Politische + Historische Korrektheit sowie Geschichtsklitterung

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Peter Weber
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Politische + Historische Korrektheit sowie Geschichtsklitterung
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Politische + Historische Korrektheit sowie Geschichtsklitterung


Gerade "political correctness" um es einmal in Neudeutsch auszudrücken, ist heutzutage insbesondere bei Menschen, die beschönigen wollen und etwas zu verbergen haben, sehr in Mode. Diese Thematik hat mir in der letzten Zeit ständig in den Fingern gejuckt, so daß ich nicht umhin kam, sie mir endlich einmal konkret vorzunehmen.


Ich habe den Eindruck, daß die gesellschaftlichen und politischen Kreise, die so sehr auf politische Korrektheit drängen, damit nur ihre eigene Unfähigkeit mit dem Umgang der jeweiligen Problematik verschleiern wollen. Außerdem soll die von den Protagonisten eingeforderte "Politische Korrektheit" beweisen, welch vorbildliches Demokratieverständnis von ihnen zur Schau getragen wird, damit nur niemand auf die falsche Idee kommen kann, ihre wahren Absichten  ans Tageslicht zu bringen. Überkorrektes Verhalten ist stets auffällig und verdächtig. Der Protagonist will damit in der Regel verbergen, daß er menschliche Schwächen in sich trägt, die nicht publik werden sollen. Auch dient dieses Gebaren der Verdrängung, damit man sich der Mühe entziehen kann, sich intensiv mit seinen eigenen Fehlern auseinander zu setzen.


Der Begriff „historical correctness“ ist das Pendant zur „political correctness“ auf gesellschaftlicher und historischer Ebene. Selbst wenn jemand den Einwand bringen würde „nicht schon wieder“, würde ich trotzdem bis zum Erbrechen weiter entgegnen: Ich setze in diesem Punkt auf Molières Satz „Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat“. Ob es sich handelt um:

  • die Genese der Entwicklung der Alten und Neuen Testaments über viele Jahrhunderte und mit diversen Mitwirkenden,
  • die Rolle des Römischen Reiches, seine Absichten und die Bedeutung für unsere heutige Gesellschaft,
  • die Kirchengeschichte und das Christentum als Nachfolgeinstitution des Römisches Imperiums,
  • die Kreuzzüge als christlichen Imperialismus,
  • den Kolonialismus als globalen Imperialismus, der weitgehend ebenfalls von christlichen Hintermännern initiiert wurde,
  • den Kommunismus in der Gestalt des Leninismus-Stalinismus-Maoismus und seiner Abarten,
  • die Motive zur Entfachung von Kriegen seit dem Beginn der Geschichtsschreibung,
  • den Faschismus, den es ja nicht nur in der deutschen Ausprägung gab – und der in den verschiedensten Versionen bis heute überlebt hat,  
  • die sog. Entnazifizierung in Deutschland, bei der nur ein paar Sündenböcke gesucht wurden und der Rest als willkommene Kollaborateure im Namen der Demokratie eingespannt wurden,
  • das Wirtschaftswunder, das gefördert von den Profiteuren aus den USA schnell eine Eigendynamik annahm und einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung des Kapitalismus leistete,
  • den Kalten Krieg, in dem sich Deutschland in die Rolle einer Aufmarschbasis der Alliierten gegen den Ostblock drängen ließ,
  • die Entwicklung der Demokratie und der sog. freien Marktwirtschaft, die als uneigennützige Leistung zum Wohlergehen des Volkes verkauft wird,
  • die sog. westliche oder auch abendländisch-christliche Zivilisation, die sich anmaßte, sich über alle anderen Zivilisationen zu erheben,
  • den Fortschritt der technischen Entwicklung, die vom Wahn der Umsetzung alles Machbaren besessen ist,
  • die Glorifizierung in der Selbstdarstellung der einzelnen Nationalstaaten, die den gemeinsamen  Interessenszusammenhang aller Menschen vermissen läßt, usw.

Überall sind gewaltige Lügen im Spiel. Entweder man betrügt sich mit zurechtgebogenen Erklärungen selbst oder wir werden von der Geschichtsschreibung und den entsprechenden Einflüsterern systematisch hinters Licht geführt.

Ich kann es Euch auch nicht ersparen, mal wieder ein Beispiel aus meinem keltischen Gesichtskreis zu bringen. Aber ich kann Euch versichern, daß Ihr es nach Belieben austauschen könnt gegen Eure ureigenen Identifikationsmuster. Also – wenn ich von meiner  keltischen Identifikation erzähle und mich auf historisches Glatteis begebe bezüglich der Gepflogenheit der alten Kelten, deren Lebenseinstellung oder historische Details, dann begegne ich immer wieder Menschen, die mir widersprechen und mir von gegenteiligen, angeblich gesicherteren, Erkenntnissen berichten. In solchen Fällen antworte ich stets im Sinne von Molière und in dem Bewußtsein, daß der genaue und „wahre“ Verlauf der Geschichte wohl niemals objektiv erfaßt werden kann und offiziell bekannte Geschichte bestenfalls eine Sichtweise von vielem Möglichen ist – und schlechtestenfalls eine unverschämte Lüge.

Das einzige, was bei Geschichtsbetrachtung zählt, ist doch, daß persönliche und gesellschaftliche Lehren und Konsequenzen daraus gezogen werden. Damit dies weitgehend verhindert wird, wird Geschichte eben verfälscht und aus Aspekten heraus geschildert, die nur für eine Minderheit relevant ist. Für mich persönlich sind es die Ideen und Impulse, die ich aus der vergangenen keltischen Kultur, die auch noch zufälligerweise in meiner Heimat stattgefunden hat, beziehe und die ich in mein praktisches Leben einbeziehen kann, weil sie – oder gerade weil sie in die heutige Zeit übertragen werden können. Diese Ideen helfen mir in meinem Alltag und geben mir einen Lebenssinn. Wenn diese Ideen dann auch noch dazu taugen, in der modernen Gesellschaft und Welt positive und konstruktive Lösungsansätze abzugeben, dann wäre es doch töricht, sie zu ignorieren. Wie bereits erwähnt, kann jeder seine persönlichen Ideen - sofern er welche auftreiben kann - an die Stelle meiner setzen und erzielt damit einen ähnlichen Effekt.

Ob diese Ideen und Impulse nun tatsächlich auf „wahren“ historischen Tatsachen beruhen, das ist für mich ziemlich uninteressant oder zumindest nicht zielführend. Es geht hier auch nur am Rande um meine individuelle Entwicklung, denn wir haben es mit dem übergreifenden globalen und gesellschaftlichen Phänomen zu tun, daß die Menschen immer geschichts- und traditionsloser werden und sich von dem entgrenzen, was sie eigentlich von Natur aus sind und darstellen. Sie lassen sich zunehmen fremdsteuern und –bestimmen, verlieren den Boden unter ihren Füßen oder noch besser ausgedrückt, ihre Wurzeln, die ihnen Halt geben könnten. Wenn wir geschichtskritisch denken wollen, müssen wir uns zu allererst die Frage stellen:


Welche Personen waren in der Vergangenheit für Geschichtsschreibung zuständig und welche sind es heute?

Und welche Motivationen und Absichten stecken dahinter?


Geschichte wird  in bewußter Absicht geschrieben – und zwar meistens nicht, um die historischen Zusammenhänge und Abläufe möglichst korrekt und wirklichkeitsnah wiederzugeben, sondern um bestimmte Blickwinkel in den Vordergrund zu rücken. Geschichtsschreibung ist niemals objektiv, da sie von Subjekten verfaßt wurde, also von Menschen, die ein Interesse hatten, ihr persönliches Weltbild, ihre subjektiven Einschätzungen und Vorurteile in ihren Geschichtsroman einzubringen.

In der Vergangenheit wurden die Geschichtsschreiber von den Potentaten beauftragt, die Historie in deren Sicht umzuinterpretieren und zu deren Verklärung zu klittern. Heute werden Historiker von Staat oder von privaten bzw. wirtschaftlichen Organisationen bezahlt. Da Historiker meistens Bücher schreiben, haben sie natürlich ein ökonomisches Interesse daran, daß ihre Erzeugnisse sich gut verkaufen – das gleiche gilt für die Verlage und Fernsehanstalten. Also wird man versuchen, das geschichtliche „Produkt“ medienwirksam zu gestalten und verkaufsfördernd aufzupeppen.

Andere wie Caesar haben die Geschichtsschreibung sogar in die eigenen Hände genommen. Was dabei herausgekommen ist, weiß jeder Lateinschüler, der seine selbst beweihräuchernden Schriften über „De bello Gallico“ (Über den Gallischen Krieg) pauken mußte: Die Römer als Bringer und Missionare der Kultur, die in deren Auftrag einen Freibrief zur Unterwerfen erworben hatten – und die Kelten und Germanen selbstredend die Barbaren, die für ihre Versklavung noch dankbar sein mußten, weil sie endlich einmal an der Zivilisation riechen durften!  Jedem Krieg, jeder Schlacht und jedem zwecklos Gefallenen (auf der eigenen Seite natürlich) wird dort und in anderen eigennützigen Geschichtserzählungen noch ein hehrer Sinn verliehen. Studiert einmal z. B. die offizielle römische Kirchengeschichte – Ihr werdet aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Was dort geschrieben steht, das hat mit der Realität auf unserer Welt nicht viel zu tun, wahrscheinlich wird von den Vorkommnissen aus dem Jenseits berichtet.  Auch heute noch beschäftigt jede Stadt, die etwas auf sich hält und es ich leisten kann, einen Stadtschreiber, der die Annalen aufhübscht. Den Touris muß man ja schließlich etwas über die glorreiche Vergangenheit und die Heldentaten der Vorfahren werbeträchtig auf die Nase binden können.

Selbstverständlich darf die entscheidende Rolle der Kirche in diesem Zusammenhang nicht unterschlagen werden. Sie spielte bei der Geschichtsschreibung in der westlichen Welt eine ganz besondere Rolle. Da das Analphabetentum bis ins Mittelalter die Regel war, besaß die Kirche das Primat in Sachen Wissenschaft und Geschichtsschreibung und somit die Deutungshoheit. Denn der Klerus bis hinunter zu den unteren Rängen, den Mönchen, war des Lesens und Schreibens kundig. So ist z. B. auch der Großteil der gälischen vorchristlichen Vergangenheit durch die Schreiberlinge in den Klöstern festgehalten und in eine entsprechende christlich Fasson gebracht worden.

Ich komme nochmals zurück auf ein Buch von Bernt Engelmann von 1974: „Wir Untertanen“ ein deutsches Anti-Geschichtsbuch. Im Beitrag „Die Wertegemeinschaft der lupenreinen Hurensöhne“ und meinem angehängten Kommentar „Die westliche Wertegemeinschaft als Ausgeburt des Bösen“ notierte ich folgendes:


 „Ich erinnere mich an ein Buch von Bernt Engelmann mit dem Titel „Wir Untertanen“, das ich mir nach dessen Veröffentlichung 1974 sofort kaufte und las. Dort wurde mir erstmals bewußt, mit welchen irrelevanten historischen Fakten ich in meiner Schulzeit belästigt wurde. In diesem Buch erklärt Engelmann den Bundesdeutschen erstmals, wie der seitherige Geschichtsverlauf von den Anfängen der „Kultur“ in der offiziellen Version verfälscht und nur aus Sicht der herrschenden Klassen interpretiert wurde. Was den sog. „kleinen Leuten“, dem gemeinen Volk, widerfahren ist, findet sich dort höchstens in der Beschreibung von Schlachten und der Zahl der Opfer oder der Erwähnung von Pandemien, die die Bevölkerungszahl dezimiert haben.“


„Wir Untertanen“, das ist Bernt Engelmanns kritische Interpretation eines Jahrtausends deutscher Vergangenheit aus zutiefst demokratischer Sichtweise. Er versucht, Geschichte von unten zu schreiben, bezieht eindeutige Position auf der Seite des Volkes, wenn die angeblich großen Darsteller der Geschichte wegen ihrer vermeintlich heldenhaften Taten gerühmt werden. Ruhm und Ehre wurde jedoch immer mit dem Schweiß und dem Blut der Namenlosen errungen.


„Das Buch behandelt die Geschichte der Deutschen vom Mittelalter bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Das herkömmliche, durch Schule, Geschichtsschreibung und Medien vermittelte Wissen der Deutschen von der eigenen Geschichte verkürzt sich auf die Geschichte von Staaten und Herrscherhäusern. Der Blick in die Vergangenheit fällt meist nur auf diejenigen, die ‚im Lichte stehen’ und wo große Geschichte ausgetragen wurde. Dagegen finanzierten die Untertanen durch ihre  erpressten Abgaben den gehobenen Lebensstil der Oberschicht. Sie waren es, die am meisten unter den Kriegen litten, welche von den gekrönten Häuptern - von jenen des Mittelalters bis zu denen des wilhelminischen Reichs  - aus eigennützigem Machtkalkül geführt wurden und die - von den Fuggern bis zu den Schlotbaronen - oft nur der Besitzvermehrung der Wohlhabenden dienten. Die unterschiedlichen Kriegsziele der Herrscherhäuser und die ständig wechselnden Kriegskoalitionen waren für das gemeine Volk meist unverständlich und nur insoweit von Bedeutung, als dass es dafür mit Leib und Gut bezahlen musste. Die deutschen Landesväter hatten kaum einmal das Wohl des Volks im Sinn, vielmehr dessen Disziplinierung. Engelmann beschreibt ausführlich die die Jahrhunderte durchziehenden Unterdrückungspraktiken, wie die drakonischen Strafgesetze, die Folter, die Zensur, die rechtlose Stellung der Untertanen, die oft willkürlich ausgeübte hoheitliche Gewalt und nicht zuletzt die grausame Rache, welche die Herrscher immer dann nahmen, wenn das Volk sich gegen ihr despotisches Regiment zu erheben wagte.“


Deshalb gilt: Nicht resignieren aufgrund der vorliegenden Geschichtsklitterungen, sondern offizielle Geschichtsschreibung zunächst einmal grundsätzlich in Zweifel ziehen und nicht einfach glauben. Als zweiten Schritt dann hinterfragen und selbst interpretieren! Wer sich nicht erinnert, wiederholt die Fehler seiner Vorfahren. Wie viel unnütze Zeitverschwendung und vor allem wie viel unverzeihlichen Schaden könnten wir uns ersparen!


Mfg Peter A. Weber