Prima Klima auf der langen Bank
G7 steuert entschieden gegen Erderwärmung
von Wolfgang Blaschka via isw München
Es ist wie bei jedem Gipfel: Außer Spesen wenig gewesen. Doch, etwas schon: Das Abschluss-Kommuniqué. Daran wurde im Bundeskanzleramt vermutlich seit einem halben Jahr sorgsam gefeilt. Und so konnte ein erleichterter Regierungssprecher Seibert schon vorab hinter vorgehaltener Hand den wartenden Journalisten diskret verraten, dass seiner Chefin neues Lieblingswort hinein geschmuggelt werden konnte - anscheinend ohne dass es die Gipfelgäste gemerkelt hätten. Zumindest haben sie nichts dagegen eingewendet, obwohl es die Kanadier im hohen Norden wohl durchaus gern ein bisschen wärmer gehabt hätten, und die Japaner auch nicht gerade als fanatische Umweltschützer gelten. Aber wer liest schon das abgestandene Geschwafel von lange vorher.
Im Vertrauen: Das Wort heißt diesmal nicht "Neuland" oder "alternativlos", sondern "Dekarbonisierung" (Entkohlung), was wohl soviel heißen soll wie "Karbon-Reduktion", um nicht zu sagen Verminderung weiterer Zuführung von Kohlendioxid in die Atmosphäre. Damit letztere wiederum nicht allzu sehr mit deutschem Ökoquatsch belastet wird, wurde das Ziel etwas längerfristiger denn sinnvoll formuliert: Bis zum Ende des Jahrhunderts (und wir sind ja erst am Anfang!) darf nur noch gerade mal soviel CO2 emittiert werden, dass sich die atembare Luftblase um den Planeten um nicht mehr als zwei Grad Celsius weiter erwärmt haben wird im Vergleich zu vor eineinhalb Jahrhunderten, also über den Zeitraum seit Beginn der Industrialisierung. Das macht dann insgesamt rund 250 Jahre. Das ist wie bei der Inflation, sprich schleichenden Geldentwertung: Zwei Prozent Kaufkraftverlust pro Jahr gelten als patent. Weniger wäre geradezu riskant, weil deflationsverdächtig, sagen Ökonomen. Es würde das Investitionsklima beeinträchtigen. 2 % bringen Geldwertstabilität!
Ein bisschen Erhitzung soll also schon sein, sowohl bei den Preisen für Pelzmäntel als auch bei globalen Luftgeschäften. Durch die globale Klimaerwärmung allerdings sinkt die weltweit durchschnittliche Nachfrage nach Pelzmänteln, was wiederum tierschutz- und umwelttechnisch äußerst hilfreich sein dürfte. So können schwitzende Polarbären überleben, ohne komplett ausgezogen zu werden. Und trotzdem steigen die Preise. Genial! Immerhin schützt das allzu oft und viel gescholtene Kohlendioxid die Erde vor kosmischer Auskühlung, während Inflation nur die Ersparnisse der Werktätigen kaltmacht; die Reichen flüchten in Sachwerte. Das nur nebenbei.
Wie das genau gehen soll mit der "Decarbonization" (Entkohlung], wird so detailliert nicht verraten. Es kursieren freilich Gerüchte: Das amtliche Einsammeln aller Bleistifte stünde kurz bevor, und die Konfiskation alter Schreibmaschinen-Farbbänder sei nicht mehr zu verhindern. Bei den Glühbirnen ging das ja auch per Gesetz. Dafür kann der Braunkohleabbau ungestört weiter betrieben werden, dank Gabriel. Bis zum Jahr 2100 wird sich kaum noch einer der am Gipfel Beteiligten auf den Beinen halten geschweige denn daran erinnern, was in dem Papier von anno dunnemal gestanden haben soll. Das ist praktisch, wenn man sich Ziele steckt, die auf jenseits aller Ablauf-Fristen datiert sind. Was sind schon 85 Jahre, wo der Atommüll doch über hunderttausende vor sich hinstrahlen wird?!
Greenpeace hatte sofort angebissen und eine schicke Trittbrett-Aktion vorbereitet. In den frühen Morgenstunden des zweiten Gipfeltages knallten kampagnengestählte Aktivisten per Lasershow forsch ihre froschgrüne Botschaft in die wabernden Gebirgsnebel vor der Felswand. Kaum entzifferbar flackerte da der Slogan "100 % Erneuerbare!" in die Präsidentensuiten des Retreats. Obama mag sich beim Aufwachen die Augen gerieben haben und dachte zunächst wohl an seine "forgotten Lederhosn".
- What the fuck are Erneuerbare?
- Weißwürste und alkoholfreies Weißbier können doch nicht solch flirrende morgendliche Nachwirkungen zeitigen?
- War das nun Protest oder Promotion?
Der Gipfel habe geliefert, hieß es. Renewables, der Energy-Mix, der müde Männer munter macht.
Was bleibt von so einem Gipfel, sind allemal die Klassenfotos. Diesmal gab es zwei. Am ersten Tag das übliche: Neun Leute; acht davon winken fröhlich, die eine in der Mitte macht die Raute. Das ist exakt choreografiert: Ich bin die Mitte, der Dreh- und Angela-Punkt des Universums. Das hat sie auch schon beim Empfang der Gäste so gemacht: Immer die Raute vor dem Bauch. Als würde man sie ohne ihr vorgehaltenes Markenzeichen gar nicht erkennen, die stämmige Gastgeberin in ihren bunten Jopperln.
Für das zweite Foto hatten sie sich im Kanzleramt was passend symbolisches überlegt: Die lange Bank, auf die die Probleme der Welt mal wieder geschoben wurden. Noch besser als der breite Strandkorb von Heiligendamm zum Aussitzen! Deutschland ist doch für seine genialen Ingenieursleistungen bekannt. Da wollten sich die Schreiner und Tischler im bayerischen Oberland nicht lumpen lassen und bauten die vermutlich längste Holzbank, seit es Sitzfleisch gibt. Da passten dann auch noch die Zusatzgäste drauf.
Doch sage niemand, der Gipfel hätte gar nichts gebracht! Damit Hollande nicht mit völlig leeren Händen zum Klimagipfel nach Paris heimkehren muss, wurden ein paar Sofortmaßnahmen beschlossen, die der Klimaerwärmung wirksam entgegensteuern werden:
- Erstens eine neue Eiszeit mit Russland.
- Zweitens die Absprache zu einem frostigen Verhandlungsklima gegen Griechenland.
Zwar waren weder Putin noch Tsipras persönlich anwesend im Schloss Elmau, doch lieferten sie die Hauptgesprächsthemen. Sie waren die heimlichen Gipfelstars in Abwesenheit. Es konnte ungehindert über sie geredet werden. Man war sich da schnell einig: Noch mehr Sanktionen, noch mehr Druck. So bleiben die G7 stramm auf Kurs: Mit kühlem Kopf und voller Absicht geschlossen auf Konfrontationskurs. Dass nur das Thermometer nicht platzt!
Frau Lagarde, Ihr Job! Ein kaltes Lächeln wird den Globus abkühlen.
Wolfgang Blaschka, München
► Quelle: erstveröffentlicht bei isw München (Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.)
► Bildquellen:
1. Protestschild "FRACK DICH INS KNIE", gezeigt während der Gegen-Demo zum G7-Treffen (06.06.2015 in Garmisch-Partenkirchen). Fotograf: © Frederick Dietze > seine Webseite: www.southvibez.de > Facebook. Die Rechte verbleiben beim Fotograf! Herzlichen Dank für die freundliche Freigabe zur Veröffentlichung im KN.
2. Transparent "ENREGIEWENDE statt KLIMA-CHAOS" während der Demo "TTIP-stoppen" zum G7-Treffen (04.06.2015 in München). Fotograf: © Frederick Dietze > seine Webseite: www.southvibez.de > Facebook. Die Rechte verbleiben beim Fotograf! Herzlichen Dank für die freundliche Freigabe zur Veröffentlichung im KN.
3. "DEUTSCHE KOHLE KILLT DAS KLIMA". Im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft hatte Bundesminister Sigmar Gabriel am 11. und 12. Mai 2015 zu einem Treffen der G7-Energieminister nach Hamburg eingeladen. Unter dem Titel "Nachhaltige Energieversorgung sichern" (engl. Sustainable Energy Security) diskutierten die G7-Energieminister und ein Vertreter der Europäischen Kommission Optionen, wie eine nachhaltige Energiesicherheit langfristig gesichert werden kann.
Chris Methmann von Campact erläutert: "Braunkohle killt das Klima. Ausgerechnet das Energiewendeland Deutschland nutzt diese anachronistische Form der Stromerzeugung stärker als jedes andere Land der Welt. Wer Klimavorreiter sein will, muss jetzt den Ausstieg aus der Braunkohle einleiten.” und weiter “Der Klimawandel verschärft die Spannungen in den Krisengebieten der Erde. Braunkohle ist daher die falsche Antwort auf die Frage, wie wir die Energieversorgung Europas sicherer machen. Nur der beschleunigte Umstieg auf erneuerbare Energien und der effiziente Umgang mit Energie kann Europas Energieversorgung dauerhaft sichern.”
Foto: Karin Desmarowitz / www.campact.de/. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0)
4. EU at G7 Summit 2015: European Union Commission President Jean-Claude Junckerand and European Council President Donald Tusk attends the Family photo in SCHLOSS ELMAU, Germany on June 7, 2015. Photo credit: EU/AFP-SERVICES / TEYSSOT PIERRE. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).
5. IWF-Chefin Christine Lagarde neben US-Prasident Barack Obama, David Cameron, Angela Merkel und dem Rest der G7-Bande. Photo: The official photostream of the Prime Minister of the United Kingdom - https://www.gov.uk/. Crown copyright / Photographer: Arron Hoare. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)