Regierungswechsel in Frankreich - Adieu Sarko !

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R.K.
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Verbunden: 21.10.2011 - 11:33
Regierungswechsel in Frankreich - Adieu Sarko !
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Regierungswechsel in Frankreich!


Wenn bei uns Franzosen eine neue Regierung gebildet wird, dann ist das eine bühnenreife Inszenierung, die aus einer Melange aus Drama, Kabarett, Comédie française, Verwirr- und Intrigenspiel, bewusster Fehlinformationen und Operette besteht. Machiavelli hätte seine helle Freude daran gehabt, wie hier die Strippen gezogen werden.

Was ist geschehen? Ein neuer Staatspräsident wurde vom Volk gewählt! Diese Basisdemokratische Entscheidung führt in Frankreich stets zu einem Richtungswechsel, wofür man völlig neues Personal benötigt. Der scheidende Präsident, der Premierminister, seine Minister und deren höchsten Beamten müssen ihre Amtssitze bis Dienstag kommender Woche geräumt haben. Alle haben eigentlich dafür Zeit bis zur Amtsübernahme des neuen Präsidenten, doch der scheidende Präsident zeigte sich gestern nobel und wies bei der letzten Kabinettsrunde im Salle Murat des Elyséepalastes alle seine Minister an, sofort die Koffer zu packen. Da gab es Tränen! Ach wie schön sind die schönen Chateau der Ministerien, deren herrliche Weinkeller, die Appartements für die Minister und ihren Familien in der belle Etage und das Souterrain für die Maîtresse, die Leibwächter, die livrierten Bediensteten und die wunderbaren Autos mit der Tricolore an der Frontscheibe, mit der man in Frankreich erst richtig wichtig wird. Alles weg! Alles perdu! Am Dienstag kommende Woche wird aus dem Minister wieder ein einfacher Bürger, ohne Dienstwagen, ohne Leibwächter und ohne sein wunderbares Chateau!

Doch sie versuchen einen letzten Rest an Würde zu bewahren und sich ein kleines Mansardenzimmer im Palais Bourbon bei den anstehenden Parlamentswahlen zu sichern. Warum ist wohl der Hahn das Symbol der grande Nation? Antwort unisono: « C’est le seul animal qui chante avec les pieds dans la merde! (Das ist das einzige Tier, das noch singt, obwohl es mit den Füssen im Mist steht)». Ausserdem halten die Citoyen Frankreichs ihre gesamte politische Kaste per se für Lügner, Betrüger und Diebe. Also ist es dem Franzosen eigentlich egal, was ihre Politiker so treiben. „Ils sont tous les même Voyous!“ (Es sind alles die gleichen Gauner) sagt der Volksmund.

Gestern ging der Vorhang auf für die Opera buffo. In Deutschland würde man das Ganze nüchtern eine Regierungsumbildung nennen. Nicht so im Lande der Gallier, im Lande der Macchiavellisten, im Lande des Intriganten Fouché und eines Kardinals Richelieu. Nein, in Frankreich wird eine Regierung nicht einfach umgebildet, im Frankreich eines Charles Gounod und eines Maurice Ravel wird eine Regierung k o m p o n i e r t. Man nennt das in unvergleichlicher Lyrik und Romantik « La Composition du gouvernement ».

Da fahren die Karrossen der Minister, Staatssekretäre, Parteibonzen und sonstigen Strippenzieher hinter den Kulissen, mit ihren Peugeot und Renault, erkennbar nur als Regierungsfahrzeug durch eine Kokarde an der Windschutzscheibe, zum Hôtel Matignon, dem Amtssitz des Premierministers, zu dem grandiosen Palais am Quai d’Orsay, dem Amtssitz des Aussenministers, in den Innenhof des Innenministeriums am Place Beauvau, der in die Faubourg Saint Honoré führt, zurück in den Palais Luxembourg in die erlauchten Clubs des Senates und dann wieder in den Cour d’Honneur des Elyséepalastes, dem Amtssitz des französischen Staatspräsidenten.

Der neue Monsieur Le Président de la République wird den ganzen Tag nicht gesehen. Die Herren kommen und gehen, schreiten die Treppen zur Empfangshalle hinauf, verschwinden im Cabinet des Ersatzmonarchen und verduften wieder durch den Torbogen des Elysée mit ihren bescheidenen französischen Autos. Die lauernden Journalisten aus allen Herren Ländern, die auf das Bild des Tages warten, beschwatzen die Chauffeure der Regierungslimousinen, rauchen mit ihnen und versuchen herauszubekommen, wohin der Fahrer seinen Herr und Meister als nächstes fahren muss. Daraus lassen sich wieder neue Schlüsse ziehen. So entstehen sogenannte Rumeurs = Gerüchte.

Verstärkt werden die Rumeurs durch die genaue Beobachtung der zahlreichen Möbelwagen, die sich verdächtigerweise heute alle in Paris eingefunden haben. Ganz Paris möbelt. In den Ministerien fahren Lastwagen vor, stämmige Möbelpacker laden achtlos die wertvollsten Staatspapiere in primitive Umzugskartons und schaukeln sie auf ihren Handkarren durch die engen Gassen von Paris. Dabei wird natürlich geraucht, gelacht und zwischendurch fällt auch einmal ein wichtiges Dossier in den Bordstein. Man sammelt es wieder ein, stopft es in irgendeinen Karton und schiebt weiter zu seinem Camion. Von Sicherheit, Staatsgeheimnissen oder Polizeischutz weit und breit keine Spur.

Der Volksmund lästert heute in ganz Frankreich: Man wechselt keine Mannschaft, die ohnehin nichts mehr zu verlieren hat. (On ne change pas une equipe, qui n’a plus rien à perdre) Das ist dieselbe distanzierte Freude der Franzosen und der hämische Witz über ihre Politiker und die Fröhlichkeit, mit der ihr Hahn singt, während er mit den Füssen im Mist steht.

Voilà, c’est la France !


Rainer Kahni genannt Monsieur Rainer

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