarity with Gaza. Foto: Palestine Solidarity Project. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)


 

10. + 11. Boycott, Divestment and Sanctions (dt. Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen, kurz BDS) ist eine internationale wirtschaftliche und akademische Kampagne, die am 9. Juli 2005 auf den Aufruf von über 170 palästinensischen Nicht-Regierungsorganisationen hin ins Leben gerufen wurde. Diese fordern „ … Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen gegen Israel, bis es das Völkerrecht und die universellen Menschenrechtsprinzipien respektiert“. Die Organisation fordert das Ende der militärischen Besatzung des Westjordanlandes, die Aufgabe der israelischen Sperranlagen im Westjordanland und eine Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems. Sie setzen sich zudem für die Rechte arabischer Israelis ein.

Die Kampagne hat international einiges Aufsehen erregt und hat prominente Befürworter, aber auch viele Kritiker.


12. Foto/Startseite: "I AM RESULT OF ISRAELI OPPRESSION" Karikatur von Carlos Latuff, einem "Politischen Karikaturist", geboren November 1968 in Rio de Janeiro, Brazil. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk wurde von seinem Urheber Carlos Latuff als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit. Carlos Latuff (eigentlich Carlos Henrique Latuff de Souza) gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich. Sein Blog > latuffcartoons.wordpress.com