Radikales Umdenken in neue Beziehungskultur gefordert

1 Beitrag / 0 neu
Bild des Benutzers Peter Weber
Peter Weber
Offline
Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Radikales Umdenken in neue Beziehungskultur gefordert
DruckversionPDF version


Radikales Umdenken in neue Beziehungskultur gefordert


Wie bringen wir die Menschen zu mehr Einsicht in ihre reale Interessenlage, zu mutigen Verhaltensänderungen, zu mehr Solidarität und letztlich zur Umsetzung eines Gemeinschaftsgefühls zum Zwecke der menschlichen Entwicklung und eines gedeihlichen Zusammenlebens? Dies sind die Fragen, denen wir uns stellen müssen und die auch außerordentlich spannend sind.

 
Bei den zur Verfügung stehenden Lösungsansätzen zur Umgestaltung unserer Gesellschaft haben wir grundsätzlich die Wahl zwischen
  • Hoffnung auf Lösung durch Umsetzung und Initiative von oben durch die Eliten, Politik und Wissenschaft, auf deren Einsicht und Kompetenz wir vertrauen
  • Hoffnung auf Initiative von unten, die an eine Reformwilligkeit der Eliten glaubt und gemeinsam mit ihnen Gesellschaft, Wirtschaft und Kapitalismus zivilisieren möchte
  • Deillusionierung von allen falschen Versprechungen und Vertrauen  auf eigene individuelle Stärke, die mit einem radikalen Umdenken im Kopf beginnt und eine neue Beziehungskultur anstrebt, die die Gesellschaft auf eine funktionale und fruchtbare Basis stellt
Gestern hat mich mal wieder eine Trainingseinheit vor dem Fernseher nicht nur körperlich fit gehalten, sondern ich konnte dabei gleichzeitig bei 3sat auch noch geistig profitieren. In der täglichen Sendereihe „Kulturzeit“ wurde Prof. Dr. Gerald Hüther mit seinem neuen Buch „Kommunale Intelligenz“ vorgestellt. Darin erläutert er, wie wir den Zerfall der alten Familien- und Gemeinschaftsstrukturen kompensieren können, in dem wir auf kommunaler Ebene eine neue solidarische Organisationen aufbauen, von der Alt und Jung gleichermaßen profitieren können. Weil es sich dabei nicht in erster Linie um eine Finanzierungs- sondern um eine mitmenschliche Lösung handelt, führt er uns auf einen Weg aus dem Teufelskreis heraus, der überall nur monetäre Ansätze anbietet.
 
Die folgenden Texte beschreiben genauer, welche Gedanken Gerald Hüter umtreiben. Als erstes hier der Beitrag der 3sat-Webseite:
 
Gemeinschaftsgefühl
 
Prof. Dr. Gerald Hüther über "Kommunale Intelligenz"
 
"Mit dem Zerfall familiärer Strukturen gehen mehr und mehr unsere sozialen Fähigkeiten verloren - und zwar unwiederbringlich. Denn, so sagt der Neurobiologe Gerald Hüther, neuronale Schaltungen im Kopf werden nicht mehr ausgeprägt. Er plädiert für mehr kommunale Intelligenz - zum Wohle der Gemeinschaft.
 
"Gemeinsam sind wir stark" und "Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen" - es sind viel zitierte, aber wenig gelebte Sätze. Die Realität unserer Gesellschaft steuert schnurstracks in Richtung Vereinzelung: Singles, Individualisten, Kleinfamilien und Karrierekämpfer. Dieser Trend im Kleinen zeigt sich auch in großen Gemeinschaften und politischen Strukturen. Klamme Kommunen und überschuldete Gemeinden bluten zusehends aus. Vereine, kulturelle und soziale Einrichtungen sterben. Großfamilie war gestern. Lebendiges kommunales Leben vielerorts auch. Bekämpft wird dieses wachsende Problem bisher nur mit einer Überdosis immer gleicher Forderungen: Sparen und Wachstum - ein Teufelskreis.
 
Manche Gemeinde ist so verzweifelt, dass sie nicht einmal vor riskanten Finanzgeschäften zurückschreckt um ihren Haushalt zu sanieren. So haben sich einige Kommunen faule Papiere von der Großbank JP Morgan andrehen lassen, die ihre Schuldenlast jetzt nur noch vergrößern. Ein Mehr vom alten Denken führt zu mehr Überforderung. Lösungen liefert es nicht. Ein radikales Umdenken fordert jetzt der Hirnforscher Gerald Hüther. Sein Buch "Kommunale Intelligenz" macht klar: Organisationsstrukturen, die nur auf Geld, Verordnungen und Vorschriften setzen, haben keine Zukunft - weil sie den Einzelnen entmündigen, zum Objekt der Strukturen machen und so den Glauben an gesellschaftliches Engagement vernichten.
 
Veränderung muss von innen kommen
 
Die Veränderung hin zu lebendigen Gemeinschaften muss von innen kommen. Sie beginnt im Kopf jedes Einzelnen, so Hüther. Vernetzungen im Gehirn die uns zu kreativen Gestaltern zukünftiger Gesellschaften machen, entstehen durch Vernetzungen in der Gemeinschaft. Lernen funktioniert nur durch eigene Erfahrungen und verschiedene Vorbilder. Je mehr Wissen ein Kind durch Austausch mit anderen sammelt, desto flexibler kann es das später kombinieren, um komplexe Herausforderungen zu lösen. Da, wo es kaum noch Großfamilien gibt, muss eine lebendige Kommune Begegnungsräume schaffen. Für Jung und Alt, Arm und Reich, Single und Kleinfamilie. So entstehen neue, emotionale Beziehungssysteme. Wer durch Emotionen lernt, lernt nachhaltig. Und wer sich mit mehr Eigenverantwortung für eine Gemeinschaft einsetzt an der sein Herz hängt, statt sich auf abstrakte, ineffiziente Verwaltungen zu verlassen, der spart am Ende sogar Ressourcen. Das ist kommunale Intelligenz."
 
Hier die Buchbeschreibung von „Kommunale Intelligenz“, die die Zielrichtung weiter konkretisiert:
 
Erfahrungsräume mit Potenzial
 
„Der Mensch lernt nur, was ihn begeistert. Nur, was mit unserer Erfahrungswelt zu tun hat und was wir in Beziehung zu anderen erfahren, etabliert neue und dauerhafte neuronale Verknüpfungen – Voraussetzung für wirklichen Lernerfolg. Gerald Hüther, einer der bekanntesten Neurobiologen Deutschlands, fordert die Umsetzung dieser Erkenntnis auf kommunaler Ebene.
 
Kommune, das ist viel mehr als eine Verwaltungseinheit, das sind wir alle. Kommune bedeutet ursprünglich »Gemeinschaft«: die Familie, das Dorf, die Stadt. Das sind die wahren Lernorte, für Kinder wie für Erwachsene. Hier lernt der junge Mensch, worauf es im Leben ankommt, wie man gemeinsam mit anderen sein Leben gestaltet und Verantwortung übernimmt. Diesen entscheidenden Erfahrungsraum wiederzubeleben, erfordert ein radikales Umdenken: eine neue Beziehungskultur.
 
So wie das Gehirn nicht immer größer wird, aber sich ständig weiterentwickelt, können auch Städte und Gemeinden wachsen: nicht durch ein »immer mehr«, sondern durch die Verbesserung der Beziehungen. »Kommunale Intelligenz« ist ein Aufruf, heute, vor Ort, mit einer neuen Lern- und Beziehungskultur zu beginnen. Jede Veränderung beginnt im Kopf, und sie manifestiert sich in vielen einzelnen Schritten.“
 
Hier die Verlinkung zum Buch Kommunale Intelligenz, das in der Körber-Stiftung erschienen ist,  sowie eine Leseprobe.
 
 
Peter A. Weber