Schmetterlinge im Bauch

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Peter Kern
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Schmetterlinge im Bauch
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Schmetterlinge im Bauch

Sie waren schon einmal verliebt? Sie sind verliebt? Welch eine schöne Erfahrung! Die Schmetterlinge im Bauch kribbeln, Hochstimmung ist angesagt. Sie sind wie verwandelt.  Die Welt ist in ein rosiges Licht getaucht.

Sexuell begehren Sie ihr Gegenüber,

erotisch werden sie von ihm verzaubert,

und sie versprechen sich und ihm, in guten wie in schlechten Zeiten, immer für ihn da zu sein. Sie lieben!

Vergessen Sie’s. Alles nur Chemie.

Sie sind Opfer, Opfer hormoneller und drüsenbedingter Prozesse ihres Körpers. Die Naturwissenschaft belehrt uns, und Wikipedia fasst zusammen: Verliebt sich ein Mensch, so sorgen verschiedene Botenstoffe für Euphorie (Dopamin), Aufregung (Adrenalin), rauschartige Glücksgefühle und tiefes Wohlbefinden (Endorphin und Cortisol) und erhöhte sexuelle Lust (Testosteron sinkt bei Männern, steigt bei Frauen). Auch Sexualduftstoffe werden vermehrt abgegeben. Hingegen sinkt der Serotoninspiegel stark ab, wodurch der Zustand der Verliebtheit in diesem Punkt eine Ähnlichkeit mit vielen psychischen Krankheiten aufweist. Das trägt dazu bei, dass Verliebte sich zeitweise in einem Zustand der „Unzurechnungsfähigkeit“ befinden können, sich dabei zu irrationalen Handlungen hinreissen lassen und Hemmschwellen abbauen. Nach einiger Zeit gewöhnt sich der Körper an diese Dosen, und ganz allmählich ( laut WHO maximal nach 24 bis 36 Monaten ) beendet das Gehirn diesen sensorischen „Rauschzustand“.

Alles klar. Jetzt wissen wir auch, weshalb unsere „Liebes“-Beziehungen heutzutage nur von so kurzer Dauer sind.

Doch: Halt !

Oben war von Verliebtheit, von Sexualität, von Erotik und von Liebe die Rede. Liebe nur als Produkt chemischer Körperfunktionen erklären zu wollen, greift zu kurz. Und jeder gute Naturwissenschaftler weiss das. Nur so mancher Journalist hat mal wieder missverständliche und missverstandene Forschungsergebnisse auflagenwirksam in die Öffentlichkeit getragen, wenn er behauptet, „Liebe“ sei nichts anderes als das Ergebnis von Körperfunktionen. Das gilt nur, wenn der Mensch lediglich als ein  „Werk der Natur“ betrachtet wird, also nur in seiner materiellen Leiblichkeit.

Er ist aber immer auch ein „Werk der Gesellschaft“. Was uns am Anderen anzieht, sind nicht nur die Sexualduftstoffe mit ihren körperlichen Folgewirkungen, sondern auch die gesellschaftlich gerade vorherrschende Ausdrucksformen der Leiblichkeit, der Kleidung, der Anmut überhaupt. Nennen wir sie die erotische Ausstrahlung, die mehr und anderes ist als das, was der Naturwissenschaftler messen kann.

Und schliesslich: Wir Menschen sind, wenigstens der Möglichkeit nach, auch ein „Werk unserer selbst“. In ihm erfahren wir die Grundstimmung der „Liebe“, die nicht das ihre sucht, die ganz für den Anderen da ist, auch dann, wenn die Sexualität nicht mehr so wirksam ist und die Erotik schon verblasst ist.

Diese „Liebe“ trägt uns als Person, sie vermag unsere Beziehungen auf Dauer zu stellen, die weit über die biologische Zeitspanne der 36 Monate des Verliebtseins hinaus wirksam ist. Auch das gehört zur menschlichen Erfahrung des Gesamtphänomens „Liebe“.

Doch davon weiss die Naturwissenschaft nichts, denn diese Erfahrungen kann sie mit ihren Forschungsmethoden nicht einfangen. Wer sie deshalb leugnet, missversteht sich selbst – und das mit katastrophalen Folgen. Er lebt im „Elend der Lieblosigkeit“ und wird zur unversieglichen Quelle individueller Miseren und kollektiver Katastrophen.

Dagegen gilt der neomodern zu interpretierende Satz von Augustinus: „Liebe, und tue, was du willst.“ Liebe im „Werk seiner selbst“ ist Caritas, wie es ein recht verstandenes Christentum weiss, ist Agape, wie die alten Griechen sagten.
 



Literaturempfehlung:

Helmut Kuhn: „Liebe“. Geschichte eines Begriffs, Kösel Verlag, 1975

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Liebe und Chemie

Liebe und Chemie


Ich erinnere mich an Rolf Ehlers, einen selbsternannten Serotonin-Experten aus den Reihen der KN-Autoren, der sozusagen das gesamte Verhalten des Menschen, sein Bewußtsein, seine Gefühle und Reaktionen auf einen einzigen Nenner bringen wollte: reduziert auf Hormone, also chemische Botenstoffe. Eine solche simple Auffassung vom "Funktionieren" einer solch komplexen Wesenheit wie dem Menschen hat mich sprachlos gemacht.

Besonders wenn es um das Beziehungsgefüge des Menschen zu sich selbst und zu andern geht, dann greift die Chemie zu kurz. Es ist bezeichnend, daß sich in unserer Zeit schon das geflügelte Wort von "Die Chemie stimmt" für geistige und gefühlsmäßige Übereinstimmung eingebürgert hat. Das beweist unsere naive Technologiegläubigkeit und die Auffassung, sämtliche Phänomene mit Hilfe der Ratio, physikalischer Gesetze und chemischer Prozesse erklären zu können. Menschen, die sich dieser Religion verschrieben haben, wissen gar nicht, wie unendlich weit sie daneben liegen. Auf dieser Ebene bewegt man sich, wenn man in diesem Zusammenhang eingebildete Oberflächlichkeiten meint, die nur dazu dienen, die eigene Selbstgefälligkeit zu pflegen.

Gerade solche Begriffe und Inhalte wie "Liebe", "Zuneigung", "Leidenschaft", "Hingabe", "Herzenswärme" oder "Herzlichkeit" entstammen vornehmlich der Region der Seele oder wie man es landläufig auch nennt, dem Herzen. Es gibt dafür keine plausible oder wissenschaftliche Erklärung, weil es sich um ein Bedürfnis handelt, das aus dem Innersten des Menschen kommt, eine Sehnsucht, die nach ihrer Erfüllung sucht. Mehr Analyse und Interpretation brauche ich jedenfalls nicht.

 

Peter A. Weber

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